L 6 AS 973/22 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 32 AS 214/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 973/22 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 09.06.2022 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht nach vorläufiger und summarischer Prüfung den Standpunkt des Antragstellers auf Grund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder doch für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. B. Schmidt in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 14. Auflage 2023, § 73a Rn. 7a). Der Erfolg braucht nicht sicher zu sein, muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Ist ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte, darf der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt werden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17.02.1998, B 13 RJ 83/97 R, juris Rn. 26; vgl. auch Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 13.03.1990, 2 BvR 94/88, juris Rn. 26, vom 14.04.2003, 1 BvR 1998/02, juris Rn. 10 f. und vom 29.09.2004, 1 BvR 1281/04, juris Rn. 14).

 

Nach diesen Maßstäben bietet die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

 

1. Die Klage der Klägerin zu 2 ist bereits unzulässig. Die am 21.11.2007 geborene Klägerin ist nicht prozessfähig. Sie ist minderjährig und weder nach den Vorschriften des bürgerlichen noch des öffentlichen Rechts für den Gegenstand des Verfahrens im Sinne des § 71 Abs. 2 Satz 1 SGG als geschäftsfähig anerkannt. Für sie haben auch nicht entsprechend § 71 Abs. 3 SGG ihre gesetzlichen Vertreter gehandelt. Auch auf mehrfache Nachfrage hat der Kläger zu 1 nicht nachgewiesen, dass er das alleinige Sorgerecht für die Klägerin zu 2 ausübt; gegen diese Annahme spricht im Übrigen auch die Tatsache, dass die Klägerin zu 2 weit überwiegend bei ihrer Mutter lebt. Der Kläger zu 1 hat die Klage namens der Klägerin zu 2 erhoben, ohne dass die Mutter dem zugestimmt hätte oder ihm diese Entscheidung nach § 1629 Abs. 1 Satz 3 Bürgerliches Gesetzbuch übertragen worden wäre.

 

2. Die Klage beider Kläger ist im Übrigen auch unbegründet. Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung ist § 41a Abs. 6 Satz 3 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Danach sind Überzahlungen, die nach der Anrechnung der vorläufig bewilligten Leistungen auf die abschließend festgestellten Leistungen fortbestehen, zu erstatten.

 

Der Beklagte ist berechtigt, von den Klägern die Erstattung der für die Zeit vom 01.11.2020 bis zum 31.03.2021 überzahlten Grundsicherungsleistungen nach § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II zu verlangen. Der Erstattungsbescheid vom 12.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2022 ist rechtmäßig.

 

Der Beklagte hat zunächst den Klägern vorläufig Leistungen nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II a. F. u. a. für den o. g. Zeitraum bewilligt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 19.08.2021 hat der Beklagte die den Klägern zuvor vorläufig bewilligten Leistungen abschließend festgesetzt.

 

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 19.08.2021 nicht inzidenter im Verfahren betreffend den sich aus der abschließenden Entscheidung ergebenden Erstattungsanspruch zu prüfen. Bei den beiden Verfügungen – abschließende Entscheidung über den Leistungsanspruch nach § 41a Abs. 3 SGB II und der daraus folgenden Erstattungsforderung nach § 41a Abs. 6 SGB II – handelt es sich um zwei selbstständige, voneinander unabhängige Verfügungen, die separat erlassen oder in einem gemeinsamen Verwaltungsakt zusammengefasst werden können. Im vorliegenden Fall handelt es sich um voneinander unabhängige Verwaltungsakte die im Abstand von ca. drei Monaten erlassen wurden. Der Bescheid vom 19.08.2021 mit dem die Leistungen abschließend festgesetzt wurden, enthält keinen Hinweis auf den noch zu erlassenden Erstattungsbescheid. Die bestandskräftige abschließende Entscheidung nach § 41a Abs. 3 SGB II entfaltet Tatbestandswirkung für die Berechnung des Erstattungsanspruches nach § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II (vgl. hierzu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.01.2019, L 19 AS 1810/18 B, juris Rn. 36).

 

Entgegen dem Vorbringen im Beschwerdeverfahren steht der von dem Kläger zu 1 am 22.06.2022 gestellte Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 19.08.2021 gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 12.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2022 nicht entgegen. Denn der Beklagte hat bislang noch keine Entscheidung über diesen Überprüfungsantrag getroffen, sodass es bei der Bestandskraft (§ 77 SGG) der abschließenden Festsetzung vom 19.08.2021 verbleibt. Allein die Stellung eines Überprüfungsantrages nach § 44 SGB X beseitigt die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes nicht (vgl. BSG, Urteil vom 10.04.2003, B 4 RA 56/02, juris Rn. 33; B. Schmidt in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 14. Auflage 2023, § 77 Rn. 4). Selbst wenn man dies anders sehen und auf den Zeitpunkt der Stellung des Überprüfungsantrages abstellen wollte, ergäbe sich daraus für den vorliegenden Fall nichts anderes, weil maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Überprüfung des angefochtenen Erstattungsbescheides vom 12.11.2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.01.2022 das Datum des Widerspruchsbescheides, also der 25.01.2022, ist (vgl. zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Begründetheit einer Anfechtungsklage Keller in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 14. Auflage 2023, § 54 Rn. 33 m. w. N.). Der Überprüfungsantrag bezüglich der abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch nach § 41 Abs. 3 SGB II wurde erst am 22.06.2022 gestellt.

 

Die Höhe der Erstattungsforderung ergibt sich aus der Differenz der abschließenden zur vorläufigen Festsetzung und ist von dem Beklagten zutreffend errechnet worden.

 

II. Kosten sind nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

 

III. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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