L 7 AS 16/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 24 AS 40/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 16/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 17/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des LSG wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.12.2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zum einen für die Klägerin für die Zeit von 01.01.2007 bis 30.06.2007 und zum anderen für den Kläger für den Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2007. Die am 00.00.1986 geborene Klägerin und der am 00.00.1990 geborene Kläger sind die Kinder von N P, die im streitigen Zeitraum die alleinige elterliche Sorge hatte (Urteil des Amtsgerichts Siegburg vom 07.05.1996 - 32 F 287/95). Der Vater der Kläger, L C, lebt in Australien. Sein Aufenthalt ist unbekannt und er kommt seinen Unterhaltsverpflichtungen nicht nach. N P heiratete 1998 den Zeugen B P. Die Kläger tragen den gemeinsamen Ehenamen (§ 1618 S. 1 und 4 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB] i.d.F. vom 02.01.2002). Sie bewohnten im streitigen Zeitraum mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und den Stiefgeschwistern Q P (geboren am 00.00.1995) und S P (geboren am 00.00.1995) das im gemeinsamen Eigentum des Ehepaares P stehende Haus in X-P, Hstr. 00 mit einer Wohnfläche von 231,58 qm. Die Kosten für Unterkunft und Heizung haben im streitigen Zeitraum insgesamt 1120,36 EUR für die Bedarfsgemeinschaft betragen. Es handelt sich hierbei um monatliche Zinsbelastungen von 817,- EUR, Nebenkosten von 218,36 EUR monatlich (Grundsteuer 708,- EUR, Wohngebäudeversicherung 174,27 EUR, Wasserkosten 1524,- EUR und Müllgebühren 204,- EUR jährlich) und 85.- Heizkosten. Für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft fallen Kosten für Unterkunft und Heizung von 186,76 EUR bzw. 186,72 EUR monatlich an. Die Klägerin besuchte das Gymnasium und ab August 2005 das Berufskolleg Rhein-Sieg. Vom 01.08.2006 bis zum 31.12.2006 absolvierte sie ein Praktikum. Zum 01.07.2007 zog sie zu einer Freundin, nachdem ihr Stiefvater sie aufforderte, den gemeinsamen Haushalt zu verlassen. Seit dem 01.08.2007 absolviert sie eine Ausbildung. Zeitgleich ist die Klägerin wieder zu Hause eingezogen, da sie sich mit der Ausbildungsvergütung an den anfallenden Kosten beteiligen kann. Die Klägerin und ihr Stiefvater haben nach ihren Angaben einen Mietvertrag abgeschlossen, wonach sie 185,- EUR als Kosten für Unterkunft und Heizung ab August 2007 monatlich sowie ein Kostgeld von 200,- EUR monatlich entrichtet. Ansprüche auf Grundsicherung macht sie seit August 2007 nicht mehr geltend. Der Kläger besuchte das Gymnasium und ab 09.08.2006 das Berufskolleg Technik. Der Kläger wohnt seit November 2009 in Siegen, wo er seinen Zivildienst ableistet. Die Kläger waren im streitigen Zeitraum über ihren Stiefvater, der als Informatiker im öffentlichen Dienst beschäftigt ist, in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert. Bis Dezember 2004 bezogen die Kläger Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz und anschließend Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Am 05.12.2006 beantragte die Klägerin für sich und den Kläger die Fortzahlung der Leistungen. Die Mutter der Kläger gab in diesem Zusammenhang an, sie habe weder in der Vergangenheit noch werde sie in Zukunft Leistungen nach dem SGB II beantragen. Sie sei nicht berufstätig und verfüge über kein eigenes Einkommen. Sie erhalte von ihrem Ehemann monatlich 650,- EUR Haushaltsgeld und weitere 600,- EUR monatlich für die Kläger als Darlehen, da die Zahlungen der Beklagten nicht immer pünktlich gewesen bzw. ganz ausgeblieben seien. Auf Anforderung übersandte der Zeuge P die Gehaltsbescheinigung für Dezember 2006 und teilte mit, er habe die Kläger bisher nicht finanziell unterstützt und werde dies auch in Zukunft nicht tun. Nach der Gehaltsabrechnung für Februar 2007, vorgelegt im Verfahren S 24 AS 11/07 ER, hatte der Stiefvater ein Erwerbseinkommen von 3819,36 EUR brutto (incl. eines Gehaltsbestandteils "Besitzstand Kind" von 362,28 EUR) und 2536,12 EUR netto. Auf der Steuerkarte des Stiefvaters waren vier Kinderfreibeträge eingetragen. Er bezog von seinen Dienstherrn Kindergeld in Höhe von insgesamt 641,- EUR monatlich. Nach Abzug von Steuern, Sozialversicherungsbeiträgen, Beiträgen für Vermögensbildung, RZVK-Zusatzrente (150,- EUR), Firmenticket (47,50 EUR) wurden 2939,62 EUR (Februar) bzw. 2970,30 EUR (Dezember 2006) - incl. Kindergeld - ausgezahlt. Nach einer Bescheinigung der Rheinischen Versorgungskasse handelte es sich bei der RZVK-Zusatzrente um eine freiwillige Zusatzrentenversicherung in Form einer Riesterrente. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verdienstabrechnungen Bezug genommen. Im fraglichen Zeitraum bestanden keine Gehaltspfändungen oder Vollstreckungen zu Lasten des Stiefvaters der Kläger. Die Beklagte lehnte den Antrag der Kläger mit Bescheid vom 23.01.2007 ab mit der Begründung, wegen der Änderung des Sozialgesetzbuch Zweites Buch seit Juli 2006 seien die Voraussetzungen für die Bewilligung der Grundsicherung nicht mehr gegeben. Denn unverheiratete Kinder, die im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben, seien bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres Mitglied der Bedarfsgemeinschaft der Eltern oder des Elternteiles. Die Leistungen aller Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft seien neu zu berechnen.

Hiergegen legte die Klägerin am 12.02.2007 Widerspruch ein mit der Begründung, der Haushalt bestehe auschließlich mit ihrer Mutter. Die Ablehnung werde wohl, auch wenn dies aus dem Bescheid nicht hervorgehe, auf § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II gestützt und der Anspruch wegen der Anrechnung des Einkommens des Stiefvaters verneint. Diese erfolge zu Unrecht, da ihr Stiefvater ihnen keinen Unterhalt gewähre. Dazu sei er nicht verpflichtet und könne von ihnen auch nicht dazu gezwungen werden. Zudem sei der Wortlaut des § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II nicht mit der Verfassung zu vereinbaren, insbesondere mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 3 Abs. 1 GG und dem Rechtsstaatsprinzip. Die allgemeine Handlungsfreiheit eröffne die Möglichkeit, das eigene Leben und die Beziehungen frei zu gestalten. Wenn eine Entscheidung für das Zusammenleben mit einem neuen Partner zur rechtsverbindlichen Folge habe, für dessen Kinder aus früheren Beziehungen finanziell einzustehen, werde diese Freiheit massiv beeinträchtigt. Der allgemeine Gleichheitssatz gebiete nicht nur Gleiches gleich, sondern auch Ungleiches ungleich zu behandeln. Werde § 9 Abs. 2 SGB II dahingehend ausgelegt, dass eine generelle Einstandspflicht des nicht leiblichen Vaters besteht, erfolge eine unbegründete und unzulässige Gleichstellung, da der Stiefvater mit dem leiblichen Vater im Hinblick auf die Unterhaltsverpflichtung gleichgestellt werde. Gleichzeitig würden auch die leiblichen Kinder des Stiefvaters grundlos schlechter gestellt, weil die Leistungsfähigkeit des Vaters gegenüber seinen leiblichen Kindern wegen der Verpflichtung zur Unterhaltsleistung an die Stiefkinder gemindert werde. Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 SGB II könne verfassungskonform nur so ausgelegt werden, dass ein Anspruch auf Grundsicherung nur dann zu verneinen sei, wenn der im Haushalt mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen lebende Partner eines Elternteils des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen tatsächlich Leistungen erbringe. Sei dies - wie vorliegend - nicht der Fall, dürfe die potenzielle Leistungsfähigkeit des Partners bei der Berechnung des Anspruchs der Stiefkinder keine Berücksichtigung finden. Auch das Kindergeld sei falsch berechnet worden. Sie würden monatlich lediglich 154,- EUR und nicht 160,25 EUR erhalten.

Mit Beschluss vom 12.03.2007 hat das SG Köln den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung der Kläger abgelehnt (S 24 AS 11/07 ER) und das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen (NRW) hat mit Beschluss vom 18.07.2007 die Beschwerde, gestützt auf Berechnungen der Beklagten, zurückgewiesen mit der Begründung, bei summarischer Prüfung sei es jedenfalls nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber mit der Bildung einer Einsatzgemeinschaft die ihm verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen bei der Bildung zwar nicht zivilrechtlicher, aber doch sozialrechtlicher Verantwortungsgemeinschaften überschritten habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2007 zurück. Die Hilfebedürftigkeit der Kläger sei zu verneinen, da das anzurechnende Einkommen des Stiefvaters und das Kindergeld den Bedarf der Bedarfsgemeinschaft überschreite. Die Klägerin stellte am 30.04.2007 einen Fortzahlungsantrag für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 31.12.2007 und gab an, dass sich in der Bedarfsgemeinschaft keine Änderungen ergeben hätten. Mit Bescheid vom 22.06.2007 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, dass nach den nachgewiesenen Einkommens- bzw. Vermögensverhältnissen keine Hilfebedürftigkeit vorliege. Am 25.07.2007 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie ab August 2007 keine Leistungen mehr begehre und der Kläger teilte unter dem gleichen Datum mit, dass er ab August als alleiniger Antragsteller seine Ansprüche verfolge. Der Kläger stellte Folgeanträge für die Zeit ab Januar 2008, Juli 2008 und Januar 2009. Diese wurden von der Beklagten abschlägig beschieden. Der Kläger legte Widerspruch ein. Die Widerspruchsverfahren wurden ruhend gestellt.

Die Kläger haben am 18.05.2007 Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Zur Begründung hat der Stiefvater nochmals betont, dass er - wie schon seit 1998 bekannt - weder in der Lage noch Willens sei, für den Unterhalt seiner Stiefkinder aufzukommen. Er sei nicht bereit, seine finanziellen Verhältnisse offen zu legen und sich wie ein Sozialhilfeempfänger behandeln zu lassen. Er werde nicht seine eigenen Kinder auf Sozialhilfeniveau leben lassen, um die Kinder eines anderen in irgendeiner Weise zu unterstützen. Hierfür sei der leibliche Vater oder der Staat zuständig. Des Weiteren dürfe nicht unberücksichtigt bleiben, dass er tatsächlich keine Leistungen erbringe und ab März 2007 auch kein Darlehen gewährt habe. Die Beklagte sei deshalb zur Erbringung der Grundsicherung verpflichtet. § 9 Abs. 2 SGB II n.F. sei verfassungswidrig. Auch nach Einführung des SGB II gelte unverändert das Gegenwärtigkeits und Faktizitätsprinzip. Ziel und Zweck dieser Prinzipien sei es, Menschen nicht ohne jegliche staatliche Fürsorge zu belassen, wenn ihnen zwar theoretisch, nicht jedoch faktisch Einkommen bzw. Leistungen Dritter zufließen würden. Unter Berücksichtigung der genannten sozialrechtlichen Strukturprinzipien müsse die Neuregelung des § 9 Abs. 2 SGB II dahingehend ausgelegt werden, dass die Berücksichtigung des Stiefelterneinkommens unter dem Vorbehalt stehe, dass es sich bei der tatsächlichen Leistungserbringung durch die Stiefeltern um eine widerlegliche Vermutung handele. Auch das Bundessozialgericht (BSG) habe zu § 9 Abs. 2 S. 3 SGB II entschieden, dass es sich um eine funktionierende Bedarfsgemeinschaft handeln müsse, in der die bewilligten Leistungen tatsächlich auch den bedürftigen Personen im Ergebnis zufließen (BSG, Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 08/06 R). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die Einstandsgemeinschaft unter Lebenspartnern nur unter der Voraussetzung für verfassungskonform erachtet, wenn eine tatsächliche Unterstützung durch den solventen Partner erfolge. Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 SGB II verstoße gegen das sich aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Gebot zur Sicherung des Existenzminimums. Auch das Grundrecht auf Freiheit der Eheschließung werde verletzt, wenn das Eingehen einer Ehe automatisch zu einer Einstandspflicht für die Kinder des Partners aus erster Ehe führe. Eine Berücksichtigung des Einkommens des Stiefvaters nach § 9 Abs. 5 SGB II komme zudem nicht in Betracht, wenn dieser erklärt habe, keinen Unterhalt zu leisten. In der mündlichen Verhandlung vom 18.12.2007 hat die Beklagte den Bescheid vom 22.06.2007 vorgelegt. Die Beteiligten haben übereinstimmend erklärt, dass "dieser Bescheid ihrer Auffassung Gegenstand des anhängigen Verfahrens werde". Sodann hat die Beklagte den Bescheid vom 23.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 und den Bescheid vom 22.06.2007 geändert und der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2007 Leistungen in Höhe von 3,- EUR monatlich und für Juli 2007 von 223,- EUR und dem Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2007 bis 30.06.2007 von 2,- EUR monatlich bewilligt. Die Kläger haben das Teilanerkenntnis angenommen.

Sie haben beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 und des Bescheides vom 22.06.2007 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 Leistungen in Höhe von 337,89 EUR monatlich und dem Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2007 Leistungen in Höhe von 307,89 EUR monatlich zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, die Anrechnung des Einkommens des Stiefelternteils ergebe sich eindeutig aus dem Gesetz. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 18.12.2007 abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die Kläger hätten unter Berücksichtigung des Teilanerkenntnisses der Beklagten keine weitergehenden Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II. Obgleich die Kläger mit ihrer Mutter, ihrem Stiefvater und ihren Stiefgeschwistern Q und S eine Bedarfsgemeinschaft bilden würden, seien lediglich die Klägerin und der Kläger im Rubrum aufzuführen. Sowohl die Mutter der Kläger als auch der Stiefvater hätten deutlich gemacht, dass sie nicht Leistungsbezieher nach dem SGB II sein wollten und demzufolge keine Grundsicherung beantragt. Die diesbezügliche Erklärung gelte auch für Q und S.

Die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung nach § 7 Abs. 1 S.1, 9 Abs. 1 und Abs. 2 S. 2 SGB II lägen nicht vor. Nach § 9 Abs. 2 Satz SGB II sei bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Bei unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes nicht aus ihrem eigenen Einkommen und Vermögen beschaffen können, sei auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen. Wenn in einer Bedarfsgemeinschaft nicht der gesamte Bedarf aus eigenen Kräften und Mitteln gedeckt werden könne, gelte jede Person der Bedarfsgemeinschaft im Verhältnis des eigenen Bedarfs zum Gesamtbedarf als hilfebedürftig. Die Kläger seien über das Teilanerkenntnis hinaus nicht hilfebedürftig. Verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die ab dem 01.08.2006 geltende Fassung des § 9 Absatz 2 Satz 2 SGB II bestünden nicht. Eine Vorlage an das BVerfG habe deshalb nicht zu erfolgen. Den Klägern sei zuzugestehen, dass die Frage, ob § 9 Abs. 2 SGB II verfassungsgemäß sei, unterschiedlich beantwortet werde (SG Berlin, Beschluss vom 09.05.2007- S 24 AS 472/07 ER, Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 23.01.2007 - L 13 AS 27/06 ER, Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 20.08.2007 - S 32 AS 450/06, LSG NRW, Beschluss vom 25.06.2007 - L 9 B 94/07 AS ER; a.A. Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 08.01.2007 - S 103 AS 10896/06, Sozialgericht Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.2006 - S 24 AS 213/06 ER, Sozialgericht Oldenburg, Beschluss vom 28.03.2007 - S 48 AS 258/07 ER).

Soweit vorgetragen werde, die Neuregelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II verstoße gegen Verfassungsrecht, da sie eine Anrechnung des Einkommens des Stiefvaters vorsehe, sei zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber die Einkommensanrechnung nicht in Abhängigkeit zu einer bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflicht geregelt habe, sondern davon ausgehe, dass sich Personen, die zusammen leben, in der Regel untereinander tatsächlich unterstützen. Es zeichne sich insoweit ein gesellschaftspolitischer Wandel ab, durch den die Eigenverantwortung der Bürger sowie die Einstandsverantwortung der Familie und anderer Gemeinschaften von sich erkennbar nahestehenden Personen weiter Vorrang vor staatlichen Leistungen erhalten sollen (vgl. SG Lüneburg, Beschluss vom 09.05.2007 - S 24 AS 472/07 ER). Der Staat versuche insbesondere die Familie, die traditionell als Versorgungs- und Schutzgemeinschaft für die in ihr lebenden Kinder gelte, stärker zu fördern bzw. zu entlasten. Die vorgesehenen steuerlichen, sozial- und infrastrukturellen Vorteile kämen allen Familienformen, der klassischen Familie, der mit einem Stiefelternteil zusammenlebenden Familie sowie solchen, bei denen die Eltern nicht verheiratet seien, zugute. Der Stiefvater der Kläger habe die Möglichkeit des Steuerrechts, Kinderfreibeträge für alle vier Kinder auf seiner Steuerkarte eintragen zu lassen, genutzt und das Kindergeld auch bezogen. Er erhalte auch einen Kinderanteil im Gehalt, welcher im öffentlichen Dienst unter Berücksichtigung der Kinderzahl gewährt werde. Die Vorteile seien vom Stiefvater der Kläger in Anspruch genommen worden. Im Krankenversicherungsrecht sei zudem nach § 10 Abs. 4 SGB V die Möglichkeit der kostenfreien Familienversicherung für Stiefkinder, die das Mitglied überwiegend unterhalte, vorgesehen. Im Gegenzug war der Gesetzgeber berechtigt, den Vorteilen durch die Förderung von jeglichen Familienformen auch Pflichten gegenüber zu stellen. Ansonsten würde die klassische Familie, bei denen eine Anrechnung von Einkommen des Vaters bzw. der Mutter nicht in Frage stehe, schlechter gestellt als andere Familienformen. Ein Verstoß gegen Art. 2 Abs. 1,Art. 6 Abs. GG oder Art. 3 GG sei insoweit nicht ersichtlich. Vielmehr würde in den Fällen, in denen die gesetzlichen Vorteile in Anspruch genommen, damit verbundene Belastungen jedoch nicht eintreten würden, eine Schlechterstellung der mit den leiblichen Eltern zusammenlebenden Kinder bzw. Besserstellung der Stiefväter bestehen.

Ein Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG in verfassungswidriger Weise liege nicht vor. Im Hinblick auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers sowie den Umstand, dass es sich bei den Leistungen nach dem SGB II um steuerfinanzierte Leistungen handele, erscheine es für die Betroffenen zumutbar, wenn der Gesetzgeber festlege, dass der Partner des Elternteils sein Einkommen auch für die nicht leiblichen Kinder einzusetzen habe. Eine solche Unterstützung innerhalb der Patchworkfamilie zur Sicherung des Lebensunterhalts genieße Vorrang vor den von der Allgemeinheit zu tragenden diesbezüglichen Leistungen (Sozialgericht Lübeck, Beschluss vom 02.03.2007- S 29 AS 28/07 ER). Soweit der Stiefvater der Kläger darauf hinweise, dass er die Mutter der Kläger nicht geheiratet hätte, wenn die Regelung des § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II n.F. damals bereits gegolten hätte, liege ein Verstoß gegen Artikel 6 Abs. 1 GG mit der darin garantierten Eheschließungsfreiheit nicht vor. Durch die Neufassung des § 9 Abs. 2 SGB II werde dem Umstand Rechnung getragen, dass ein heiratswilliger Partner eines wirtschaftlich nicht leistungsfähigen Elternteils auch dessen Kindern Naturalunterhaltsleistungen zu erbringen habe, wenn er die Ehe mit dem betreffenden Partner eingehe (vgl. SG Lübeck, Beschluss vom 02.03.2007 - S 29 AS 28/07 ER). Die Unterhaltsverpflichtung gegenüber Q und S werde auch berücksichtigt.

Unter Berücksichtigung des § 9 Abs. 2 SGB II habe die Klägerin vom 01.01. bis 30.06.2007 einen Anspruch auf 3,- EUR monatlich, der Kläger ab 01.01.2007 bis 30.06.2007 von 2,- EUR monatlich. Für jedes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft entstünden Kosten der Unterkunft in Höhe von 186,76 EUR bzw. 186,72 EUR monatlich. Nach § 20 Abs. 2 SGB II hätten die Kläger zudem einen Anspruch auf 80 % der Regelleistung von 345,- EUR, also jeweils 276,- EUR monatlich. Es ergebe sich für die Kläger jeweils ein Bedarf von 462,72 EUR. Auf diesen Bedarf sei nach § 11 Abs. 1 SGB II das Kindergeld anzurechnen. Dieses betrage für die Kläger jeweils 160,25 EUR, wobei für die Klägerin nach § 11 Abs. 2 SGB II in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ziffer 1 der Arbeitslosengeld Il/Sozialgeld-Verordnung als Pauschbetrag für angemessene Versicherungen ein Abzugsbetrag von 30,- EUR monatlich zu berücksichtigen sei. Zugrunde zu legen sei grundsätzlich ein Kindergeld in Höhe von 160,25 EUR, wenn auch die Kläger jeweils für sich betrachtet Kindergeld in Höhe von 154,- EUR erhalten, da das Kindergeld für das vierte Kind unter Berücksichtigung der drei anderen Kinder höher sei.

Auf den insoweit verbleibenden Bedarf von 332,47 EUR für die Klägerin und 302,47 EUR für den Kläger sei das Einkommen des Stiefvaters anzurechnen. Nach der Berechnung der Beklagten, die vom LSG NRW in seinem Beschluss vom 18.07.2007 gebilligt worden sei, und der sich auch die Kammer anschließe, sei insoweit nach § 11 SGB II ein Einkommen von 2081,05 EUR für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt zugrunde zu legen. Berücksichtigt worden sei insoweit ein Bruttoeinkommen von 3812,71 EUR, der Freibetrag nach § 11 Abs. 2 Ziffer 6 in Verbindung mit § 30 SGB II, die allgemeine Werbungskostenpauschale in Höhe von 15,33 EUR monatlich, die Kosten für das Jobticket in Höhe von 47,50 EUR, zudem geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 11 Abs. 2 Ziffer 4 SGB II in Höhe von 131,25 EUR. Nachgewiesen sei durch die Bescheinigung der Rheinischen Versorgungskassen vom 15.11.2007 zudem, dass der Stiefvater der Kläger eine freiwillige Zusatzrentenversicherung in Form einer Riesterrente abgeschlossen habe, sodass der Höchstbetrag in Höhe von 131,25 EUR monatlich anerkannt werden könne. Es ergebe sich damit insgesamt ein anzurechnendes Einkommen von 2081,05 EUR. Bei der Klägerin sei hiervon 15,8518 % und bei dem Kläger 14,4215 % anzurechnen. Es ergebe sich damit ein Anspruch für die Klägerin von 2,58 EUR und für den Kläger von 2,35 EUR. Diese Beträge seien nach § 41 Abs. 2 SGB II kaufmännisch auf 3,- EUR bzw. 2,- EUR zu runden. Entsprechend habe die Beklagte den Anspruch der Kläger für die Zeit vom 01.01. bis 30.06.2007 anerkannt. Für die Zeit ab dem 01.07.2007 sei unter Berücksichtigung der von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung überreichten Berechnung ein Anspruch des Klägers zu verneinen. Diese sei für die Zeit ab dem 01.08.2007 für den Kläger eher günstig, da von fünf Bewohnern ausgegangen werde, obwohl die Klägerin seit dem 01.08.2007 wieder zu Hause wohne. Die Klägerin zahle nach dem zwischen ihr und ihrem Stiefvater abgeschlossenen Mietvertrag vom 29.07.2007 Kosten für Unterkunft von 185,- EUR. Die von der Beklagten zugrunde gelegten Kosten der Unterkunft für die jeweiligen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von je 224,07 EUR seien damit ab 01.08.2007 zu hoch. Auf den Bedarf des Klägers sei das Kindergeld in Höhe von 160,25 EUR anzurechnen, so dass sich ein Bedarf von 341,82 EUR unter Berücksichtigung der zu hohen Unterkunftskosten ergeben. Der Kläger habe damit einen Bedarf von 17,4611 % des Gesamtbedarfs. Auf diesen sei der entsprechende Prozentsatz des Einkommens des Stiefvaters anzurechnen und zwar 363,37 EUR monatlich. Das anzurechnende Einkommen übersteige damit den Bedarf des Klägers. Gegen das den Klägern am 17.01.2008 zugestellte Urteil haben diese am 12.02.2008 Berufung eingelegt. Sie verfolgen ihr Begehren weiter. Die Kläger beantragen, das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 18.12.2007 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.01.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007 sowie des Bescheides vom 22.06.2006 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2007 Grundsicherung von 337,89 EUR monatlich und dem Kläger in Höhe von 307,89 EUR monatlich für den Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2007 zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie nimmt Bezug auf den Inhalt des Urteils des SG. Der Senat hat die Akten S 24 AS 11/07 ER und S 11 AS 98/06 beigezogen. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Kosten für Unterkunft und Heizung nicht angegriffen werden und der Betrag von 1120,36 EUR als Gesamtbelastung unstreitig ist. Die Beklagte hat eine Berechnung der Bedarfe und Ansprüche der Kläger für den streitigen Zeitraum vorgelegt ausgehend von einem Kindergeld von 154,- EUR monatlich bei dem Kläger und 124,- EUR monatlich bei der Klägerin. Des Weiteren hat der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung den Stiefvater als Zeugen vernommen und die Kläger sowie ihre Mutter zur Aufklärung des Sachverhalts befragt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22.07.2010 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten vorbereitenden Schriftsätze, den übrigen Akteninhalt sowie auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 23.01.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007, mit dem die Leistungen ab Januar 2007 abgelehnt worden. Diese Ablehnung erfolgte ohne zeitliche Befristung. Damit wäre Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens der Zeitraum bis zur mündlichen Verhandlung, d.h. bis zum 22.07.2010 (BSG, Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 62/08 R Rn.17 juris; B 14/11b 59/06 R Rn. 13 juris; B 7b AS 14/06 R Rn. 30 juris). Da jedoch Folgeanträge vom Kläger gestellt wurden, erledigt sich der angefochtene Bescheid vom 23.01.2007, der von dem neuen Bescheid erfasst wird mit der Folge, dass die weiteren Bescheide nicht nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werden (BSG, Urteil vom 28.10.2009, a.a.O.; Urteil vom B 14/11b AS 59/06, a.a.O.). Damit sind die ablehnenden Bescheide für die Bewilligungszeiträume ab Juli 2007 nicht nach § 96 SGG Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens geworden. Der Zeitraum von Juli 2007 bis Dezember 2007 ist jedoch nach § 99 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung nach Vorlage des Bescheides vom 22.06.2007 erklärt, dass " ihrer Ansicht nach dieser Bescheid Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist". Da dies nicht nach § 96 SGG erfolgen kann, kommt eine Klageerweiterung nach § 99 SGG in Betracht. Danach ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen (§ 99 Abs. 1 SGG). Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden oder der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Da es hier um die Einbeziehung eines Ablehnungsbescheides für einen Folgeantrag geht und insoweit eine vollständige neue Prüfung erfolgte, liegt auch eine Änderung des Klagegrundes, d.h. des historischen Sachverhaltes vor. Zudem wird der Klagegrund auch nicht in der Hauptsache erweitert für den bereits streitigen Zeitraum, sondern vielmehr in zeitlicher Hinsicht durch Änderung des Streitgegenstandes erweitert. Die Erklärung der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung ist eineEinlassung in die abgeänderte Klage(§ 99 Abs. 2 SGG). Somit war über den Anspruch des Klägers für den Zeitraum von Januar 2007 bis Dezember 2007 zu befinden. Der darauf folgende Zeitraum ist nicht Gegenstand des Verfahrens geworden; insoweit sind noch - ruhend gestellte - Widerspruchsverfahren anhängig. Streitgegenstand für die Klägerin ist der Zeitraum von Januar bis Juni 2007. Denn die Klägerin wohnte im Monat Juli 2007 nach dem Auszug aus dem gemeinsamen Haushalt bei einer Freundin und erhielt von der Beklagten nach dem im Termin vor dem SG abgegebenen Teilanerkenntnis Grundsicherung. Ab August 2007 hat die Klägerin keine Ansprüche mehr geltend gemacht. Streitgegenstand ist daher der Bescheid vom 23.01.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2007, mit dem Leistungen für Januar bis Juni 2007 abgelehnt wurden.

Die zulässige Berufung der mittlerweile volljährigen Kläger (§ 71 Abs. 1 SGG) ist unbegründet.

Das SG hat die Klage der Kläger zu Recht abgewiesen. Denn die Kläger haben über das angenommene Teilanerkenntnis hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II in der Zeit vom 01.01.2007 bis zum 30.06.2007 bzw. für das Kalenderjahr 2007. Hilfebedürftigkeit war gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 und 2 SGB II zu verneinen.

Gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der hier ab dem 01.08.2006 geltenden Fassung (Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006, BGBl. I Seite 1706) sind bei unverheirateten Kindern, die wie die Kläger mit einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils und dessen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Partners zu berücksichtigen.

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Kläger sind nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, zu der auch ihre Mutter, ihr Stiefvater und die Halbgeschwister gehören. Danach zählen zur Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörigen unverheirateten Kinder, wenn sie - wie die Kläger - das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Dabei ist für die Bejahung einer Bedarfsgemeinschaft nicht von Belang, ob sich im Verhältnis des Partners zu dem Kind ein Einstandswille, wie er im Rahmen des § 7 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c) SGB II notwendig ist (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13.11.2008 - B 14 AS 2/08 R Rn 30 juris), feststellen lässt. Denn das BSG weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern eben gerade nicht durch die Annahme eines wechselseitigen, sondern allenfalls eines einseitigen Einstandswillens gekennzeichnet sind, was schon daraus deutlich wird, dass nach § 9 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II Einkommen und Vermögen der Kinder nicht zur Beseitigung von Hilfebedürftigkeit der Eltern heranzuziehen ist. Die uneingeschränkte Erweiterung der Bedarfsgemeinschaft um volljährige Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, zeigt ferner, dass es auf einen gesondert festzustellenden "Einstandswillen" im Verhältnis der Eltern zum Kind nicht ankommen soll.

Die Kläger können ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten. Denn außer dem von ihrem Stiefvater weitergeleiteten Kindergeld (in Höhe von je 154,- EUR monatlich) verfügen sie über keinerlei Einkünfte. Daher kommt § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II zur Anwendung. Das Einkommen ihres Stiefvaters ist zu berücksichtigen. Ein Anspruch auf Grundsicherung in Höhe von 337,89 EUR monatlich für die Klägerin bzw. 307,89 EUR monatlich für den Kläger besteht nicht. Ein weitergehender Anspruch unter Berücksichtigung der in mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat überreichten Berechnung und dem Teilanerkenntnis vom 18.12.2007 besteht nicht. Denn der darüber hinausgehende Bedarf wird durch das anzurechnende Einkommen des Stiefvaters gedeckt. Auf die Ausführungen des SG wird verwiesen mit der Ergänzung, dass sich unter Berücksichtigung des Kindergeldes (124,- EUR bzw. 154,- EUR) und der Erklärung der Beteiligten im Verhandlungstermin vor dem erkennenden Senat, dass sie von einer unstreitigen Summe für Kosten für Unterkunft und Heizung ausgehen (Bl. 186 Gerichtsakte).

Die Vorschrift des § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II n.F. ist verfassungsgemäß. Die in der Rechtsprechung und Literatur vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II i.d.F. des Fortentwicklungsgesetzes (Prof. Dr. Münder/Geiger, NZS 11/2009, S. 593 ff.; SG Berlin, Beschluss vom 08.01.2007 - S 103 AS 10869/06 R; LSG BW, Beschluss vom 19.04.2007 - L 3 AS 2740/07 ER B) hält der Senat nicht für durchgreifend. Der Senat folgt der Auffassung des BSG (BSG, a.a.O., Rn. 33 ff. juris). Das Gebot zur Sicherung des Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG, die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 6 GG werden durch § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II nicht verletzt.

Grundsätzlich folgt aus dem Gebot zur Sicherung des Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 20 Abs. 1 GG die Verpflichtung des Staates, dem mittellosen Bürger die Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein erforderlichenfalls durch Sozialleistungen zu sichern. Dem Gesetzgeber ist im Rahmen der Entscheidung, in welchem Umfang Fürsorgeleistungen unter Berücksichtigung vorhandener Mittel und anderer gleichwertiger Staatsaufgaben gewährt werden (können), ein weiter Gestaltungsspielraum eröffnet. Es ist jedenfalls bezogen auf minderjährige Kinder nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II in Ausübung dieses Gestaltungsspielraums davon ausgeht, dass für diese Kinder ausreichende und vorrangige eigene Mittel durch das Zusammenleben mit dem leistungsfähigen Partner des Elternteils zur Verfügung stehen und die Gewährung staatlicher Hilfe zu ihrer Existenzsicherung nicht erforderlich ist. Der Gesetzgeber darf bei der Gewährung von Sozialleistungen unabhängig von bestehenden bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten die Annahme von Hilfebedürftigkeit davon abhängig machen, ob sich für den Einzelnen typisierend aus dem Zusammenleben mit anderen Personen Vorteile ergeben, die die Gewährung staatlicher Hilfe nicht oder nur noch in eingeschränktem Umfang gerechtfertigt erscheinen lassen.

Die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) ist durch § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht verletzt. Der mit § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ausgeübte finanzielle Druck infolge eines Ausbleibens einer Einnahme beeinflusst die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft in ihrer gemeinsamen Lebensgestaltung zwar, ist aber nicht unverhältnismäßig. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Änderung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II insbesondere eine zuvor bestehende Schlechterstellung von Ehen gegenüber nichtehelichen Partnerschaften auflösen (BT-Drucks 16/1410 S 20). Die wirtschaftlichen Folgen der Einbeziehung nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft werden dabei durch die Regelungen über die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen ausreichend abgemildert. Die steuerlichen Vorteile aus § 32 Abs. 6 Satz 7 Einkommensteuergesetz (EStG) kann zwar nur derjenige wahrnehmen, der mit dem leiblichen Elternteil verheiratet ist. Diese steuerrechtliche Privilegierung von Ehegatten gegenüber Partnern einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zulässig (zuletzt BFH Urteil vom 20. April 2004 - VIII R 88/00 - BFH/NV 2004, 1103).

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bewirkt, dass bei Kindern, die in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem leistungsfähigen Partner des leiblichen Elternteils zusammenleben, zur Deckung ihres Bedarfs Einkommen und Vermögen des Partners herangezogen werden unabhängig von bürgerlich-rechtlichen Unterhaltsansprüchen. Diese Gleichbehandlung mit Kindern, denen bürgerlich-rechtliche Unterhaltsansprüche gegenüber dem leistungsfähigen Mitglied in der Bedarfsgemeinschaft zustehen, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Bei der Bestimmung der Hilfebedürftigkeit im SGB II sind die unterhaltsrechtlichen Regelungen nach dem BGB nicht der maßgebliche Anknüpfungspunkt. Es stand dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums frei, die in der Gesetzesbegründung aufgezeigte Schlechterstellung von Bedarfsgemeinschaften, die auf einer Eheschließung der Partner beruhen, durch eine Änderung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II zu beseitigen.

Ungeachtet dessen ist eine verfassungswidrige Beeinträchtigung der in Art. 6 GG geschützten Rechte nicht erkennbar. Art. 6 Abs. 1 GG legt dem Gesetzgeber neben dem Verbot, die Ehe zu schädigen, auf, Ehe und Familie vor Beeinträchtigungen zu schützen und durch geeignete Maßnahmen zu fördern (BVerfGE 6, 55, 76, st.Rspr.). Die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II erschwert weder die Eingehung der Ehe noch die Bildung von Familien. Der Vorrang von Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Kindern ist mit § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II gewahrt.

Der Vortrag der Kläger, ihr Stiefvater habe sie finanziell nicht untersützt, begründet auch keinen Anspruch auf weitere Grundsicherungsleistungen. Denn die § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II zugrunde liegende Typisierung, dass für die der Bedarfsgemeinschaft angehörenden minderjährigen Kinder ausreichende Mittel durch das Zusammenleben mit dem leistungsfähigen Partner des Elternteils zur Verfügung stehen, trifft zur Überzeugung des Senats auch auf die Kläger zu. Die Voraussetzungen, unter denen das BVerfG den Staat verpflichtet, das Existenminimum sicherzustellen, liegen damit nicht vor. Dies ist der Fall, wenn einem Menschen die zur Gewährung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen finanziellen Mittel fehlen, weil er sie weder aus seiner Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen oder durch Zuwendung Dritter erhalten kann (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 - Rn. 134). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass den Klägern von ihrem Stiefvater faktisch Unterhalt gewährt wurde und das Existenzminimum der Kläger auf diese Weise gesichert war. Den Klägern wurde im streitigen Zeitraum Unterkunft gewährt und im Rahmen der Familienversicherung der Krankenversicherungsschutz sichergestellt. Darüber hinaus hat die Mutter der Kläger mit einem Großteil des den Klägern zustehenden Kindergeldes und weiteren 650,- EUR Haushaltsgeld für die Kläger und die vier weiteren Familienmitglieder gewirtschaftet und damit insbesondere für die Verpflegung der gesamten Familie gesorgt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der finanzielle Rahmen auf der Grundlage der Aussagen des Zeugen, der Kläger und ihrer Mutter sehr eng gesteckt war und sonstige Ausgaben weitgehend nicht realisiert werden konnte (insbesondere Bekleidung, Freizeitaktivitäten).

Jedoch war die finanzielle Ausstattung auch für die beiden leiblichen Kinder nicht wesentlich komfortabler. Denn der Zeuge stellte Haushaltsgeld von insgesamt 650,- EUR für die beiden Kinder S und Q, die Mutter der Kläger und sich selbst zur Verfügung, mithin 162,- EUR pro Person. Zudem hat der Zeuge P erklärt, dass auch seine leiblichen Kinder nicht in Vereinen aktiv gewesen sind und auch kein Instrument gespielt haben.

Die Beteiligten, ihre Mutter und ihr Vater sind in der mündlichen Verhandlung als familiäre Einheit aufgetreten, die ihr sozialpolitisches Ziel, den Unterhalt der Stiefkinder durch Sozialgeld und damit eine steuerfinanzierte Leistung sicherzustellen, im Wege eines Gerichtsverfahrens durchsetzen wollen. Dabei steht die im Verhandlungstermin und durch weitere Fakten zum Ausdruck kommende familiäre Verbundenheit im Gegensatz zu der provozierenden und bewusst überzeichneten Beschreibung der eigenen finanziellen Ausstattung des Stiefvaters und des Mangels bei der finanziellen Ausstattung der anderen Familienmitglieder. Unter Vorhalt der von ihm im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vom 25.02.2007 (Bl. 37 der beigezogenen Akte S 24 AS 11/07 ER) vorgelegten, vom Stiefvater der Kläger erstellten Ausgabenliste, die u.a. Kosten für zwei Motorräder sowie Beiträge für den Schützenverein und das Forum Waffenrecht auflistet, hat der Stiefvater der Kläger ausgesagt: "Ich erkläre das damit, dass ich acht Stunden am Tag arbeiten gehe und ein entsprechendes Einkommen dadurch erziele. Dann ist es meine Entscheidung, ob ich ein oder zwei Motorräder und was auch immer noch mir leiste". Der Senat hat Zweifel, ob der darin zum Ausdruck kommende Egoismus, der in der Konsequenz die "Restfamilie", d.h. alle anderen Familienmitglieder, ganz erheblich ausgrenzt, die Realität wiederspiegelt. Denn der Zeuge P hat stets betont, dass er sich für die gesamte Familie verantwortlich fühlt und nur nicht für die Kläger finanziell aufkommen möchte. Ein Indiz für die gelebte Gemeinsamkeit ist auch, dass die Kläger den gemeinsamen Ehenamen angenommen haben. Damit hat der Stiefvater dafür gesorgt, dass nach außen keine Differenzierung zwischen den Kindern der "Patchworkfamilie" mehr möglich war. Im Gegenzug hat der Zeuge die steuerrechlichen Möglichkeiten durch Eintragung von Steuerfreibeträgen genutzt und einen Gehaltsbestandteil "Besitzstand Kind" in Höhe von 362,28 EUR erhalten. Der Senat hält mit einem solchen Anspruch die im Verhandlungstermin geschilderte "Wirklichkeit" - weitgehender Ausschluss der Kläger in finanzieller Hinsicht - für unvereinbar. Denn andernfalls wäre zu erwarten gewesen, dass sich erhebliche emotionale Konfliktsituationen innerhalb der Familie gezeigt hätten. Das war nach dem Eindruck des Senats in der mündlichen Verhandlung nicht der Fall. Die knappe finanzielle Ausstattung wurde vielmehr sachlich distanziert geschildert und auch der in der Vernehmung des Stiefvaters zum Ausdruck kommende Egoismus wurde ohne eine persönliche Betroffenheit von den Klägern zur Kenntnis genommen. Zur Überzeugung des Senats wäre die Annahme zudem lebensfremd, dass zwei Personen eine Ehe eingehen, ohne dass der eine Partner hierbei auch Verantwortung für die leiblichen Kinder des anderen Partners übernehmen will. Zudem hat der Stiefvater der Kläger (erst) als Reaktion auf die Ausführungen im Urteil des SG, er habe von der im Krankenversicherungsrecht gesetzlich verankerten Möglichkeit des § 10 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Gebrauch gemacht, bei überwiegendem Unterhalt der Stiefkinder diese kostenfrei in die Familienversicherung einzubeziehen, ergebnisorientiert und zielgerichtet für den Kläger beendet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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