S 17 SO 57/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 17 SO 57/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von ungedeckten Heimkosten nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Am 06.10.2009 beantragte die Klägerin durch die sie betreuende Tochter Sozialhilfe in Form der Hilfe zur Pflege für die Dauer der Unterbringung im Seniorenheim T. I1 Stift GmbH, 00000 O. Im Antrag gab sie an, im März 2009 auf Grund Pflegebedürftigkeit im Seniorenpflegeheim aufgenommen worden zu sein. Sie sei zunächst Selbstzahler gewesen, da das Einkommen und Vermögen zur Deckung der Heimpflegekosten jedoch nicht ausreichend sei, bitte sie um Übernahme der ungedeckten Heimpflegekosten ab 01.07.2009. Der Antrag auf Übernahme der Heimpflegekosten könne erst jetzt gestellt werden, da ihr vorher nicht bekannt gewesen sei, dass ein Antrag auf Feststellung einer höheren Pflegestufe gestellt worden sei. Es werde um Berücksichtigung der Heimkosten ab 01.07.2009 gebeten. Zu den persönlichen finanziellen Verhältnissen wies die Klägerin Einkünfte durch Witwenrente in Höhe von 695,71 EUR nach. Ferner gab die Klägerin ein Girokonto mit Stand von 2.340,49,- EUR am 05.10.2009 an sowie ein Guthaben über 5.500,- EUR, welches in einem Bestattungsvorsorge-Treundhandvertrag bei der E Bestattungsvorsorge U Aktiengesellschaft zur Sicherung der Kosten aus dem Bestattungsvorsorgevertrag vom 21.04.2009 zwischen der Klägerin und Bestattungshaus P gesichert ist. Der Bestattungsvorsorgevertrag vom 21.04.2009 zwischen der Klägerin und dem Bestatter sieht folgende Leistungen vor:

Bestatterleistungen: Pappelsarg Rose antik pp. 940,00 Verwaltungsgebühren " Standard" 320,00 Einbetten und Einkleiden mit eigener Kleidung 150,00 Überführung mit dem Bestattungswagen innerhalb O 130,00 Benutzung unseres Klimaraumes pauschal 150,00 Aufbahrung in der Kirche zum Seelenamt bzw. Trauerfeier 120,00 Satzkosten für die Gestaltung der Traueranzeige 45,00 15 diverse Trauerpapiere 24,75 inklusive 19 % Mehrwertsteuer (300,13 EUR) EUR 1.879,75

Zu verauslagende Gebühren und Beträge: kirchliche Gebühren T. I1 10,00 Totenschein ca. 100,00 Sterbeurkunden 30,00 Beerdigungskaffee Cafe A ca. 300,00 Vorlage: Trauerfloristik Blumen I2 Sarggesteck Blumen: rote Rosen 100,00 Grabblumen je 3 rote Rosen Blumen bitte in die 1 Friedhofsbank legen 15,00 Taxi für Pastor 30,00

Friedhofsgebühren der Stadt O: Bestattung im Wahlgrab 573,00 Nutzungsgebühr für Wahlgrab 1.884,90 Grababdeckung mit Grabausschmückung 67,00 Grababdeckung mit Grabausschmückung (Kind/Urne) 33,50 Grabbegrenzung bei Wahlgräbern ausgenommen Sondergräber 179,00 EUR 3.322,40 Voraussichtlicher Rechnungsbetrag: EUR 5.202,15

Darüber hinaus wies sie eine lebenslange Kapitalversicherung auf den Todesfall nach (Beginn der Versicherung: 01.08.1979) über einen Versicherungsschutz in Höhe von 2.581,- EUR bei einem Rückkaufswert zum 01.11.2009 in Höhe von 2.385,70 EUR.

Mit Bescheid vom 21.10.2009 lehnte der Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Hilfe zur Pflege nach dem SGB XII ab, da ein Anspruch wegen vorhandenem Vermögen nicht bestehe. Dem monatlichen Leistungsentgelt der Pflegeeinrichtung in Höhe von 3.551,84 EUR zzgl. Barbetrag in Höhe von 96,93 EUR (3.648,77 EUR) stünden Leistungen der Pflegeversicherung in Höhe von 1.470,- EUR sowie Pflegewohngeldanspruch von 323,06 EUR und eigenes Einkommen durch Witwenrente i.H.v. 695,71,- EUR gegenüber. Der verbleibende monatliche Rest sei vorrangig durch einzusetzendes Vermögen nach § 90 Abs. 1 SGB XII zu decken. Verwertbares Vermögen bestehe in Form von 5.500,- EUR aus der Bestattungsvorsorge, dem Girokontoguthaben von 2.340,49 EUR sowie dem Rückkaufswert der Lebensversicherung in Höhe von 2.385,70 EUR, Gesamtbetrag 10.226,19 EUR. Nach Abzug des Freibetrages von 2.600,- EUR betrage das vorrangig einzusetzende Vermögen 7.626,19 EUR. Für die Zeit vor Kenntnis des Sozialhilfeträgers am 22.09.2009 durch eine Mitarbeiterin der Stadt O, die fernmündlich mitgeteilt habe, dass für die Klägerin Sozialhilfe erforderlich sei, sei eine Hilfegewährung wegen § 18 SGB XII nicht möglich. Danach setze die Sozialhilfe ein, sobald dem Träger der Sozialhilfe oder den von ihm beauftragten Stellen bekannt werde, dass die Voraussetzungen für die Gewährung vorlägen. Für die Zeit vom 01.07.2009 bis zum 22.09.2009 komme daher eine rückwirkende Sozialhilfebewilligung nicht in Betracht.

Mit Schreiben vom 29.10.2009, bei dem Beklagten am 02.11.2009 eingegangen, erhob die Klägerin durch ihre Betreuerin Widerspruch, den sie damit begründete, dass es bereits höchstrichterlich geklärt sei, dass Vorsorge zur Durchführung einer würdigen Bestattung in angemessenem Umfang rechtlich geschützt sei. Dabei brauche sich niemand auf einen sozialhilferechtlichen Mindeststandard verweisen zu lassen, sondern könne eigene Gestaltungswünsche der Beerdigung so verwirklicht sehen. Der angemessene Umfang sei bei ihr nicht überschritten, so dass der Beklagte die ungedeckten Heimkosten zu übernehmen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2010 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Nach § 61 SGB XII sei Hilfe zur Pflege Personen zu leisten, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürften. Sozialhilfe erhalte jedoch nach § 2 SGB XII nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens oder seines Vermögens selbst helfen könne oder wer die erforderlichen Leistungen von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalte. Hier verfüge die Klägerin über eigenes Vermögen zum Zeitpunkt der Antragstellung wie folgt:

Bestattungsvorsorgevertrag: 5.500,00 EUR Girokonto bei der Sparkasse O, Stand 05.10.2009 2.340,49 EUR Kapitalversicherung auf den Todesfall, Rückkaufwert am 01.11.2009 2.385,70 EUR Gesamt: 10.226,19 EUR

Als kleinerer Barbetrag im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. der hierzu erlassenen Verordnung sei bei der Klägerin ein Betrag von 2.600,- EUR geschütztes Vermögen, so dass das vorrangig einzusetzende Vermögen 7.626,19 EUR betrage.

Zwar könne der Einsatz nicht verlangt werden, wenn dies für den Leistungs-berechtigten eine Härte darstelle würde (§ 90 Abs. 3 SGB XII). Eine derartige Härte sei jedoch im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Verwertung von Vermögen, das zur Bestattung vorgesehen sei, stelle keine atypische Härte dar, weil dieser auf eine Vielzahl von Sachverhalten zuträfe, somit lebenstypisch sei. § 90 Abs. 3 SGB XII solle aber nur den atypischen Lebensachverhalt privilegieren. Zudem sei bei der Frage, ob eine Härte vorliege, der Zusammenhang zu § 74 SGB XII zu sehen, wonach die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen würden, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Dadurch werde gewährleistet, dass selbst dann, wenn kein Schonvermögen vorhanden sei, eine angemessene Bestattung erfolgen könne. Zudem werde in der Rechtsprechung von einigen Gerichten angenommen, dass ein Härtefall auch dann ausscheide, wenn der Antragsteller über nahe Angehörige verfüge, die für die Bestattung aufzukommen hätten, was im Falle der Klägerin der Fall sei. Das öffentliche Interesse am rechtmäßigen Einsatz öffentlicher Mittel überwiege daher das private Interesse der Klägerin am Erhalt des Bestattungsvorsorgebetrages. Der übersteigende Betrag 7.626,19 EUR sei daher zur Begleichung der ungedeckten Heimkosten aufzuwenden, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin am 25.03.2009 ins Pflegeheim aufgenommen, der Bestattungsvorsorge und Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag jedoch erst danach, nämlich am 21.04.2009 abgeschlossen worden sei. Dies gebe Anlass zur Vermutung, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialleistungen bewusst herbeigeführt werden sollten.

Die Klägerin hat am 05.02.2010 Klage erhoben, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung stelle der Einsatz und die Verwertung von Mitteln im Rahmen der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen, die für eine angemessene Bestattung und eine angemessenen Grabpflege zurückgelegt wurden, eine unzumutbare Härte dar. Der Wunsch vieler alter Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, sei nunmehr auch nach Auffassung des Bundessozialgerichts unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde und der allgemeinen Handlungsfreiheit zu berücksichtigen. Dieser Rechtsauffassung hätten sich bereits zahlreiche nachfolgenden Instanzgerichte angeschlossen. Unter Berücksichtigung der veranschlagten Kosten für die dereinstige Bestattung in Höhe von rund 5.800,- EUR, einer Einschätzungsprärogative der Klägerin im Hinblick auf die Kostensteigerung sowie der örtlichen Observanzen und den voraussichtlichen Friedhofsgebühren könne nicht erkannt werden, dass die angelegte Bestattungsvorsorge von 5.500,- EUR den Einzelpositionen nach nicht angemessen sei. Dabei spiele es keine Rolle, ob der Vorsorgende Abkömmlinge habe oder nicht bzw. ob die Bestattungskosten bei Bedürftigkeit der Angehörigen gemäß § 74 SGB XII abgedeckt seien. Denn der Abschluss eines Bestattungsvorsorgevertrages diene eben nicht der Befreiung der Angehörigen von den entsprechenden Kostenlasten. Eine Vorsorge solle vielmehr sicherstellen, dass die Art der eigenen Bestattung und die Gestaltung der Ruhestätte samt Grabstein im Sinne der vom Hilfeempfänger bestimmten Weise vorgenommen werde. Dieses Selbstbestimmungsrecht sei sowohl durch das Bundesverwaltungsgericht zur alten Rechtslage als auch durch das Bundessozialgericht bestätigt worden. Auch der zeitliche Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Vorsorgevertrages und der Heimaufnahme führe nicht zu einem Leistungsausschluss. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts komme es lediglich darauf an, ob es dem Bedürftigen absichtlich nur um den Bezug von Sozialleistung gehe. Hierfür sei aber der Beklagten beweispflichtig; der Beweis sei nicht geführt. Die Klägerin wies im Laufe des Verfahrens nach, dass der Rückkaufswert der Lebensversicherung auf den Todesfall zum 01.04.2010 2.421,70 EUR, der Kontostand des Girokontos zum 15.06.2010 359,11 EUR betrug.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 21.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2010 zu verurteilen, der Klägerin ab Antragstellung Leistungen nach dem SGB XII in gesetzlicher Höhe zu erbringen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Klägerin mit Schreiben vom 22.02.2010 erneut Sozialhilfe beantragt und das aktuelle Einkommen und Vermögen nachgewiesen habe. Danach ergebe sich bei unverändertem Ansatz des Bestattungsvorsorgevertrages folgende Vermögenssituation:

Girokontostand zum 01.02.2010 539,12 EUR Rückkaufswert Lebensversicherung zum 01.04.2010 2.421,70 EUR Bestattungsvorsorge 5.500,00 EUR Gesamt: 8.460,82 EUR

Nach Abzug des Schonbetrages in Höhe von 2.600,- EUR verbleibe ein einzusetzender Betrag von 5.860,82 EUR, so dass Anspruch auf Sozialhilfe nach wie vor nicht bestehe. Anders als die Klägerin sehe die Beklagte es nicht, dass bei der Prüfung einer besonderen Härte im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII die Frage, ob einstandspflichtige Angehörige vorhanden seien, außer Acht gelassen werden könne. Würde man dies tun, erfolge durch den Abschluss entsprechender Bestattungsvorsorgeverträge eine finanzielle Schonung der Hinterbliebenen zu Lasten der Allgemeinheit, die die Sozialhilfe zu finanzieren hätten. Diese Sichtweise werden von Entscheidungen des Landessozialgerichts Bayern und des Sozialgerichts Dortmund geteilt. Hier habe die Klägerin eine Tochter, die zudem auch die Betreuerin sei, so dass vorliegend eine besondere Härte nicht anerkannt werden könne. Da es an einer besonderen Härte fehle, sei die Frage, welcher Betrag angemessen zur Bestattungsvorsorge sei, nicht zu prüfen.

Auf Anforderung des Gerichts hat der Beklagte eine Übersicht über die in den einzelnen Kommunen des Rhein-Kreises-Neuss anfallenden Friedhofsgebühren übermittelt und hierzu ausgeführt, dass für die Stadt Neuss unter Ansatz eines Einzelwahlgrabes an öffentlichen Gebühren Gesamtkosten in Höhe von 3.050,90 EUR anfielen, die unter anderem Nutzungsgebühren von 1.884,90 EUR für ein Einzelwahlgrab mit 30-jähriger Nutzungsdauer beeinhalteten nebst weiteren Kosten wie Beisetzungskosten, Gestellen von Trägern, Nutzung der Trauerhalle pp. Dieser Betrag werde zwar im Kostenvoranschlag des Bestatters mit 2.524,90 EUR unterschritten, enthalte allerdings noch nicht den Kostenansatz für die Nutzung der Trauerhalle mit 284,00 EUR. Die dagegen enthaltenen Positionen von 33,50 EUR für "Grabschmuck Kind" und 179,00 EUR für eine Grababgrenzung seien nicht nachzuvollziehen.

Das Gericht hat zudem die Richtlinien des Rhein-Kreises-Neuss als örtlichen Träger der Sozialhilfe zur Durchführung des SGB XII zur Übernahme der Bestattungskosten mit Stand zum 06.10.2005 beigezogen.

Das von den Beteiligten zwischenzeitlich geführte einstweilige Rechtsschutz-verfahren (S 17 SO 546/10 ER) ist durch Vergleich beendet worden. Darin hat die Klägerin dem Beklagten den im Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag gebundenen Betrag von 5.500,- EUR zur Sicherung eines Zug um Zug in gleicher Höhe zu gewährenden Darlehens zur Sicherung der Heimkosten der Klägerin durch den Beklagten abgetreten. Die darüber hinaus gehenden sozialhilferechtlich relevanten Bedarfe erbringt der Beklagte als Zuschuss. Abhängig vom Ausgang des vorliegenden Hauptsacheverfahrens erfolgt entweder eine Verwertung des Vermögens oder eine Rückübertragung durch den Beklagten. Für den Fall des Versterbens der Klägerin vor rechtskräftigem Abschluss des Hauptsachverfahrens hat sich der Beklagte verpflichtet, zur Sicherung der Bestattung der Klägerin einen Betrag i. H. v. 5.000,- EUR freizustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Prozessakte, die Verwaltungsakte des Beklagten und die Prozessakte des Verfahren S 17 SO 546/10 ER verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid vom 21.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2010 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn der Beklagte hat zu Recht die Übernahme der ungedeckten Heimkosten wegen vorhandenem Vermögen abgelehnt.

Hilfe zur Pflege, die auch stationäre Pflege umfasst (§ 61 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) umfasst, wird Personen gewährt, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen (§ 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Nach § 19 Abs. 3 SGB XII wird die Hilfe zur Pflege geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist. Von den monatlichen Aufwendungen für die Pflegeeinrichtung und dem Barbetrag von insgesamt 3.648,77 EUR verbleibt nach Einsatz des eigenen Einkommens durch Rente in Höhe von 695,71 EUR und nach Anrechnung der Leistungen der Pflegeversicherung von 1.470,00 EUR und des Pflegewohngeldanspruchs in Höhe von 323,06 EUR ein ungedeckter Betrag von 1.160,00 EUR. Diesen monatlichen Bedarf hat die Klägerin jedoch zunächst durch den Einsatz eigenen Vermögens nach § 90 SGB XII zu decken.

Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Hierzu zählt jeder Vermögensgegenstand, durch dessen Verwertung der Notlage oder dem Bedarf abgeholfen werden kann, der nicht als Schonvermögen (gemäß § 90 Abs. 2 SGB XII) oder weil sein Einsatz eine Härte bedeuten würde (§ 90 Abs. 3 SGB XII) von einer Verwertung ausgenommen ist. Verwertbarkeit ist im wirtschaftlichen Sinne zu verstehen und muss für den Einstandspflichtigen tatsächlich wie rechtlich innerhalb eines Zeitraums gegeben sein, innerhalb dessen der sozialhilferechtliche Bedarf besteht, so dass für einen Einsatz nach § 90 Abs. 1 SGB XII nur dasjenige Vermögen in Betracht kommt, durch dessen Verwertung der Notlage oder dem Bedarf abgeholfen und das dafür rechtzeitig verwertet werden kann (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urt. v. 13.12.2007 - 16 A 3391/06 – m.w.N.). Die Klägerin besitzt über die Schonver-mögensgrenze (kleinerer Barbetrag im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a) der hierzu erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vom 11.02.1988 in der Fassung vom 27.12.2003, BGBl. I S. 3022) von 2.600,00 Euro hinausgehendes verwertbares Vermögen.

Die Klägerin verfügte zum Zeitpunkt des geltend gemachten Anspruches am 06.10.2009 über ein Bargeld- bzw. Kontovermögen (Girokonto) 2.340,49 EUR, eine Kapitalversicherung auf den Todesfall mit Rückkaufswert am 01.11.2009 zu 2.385,70 EUR und Vermögen aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag von 5.500,00 EUR, insgesamt von 10.226,19 EUR. Nach Abzug des Freibetrages von 2.600,00 EUR verbleibt ein übersteigendes Vermögen von 7.626,19 EUR.

Der im Laufe des Gerichtsverfahrens abgefragte Vermögensstand ergab zum 14.06.2010 einen Girokontostand von 359,11 EUR, einen Rückkaufswert der Kapitalversicherung auf den Todesfall von 2.421,70 EUR und die 5.500,- EUR aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag, insgesamt ein Vermögen von 8.280,81 EUR, nach Abzug des Freibetrages folglich 5.680,81 EUR.

Zum Vermögen gehören auch Forderungen, d.h. Ansprüche gegen Dritte. Derartige resultieren sowohl aus dem von der Klägerin am 21.04.2009 abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrag einschließlich des Bestattungsvorsorge-Treuhandver-trages mit einem Wert von 5.500,00 EUR als auch aus der Kapitalversicherung auf den Todesfall, denn zum Vermögen sind auch alle aus einer vertraglichen Beziehung resultierenden Rückabwicklungsansprüche nach der Auflösung des Vertrages zu rechnen und damit auch Ansprüche gegen Treunehmer (vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 18.03.2008 - B 8/9b SO 9/06 R).

Die Verwertbarkeit der lebenslangen Kapitalversicherung auf den Todesfall ergibt sich aus den in der Verwaltungsakte enthaltenen Vertragsunterlagen. Die Versicherung - zum 01.08.1979 mit der W Lebensversicherung AG geschlossen, im Laufe des Versicherungsverhältnisses von den H Versicherungen übernommen -, ist ausweislich der vorliegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen nach § 6 Abs. 1 AVB zum Monatsende kündbar. Verwertbar ist demnach die Forderung aus dem Vertrag zum Rückkaufswert (§ 6 Abs. 2 AVB).

Auch der treuhänderisch hinterlegte Betrag von 5.500,00 EUR ist nach Auffassung des Gerichts verwertbar, denn Ziffer 3) des Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrages (G 17498) ermöglicht die Freigabe und Auszahlung des Betrages bei Kündigung des (mit dem Bestatter geschlossenen) Bestattungsvorsorgevertrages. Als gemischter, überwiegend dem Werkvertragsrecht unterliegender Vertragstyp ist dieser kündbar (mit Nachweisen: BSG, Urt. v. 18.03.2008, B 8/9b SO 9/06 R). Dass hier im Einzelfall die Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrages ausgeschlossen sein soll, ist weder den vorliegenden Unterlagen zu entnehmen noch von der Klägerin geltend gemacht und nach den dem Gericht bekannten Sachverhalten zu Bestattungsvorsorgeverträgen auch unwahrscheinlich. Sofern das Bundessozial-gericht in der Entscheidung vom 18.03.2008 (aaO.) zudem die Feststellung fordert, welche Vergütung der Unternehmer, hier also der Bestatter, im Falle der vorzeitigen Kündigung (Kündigung vor Eintritt des Todesfalles) fordern kann, geht das Gericht davon aus, dass der Bestatter in derartigen Fällen, in denen er aus dem Werkvertrag selbst noch nicht tätig geworden ist und folglich noch keine Aufwendungen gehabt hat, sich lediglich auf die Vermutungsregel des § 649 Satz 3 BGB beschränken und damit 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung verlangen kann. Bei einem voraussichtlichen Rechnungsbetrag über die eigene Leistungen des Bestatters in Höhe von 1.879,75 EUR ergibt dies einen Betrag in Höhe von 93,99 EUR. Demnach ist von einer verwertbaren Forderung aus dem Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag in Höhe von 5.406.01 EUR auszugehen, wobei hier wiederum nicht die zwischenzeitlich zugunsten der Klägerin angefallenen Zinsen berücksichtigt sind.

Das verbleibende Vermögen aus der Bestattungsvorsorge ist nach Auffassung der Kammer nicht gänzlich nach § 90 Abs. 3 SGB XII geschützt. Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für denjenigen, der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde.

Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seiner Entscheidung vom 11.12.2003, 5 C 84/02, zum inhaltsgleichen § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG ausgeführt, dass es nach § 1 Abs. 2 BSHG Aufgabe der Sozialhilfe sei, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht. Dementsprechend schütze beispielsweise § 88 Abs. 2 Nr. 5 BSHG Familien- und Erbstücke, deren Veräußerung eine besondere Härte bedeuten würde, und nehme § 88 Abs. 2 Nr. 6 BSHG Gegenstände von Einsatz und Verwertung aus, die zur Befriedigung geistiger, besonders wissenschaftlicher oder künstlerischer Bedürfnisse dienten und deren Besitz nicht Luxus sei. Entsprechend sei der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, dahin zu respektieren, dass ihnen die Mittel erhalten blieben, die sie für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege zurückgelegt hätten. Denn nur auf diese Weise, d.h. nur dann, wenn die für Bestattung und Grabpflege zurückgelegten Mittel zu Lebzeiten nicht zu einem anderen Zweck eingesetzt werden müssten, stünden sie nach dem Tod für Bestattung und Grabpflege zur Verfügung. Auch wenn der Gesetzgeber das Sterbegeld nicht in § 88 Abs. 2 BSHG als verschont aufgeführt habe, so habe er doch die Vorsorge dafür sozialhilferechtlich anerkannt (§§ 14, 76 Abs. 2 Nr. 3 BSHG). Es sei deshalb gerechtfertigt, eine angemessene finanzielle Vorsorge für den Todesfall nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG zu verschonen.

Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 18.03.2008, B 8/9b SO 9/06 R, angeschlossen. Allerdings liegt keine höchstrichterliche Entscheidung vor, in welchem Umfang und bis zu welcher Höhe Bestattungsvorsorge angemessen und damit das treuhänderisch festgelegte Vermögen geschützt ist.

Die instanzgerichtliche Rechtsprechung ist diesbezüglich uneinheitlich (SG Detmold, Urt. v. 30.07.2010, S 16 (19) SO 116/08: ca. 7.000,00 EUR; SG Karlsruhe, Urt. v. 29.10.2009, S 1 SO 4061/08: 8.000,00 EUR für Ehepaar; SG Hildesheim, Gerichtsbescheid vom 24.07.2009, S 34 SO 75/07: 6.500,00 EUR; SG Dortmund, Urt. v. 13.02.2009, S 47 SO 188/06: wohl 3.500,00 EUR, ggfls. wegen Preissteigerung zu erhöhen, 8.000,00 EUR jedenfalls unangemessen; LSG Bayern, Urt. v. 25.09.2008, L 11 SO 32/07: 3.200,00 EUR jedenfalls angemessen; LSG SHS, Beschl. v. 01.10.2008, L 9 B 461/08 SO ER: wohl 5.000,00 EUR; LSG SHS, Urt. v. 04.12.2006, L 9 SO 3/06: ein Bestattungsvorsorgevertrag über 4611,39 Euro sei (noch) angemessen, wenn er unabänderliche Kosten von 2436,82 Euro berücksichtige, die von der Friedhofsverwaltung in Rechnung gestellt werden), ebenso die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zum Pflegewohngeld (OVG NRW, Urt. v. 16.11.2009, 12 A 1363/09: Grenze der Angemessenheit: Die Kosten für eine durchschnittliche Bestattung, nach Angaben der Stiftung Warentest etwa 7.000,00 EUR; VG Münster, Urt. v. 22.09.2009, 6 K 1044/08; ; anders aber VG Düsseldorf, Urt. v. 04.12.2009, 21 K 3740/09, das mit guten Argumenten die Auffassung vertritt, dass Grabpflege aus dem im Rahmen des Pflegewohngeld höheren Vermögensschonbetrag von 10.000,00 EUR aufzuwenden ist und es eines zusätzlich geschützten Vermögens nicht bedarf; die Rechtsprechung zur Sozialhilfe mit dem wesentlich geringeren Vermögensschonbetrag sei auf das Pflegewohngeld nicht ohne weiteres zu übertragen).

Die Kammer ist der Auffassung, dass dann eine angemessene Bestattung gegeben ist, wenn das in Bestattungsvorsorge und Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag gebundenes Vermögen in der Gesamtschau der Leistungen unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten (Gebühren / Preise) eine würdige, wiederum den örtlichen Gegebenheiten entsprechende Bestattung ermöglicht, die zwar in Art und Umfang der Leistungen über das hinausgehen kann, was der Soziahilfeträger nach § 74 SGB XII zu leisten verpflichtet wäre, allerdings wiederum auch nicht in erheblichem Umfang (zutreffend: Mecke in jurisPK-SGB XII, Stand: 01.11.2010, § 90 Rdnr. 99). Welcher Betrag hiernach nun zur Bestattungsvorsorge angemessen ist, ist nicht durchschnittlich und pauschal sondern in jedem einzelnen Fall konkret aber mit pauschalierenden Elementen zu beantworten. Dabei spielen nach Auffassung der Kammer im Rahmen der konkreten Betrachtung die soziale Herkunft und die (vormalige) gesellschaftliche Stellung des Hilfeempfängers keine Rolle; andererseits sind aber die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen.

Die örtlichen Verhältnisse müssen im Rahmen der Angemessenheit berücksichtigt werden, weil sie die Gesamtkosten einer Bestattung erheblich beeinflussen: Bereits eine kurze Recherche unter www.aeternitas.de zeigt, wie sehr die öffentlichen Gebühren für Grabstätte, Leichenhallenbenutzung, Beisetzung pp. von Kommune zu Kommune differieren können. Dies spiegelt sich im Übrigen in der Gebührengestaltung der kreisangehörigen Kommunen im Bereich des Beklagten wider: So kostet eine Erdbestattung in einem Einzelwahlgrab in Neuss allein an öffentlichen Gebühren 3.050,90 EU, in einem Einzelreihengrab 2.016,60 EUR, in Kaarst dagegen (nur) 2.096,29 EUR (Einzelwahlgrab) bzw. 1.158,07 EUR (Einzelreihengrab).

Gleiches gilt für die eigentlichen Bestatterleistungen. Auch die Höhe dieser Vergütung hängt sehr von den örtlichen Verhältnissen ab: Hierfür wird in Gegenden mit einem hohen Durchschnittseinkommen regelmäßig mehr gezahlt als in Gegenden mit niedrigem Durchschnittseinkommen. Würde man bei der Beurteilung der Angemessenheit diese örtlichen Gegebenheiten (sowohl die öffentlichen Gebühren als auch die Bestatterleistung) nicht berücksichtigen, würde das zu Verzerrungen und damit zu im Einzelnen nicht angemessenen Ergebnissen führen. Die Festlegung auf einen bestimmten Betrag hätte dann zur Folge, dass derselbe Betrag in der einen Region einen gehobeneren Rahmen der Bestattung ermöglichen würde, in der anderen jedoch kaum über dem Betrag liegt, der nach den Kriterien des § 74 SGB XII gewährt wird. Aus diesem Grund folgt die Kammer nicht dem von verschiedenen Gerichten angedachten Weg, sich an dem Betrag zu orientieren, den die Stiftung Warentest als Durchschnittsbetrag für eine Bestattung ausgewiesen hat (6.000,00 EUR; s. Online-Beitrag vom 31.10.2008).

Im Einzelfall bedeutet dies, dass die Bestattungskosten allgemein nach den Verhältnissen zu beurteilen sind, die entweder an dem im Bestattungsvorsorge-vertrag festgelegten Beerdigungsort zu berücksichtigen sind oder - soweit eine vertragliche Regelung nicht getroffen wurde - am Wohnort des Pflegebedürftigen, wobei die Wahl der Bestattungsart (Erd- oder Feuerbestattung) im Selbstbestim-mungsrecht des Vorsorgenden bleibt.

Im Rahmen der öffentlichen Gebühren ist sodann zunächst zu klären, ob Kosten für die Bestattung im Einzelwahlgrab oder Einzelreihengrab zu berücksichtigen sind. Die Kammer ist nicht der Auffassung, dass es einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellt, wenn der Hilfesuchende finanzielle Vorsorge lediglich für eine Bestattung in einem Reihengrab treffen kann. Reihengrab bedeutet nicht nur, dass es sich um ein Einzelgrab handelt, sondern auch, dass die Bestattung an der nächsten freien Grabstelle einer angefangenen Reihe erfolgt ("es geht der Reihe nach"). Es ist nicht möglich, sich eine Grabstelle auszusuchen. Das Wahlgrab hingegen ermöglicht zwar die Wahl zwischen mehreren freien Grabstellen, es kann also eine konkrete Grabstätte ausgesucht werden. Allerdings besteht dieses Wahlrecht erst im Todesfall. Ein Recht zu einer Reservierung in dem Sinne, dass der Vorsorgende sich bereits zu Lebzeiten eine Grabstelle aussucht, die dann bis zu seinem Tode freigehalten wird, gibt es nicht. Das eigentliche Wahlrecht besteht erst im und mit dem Todesfall. Das wiederum bedeutet aber, dass der Vorsorgende (Pflegebedürftige) auf die konkrete Wahl der Grabstelle keinen - selbstbestimmten - Einfluss hat, die Auswahl vielmehr der Bestatter, seine Angehörigen oder ein (Berufs-)Betreuer trifft. Wenn der Betroffene demnach selbst zu seinen Lebzeiten keinen Einfluss auf das konkrete Grab hat, dient die Ausübung des Wahlrechts bei der Wahl der Grabstelle lediglich dem Interesse der Angehörigen nicht jedoch dem Sozialhilfeempfänger. Deren Interessen sind im Rahmen der Sozialhilfe jedoch unbeachtlich. Man könnte zwar einwenden, dass derjenige, der die Bestattung in Auftrag gibt und sich dabei auch um die Wahl der Grabstelle kümmert, hierbei auch die Interessen des Verstorbenen wahren wird und so dessen Willen umsetzt. Gesichert ist dies jedoch nicht, und im Falle der Bestimmung durch Bestatter oder Berufsbetreuer auch zweifelhaft, ob die Wünsche des Verstorbenen tatsächlich so genau bekannt gewesen sind. Wenn dies alles so unsicher ist, gibt es keinen Grund, hierfür Vermögen zu schützen und statt dessen Sozialhilfe zu leisten.

Auch die Überlegung, dass es allein entscheidend sei, dass der Betroffene überhaupt im Wahlgrab und nicht im Reihengrab bestattet werde, überzeugt nicht. Denn dann ginge es nur darum herauszustellen, dass man sich die teurere Grabstelle leisten kann, also um das Herausstellen einer wie auch immer gearteten sozialen Stellung. Auch wenn es auf den ersten Blick noch einleuchtend sein mag, den finanziellen Rahmen der Bestattungsvorsorge an eine vormals vorhandene finanzielle oder gesellschaftliche Stellung anzulehnen, diese sozusagen auf Beerdigung und letzte Ruhestätte "hinüber zu retten", ist dies bei näherer Betrachtung wenig einleuchtend. Wie auch immer die finanziellen Verhältnisse vor oder noch während des Heimaufenthaltes waren, haben sie dennoch nicht gereicht, um ohne (ergänzende) Sozialhilfeleistungen auszukommen. Denn in allen Fällen der vorliegenden Art handelt es sich um Hilfesuchende, die finanzielle staatliche Unterstützung für einen Heimaufenthalt benötigen, um ein Leben in Würde leben zu können. Diesem wichtigen Zweck dient die Sozialhilfe durch Übernahme der ungedeckten Heimkosten. Dagegen ist es nicht notwendig, Sozialhilfe einspringen zu lassen, um finanzielle Mittel des Sozialhilfeempfängers in jedem erdenklichen Umfang zu schonen, den der Betroffene vor seiner Sozialhilfebedürftigkeit für eine Beerdigung angemessen erachtet hat.

Die übrigen öffentlichen Gebühren einer Bestattung sind durch die Betroffenen nicht zu beeinflussen und daher alle zugrunde zu legen.

Da die Klägerin hier in der Kostenaufstellung die Kosten für ein Einzelwahlgrab von 1.884,90 EUR berücksichtigt hat und dies den Wahlgrabkosten für O entspricht, ist davon auszugehen, dass die Bestattung in O stattfinden soll.

Für eine Erdbestattung in O in einem Reihengrab – und nur dies ist nach Auffassung der Kammer angemessen (s.o.) - fallen an öffentlichen Gebühren 2.016,60 EUR an. Allerdings ist im vorliegenden Fall hiervon wiederum die Position "Zellen zur Abschiednahme" in Höhe von 157,00 EUR abzuziehen, da nach der Aufstellung der Bestatterleistungen dies als eigene Bestatterleistung erbracht wird ("Benutzung unseres Klimaraumes pauschal 150,00 EUR"), so dass an öffentlichen Gebühren 1.859,60 EUR anfallen.

Ferner müssen an sonstigen, von den Betroffenen nicht zu beeinflussenden Kosten berücksichtigt werden, die Kosten für die Ausstellung des Totenscheins (hier: 100,00 EUR) und der Sterbeurkunden (hier: 30,00 EUR). Da dies nach den Erfahrungen der Kammer variiert danach, ob es sich beispielsweise um eine Ausstellung zur Tag- oder Nachtzeit handelt pp und danach, wie viele Sterbeurkunden im Einzelfall erforderlich sind, werden die hier vom Bestatter veranlagten 130,00 EUR vollumfänglich berücksichtigt.

Für die eigenen Bestatterleistungen ist nach Auffassung der Kammer ein Betrag von 2.046,00 EUR angemessen. Dies ist das Doppelte des Betrages (1.023,00 EUR), der im Rhein-Kreis-Neuss im Rahmen der Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII für Leistungen des Bestatters und sonstigen Leistungen mit Ausnahme der oben genannten Gebühren gewährt wird (Richtlinien des örtlichen Trägers der Sozialhilfe zur Durchführung des SGB XII – Übernahme der Bestattungskosten, Stand: 06.10.2005).

Die Anknüpfung an die erforderlichen Bestattungskosten nach § 74 SGB XII am Beerdigungsort ermöglicht es, auch zur Bestimmung der angemessenen Bestatterleistungen den örtlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, denn sie werden im Bezirk des erkennenden Gerichts von den örtlichen Sozialhilfeträgern (Kreise und kreisfreie Städte) nach den örtlichen Gegebenheiten in der Regel aufgrund von Verhandlungen mit den örtlichen Bestattern oder Bestatterverbänden bestimmt und ermöglichen eine würdige einfache, den örtlichen Verhältnissen entsprechende Bestattung. Weder in der erkennenden Kammer noch in den übrigen Sozialhilfefachkammern des Gerichts sind Streitigkeiten über die Höhe dieser nach § 74 SGB XII angemessenen Beerdigungskosten für die Dienste des Bestatters im Rhein-Kreis-Neuss anhängig. Soweit der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in einem anderen gleichgelagerten Rechtsstreit geltend gemacht hat, dass die Übernahme der Kosten für Bestatterleistungen von 1.023,00 EUR bei einer Sozialhilfebestattung unzureichend seien, die Praxis dergestalt aussähe, dass die Bestatter tatsächlich zwei Rechnungen erstellen würden, nämlich eine, die für das Sozialamt gedacht sei und eine mit einem höheren Rechnungsbetrag, die an den Auftraggeber ergehe, vermag die Kammer dies nicht nachzuvollziehen - schon allein nicht vor dem Hintergrund, dass nicht nachvollzogen werden kann, wie die doppelte Rechnungserstellung mit steuerrechtlichen Vorschriften in Einklang gebracht werden kann. Aber selbst wenn unter Zurückstellen aller steuerrechtlicher Bedenken diese Vorgehensweise eine gängige Praxis sein sollte, wäre zu erwarten, dass in Rechtsstreiten nach § 74 SGB XII die Höhe der vom Kreis gewährten Pauschale zur Überprüfung gestellt wird. Dies ist jedoch nicht der Fall. Keinesfalls ist der Auffassung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zuzustimmen, dass nach den "Maßstäben gefestigter sozialgerichtlicher Rechtsprechung" für eine Erdbestattung Gesamtkosten in Höhe von 4.641,58 EUR anfielen und vom Sozialhilfeträger nach § 74 SGB XII zu übernehmen seien. Letztlich ist auch im Rahmen des § 74 SGB XII die Frage, welche Kosten "erforderlich" sind, sowohl hinsichtlich einzelner Positionen als auch hinsichtlich der Höhe einzelner Positionen oder des Pauschalbetrages nicht einheitlich beantwortet und erst Recht nicht höchstrichterlich geklärt.

Die Erhöhung des pauschalen Betrages für die Bestatterleistungen um das Doppelte ermöglicht sodann, zum einen generell den Abstand zu einer reinen Sozialhilfebestattung zu wahren, so dass eine Bestattungsvorsorge überhaupt noch sinnvoll ist, was eben nicht der Fall wäre, wenn eine im Sinne des § 90 Abs. 3 SGB XII "angemessene" Bestattung identisch mit den "erforderlichen Bestattungskosten" im Sinne des § 74 SGB XII wäre. Auch eine nur geringfügige Erhöhung um 20 v. H. auf die nach § 74 SGB XII gewährte Pauschale, wie der Beklagte sie in einem anderen Verfahren für ausreichend hält, erfüllt diese Voraussetzung nicht.

Zum andern lässt die Verdopplung des Betrages dem Vorsorgenden genügend Raum, eigene Vorstellungen von einer angemessenen Beerdigung zu verwirklichen. Das Gericht hält es weder für sinnvoll noch für erforderlich, in jedem einzelnen Streit über eine angemessene Bestattungsvorsorge zu ermitteln, welche Position zu welcher Höhe noch vertretbar ist. Lediglich ein angemessener Rahmen ist zu bestimmen, der es dem Vorsorgenden noch erlaubt, eigene Schwerpunkte zu setzen oder besondere Leistungen zu vereinbaren.

Die Kammer hält es nicht für erforderlich, für die Bestatterleistung mehr als das Doppelte des nach § 74 SGB XII erforderlichen Betrages anzusetzen. Denn hier greifen dieselben Erwägungen, die schon bei der Frage entscheidend waren, ob eine angemessene Bestattungsvorsorge das Zurücklegen von Mitteln für ein Wahlgrab erfordert: Es ist nach Auffassung der Kammer nicht Aufgabe der Sozialhilfe, öffentliche Mittel zur Übernahme ungedeckter Heimkosten aufzubringen, um eine Beerdigung zu ermöglichen, die der Vorstellung des Vorsorgenden von seiner (vermeintlichen) früheren finanziellen oder sozialen Stellung entsprechen soll. Und ob eine Bestattung einen würdevollen und der Persönlichkeit des Verstorbenen angemessenen Rahmen erhält, dürfte am wenigsten eine Frage des Geldes sein.

Das im Rahmen der Härtefallregelung geschützte Vermögen der Klägerin beträgt daher:

Öffentliche Gebühren pp 1.859,60 EUR Sonstige Auslagen 130,00 EUR Bestatterleistungen 2.046,00 EUR

Sa: 4.035,60 EUR

Dem steht einzusetzendes Vermögen wie folgt gegenüber, wobei die etwaige Forderung des Bestatters bei Kündigung des Vorsorgevertrages berücksichtigt wird:

Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 06.10.2009 7.532,20 EUR Rückkaufswert LV: 2.385,70 EUR Girokonto: 2.340,49 EUR Bestattungsvorsorge: 5.406,01 EUR abzgl. Schonbetrag 2.600,00 EUR = 7.532,20 EUR

Am 14.06.2010 5.586,82 EUR Rückkaufswert LV: 2.421,70 EUR Girokonto: 359,11 EUR Bestattungsvorsorge: 5.406,01 EUR abzgl. Schonbetrag von 2.600,00 EUR 5.586,82 EUR

Sowohl zum Zeitpunkt der Antragstellung als auch im Laufe des Verfahrens überstieg das einzusetzende Vermögen das geschützte Vermögen, so dass ein Anspruch auf Übernahme der ungedeckten Heimkosten nicht besteht. Auch wenn zwischenzeitlich die Forderung des Heims über dem einzusetzenden Einkommen liegen sollte, besteht kein Anspruch, denn solange das übersteigende Vermögen nicht verwertet sondern noch vorhanden ist, steht es als einzusetzendes Vermögen im Sinne von § 90 Abs. 1 SGB XII der Sozialhilfebedürftigkeit entgegen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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