Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 24 AS 816/10 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 658/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zum grundsätzlich anrechenbaren Einkommen nach § 11 Abs. 1 SGB II zählen auch Sozialleistungen (vgl. BSG, Urteile vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 46/08 R - und vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 29/08 R -). Unbeachtlich ist danach auch das Bestehen von Verbindlichkeiten im Zeitpunkt des Zuflusses der Sozialleistung.
2. Ausnahmsweise gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben , die Nachzahlung einer Sozialleistung (hier Gründungszuschuss) nicht als Einkommen anzurechnen, wenn nach ursprünglicher zu Unrecht erfolgter Ablehnung des Gründungszuschusses ein Darlehn zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in Anspruch genommen wird und ein Aufschub des Beginns der selbstständigen Tätigkeit nicht zumutbar ist.
2. Ausnahmsweise gebietet der Grundsatz von Treu und Glauben , die Nachzahlung einer Sozialleistung (hier Gründungszuschuss) nicht als Einkommen anzurechnen, wenn nach ursprünglicher zu Unrecht erfolgter Ablehnung des Gründungszuschusses ein Darlehn zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in Anspruch genommen wird und ein Aufschub des Beginns der selbstständigen Tätigkeit nicht zumutbar ist.
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird Nr. 1 des Beschlusses des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. November 2010 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2010, durch den die (teilweise) Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit von September bis November 2010 geregelt wurde, wird angeordnet.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Juli 2011 ohne Anrechnung der Nachzahlung der Bundesagentur für Arbeit vom 29. Juli 2010 (Gründungszuschuss nebst Zinsen) als Einkommen zu gewähren.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren von dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung eines aufgrund eines sozialgerichtlichen Vergleichs gezahlten Gründungszuschusses als Einkommen.
Der Antragsteller zu 1. war in der Zeit von Juli 2008 bis Februar 2009 als selbstständiger Betreiber eines Imbisses erwerbstätig. Vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beantragte der Antragsteller zu 1. bei der Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss, den die Agentur für Arbeit ablehnte. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Der Antragsteller zu 1. erhob daraufhin Klage beim Sozialgericht in B-Stadt (S 10 AL 228/08). Im Erörterungstermin am 12. Juli 2010 schlossen die Beteiligten nach Hinweis des Kammervorsitzenden auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Mai 2010 einen Vergleich, wonach die Agentur für Arbeit dem Antragsteller zu 1. einen Gründungszuschuss in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 28. Februar 2009 unter Anrechnung des vom 4. März 2009 bis zum 12. Juni 2009 bezogenen Arbeitslosengeldes gewährt. Die Agentur für Arbeit zahlte daraufhin einen Gründungszuschuss in Höhe von 4.827,15 Euro sowie Zinsen in Höhe von 426,10 Euro, insgesamt 5.253,25 Euro, an den Antragsteller zu 1. aus. Die Beträge wurden dem Konto des Antragstellers zu 1. am 29. Juli 2010 gutgeschrieben.
Bereits am 15. Dezember 2009 hatten die Antragsteller bei dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II ab 1. Februar 2010 beantragt. Mit Bescheid vom 6. Januar 2010 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für den Monat Februar 2010 in Höhe von 1.179,37 Euro und für die Zeit von März 2010 bis einschließlich November 2010 in Höhe von monatlich 1.214,69 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 31. März 2010 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für den Monat Februar 2010 in Höhe von 1.312,08 Euro und für die Zeit von März bis einschließlich November 2010 monatlich 1.348,39 Euro. Nachdem der Antragsgegner Kenntnis von der Nachzahlung des Gründungszuschusses erlangt hatte, hob er mit Bescheid vom 10. August 2010 den Bescheid vom 31. März 2010 für den Monat August 2010 (teilweise) auf und forderte die Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 407,77 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 10. August 2010 (bezeichnet als Änderungsbescheid) berechnete der Antragsgegner die Leistungen für die Zeit von September bis einschließlich November 2010 neu und bewilligte Leistungen in Höhe von monatlich 940,62 Euro. Die Nachzahlung der Agentur für Arbeit sei ab 1. August 2010 verteilt auf zwölf Monate anzurechnen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. August 2010 legten die Antragsteller Widerspruch gegen die Bescheide vom 10. August 2010 ein. Zur Begründung führten die Bevollmächtigten aus, der Antragsteller zu 1. habe vor Eröffnung seines Imbisses Umbaumaßnahmen vornehmen müssen. Die dazu erforderlichen Mittel habe er aus dem Gründungszuschuss bestreiten wollen. Da ihm die Gewährung eines Gründungszuschusses entgegen einer mündlichen Zusage verweigert worden sei, habe er bei Herrn I. S. ein Darlehen über 5.000 Euro aufgenommen. Nach dem vorgelegten Kontoauszug wurde der Betrag von 5.000 Euro am 22. Juli 2008 auf dem Girokonto des Antragstellers zu 1. gutgeschrieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2010 wies der Antragsgegner den Widerspruch vom 24. August 2010 zurück. Der Antragsteller zu 1. hat an Herrn I. S. am 16. September 2010 einen Betrag von 4.000 Euro zurückgezahlt.
Die Antragsteller haben am 6. Oktober 2010 beim Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben (S 24 AS 817/10) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 9. November 2010 hat das Sozialgericht nach dem Tenor des Beschlusses (Nr. 1) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. In den Gründen hat das Sozialgericht ausgeführt, das Begehren der Antragsteller richte sich auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 10. August 2010 (Antrag zu 1.) sowie auf Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit ab September 2010 ungekürzte Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.378,39 Euro zu bewilligen (Antrag zu 2.). Die nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bzw. nach § 86b Abs. 2 SGG zulässigen Anträge seien unbegründet. Der Antragsgegner habe zu Recht die den Antragstellern am 29. Juli 2010 nachträglich zugeflossene Zahlung eines Existenzgründungszuschusses in Höhe von insgesamt 5.253,25 Euro bedarfsmindernd als Einkommen der Antragsteller berücksichtigt und dieses Einkommen - in rechtlich ebenfalls nicht zu beanstandender Weise - auf einen Zeitraum von zwölf Monaten aufgeteilt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller handele es sich bei der Zahlung des Existenzgründungszuschusses nicht um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, denn er diene demselben Zweck wie das Arbeitslosengeld II, nämlich der Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 16/06 R -). Das BSG habe insoweit in unterschiedlichen Fallkonstellationen wiederholt entschieden, dass auch bei Nachzahlungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume maßgeblich auf den Zeitpunkt des Zuflusses der entsprechenden Gelder abzustellen sei (sogenanntes Zuflussprinzip) und dies unabhängig davon, ob es sich um nachträgliche Steuererstattungen, Nachzahlungen von Arbeitsentgelt oder auch Arbeitslosenhilfenachzahlungen gehandelt habe (Urteile vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 86/08 R -, vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 46/08 R - und vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 64/08 R -). Nichts anderes könne aus Sicht des Gerichts auch für die hier erfolgte nachträgliche Zahlung des Existenzgründungszuschusses gelten. Entscheidend sei allein darauf abzustellen, ob der Hilfebedürftige im Rahmen des SGB II-Bezuges tatsächlich hilfebedürftig sei, oder vielmehr aufgrund entsprechender Einkünfte ganz oder teilweise in die Lage versetzt werde, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften sicherzustellen. Dies sei vorliegend bei den Antragstellern mit der nachträglichen Gewährung des Existenzgründungszuschusses der Fall, da die Mittel den Antragstellern grundsätzlich zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden. Eine unbillige Härte sei nicht gegeben. Dass die Antragsteller die Nachzahlung in Höhe von 4.000 Euro zur Schuldentilgung verwendet hätten, habe außer Betracht zu bleiben. Insoweit sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich einhellige Auffassung, dass im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen seien und demnach auch die von den Antragstellern vorgenommene Schuldentilgung außer Betracht zu bleiben habe. Dies folge aus dem Rechtsgedanken, dass staatliche Fürsorge erst dann eingreifen soll, wenn Hilfebedürftige die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel verbraucht hätten und Einkommen mithin zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen sei, und zwar selbst dann, wenn dadurch bestehende vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R -).
Gegen den den Beteiligten am 15. November 2010 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 29. November 2010 beim Sozialgericht Wiesbaden Beschwerde erhoben. Zur Begründung haben die Bevollmächtigten ausgeführt, das Sozialgericht habe auf die Rechtsprechung des BSG zu Nachzahlungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume verwiesen, ohne zu erkennen, dass es sich hier um einen völlig anders gelagerten Fall handele. Sofern das Sozialgericht die Entscheidung des BSG vom 21. Dezember 2009 (B 14 AS 46/08 R) zitiere, verkenne es, dass die Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Während es sich im vom BSG entschiedenen Verfahren um eine sehr typische Verschiebung zwischen Bewilligungszeitraum und Auszahlungszeitpunkt handele, sei im hier vorliegenden Fall eine Nachzahlung des Existenzgründungszuschusses zwei Jahre nach dem Bewilligungszeitraum erfolgt. Die Anrechnung bedeute hier eine unbillige Härte.
Die Antragsteller beantragen,
Nr. 1 des Beschlusses des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. November 2010 zu ändern und
1. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2010, durch den die (teilweise) Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit von September bis November 2010 geregelt wurde, anzuordnen,
2. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung der Nachzahlung der Bundesagentur für Arbeit (Existenzgründungszuschuss) für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum Ablauf des Folgemonats der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts für rechtmäßig. Bei dem angerechneten Existenzgründungszuschuss handele es sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II, das nicht zweckbestimmt im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sei. Dass der Zuschuss für einen zurückliegenden Zeitraum gezahlt worden sei, ändere an der Qualifikation als Einkommen nichts. Auch der Umstand, dass die Mittel den Antragstellern aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Schuldentilgung nicht mehr zur Verfügung stünden, könne an der Anrechenbarkeit nichts ändern.
Soweit die Antragsteller außerdem beantragt hatten festzustellen, dass die Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2010, soweit die (teilweise) Erstattung von Leistungen für den Monat August 2010 geregelt wurde, aufschiebende Wirkung entfaltet, haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Begehren der Antragsteller ist zum einen auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den den Leistungszeitraum von September bis November 2010 betreffenden Bescheid vom 10. August 2010 gerichtet (Antrag zu 1.). Zum anderen begehren die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit von Dezember 2010 bis Juli 2011 (Antrag zu 2.).
Das Sozialgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG in den Gründen des angefochtenen Beschlusses verneint; der Tenor der Entscheidung enthält keinen dahingehenden Ausspruch. Die insoweit vom Sozialgericht zugrunde gelegte Antragstellung, den Zeitraum von September bis November 2010 betreffend, entspricht nicht der Bescheidlage. Entgegen der Überschrift des Bescheides des Antragsgegners vom 10. August 2010 handelt es sich nicht um einen Änderungsbescheid, sondern, da Leistungen mit Bescheid vom 31. März 2010 ab Februar 2010 bis November 2010 bewilligt worden waren, um einen Aufhebungsbescheid (hier für künftige Zeiträume). Einstweiliger Rechtsschutz ist daher (auch) für diesen Zeitraum nach § 86b Abs. 1 SGG und nicht - wie vom Sozialgericht unter Zugrundelegung der Antragstellung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller angenommen - nach § 86b Abs. 2 SGG zu gewähren. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dementsprechend erst für die Zeit ab 1. Dezember 2010 in Betracht, allerdings nur zeitlich begrenzt bis zum Ablauf des Folgemonats der gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28. Januar 2009 - L 9 SO 98/08 B ER -, vom 21. April 2009 - L 9 AS 65/09 B ER -, vom 11. November 2009 - L 9 AS 417/09 B ER - und vom 11. Oktober 2010 - L 9 AS 494/10 B ER -). Die Bevollmächtigten der Antragsteller haben den Antrag entsprechend beschränkt.
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist der Antrag zu 1. begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt u. a. nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, hier nach § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I 2917). Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Zu den Leistungen der Grundsicherung im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Conradis in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 39 Rdnr. 5). Die Vorschrift erfasst nicht nur die Bewilligung von Leistungen, sondern auch aufhebende Entscheidungen für die Zukunft (siehe bereits Beschluss des Senats vom 16. Januar 2006 - L 9 AS 60/05 ER -). Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner die Leistungsbewilligung vom 31. März 2010, den Zeitraum von Februar bis November 2010 betreffend, mit Bescheid vom 10. August 2010 für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 30. November 2010 und damit für die Zukunft aufgehoben.
Das Gericht entscheidet bei dem Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG nach Ermessen und aufgrund einer Interessenabwägung (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008 § 86b Rdnr. 12 ff., m.w.N.). Dabei sind im Rahmen einer summarischen Prüfung die öffentlichen und privaten Interessen und die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. An der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte kann kein öffentliches Interesse bestehen; umgekehrt besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung offensichtlich rechtmäßiger Verwaltungsakte. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, erfolgt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mit berücksichtigt werden können (Keller s.o. § 86b Rdnr. 12c; § 86a Rdnr. 20 m.w.N.). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, stellt Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens. Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe spricht vorliegend mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung des Antragsgegners.
Hinsichtlich des Bescheides vom 10. August 2010 (den Zeitraum von September bis November 2010 betreffend) erscheint bereits die hinreichende Bestimmtheit der (Teil-) Aufhebungsentscheidung nicht eindeutig. Denn den beigefügten Anlagen kann jedenfalls nicht entnommen werden, in welcher Höhe der Bewilligungsbescheid vom 31. März 2010 aufgehoben wurde. Der Aufhebungsbetrag muss vielmehr erst durch Saldierung der ursprünglichen gegenüber den neu festgesetzten Beträgen errechnet werden.
Ungeachtet der Frage der formellen Rechtmäßigkeit bestehen hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides erhebliche Bedenken, soweit der Antragsgegner den am 29. Juli 2010 an den Antragsteller zu 1. ausgezahlten Gründungszuschuss als Einkommen auf den Bedarf der Antragsteller angerechnet hat. Hinsichtlich des Vorliegens der übrigen Leistungsvoraussetzungen hat der Senat keine Bedenken.
Bei der Nachzahlung des Gründungszuschusses aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen wendet das BSG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) die sog. Zuflusstheorie an (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 86/08 R -, Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 49/08 R -; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546 und Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291). Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II ist als Einkommen grundsätzlich alles zu berücksichtigen, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist alles, was er vor Antragstellung bereits hatte. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung stellt die Nachzahlung des Gründungszuschusses Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar.
Bei der dem Antragsteller zu 1. zugeflossenen Nachzahlung handelt sich nicht um privilegiertes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II. Ein Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II liegt nicht vor. Der Gründungszuschuss ist auch keine zweckbestimmte Einnahme. Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II sind Einnahmen nicht als Einkommen beim Leistungsempfänger zu berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Das BSG hat bereits entschieden, dass sowohl hinsichtlich des Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III (Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240) als auch des Überbrückungsgeldes nach § 57 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 21. Juli 1999 (Urteil vom 1. Juni 2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28) Zweckidentität im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst a SGB II anzunehmen ist, so dass derartige Leistungen ebenso wie der Gründungszuschuss nach § 57 SGB III (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Februar 2008 - L 32 B 59/08 AS ER -), hier in der Fassung vom 20. April 2007 (BGBl. I 554), als Einkommen bei der Berechnung des Arbeitslosengelds II zu berücksichtigen sind.
Zum grundsätzlich anrechenbaren Einkommen zählen nach der Rechtsprechung des BSG auch Sozialleistungen wie die Arbeitslosenhilfe (Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 46/08 R -) oder das Insolvenzgeld (Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 29/08 R -). Unbeachtlich ist danach auch das Bestehen von Verbindlichkeiten im Zeitpunkt des Zuflusses der Sozialleistung (Urteil vom 13. Mai 2009 s.o. m.w.N.). Von diesem Grundsatz ist allerdings hier eine Ausnahme zu machen. Im vorliegenden Fall besteht nämlich die Besonderheit, dass die Verbindlichkeiten infolge der nicht rechtzeitig ausgezahlten Sozialleistung entstanden sind. Denn die Agentur für Arbeit hat den Gründungszuschuss zu Unrecht abgelehnt. Der Antragsteller zu 1. hat bei Herrn S. ein Darlehen gerade deshalb aufgenommen, weil der beantragte Gründungszuschuss zunächst nicht gewährt wurde. Wäre der Gründungszuschuss rechtzeitig geleistet worden, hätte der Antragsteller zu 1. das Darlehen nicht aufnehmen müssen. Die Nichtgewährung des Gründungszuschusses war daher kausal für die Darlehensaufnahme.
In einem solchen Fall hat die Nachzahlung des Gründungszuschusses bei der Einkommensanrechnung außer Betracht zu bleiben. Eine solche Betrachtungsweise gebietet der auch im Sozialrecht Berücksichtigung findende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG – s. bereits BSG, Urteil vom 20.5.1958 – 2 RV 285/56 – NJW 1958, 1607; s.a. BSG, Urteil vom 6.2.2003 – B 7 AL 38/02 R – NZS 2004, 163 f.). Der Antragsteller zu 1. durfte nach Ablehnung des Gründungszuschusses durch die Agentur für Arbeit zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit ein Darlehen eines privaten Dritten im Vertrauen darauf aufnehmen, dieses nach gerichtlicher Durchsetzung seines Anspruchs auf Gründungszuschuss tilgen zu können. Ein Aufschub des Beginns der selbstständigen Tätigkeit war dem Antragsteller in Anbetracht der Ungewissheit des Zeitpunkts der Anspruchsrealisierung nicht zumutbar. Dass er mit dem Versuch der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit wirtschaftlich scheitern und die Antragsteller anschließend auf bedürftigkeitsabhängige Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein würden, war für den Antragsteller zu 1. im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme nicht vorhersehbar. Die Nichtanrechnung des Nachzahlungsbetrages führt zwar faktisch zu einer Schuldentilgung, die grundsätzlich nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe ist. Anderes gilt - abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderfällen - aber dann, wenn – wie hier – ein Sozialleistungsträger nicht rechtzeitig leistet oder es dem Hilfesuchenden nicht zuzumuten ist, auf sich für ihn ergebende Möglichkeiten der Selbsthilfe oder auf die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter zu verzichten, um die Hilfeleistung abwarten zu können (so bereits BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154 m.w.N. zur Gewährung von Sozialhilfe für die Vergangenheit).
Soweit das BSG den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) im Zusammenhang mit der Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe als nicht einschlägig erachtet hat (Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 46/08 R -), ist der zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Im dort entschiedenen Fall ging es um die Anrechnung einer Nachzahlung, ohne dass im Zusammenhang mit der ursprünglichen Ablehnung der Leistung ein Darlehen aufgenommen wurde. Vorliegend stellt der Senat entscheidend auf die Verknüpfung der Ablehnung der Sozialleistung (hier: Gründungszuschuss) und der dadurch verursachten Darlehensaufnahme ab.
Nach alledem ist die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegen den den Leistungszeitraum von September bis einschließlich November 2010 betreffenden Bescheid vom 10. August 2010 (Antrag zu 1.) zu bejahen.
In diesem Umfang ist auch der Antrag zu 2. begründet.
Die Antragsteller haben auch für die Zeit ab 1. Dezember 2010 (Antrag zu 2.) aus den genannten Gründen einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.
Insoweit ist auch die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes zu bejahen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats - vgl. Beschlüsse vom 22. September 2005 - L 9 AS 47/05 ER -, vom 7. Juni 2006 - L 9 AS 85/06 ER - und vom 30. August 2006 - L 9 AS 115/06 ER -; zuletzt Beschluss vom 14. Juni 2011 - L 9 AL 90/11 B ER -; Conradis in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Entscheidend ist, ob es dem Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig u.a. SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 28). Derartige erhebliche Nachteile sind hier zu bejahen, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln die Antragsteller den durch die Hilfeleistungen des Antragsgegners nicht gedeckten Bedarf in dem Zeitraum von Dezember 2010 bis Juli 2011 sicherstellen können. Das Girokonto des Antragstellers zu 1. weist nach dem letzten vorgelegten Kontoauszug vom 13. Mai 2011 einen Sollsaldo von 2.819,01 Euro bei einem eingeräumten Dispositionskredit in Höhe von 2.500,00 Euro auf. Die Verweisung auf die Aufnahme weiterer Privatdarlehen erachtet der Senat als nicht zumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum 31. Juli 2011 ohne Anrechnung der Nachzahlung der Bundesagentur für Arbeit vom 29. Juli 2010 (Gründungszuschuss nebst Zinsen) als Einkommen zu gewähren.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren von dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung eines aufgrund eines sozialgerichtlichen Vergleichs gezahlten Gründungszuschusses als Einkommen.
Der Antragsteller zu 1. war in der Zeit von Juli 2008 bis Februar 2009 als selbstständiger Betreiber eines Imbisses erwerbstätig. Vor Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit beantragte der Antragsteller zu 1. bei der Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss, den die Agentur für Arbeit ablehnte. Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg. Der Antragsteller zu 1. erhob daraufhin Klage beim Sozialgericht in B-Stadt (S 10 AL 228/08). Im Erörterungstermin am 12. Juli 2010 schlossen die Beteiligten nach Hinweis des Kammervorsitzenden auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 5. Mai 2010 einen Vergleich, wonach die Agentur für Arbeit dem Antragsteller zu 1. einen Gründungszuschuss in gesetzlicher Höhe für die Zeit vom 1. August 2008 bis zum 28. Februar 2009 unter Anrechnung des vom 4. März 2009 bis zum 12. Juni 2009 bezogenen Arbeitslosengeldes gewährt. Die Agentur für Arbeit zahlte daraufhin einen Gründungszuschuss in Höhe von 4.827,15 Euro sowie Zinsen in Höhe von 426,10 Euro, insgesamt 5.253,25 Euro, an den Antragsteller zu 1. aus. Die Beträge wurden dem Konto des Antragstellers zu 1. am 29. Juli 2010 gutgeschrieben.
Bereits am 15. Dezember 2009 hatten die Antragsteller bei dem Antragsgegner Leistungen nach dem SGB II ab 1. Februar 2010 beantragt. Mit Bescheid vom 6. Januar 2010 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für den Monat Februar 2010 in Höhe von 1.179,37 Euro und für die Zeit von März 2010 bis einschließlich November 2010 in Höhe von monatlich 1.214,69 Euro. Mit Änderungsbescheid vom 31. März 2010 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Leistungen für den Monat Februar 2010 in Höhe von 1.312,08 Euro und für die Zeit von März bis einschließlich November 2010 monatlich 1.348,39 Euro. Nachdem der Antragsgegner Kenntnis von der Nachzahlung des Gründungszuschusses erlangt hatte, hob er mit Bescheid vom 10. August 2010 den Bescheid vom 31. März 2010 für den Monat August 2010 (teilweise) auf und forderte die Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 407,77 Euro. Mit weiterem Bescheid vom 10. August 2010 (bezeichnet als Änderungsbescheid) berechnete der Antragsgegner die Leistungen für die Zeit von September bis einschließlich November 2010 neu und bewilligte Leistungen in Höhe von monatlich 940,62 Euro. Die Nachzahlung der Agentur für Arbeit sei ab 1. August 2010 verteilt auf zwölf Monate anzurechnen. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24. August 2010 legten die Antragsteller Widerspruch gegen die Bescheide vom 10. August 2010 ein. Zur Begründung führten die Bevollmächtigten aus, der Antragsteller zu 1. habe vor Eröffnung seines Imbisses Umbaumaßnahmen vornehmen müssen. Die dazu erforderlichen Mittel habe er aus dem Gründungszuschuss bestreiten wollen. Da ihm die Gewährung eines Gründungszuschusses entgegen einer mündlichen Zusage verweigert worden sei, habe er bei Herrn I. S. ein Darlehen über 5.000 Euro aufgenommen. Nach dem vorgelegten Kontoauszug wurde der Betrag von 5.000 Euro am 22. Juli 2008 auf dem Girokonto des Antragstellers zu 1. gutgeschrieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2010 wies der Antragsgegner den Widerspruch vom 24. August 2010 zurück. Der Antragsteller zu 1. hat an Herrn I. S. am 16. September 2010 einen Betrag von 4.000 Euro zurückgezahlt.
Die Antragsteller haben am 6. Oktober 2010 beim Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben (S 24 AS 817/10) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Mit Beschluss vom 9. November 2010 hat das Sozialgericht nach dem Tenor des Beschlusses (Nr. 1) den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. In den Gründen hat das Sozialgericht ausgeführt, das Begehren der Antragsteller richte sich auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 10. August 2010 (Antrag zu 1.) sowie auf Verpflichtung des Antragsgegners, den Antragstellern im Wege der einstweiligen Anordnung für die Zeit ab September 2010 ungekürzte Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 1.378,39 Euro zu bewilligen (Antrag zu 2.). Die nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bzw. nach § 86b Abs. 2 SGG zulässigen Anträge seien unbegründet. Der Antragsgegner habe zu Recht die den Antragstellern am 29. Juli 2010 nachträglich zugeflossene Zahlung eines Existenzgründungszuschusses in Höhe von insgesamt 5.253,25 Euro bedarfsmindernd als Einkommen der Antragsteller berücksichtigt und dieses Einkommen - in rechtlich ebenfalls nicht zu beanstandender Weise - auf einen Zeitraum von zwölf Monaten aufgeteilt. Entgegen der Auffassung der Antragsteller handele es sich bei der Zahlung des Existenzgründungszuschusses nicht um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, denn er diene demselben Zweck wie das Arbeitslosengeld II, nämlich der Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. BSG, Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 16/06 R -). Das BSG habe insoweit in unterschiedlichen Fallkonstellationen wiederholt entschieden, dass auch bei Nachzahlungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume maßgeblich auf den Zeitpunkt des Zuflusses der entsprechenden Gelder abzustellen sei (sogenanntes Zuflussprinzip) und dies unabhängig davon, ob es sich um nachträgliche Steuererstattungen, Nachzahlungen von Arbeitsentgelt oder auch Arbeitslosenhilfenachzahlungen gehandelt habe (Urteile vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 86/08 R -, vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 46/08 R - und vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 64/08 R -). Nichts anderes könne aus Sicht des Gerichts auch für die hier erfolgte nachträgliche Zahlung des Existenzgründungszuschusses gelten. Entscheidend sei allein darauf abzustellen, ob der Hilfebedürftige im Rahmen des SGB II-Bezuges tatsächlich hilfebedürftig sei, oder vielmehr aufgrund entsprechender Einkünfte ganz oder teilweise in die Lage versetzt werde, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Kräften sicherzustellen. Dies sei vorliegend bei den Antragstellern mit der nachträglichen Gewährung des Existenzgründungszuschusses der Fall, da die Mittel den Antragstellern grundsätzlich zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung stünden. Eine unbillige Härte sei nicht gegeben. Dass die Antragsteller die Nachzahlung in Höhe von 4.000 Euro zur Schuldentilgung verwendet hätten, habe außer Betracht zu bleiben. Insoweit sei in der obergerichtlichen Rechtsprechung zwischenzeitlich einhellige Auffassung, dass im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen seien und demnach auch die von den Antragstellern vorgenommene Schuldentilgung außer Betracht zu bleiben habe. Dies folge aus dem Rechtsgedanken, dass staatliche Fürsorge erst dann eingreifen soll, wenn Hilfebedürftige die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel verbraucht hätten und Einkommen mithin zur Sicherung des Lebensunterhaltes der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen sei, und zwar selbst dann, wenn dadurch bestehende vertragliche Verpflichtungen nicht erfüllt werden könnten (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R -).
Gegen den den Beteiligten am 15. November 2010 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am 29. November 2010 beim Sozialgericht Wiesbaden Beschwerde erhoben. Zur Begründung haben die Bevollmächtigten ausgeführt, das Sozialgericht habe auf die Rechtsprechung des BSG zu Nachzahlungen für in der Vergangenheit liegende Zeiträume verwiesen, ohne zu erkennen, dass es sich hier um einen völlig anders gelagerten Fall handele. Sofern das Sozialgericht die Entscheidung des BSG vom 21. Dezember 2009 (B 14 AS 46/08 R) zitiere, verkenne es, dass die Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Während es sich im vom BSG entschiedenen Verfahren um eine sehr typische Verschiebung zwischen Bewilligungszeitraum und Auszahlungszeitpunkt handele, sei im hier vorliegenden Fall eine Nachzahlung des Existenzgründungszuschusses zwei Jahre nach dem Bewilligungszeitraum erfolgt. Die Anrechnung bedeute hier eine unbillige Härte.
Die Antragsteller beantragen,
Nr. 1 des Beschlusses des Sozialgerichts Wiesbaden vom 9. November 2010 zu ändern und
1. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2010, durch den die (teilweise) Aufhebung der Bewilligung von Leistungen für die Zeit von September bis November 2010 geregelt wurde, anzuordnen,
2. den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragstellern Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung der Nachzahlung der Bundesagentur für Arbeit (Existenzgründungszuschuss) für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum Ablauf des Folgemonats der gerichtlichen Entscheidung im Beschwerdeverfahren zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts für rechtmäßig. Bei dem angerechneten Existenzgründungszuschuss handele es sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II, das nicht zweckbestimmt im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II sei. Dass der Zuschuss für einen zurückliegenden Zeitraum gezahlt worden sei, ändere an der Qualifikation als Einkommen nichts. Auch der Umstand, dass die Mittel den Antragstellern aufgrund einer zwischenzeitlich erfolgten Schuldentilgung nicht mehr zur Verfügung stünden, könne an der Anrechenbarkeit nichts ändern.
Soweit die Antragsteller außerdem beantragt hatten festzustellen, dass die Klage gegen den Bescheid vom 10. August 2010, soweit die (teilweise) Erstattung von Leistungen für den Monat August 2010 geregelt wurde, aufschiebende Wirkung entfaltet, haben die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das Begehren der Antragsteller ist zum einen auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den den Leistungszeitraum von September bis November 2010 betreffenden Bescheid vom 10. August 2010 gerichtet (Antrag zu 1.). Zum anderen begehren die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung für die Zeit von Dezember 2010 bis Juli 2011 (Antrag zu 2.).
Das Sozialgericht hat das Vorliegen der Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG in den Gründen des angefochtenen Beschlusses verneint; der Tenor der Entscheidung enthält keinen dahingehenden Ausspruch. Die insoweit vom Sozialgericht zugrunde gelegte Antragstellung, den Zeitraum von September bis November 2010 betreffend, entspricht nicht der Bescheidlage. Entgegen der Überschrift des Bescheides des Antragsgegners vom 10. August 2010 handelt es sich nicht um einen Änderungsbescheid, sondern, da Leistungen mit Bescheid vom 31. März 2010 ab Februar 2010 bis November 2010 bewilligt worden waren, um einen Aufhebungsbescheid (hier für künftige Zeiträume). Einstweiliger Rechtsschutz ist daher (auch) für diesen Zeitraum nach § 86b Abs. 1 SGG und nicht - wie vom Sozialgericht unter Zugrundelegung der Antragstellung des Prozessbevollmächtigten der Antragsteller angenommen - nach § 86b Abs. 2 SGG zu gewähren. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dementsprechend erst für die Zeit ab 1. Dezember 2010 in Betracht, allerdings nur zeitlich begrenzt bis zum Ablauf des Folgemonats der gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschlüsse vom 28. Januar 2009 - L 9 SO 98/08 B ER -, vom 21. April 2009 - L 9 AS 65/09 B ER -, vom 11. November 2009 - L 9 AS 417/09 B ER - und vom 11. Oktober 2010 - L 9 AS 494/10 B ER -). Die Bevollmächtigten der Antragsteller haben den Antrag entsprechend beschränkt.
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist der Antrag zu 1. begründet.
Nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage haben nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt u. a. nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen, hier nach § 39 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) in der Fassung des Gesetzes vom 21. Dezember 2008 (BGBl. I 2917). Nach dieser Vorschrift haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, keine aufschiebende Wirkung. Zu den Leistungen der Grundsicherung im Sinne dieser Vorschrift gehören auch die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Conradis in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 39 Rdnr. 5). Die Vorschrift erfasst nicht nur die Bewilligung von Leistungen, sondern auch aufhebende Entscheidungen für die Zukunft (siehe bereits Beschluss des Senats vom 16. Januar 2006 - L 9 AS 60/05 ER -). Im vorliegenden Fall hat der Antragsgegner die Leistungsbewilligung vom 31. März 2010, den Zeitraum von Februar bis November 2010 betreffend, mit Bescheid vom 10. August 2010 für die Zeit vom 1. September 2010 bis zum 30. November 2010 und damit für die Zukunft aufgehoben.
Das Gericht entscheidet bei dem Antrag nach § 86b Abs. 1 SGG nach Ermessen und aufgrund einer Interessenabwägung (Keller in: Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl. 2008 § 86b Rdnr. 12 ff., m.w.N.). Dabei sind im Rahmen einer summarischen Prüfung die öffentlichen und privaten Interessen und die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. An der Vollziehung offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte kann kein öffentliches Interesse bestehen; umgekehrt besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Vollziehung offensichtlich rechtmäßiger Verwaltungsakte. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, erfolgt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens mit berücksichtigt werden können (Keller s.o. § 86b Rdnr. 12c; § 86a Rdnr. 20 m.w.N.). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, stellt Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens. Die Gerichte müssen in solchen Fällen, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927).
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe spricht vorliegend mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung des Antragsgegners.
Hinsichtlich des Bescheides vom 10. August 2010 (den Zeitraum von September bis November 2010 betreffend) erscheint bereits die hinreichende Bestimmtheit der (Teil-) Aufhebungsentscheidung nicht eindeutig. Denn den beigefügten Anlagen kann jedenfalls nicht entnommen werden, in welcher Höhe der Bewilligungsbescheid vom 31. März 2010 aufgehoben wurde. Der Aufhebungsbetrag muss vielmehr erst durch Saldierung der ursprünglichen gegenüber den neu festgesetzten Beträgen errechnet werden.
Ungeachtet der Frage der formellen Rechtmäßigkeit bestehen hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides erhebliche Bedenken, soweit der Antragsgegner den am 29. Juli 2010 an den Antragsteller zu 1. ausgezahlten Gründungszuschuss als Einkommen auf den Bedarf der Antragsteller angerechnet hat. Hinsichtlich des Vorliegens der übrigen Leistungsvoraussetzungen hat der Senat keine Bedenken.
Bei der Nachzahlung des Gründungszuschusses aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs handelt es sich um Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Danach sind alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach dem SGB II als Einkommen zu berücksichtigen. Für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen wendet das BSG im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) die sog. Zuflusstheorie an (BSG, Urteil vom 18. Februar 2010 - B 14 AS 86/08 R -, Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 49/08 R -; Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546 und Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291). Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II ist als Einkommen grundsätzlich alles zu berücksichtigen, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist alles, was er vor Antragstellung bereits hatte. Laufende Einnahmen sind für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung stellt die Nachzahlung des Gründungszuschusses Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar.
Bei der dem Antragsteller zu 1. zugeflossenen Nachzahlung handelt sich nicht um privilegiertes Einkommen im Sinne des § 11 SGB II. Ein Ausnahmetatbestand des § 11 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB II liegt nicht vor. Der Gründungszuschuss ist auch keine zweckbestimmte Einnahme. Nach § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a SGB II sind Einnahmen nicht als Einkommen beim Leistungsempfänger zu berücksichtigen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Das BSG hat bereits entschieden, dass sowohl hinsichtlich des Existenzgründungszuschusses nach § 421l SGB III (Urteil vom 6. Dezember 2007 - B 14/7b AS 16/06 R - BSGE 99, 240) als auch des Überbrückungsgeldes nach § 57 SGB III i.d.F. des Gesetzes vom 21. Juli 1999 (Urteil vom 1. Juni 2010 - B 4 AS 67/09 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 28) Zweckidentität im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1 Buchst a SGB II anzunehmen ist, so dass derartige Leistungen ebenso wie der Gründungszuschuss nach § 57 SGB III (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. Februar 2008 - L 32 B 59/08 AS ER -), hier in der Fassung vom 20. April 2007 (BGBl. I 554), als Einkommen bei der Berechnung des Arbeitslosengelds II zu berücksichtigen sind.
Zum grundsätzlich anrechenbaren Einkommen zählen nach der Rechtsprechung des BSG auch Sozialleistungen wie die Arbeitslosenhilfe (Urteil vom 21. Dezember 2009 – B 14 AS 46/08 R -) oder das Insolvenzgeld (Urteil vom 13. Mai 2009 - B 4 AS 29/08 R -). Unbeachtlich ist danach auch das Bestehen von Verbindlichkeiten im Zeitpunkt des Zuflusses der Sozialleistung (Urteil vom 13. Mai 2009 s.o. m.w.N.). Von diesem Grundsatz ist allerdings hier eine Ausnahme zu machen. Im vorliegenden Fall besteht nämlich die Besonderheit, dass die Verbindlichkeiten infolge der nicht rechtzeitig ausgezahlten Sozialleistung entstanden sind. Denn die Agentur für Arbeit hat den Gründungszuschuss zu Unrecht abgelehnt. Der Antragsteller zu 1. hat bei Herrn S. ein Darlehen gerade deshalb aufgenommen, weil der beantragte Gründungszuschuss zunächst nicht gewährt wurde. Wäre der Gründungszuschuss rechtzeitig geleistet worden, hätte der Antragsteller zu 1. das Darlehen nicht aufnehmen müssen. Die Nichtgewährung des Gründungszuschusses war daher kausal für die Darlehensaufnahme.
In einem solchen Fall hat die Nachzahlung des Gründungszuschusses bei der Einkommensanrechnung außer Betracht zu bleiben. Eine solche Betrachtungsweise gebietet der auch im Sozialrecht Berücksichtigung findende Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG – s. bereits BSG, Urteil vom 20.5.1958 – 2 RV 285/56 – NJW 1958, 1607; s.a. BSG, Urteil vom 6.2.2003 – B 7 AL 38/02 R – NZS 2004, 163 f.). Der Antragsteller zu 1. durfte nach Ablehnung des Gründungszuschusses durch die Agentur für Arbeit zur Aufnahme seiner selbstständigen Tätigkeit ein Darlehen eines privaten Dritten im Vertrauen darauf aufnehmen, dieses nach gerichtlicher Durchsetzung seines Anspruchs auf Gründungszuschuss tilgen zu können. Ein Aufschub des Beginns der selbstständigen Tätigkeit war dem Antragsteller in Anbetracht der Ungewissheit des Zeitpunkts der Anspruchsrealisierung nicht zumutbar. Dass er mit dem Versuch der Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit wirtschaftlich scheitern und die Antragsteller anschließend auf bedürftigkeitsabhängige Leistungen nach dem SGB II angewiesen sein würden, war für den Antragsteller zu 1. im Zeitpunkt der Darlehensaufnahme nicht vorhersehbar. Die Nichtanrechnung des Nachzahlungsbetrages führt zwar faktisch zu einer Schuldentilgung, die grundsätzlich nicht Aufgabe der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe ist. Anderes gilt - abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderfällen - aber dann, wenn – wie hier – ein Sozialleistungsträger nicht rechtzeitig leistet oder es dem Hilfesuchenden nicht zuzumuten ist, auf sich für ihn ergebende Möglichkeiten der Selbsthilfe oder auf die Inanspruchnahme der Hilfe Dritter zu verzichten, um die Hilfeleistung abwarten zu können (so bereits BVerwG, Urteil vom 30. April 1992 - 5 C 12/87 - BVerwGE 90, 154 m.w.N. zur Gewährung von Sozialhilfe für die Vergangenheit).
Soweit das BSG den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) im Zusammenhang mit der Nachzahlung von Arbeitslosenhilfe als nicht einschlägig erachtet hat (Urteil vom 21. Dezember 2009 - B 14 AS 46/08 R -), ist der zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. Im dort entschiedenen Fall ging es um die Anrechnung einer Nachzahlung, ohne dass im Zusammenhang mit der ursprünglichen Ablehnung der Leistung ein Darlehen aufgenommen wurde. Vorliegend stellt der Senat entscheidend auf die Verknüpfung der Ablehnung der Sozialleistung (hier: Gründungszuschuss) und der dadurch verursachten Darlehensaufnahme ab.
Nach alledem ist die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage gegen den den Leistungszeitraum von September bis einschließlich November 2010 betreffenden Bescheid vom 10. August 2010 (Antrag zu 1.) zu bejahen.
In diesem Umfang ist auch der Antrag zu 2. begründet.
Die Antragsteller haben auch für die Zeit ab 1. Dezember 2010 (Antrag zu 2.) aus den genannten Gründen einen Anordnungsanspruch hinreichend glaubhaft gemacht.
Insoweit ist auch die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes zu bejahen.
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung muss für die Abwendung wesentlicher Nachteile nötig sein; d.h. es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats - vgl. Beschlüsse vom 22. September 2005 - L 9 AS 47/05 ER -, vom 7. Juni 2006 - L 9 AS 85/06 ER - und vom 30. August 2006 - L 9 AS 115/06 ER -; zuletzt Beschluss vom 14. Juni 2011 - L 9 AL 90/11 B ER -; Conradis in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, Anhang Verfahren Rdnr. 119). Entscheidend ist, ob es dem Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten (Keller in: Meyer-Ladewig u.a. SGG, 9. Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 28). Derartige erhebliche Nachteile sind hier zu bejahen, da nicht ersichtlich ist, aus welchen Mitteln die Antragsteller den durch die Hilfeleistungen des Antragsgegners nicht gedeckten Bedarf in dem Zeitraum von Dezember 2010 bis Juli 2011 sicherstellen können. Das Girokonto des Antragstellers zu 1. weist nach dem letzten vorgelegten Kontoauszug vom 13. Mai 2011 einen Sollsaldo von 2.819,01 Euro bei einem eingeräumten Dispositionskredit in Höhe von 2.500,00 Euro auf. Die Verweisung auf die Aufnahme weiterer Privatdarlehen erachtet der Senat als nicht zumutbar.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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