S 2 AS 688/11 ER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 2 AS 688/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die vorläufige Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) ab Antragstellung bei Gericht am 27.04.2011.

Die am ... 1964 geborene verheiratete Antragstellerin wohnte zunächst mit ihrem Ehemann R. S. in der gemeinsamen Wohnung B. in D., Ortsteil M. Die Eheleute trennten sich Anfang Januar 2011 (07.01.2011 nach der Antragsschrift vom 26.04.2011 bzw. 09.01.2011 nach der Antragstellung vom 24.01.2011 beim Antragsgegner). Die Antragstellerin schloss am 09.01.2011 einen Mietvertrag über die Wohnung in D., Ortsteil M., A. beginnend ab 09.01.2011 und zog in diese Wohnung um. Für die neue Wohnung ist nach dem Mietvertrag ein Mietzins von 240,00 EUR und Nebenkosten von 60,00 EUR zu zahlen. Die Heizung erfolgt mittels Nachtspeicherofen, die Warmwasserbereitung erfolgt ebenfalls elektrisch. Die Antragstellerin zahlt nach dem Versorgungsvertrag vom 13.01.2011 einen Abschlag an die Stadtwerke D. von 103,00 EUR, bestehend aus Haushaltsstromabschlag von 40,00 EUR und Strom im Nachttarif von 63,00 EUR.

Die Antragstellerin bezog bis zum 09.01.2011 Arbeitslosengeld I, zuletzt für Januar 2011 anteilig 335,00 EUR. Sie erhält zudem als Ortsbürgermeisterin des Ortsteils M. von der Stadt D. nach der Satzung über die Entschädigung der Mitglieder des Stadtrates, der Ortschaftsräte und der ehrenamtlich Tätigen der Stadt D. (Entschädigungssatzung) einen monatlichen Betrag von 347,80 EUR als Aufwandsentschädigung. Trennungsunterhalt zahlte der Ehemann der Antragstellerin, der selbst Arbeitslosengeld I bezieht, nicht.

Am 10.01.2011 sprach die Antragstellerin beim Antragsgegner vor und begehrte die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Der vollständige Antrag und die Nachweise lagen am 24.01.2011 vor. Mit Bescheid vom 08.02.2011 bewilligte der Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum 10.01.2011 bis 31.07.2011. Für Januar 2011 wurden Leistungen anteilig in Höhe von 161,78 EUR bewilligt, ab Februar 2011 bewilligte der Antragsgegner monatlich 404,20 EUR. Der Bescheid erging vorläufig hinsichtlich der noch nicht abgeschlossenen Vermögensprüfung und der Anrechnung der Aufwandsentschädigung als Ortsbürgermeisterin. Der Betrag von 347,80 EUR wurde durch den Antragsgegner in voller Höhe als Einkommen berücksichtigt. Es erfolgte lediglich die Absetzung der Versicherungspauschale von 30,00 EUR. Am 16.03.2011 erließ der Antragsgegner einen endgültigen Bewilligungsbescheid für den Zeitraum 10.01.2011 bis 31.07.2011. Die Leistungshöhe entsprach der ursprünglichen, vorläufigen Bewilligung.

Am 21.03.2011 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 16.03.2011 ein. Sie wandte sich gegen die Anrechnung der Aufwandsentschädigung als Einkommen. Die Antragstellerin reichte zudem ein Schreiben der Stadt D. vom 18.02.2011 ein. Aus diesem ergibt sich, dass die der Antragstellerin gezahlte Aufwandsentschädigung keinen Verdienstausfall darstelle. Dieser sei vielmehr unabhängig von der Aufwandsentschädigung zu beantragen.

Mit Änderungsbescheid vom 08.04.2011 erfolgte die Bewilligung höherer Leistungen für den Zeitraum 01.04.2011 bis 31.07.2011. Der Antragsgegner berücksichtigte dabei die neue Rechtslage nach dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII, insbesondere § 11a Abs. 3 Satz 1 und § 11b Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB II. Von der Aufwandsentschädigung wurde ein Grundfreibetrag von 175,00 EUR und ein Erwerbstätigenfreibetrag von 34,56 EUR abgesetzt und der Antragstellerin 588,76 EUR monatlich bewilligt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 wurde der Widerspruch im Übrigen zurückgewiesen. Die Anrechnung der Aufwandsentschädigung in voller Höhe bis 31.03.2011 unter Absetzung der Versicherungspauschale von 30,00 EUR sei nicht zu beanstanden. Ab April 2011 sei aufgrund der geänderten Rechtslage eine Grundfreibetrag von 175,00 EUR zu berücksichtigen. Unter weiterer Anrechnung eines Freibetrages nach § 30 SGB II a.F. sei gleichwohl die Aufwandsentschädigung als Einkommen in die Berechnung des Anspruchs einzustellen.

Am 27.04.2011 stellte die Antragstellerin einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz. Am 29.04.2011 ging zudem die Klage in der Hauptsache zum Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 bei Gericht ein.

Die Antragstellerin trägt vor, dass die Aufwandsentschädigung nicht als Einkommen anzurechnen sei. Es handele sich um eine steuerfreie Entschädigung ihrer Auslagen, die mit der ehrenamtlichen Tätigkeit als Ortsbürgermeisterin in Zusammenhang stehen. Belege hinsichtlich der einzelnen Auslagen könnten derzeit nicht vorgelegt werden, allerdings sei die ehrenamtliche Tätigkeit mit der nicht angerechneten Aufwandsentschädigung von 175,00 EUR nicht durchführbar. Es würden höhere Auslagen entstehen.

Die Antragstellerin beantragt schriftlich sinngemäß,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II im Zeitraum 27.04.2011 bis 31.07.2011 in Höhe von monatlich 722,00 EUR zu zahlen.

Der Antragsgegner beantragt schriftlich,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Auffassung, dass die Aufwandsentschädigung grundsätzlich als Einkommen anzurechnen sei. Es liege keine ausdrücklich zweckbestimmte Einnahme vor, eine allgemeine Zweckrichtung genüge nicht. Dies zeige auch die Neuregelung in § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.

II.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig.

Die Antragstellerin begehrt höhere Leistungen, als bisher mit den Bescheiden vom 08.02.2011, 16.03.2011 und 08.04.2011 bewilligt. Damit wird der Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt. Die genannten Bescheide sind zudem auch nicht bestandskräftig geworden, die Klage in der Hauptsache wird beim Sozialgericht Dessau-Roßlau unter dem Aktenzeichen S 2 AS 787/11 geführt. Die Antragstellerin hat ausdrücklich höhere Leistungen für den Zeitraum ab Antragstellung bei Gericht am 27.04.2011 bis zum Ablauf des aktuellen Bewilligungszeitraumes am 31.07.2011 beantragt und die monatlich begehrte Leistung mit 722,00 EUR beziffert.

2. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Antragstellerin stehen keine vorläufig höheren Leistungen im Zeitraum 27.04.2011 bis 31.07.2011 zu.

Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht in der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Danach setzt der Erlass einer einstweiligen Anordnung voraus, dass der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit einer vorläufigen Entscheidung des Gerichts über diesen Hilfeanspruch (Anordnungsgrund) dargelegt und glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung). Der Anordnungsgrund setzt voraus, dass dem Antragsteller bei Abwägung seiner Interessen gegen die der Antragsgegnerin nicht zugemutet werden kann, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.

Hinsichtlich der Gewährung höherer vorläufiger Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II liegt für den Zeitraum 27.04.2011 bis 31.07.2011 bereits kein Anordnungsanspruch vor, so dass es bei der Bewilligung durch den Antragsgegner verbleiben muss.

Für die Leistungsbewilligung ist vorliegend die Rechtslage nach dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II Und SGB XII unter Berücksichtigung der Überleitungsvorschriften in § 77 SGB II neue Fassung (im Weiteren immer neue Fassung, soweit nicht ausdrücklich als alte Fassung (a.F.) gekennzeichnet) maßgeblich.

Nach § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Dies umfasst den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungen erhalten auch Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben (§ 7 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 SGB II).

Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten sind nach § 7 Abs.1 SGB II Personen, die

- das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben,

- erwerbsfähig sind

- hilfebedürftig sind

- ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Zweifel an der Erwerbsfähigkeit der Antragstellerin bestehen nicht. Sie lebt derzeit von ihrem Ehemann getrennt (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II) und bildet daher eine eigene Bedarfsgemeinschaft. Die Antragstellerin ist auch hilfebedürftig nach § 9 Abs. 1 SGB II, da sie ihren Bedarf nicht vollständig aus eigenen Mitteln bestreiten kann und die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Der monatliche Gesamtbedarf der Antragsteller nach § 19 Abs. 1 SGB II besteht zum einen aus der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II in Höhe von 364,00 EUR sowie den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Hierbei fallen für die Mietwohnung 240,00 EUR Miete und 60,00 EUR Nebenkosten an. Zudem sind die Kosten für den Nachtstrom hinsichtlich der Heizung mit Nachtspeicherofen von 63,00 EUR zu berücksichtigen. Da auch die Warmwasseraufbereitung elektrisch erfolgt, ist zudem ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 Nr. 1 SGB II von 8,37 EUR anzusetzen. Eine Reduzierung der Unterkunftskosten wegen Unangemessenheit ist derzeit nicht relevant, da jedenfalls die Frist für eine entsprechende Kostensenkung nach Aufforderung noch nicht abgelaufen ist. Es ergibt sich ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe von 735,37 EUR

Da ausweislich der Unterlagen in der Verwaltungsakte des Antragsgegners anzurechnendes Vermögen im Sinne von § 12 SGB II über den maßgeblichen Freibeträgen nicht vorliegt, ist vom Bedarf de Antragstellerin allein das bezogene Einkommen gemäß § 11 ff. SGB II abzuziehen. Da im streitigen Zeitraum kein Arbeitslosengeld I mehr bezogen wird und zudem derzeit keine Unterhaltszahlungen des getrennt lebenden Ehemannes erfolgen, ist allein relevant, ob und in welcher Weise die Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit als Ortsbürgermeisterin als Einkommen anzurechnen ist.

Zunächst ist festzuhalten, dass im streitigen Zeitraum bereits die Neuregelungen in den §§ 11 ff. SGB II, insbesondere § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II und § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II anzuwenden sind. Die Übergangsvorschrift in § 77 Abs. 3 SGB II gilt nur für die weitere Anwendung des § 30 SGB II a.F. an Stelle des § 11b Abs. 3 SGB II n.F.

Die Anrechnung einer Aufwandsentschädigung für eine ehrenamtliche Tätigkeit war hinsichtlich der Rechtslage vor dem 01.04.2011 umstritten (vgl. Landessozialgerichts Sachsen, Urteil vom 17.05.2010, Az. L 7 AS 25/07, zit. nach juris, derzeit anhängig beim Bundessozialgericht, B 14 AS 93/10 R). Mit der Neuregelung in § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist durch den Gesetzgeber klargestellt worden, dass eine Zweckbestimmung nur anzunehmen ist, wenn Leistungen aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden. So wird in der Gesetzesbegründung zu § 11a SGB II aufgeführt, dass eine allgemeine Zweckrichtung wie bei steuerfreien Aufwandsentschädigungen nicht ausreiche (BGBl. 17/3404, S. 94). Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde diese Regelung als kontraproduktiv für die Ausübung von Ehrenämtern angesehen, da die Aufwandsentschädigungen für solche Tätigkeiten die Ansprüche nach dem SGB II erheblich mindern würden und die Nachweisführung für Auslagen aufwändig ist. Schließlich wurde die Sonderregelung hinsichtlich der Absetzungsmöglichkeit in § 11b Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB II geschaffen:

"Erhält eine leistungsberechtigte Person mindestens aus einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes steuerfrei sind, gelten die Sätze 1 und 2 mit den Maßgaben, dass jeweils an die Stelle des Betrages von 100 EUR monatlich der Betrag von 175 EUR monatlich und an die Stelle des Betrages von 400 EUR der Betrag von 175 EUR tritt. § 11a Abs. 3 bleibt unberührt."

Damit wird jedoch im Umkehrschluss auch klargestellt, dass Einnahmen, die nach § 3 Nr. 12, 26, 26a oder 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei sind, keine zweckbestimmten Einnahmen darstellen. Bezieher von Aufwandsentschädigungen werden daher zum einen privilegiert, da ihnen ein höherer Grundfeibetrag gewährt wird und zum anderen die Möglichkeit eingeräumt wird, höhere Aufwendungen ohne Erreichen eines Verdienstes von 400 EUR nachzuweisen.

Vorliegend bezieht die Antragstellerin als Ortsbürgermeisterin des Ortsteils M. der Stadt D. eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 347,80 EUR. Diese ist in § 1 Abs. 3 der Satzung über die Entschädigung der Mitglieder des Stadtrates, der Ortschaftsräte und der ehrenamtlich Tätigen der Stadt D. (Entschädigungssatzung) vom 26.01.2008 (Veröffentlichung im Amtsblatt) geregelt. Es handelt sich dabei nicht um einen Verdienstausfall, da dieser in § 4 der Entschädigungssatzung geregelt wird. Ebenso werden in der Satzung ergänzend das Sitzungsgeld (§ 2) und Fahrt- und Reisekosten sowie Übernachtungsgelder (§ 3) zusätzlich geregelt. Während ein Entschädigung für Verdienstausfall unproblematisch in voller Höhe als Einkommen anzurechnen wäre, sind konkrete Erstattungen von Auslagen wie Fahrt- und Reisekosten als zweckbestimmte Einnahmen nicht zu berücksichtigen (§ 11a Abs. 3 Satz 1 SGB). Bei der Aufwandsentschädigung nach § 1 Entschädigungssatzung handelt es sich aber um steuerfreie Einnahmen nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG. Es liegt eine Aufwandsentschädigung aus einer öffentlichen Kasse vor, die nicht für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt wird. Zudem ist nicht offensichtlich, dass der Aufwand, der der Antragstellerin erwächst, erheblich unter der Entschädigung liegt. Aus der Regelung in der Entschädigungssatzung ist keine konkrete Zweckbestimmung zu erkennen, die Antragstellerin ist grundsätzlich frei in der Verwendung des gezahlten Betrages. Demnach verbleibt es bei der Anwendung von § 11b Abs. 2 Satz 3 SGB II.

Der Einwand der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, dass es sich zwar um steuerfreie Einnahmen handeln würde, § 3 Nr. 12 EStG aber nicht anwendbar sei, ist nicht nachvollziehbar. Richtig ist vielmehr, dass es sich um steuerfreie Einnahmen handelt, weil § 3 Nr. 12 EStG einschlägig ist. Dementsprechend ist die Aufwandsentschädigung anzurechnen, aber der Grundfreibetrag von 175,00 EUR abzusetzen. Es ergibt sich ein anrechenbares Einkommen von 172,80 EUR. Eine weitere Absetzung von Versicherungspauschale, Kfz-Haftpflichtversicherung oder anderen Versicherungsbeiträgen erfolgt nicht, da diese Beträge bereits in dem Grundfreibetrag von 175,00 EUR enthalten sind (vgl. § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 und § 11b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB II).

Eine höhere Absetzung ist der Kammer aufgrund des bisherigen Sachvortrages nicht möglich. So wurde die Antragstellerin mit Schreiben des Gerichts vom 09.05.2011 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine höhere Absetzung nur bei entsprechender Auflistung und Glaubhaftmachung der monatlichen Auslagen möglich ist. Eine solche wurde bei Gericht jedoch nicht eingereicht.

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist keine weitere Absetzung nach § 30 SGB II a.F. i.V.m. § 77 Abs. 3 SGB II vorzunehmen. Der Antragsgegner hat im Änderungsbescheid vom 08.04.2011 und Widerspruchsbescheid vom 11.04.2011 einen Erwerbstätigenfreibetrag von 34,56 EUR berücksichtigt, der jedoch nicht angefallen ist. Bei der Ausübung des Ehrenamtes als Ortsbürgermeisterin handelt es sich nicht um eine Erwerbstätigkeit. Es liegt keine Verwertung der Arbeitskraft zur Einkommenserzielung vor. Insoweit hat der Antragsgegner die Antragsstellerin zu Unrecht begünstigt.

Unter Berücksichtigung des anzurechnenden Einkommens besteht für die Antragstellerin ein Leistungsanspruch von monatlich 562,57 EUR. Eine Rundung auf volle Euro findet nach § 41 Abs. 2 SGB II n.F. nicht mehr statt. Der Antragsgegner hat mit dem Änderungsbescheid vom 08.04.2011 monatliche Leistungen ab 01.04.2011 bis 31.07.2011 von 588,76 EUR bewilligt und zahlt diese an die Antragstellerin. Durch die fehlerhafte Einrechnung des Erwerbstätigenfreibetrages erhält die Antragstellerin damit höhere Leistungen als nach der Berechnung des Gerichts. Ein Anspruch auf (noch) höhere vorläufige Leistungen besteht jedoch ersichtlich nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 183 SGG i.V.m. § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.

4. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) voraus, dass der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten des Rechtsstreites ganz, teilweise oder nur in Raten zu tragen und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen wären bei der Klägerin als Bezieher von laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erfüllt, allerdings bestanden im konkreten Fall keine Erfolgsaussichten, so dass Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden kann.

Nach der Rechtsprechung und der in der Literatur herrschenden Meinung hat ein Rechtsschutzbegehren dann im Sinne des § 114 ZPO hinreichend Aussicht auf Erfolg, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt oder wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt unübersichtlich ist oder weitere Klärung bedarf und das Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Umgekehrt kann die Erfolgsaussicht verneint werden, wenn ein Erfolg in der Sache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 13.03.1990, Az.: 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347, 356 ff., Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 9. Aufl., § 73 a, Rn. 7 bis 7b jeweils mit zahlreichen Nachweisen).

Aufgrund der obigen Ausführungen zu den anwendbaren (neuen) Regelungen zur Einkommensanrechnung und insbesondere der Klarstellung des Gesetzgebers zur Berücksichtigung steuerfreier Aufwandsentschädigungen für Ehrenämter, bestanden vorliegend keine Erfolgsaussichten. Auch nach der Nachberechnung des Gerichts ergab sich im Ergebnis kein höherer Leistungsanspruch.

Soweit der Antragstellerin die Möglichkeit aufgezeigt wurde, Nachweise für Aufwendungen über 175,00 EUR vorzulegen, wurde hiervon kein Gebrauch gemacht. Insoweit fehlte es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes an der erforderlichen Glaubhaftmachung. Allein die etwaige Möglichkeit oder der pauschale Vortrag, dass höhere Aufwendungen vorlägen, genügt nicht. Auch unter diesem Aspekt konnte daher eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht erfolgen.

5. Der Beschluss ist unanfechtbar. Dies ergibt sich für die Antragstellerin hinsichtlich des Begehrens im einstweiligen Rechtsschutz aus § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Die Antragstellerin beantragte eine monatliche Leistung von 722,00 EUR. Unter Berücksichtigung der bewilligten Leistungen von 588,76 EUR monatlich ergibt sich eine Differenz von 131,24 EUR. Im streitigen Zeitraum vom 27.04.2011 bis 31.07.2011 wird daher der Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht erreicht.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen, da die Ablehnung im vorliegenden Fall nicht auf den persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen beruht. Allerdings ist die Beschwerde nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ausgeschlossen. Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 20.02.2009, Az.: L 5 B 305/08 AS und L 5 B 304/08 AS) ist die Beschwerde auch dann ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache – wie hier – die Berufung nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG von Gesetz wegen zugelassen ist, da der Beschwerdewert von 750,00 EUR nicht überschritten wird.

Wiecha
Rechtskraft
Aus
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