L 8 SO 4/11 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 81/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 4/11 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Berufung gegen einen Gerichtsbescheid über die Übernahme von Straßenausbaubeiträgen im Rahmen von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII).

Der am ... 1949 geborene Kläger ist Eigentümer des Grundstücks "Unter dem Turm 410", Flur 1 Flurstück 349, in 06 ... F. Das auf diesem Grundstück errichtete Haus befindet sich in einem Zustand, dass es nicht zu Wohnzwecken genutzt werden kann. Das Grundstück ist insbesondere mit einer Aufbauhypothek der S. für zwei dem Kläger gewährte Darlehen mit Gesamtforderungen in Höhe von 14.123,60 EUR (Stand 18. November 2008) belastet. Das auf Antrag des Zweckverbandes Wasserversorgung und Abwasserentsorgung O. als weiterer Gläubigerin eingeleitete Zwangsversteigerungsverfahren ist seit Rechtskraft des Beschlusses des Amtsgerichts A. vom 2011 beendet. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2008 forderte die Stadt S., in deren Zuständigkeitsbereich sich das Grundstück befindet, von dem Kläger die Zahlung des wiederkehrenden Straßenausbaubeitrags der Ortschaft F. für das Jahr 2007 in Höhe von 28,92 EUR, zahlbar binnen eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheides. Unter dem 3. November 2009 erließ sie einen entsprechenden Bescheid für das Jahr 2008 mit einer Forderung in Höhe von 168,70 EUR.

Der Kläger steht seit dem 1. November 2007 im laufenden Bezug von Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII, die von dem beklagten Landkreis gewährt werden. Der Beklagte lehnte seinen Antrag vom 4. Dezember 2008 auf Übernahme der Straßenausbaubeiträge für das Jahr 2007 ab. Die Erschließungsbeiträge und sonstigen Anliegerbeiträge sowie Anschlussgebühren oder -beiträge, die die Gemeinden auf Grund von Satzungen erheben, könnten grundsätzlich nicht als Beihilfe gewährt werden. Schulden würden nach § 34 SGB XII nur übernommen, wenn sie zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung vergleichbarer Notlagen gerechtfertigt seien. Das hier von den Ausbaubeiträgen betroffenen Grundstück des Klägers befinde sich in der Zwangsversteigerung. Der Kläger lebe in einer Mietwohnung in A ... Damit sei weder von einer drohenden Wohnungslosigkeit noch einer vergleichbaren Notlage auszugehen. Aufwendungen zum Erhalt des Vermögens seien Sache des Eigentümers (Bescheid vom 16. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009).

Mit seiner am 10. September 2009 bei dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, er könne die von ihm geforderten Straßenausbaubeiträge aus seinem Vermögen nicht bezahlen.

Das Sozialgericht hat den Beteiligten mit Richterbriefen vom 10. Dezember 2009 und 10. Juni 2010 Gelegenheit zur Stellungnahme zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gegeben und die Klage mit Gerichtsbescheid vom 23. November 2010 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen. In Auslegung des Vorbringens des Klägers hat das Sozialgericht seiner Entscheidung den sinngemäßen Antrag zugrunde gelegt, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2009 zu verurteilen, die Straßenausbaubeiträge für das Grundstück in Frose für das Jahr 2007 in Höhe von 28,92 EUR zu zahlen. Soweit es sich bei diesen Beiträgen, welche nicht für das von dem Kläger derzeit bewohnte Wohnung in A. erhoben würden, um Schulden für das im Eigentum stehende Mehrfamilienhaus in F. handele, bestehe kein Anspruch auf Übernahme durch den Beklagten. Der Kläger bewohne eine Mietwohnung und sei damit nicht von Obdachlosigkeit bedroht. Das Grundstück in F. sei als Vermögen nicht geschützt im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII, da er dort nicht wohne. Der Gerichtsbescheid enthält in den Entscheidungsgründen den Hinweis auf die mangels einer Berufungssumme von 750 EUR nicht statthafte Berufung. Die beigefügte Rechtsmittelbelehrung ist nach den Vorgaben von § 105 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgestaltet.

Eine Ausfertigung des Gerichtsbescheides ist dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 7. Dezember 2010 zugestellt worden.

Am 10. Dezember 2010 hat der Kläger bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eine an den Präsidenten des LSG adressierte "Eilbeschwerde" erhoben, die nachfolgend auch als Rechtsmittel gegen den Gerichtsbescheid vom 23. November 2010 registriert worden ist. Der Kläger hat auf eine Vollstreckungsankündigung der Stadt A. im Wege der Amtshilfe für die von ihm für das Jahr 2009 geschuldeten Straßenausbaubeiträge (140,57 EUR) verwiesen. Unter Zugrundelegung der für die nächsten Jahrzehnte geschuldeten Straßenausbaubeiträge werde der Schwellenwert für eine von Gesetzes wegen statthafte Berufung erreicht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2010 zuzulassen.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,

die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Ansicht, die "Eilbeschwerde" sei unzulässig. Der Vortrag des Klägers sei zudem unsubstantiiert. Die Beschwerde sei bei einer Auslegung als Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet. Den Streitgegenstand bilde nur die Übernahme der Straßenausbaubeiträge für das Jahr 2007. Einen Grund für die Zulassung der nicht bereits von Gesetzes wegen statthafte Berufung habe der Kläger nicht dargelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, welche Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.

II.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 23. November 2010 ist gemäß § 145 SGG zulässig, aber nicht begründet. Zulassungsgründe im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG sind nicht gegeben.

Das Sozialgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Berufung hier nicht bereits kraft Gesetzes zulässig ist. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt, soweit die Berufung keine wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Die hier begehrten Leistungen betreffen eine Geldleistung mit einem Wert des Beschwerdegegenstandes von 28,92 EUR (Straßenausbaubeiträge für das Jahr 2007). Die Straßenausbaubeiträge für die Folgejahre sind erst nach Erlass des hier angefochtenen Bescheides von dem Kläger gefordert worden. Bei der Kostenübernahme für die jährlich in unterschiedlicher Höhe mit Bescheiden der Stadt S. erhobenen Straßenausbaubeiträge handelt es sich nicht um "wiederkehrende" oder "laufende" Leistungen im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr.1), das Urteil von einer Entscheidung des LSG, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2), oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einem Rechtsstreit nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwarten werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über ein bloßes individuelles Interesse hinausgeht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 144 RdNr. 28). Vorliegend vermag der Senat eine grundsätzliche Bedeutung im vorstehenden Sinne nicht zu erkennen. Der Rechtsstreit wirft keine grundsätzlichen Fragen auf, die für eine Mehrzahl anderer Fälle von Bedeutung sind.

Die hier zu berücksichtigenden rechtlichen Gesichtspunkte lassen sich ohne weiteres dem Gesetz entnehmen: Die Übernahme von Kosten eines nicht selbst für Wohnzwecke genutzten Grundstücks ist nach den Regelungen des SGB XII nicht möglich. Zutreffend hat das Sozialgericht auf die den Eigentumsschutz gewährleistende Regelung in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII verwiesen, die sich nur auf den Schutz des selbst bewohnten angemessenen Hausgrundstücks als Vermögen bezieht. Leistungen der Grundsicherung für die Kosten der Unterkunft (§ 42 Satz 2 Nr. 2 i.V.m. § 29 SGB XII) beziehen sich auf tatsächlich genutzte Räumlichkeiten (vgl. z.B. Grube in: Grube/Wahrendorf, SGB XII Kommentar, § 29 RdNr. 13). Die Übernahme von Schulden durch den Sozialhilfeträger als Hilfe zum Lebensunterhalt in Sonderfällen kann nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur erfolgen, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Die durch die Unterhaltung einer nicht selbst bewohnten Liegenschaft entstehenden Kosten gefährden weder die durch Leistungen nach dem SGB XII unterhaltene anderweitige Wohnung eines Hilfebedürftigen noch begründen sie eine vergleichbare Notlage.

Die Berufung ist auch nicht wegen einer Divergenz im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG zuzulassen. Eine solche liegt nur vor, wenn das Sozialgericht eine Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, die von einem durch ein übergeordnetes Gericht in seiner Entscheidung aufgestellten tragenden abstrakten Rechtssatz abweicht und die Entscheidung des Sozialgerichts auf dieser Abweichung beruht, d.h. die Entscheidung des Sozialgerichts anders ausgefallen wäre, wenn die obergerichtliche Rechtsprechung beachtet worden wäre (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 144 RdNr. 30 unter Hinweis auf § 160 RdNr. 10 ff.). Eine abweichende Rechtsprechung des LSG Sachsen-Anhalt oder des BSG existiert nicht.

Schließlich hat der Kläger auch einen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangel im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG). Nach § 105 Abs. 3 i.V.m. § 145 Abs. 4 Satz 4 SGG wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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