Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
98
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 178/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Die Klage wird abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Ereignis, das nach den Angaben des Klägers am 26. Mai 2009 stattgefunden haben soll, einen Arbeitsunfall darstellt.
Der Kläger ist als Unternehmensberater selbständig tätig. Er ist bei der Beklagten seit 2005 freiwillig versichert.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 meldete der Kläger bei der Beklagten einen "Unfall". Er führte aus, er habe am 26. Mai 2009 um 19.30 Uhr eine Veranstaltung am.markt in B besucht. Auf dem Weg zurück nach Hause habe er im U-Bahnhof F. Straße ein Speiseeis erworben. Als der Zug einfuhr, habe er das letzte Stück des sehr hart gefrorenen Eises hinuntergeschlungen, da der Verzehr im Waggon nicht gestattet sei. Das Stück sei zu groß gewesen, sei offenbar in der Speiseröhre hängen geblieben und habe blitzartig dumpfe pulsierende Schmerzen mit Ausstrahlung nach rechts verursacht. Er sei zunächst in den Zug eingestiegen, habe diesen jedoch wegen anhaltender Schmerzen am U-Bahnhof L platz wieder verlassen und habe sich von dort aus mit dem Taxi ins V Klinikum begeben.
Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der C (Campus.-Klinikum) ein. Der dortige Arzt Dr. von H teilte unter dem 24. Juli 2009 mit, dass der Kläger am 26. Mai 2009 um 21.45 Uhr in der Rettungsstelle eingetroffen sei. Der Kläger habe angegeben, sich beim Eisessen verschluckt zu haben. Beim Kläger sei ein Herzinfarkt (Hinterwand-STEMI) diagnostiziert worden. Ein Zusammenhang zwischen dem Schmerzereignis und dem Eisessen sei unwahrscheinlich.
Auf Nachfrage der Beklagten gab der Stellvertretende Klinikdirektor Prof. Dr. H. mit Schreiben vom 28. September 2009 an, dass zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Verschlucken und dem Herzinfarkt eine fachärztliche Begutachtung notwendig sei.
Unter dem 21. Oktober 2009 ergänzte der Kläger seine bisherigen Angaben dahingehend, dass es sich bei der Veranstaltung am.markt am 26. Mai 2009 um einen Vortrag gehandelt habe, den er besucht habe, um Kunden zu gewinnen.
Mit Bescheid vom 4. November 2009 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger aufgrund des Ereignisses vom 26. Mai 2009 "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" zu gewähren. Zur Begründung führte sie an, bei dem vom Kläger geschilderten Ereignis handele es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Fraglich sei bereits, ob es sich bei der Teilnahme an der vom Kläger erwähnten Veranstaltung um eine versicherte Tätigkeit gehandelt habe; dies könne mangels näherer Angaben des Klägers zum Inhalt des Vortrags und zu der dort anwesenden Kundschaft nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls aber gehöre der Genuss des Speiseeises nicht mehr zur versicherten Tätigkeit. Im Übrigen sei ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Eisessen und dem Herzinfarkt nicht hinreichend wahrscheinlich.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, es könne bei ihm nicht von einem "Eisessen" die Rede sein; vielmehr habe er hartgefrorene Brocken heruntergewürgt. Die Veranstaltung am 26. Mai 2009 habe zu 100% der Akquisition gedient. Für einen Ursachenzusammenhang spreche, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Herunterwürgen des Eises und dem Eintritt der Schmerzen bestanden habe, er vorher gesundheitlich nicht ange¬schlagen gewesen sei und im Krankenhaus keine Risikofaktoren festgestellt worden seien. Der Arzt, der den Bericht vom 24. Juli 2009 erstellt habe, habe ihn nie untersucht und auch keine Diagnose gestellt. Demgegenüber würde sich seine (die des Klägers) Position stützen lassen, wenn man andere Ärzte der C. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen würde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung heißt es in dem Widerspruchsbescheid, bei dem Eisessen handele es sich um eine dem privaten Bereich zuzuordnende Tätigkeit, die nicht versichert sei. Darüber hinaus fehle es an einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis; das Eisessen stelle eine vom Kläger gesteuerte, willentliche Handlung dar.
Mit der am 12. März 2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend an, er habe das Eis beim Einfahren des Zuges unwillkürlich verschluckt, sodass ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
1.) dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 26. Mai 2009 zu gewähren, insbesondere Heilbehandlung und Verletztengeld,
2.) einen Herzinfarkt als Folge des Ereignisses vom 26. Mai 2009 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Die Beteiligten sind mit Richterbrief vom 6. Dezember 2010 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzel¬heiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage kann gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher vom Gericht zu der beab¬sichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise bereits unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger – neben der Aufhebung des angefochtenen Bescheids – "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung , insbesondere Heilbehandlung und Verletztengeld" (Klageantrag zu 1) begehrt. Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG). Vor Klageerhebung ist (auch) im Falle einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zunächst in einem Verwaltungsverfahren, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, über die begehrte Sozialleistung zu befinden (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R – SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5 = juris, dort Rn. 11). Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. November 2009 (in der Gestalt des Widerspruchsbe¬scheids vom 3. März 2010) der Sache nach bereits das Vorliegen eines Versicherungsfalls abgelehnt. Eine Entscheidung über die Gewährung/Nichtgewährung von konkreten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wie z. B. Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII) enthält der Bescheid demgegenüber nicht. Zwar ist in dem Verfügungssatz des Bescheids auch ganz generell von "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" die Rede, jedoch beinhaltet diese allgemein gehaltene Formulierung für sich genommen noch keine Entscheidung über konkrete Leistungsansprüche der gesetzlichen Un¬fallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 7. September 2004 – B 2 U 45/03 – SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 = juris, dort Rn. 12, sowie B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3 = juris, dort Rn. 11). Dementsprechend kann zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits nur die Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeits¬unfalls, nicht aber der Anspruch auf bestimmte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversiche¬rung sein.
Im Übrigen, d. h. hinsichtlich des Klageantrags zu 2), ist die Klage zulässig. Der Kläger erstrebt bei sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens (§ 123 SGG) die Verpflichtung der Beklagten, festzustellen, dass das Ereignis vom 26. Mai 2009 ein Arbeitsunfall ist. Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Geht es dem Versicherten um die vom Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, so kann er wählen, ob er dieses Begehren durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage durchsetzt, also unmittelbar eine gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls erstrebt, oder ob er – wie hier – eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhebt, gerichtet auf die Verpflichtung der Behörde, den Versicherungsfall festzustellen (BSG, Urteil vom 27. April 2010 – B 2 U 23/09 R – juris; BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – juris).
Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, das Ereignis vom 26. Mai 2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII).
Für einen Arbeitsunfall ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwir¬kenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die An¬erkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung bestimmter Leistungen der gesetz¬lichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 28/06 R – juris m. w. N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabs gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlich¬keit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 29/07 R – juris).
Unter Anwendung der dargelegten Grundsätze liegt hier kein Arbeitsunfall vor. Zwar gehört der Kläger zu dem nach § 6 SGB VII versicherten Personenkreis, denn es besteht eine freiwil¬lige Versicherung bei der Beklagten. Die hier in Frage stehende Verrichtung – das Eisessen – ist jedoch nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen.
Das Gericht legt seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass sich das Ereignis vom 26. Mai 2009 so zugetragen hat, wie der Kläger es mit Schreiben vom 4. Juni 2009 geschildert hat. Selbst wenn man diesen Sachverhalt als feststehend unterstellte, liegen die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht vor.
Für die Zuordnung einer bestimmten Handlung zum Kreis der versicherten Tätigkeit reicht es nicht aus, dass ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen der Handlung und der grundsätzlich gemäß §§ 2, 3 bzw. 6 SGB VII versicherten Tätigkeit besteht, sondern es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Handlung mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang steht und dieser wesentlich dient (Schmitt, SGB VII, § 8 Rn. 11 m. w. N.).
Der Vorgang der Nahrungsaufnahme ist grundsätzlich unversichert. Von diesem Grundsatz sind lediglich Ausnahmen zu machen, wenn die Nahrungsaufnahme zur Wiedererlangung der Arbeitskraft erforderlich ist oder sie aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen muss und der Unfall auf das hastige Essen zurückzuführen ist (Schmitt, SGB VII, § 8 Rn. 80 m. w. N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Verzehr des Eises war zur Wiedererlangung der Arbeitskraft nicht erforderlich. Abgesehen davon, dass ein Speiseeis erfahrungsgemäß zu Genusszwecken und gerade nicht zum Zwecke der Stärkung verzehrt wird, befand sich der Kläger ohnehin bereits auf dem Weg nach Hause, als er das Eis zu sich nahm. Er war dementsprechend auf die Nahrungsaufnahme nicht angewiesen, um seine Arbeit fortzusetzen, denn die Arbeit war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Die Nahrungsaufnahme musste auch nicht aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen. Der Kläger hat das Eis mit besonderer Beschleunigung gegessen, weil er in den Zug einsteigen wollte und der Verzehr von Speiseeis im Zug nicht gestattet ist. Hierbei handelt es sich um einen Grund, der erkennbar nicht betrieblicher Natur ist, denn er steht in keinem Zusammenhang mit den geschäftlichen Abläufen im Unternehmen des Klägers.
War somit die hier in Frage stehende Verrichtung, der Verzehr des Eises, nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen, so liegt schon aus diesem Grund kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII vor. Es kann mithin offen bleiben, ob der vom Kläger erlittene Herzinfarkt ursächlich auf das Verschlucken des Speiseeises zurückzuführen ist oder nicht.
Die Klage war nach allem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 193 SGG und orientiert sich am Ergebnis der Hauptsache, da Anhaltspunkte für eine abweichende Kostenentscheidung nicht ersichtlich waren.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Ereignis, das nach den Angaben des Klägers am 26. Mai 2009 stattgefunden haben soll, einen Arbeitsunfall darstellt.
Der Kläger ist als Unternehmensberater selbständig tätig. Er ist bei der Beklagten seit 2005 freiwillig versichert.
Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 meldete der Kläger bei der Beklagten einen "Unfall". Er führte aus, er habe am 26. Mai 2009 um 19.30 Uhr eine Veranstaltung am.markt in B besucht. Auf dem Weg zurück nach Hause habe er im U-Bahnhof F. Straße ein Speiseeis erworben. Als der Zug einfuhr, habe er das letzte Stück des sehr hart gefrorenen Eises hinuntergeschlungen, da der Verzehr im Waggon nicht gestattet sei. Das Stück sei zu groß gewesen, sei offenbar in der Speiseröhre hängen geblieben und habe blitzartig dumpfe pulsierende Schmerzen mit Ausstrahlung nach rechts verursacht. Er sei zunächst in den Zug eingestiegen, habe diesen jedoch wegen anhaltender Schmerzen am U-Bahnhof L platz wieder verlassen und habe sich von dort aus mit dem Taxi ins V Klinikum begeben.
Die Beklagte holte daraufhin eine Auskunft der C (Campus.-Klinikum) ein. Der dortige Arzt Dr. von H teilte unter dem 24. Juli 2009 mit, dass der Kläger am 26. Mai 2009 um 21.45 Uhr in der Rettungsstelle eingetroffen sei. Der Kläger habe angegeben, sich beim Eisessen verschluckt zu haben. Beim Kläger sei ein Herzinfarkt (Hinterwand-STEMI) diagnostiziert worden. Ein Zusammenhang zwischen dem Schmerzereignis und dem Eisessen sei unwahrscheinlich.
Auf Nachfrage der Beklagten gab der Stellvertretende Klinikdirektor Prof. Dr. H. mit Schreiben vom 28. September 2009 an, dass zur Beurteilung des Ursachenzusammenhangs zwischen dem Verschlucken und dem Herzinfarkt eine fachärztliche Begutachtung notwendig sei.
Unter dem 21. Oktober 2009 ergänzte der Kläger seine bisherigen Angaben dahingehend, dass es sich bei der Veranstaltung am.markt am 26. Mai 2009 um einen Vortrag gehandelt habe, den er besucht habe, um Kunden zu gewinnen.
Mit Bescheid vom 4. November 2009 lehnte die Beklagte es ab, dem Kläger aufgrund des Ereignisses vom 26. Mai 2009 "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" zu gewähren. Zur Begründung führte sie an, bei dem vom Kläger geschilderten Ereignis handele es sich nicht um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII). Fraglich sei bereits, ob es sich bei der Teilnahme an der vom Kläger erwähnten Veranstaltung um eine versicherte Tätigkeit gehandelt habe; dies könne mangels näherer Angaben des Klägers zum Inhalt des Vortrags und zu der dort anwesenden Kundschaft nicht abschließend beurteilt werden. Jedenfalls aber gehöre der Genuss des Speiseeises nicht mehr zur versicherten Tätigkeit. Im Übrigen sei ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Eisessen und dem Herzinfarkt nicht hinreichend wahrscheinlich.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er machte geltend, es könne bei ihm nicht von einem "Eisessen" die Rede sein; vielmehr habe er hartgefrorene Brocken heruntergewürgt. Die Veranstaltung am 26. Mai 2009 habe zu 100% der Akquisition gedient. Für einen Ursachenzusammenhang spreche, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Herunterwürgen des Eises und dem Eintritt der Schmerzen bestanden habe, er vorher gesundheitlich nicht ange¬schlagen gewesen sei und im Krankenhaus keine Risikofaktoren festgestellt worden seien. Der Arzt, der den Bericht vom 24. Juli 2009 erstellt habe, habe ihn nie untersucht und auch keine Diagnose gestellt. Demgegenüber würde sich seine (die des Klägers) Position stützen lassen, wenn man andere Ärzte der C. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen würde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung heißt es in dem Widerspruchsbescheid, bei dem Eisessen handele es sich um eine dem privaten Bereich zuzuordnende Tätigkeit, die nicht versichert sei. Darüber hinaus fehle es an einem von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis; das Eisessen stelle eine vom Kläger gesteuerte, willentliche Handlung dar.
Mit der am 12. März 2010 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren und führt ergänzend an, er habe das Eis beim Einfahren des Zuges unwillkürlich verschluckt, sodass ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis vorliege.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
1.) dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aufgrund des Ereignisses vom 26. Mai 2009 zu gewähren, insbesondere Heilbehandlung und Verletztengeld,
2.) einen Herzinfarkt als Folge des Ereignisses vom 26. Mai 2009 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Die Beteiligten sind mit Richterbrief vom 6. Dezember 2010 zu der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten beigezogen. Wegen der weiteren Einzel¬heiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage kann gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher vom Gericht zu der beab¬sichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört worden.
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist teilweise bereits unzulässig. Im Übrigen ist sie zulässig, aber unbegründet.
Die Klage ist unzulässig, soweit der Kläger – neben der Aufhebung des angefochtenen Bescheids – "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung , insbesondere Heilbehandlung und Verletztengeld" (Klageantrag zu 1) begehrt. Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG). Vor Klageerhebung ist (auch) im Falle einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zunächst in einem Verwaltungsverfahren, das mit einem Verwaltungsakt abschließt, über die begehrte Sozialleistung zu befinden (BSG, Urteil vom 30. Oktober 2007 – B 2 U 4/06 R – SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5 = juris, dort Rn. 11). Daran fehlt es hier. Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 4. November 2009 (in der Gestalt des Widerspruchsbe¬scheids vom 3. März 2010) der Sache nach bereits das Vorliegen eines Versicherungsfalls abgelehnt. Eine Entscheidung über die Gewährung/Nichtgewährung von konkreten Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wie z. B. Verletztengeld (§§ 45 ff. SGB VII) enthält der Bescheid demgegenüber nicht. Zwar ist in dem Verfügungssatz des Bescheids auch ganz generell von "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung" die Rede, jedoch beinhaltet diese allgemein gehaltene Formulierung für sich genommen noch keine Entscheidung über konkrete Leistungsansprüche der gesetzlichen Un¬fallversicherung (vgl. BSG, Urteile vom 7. September 2004 – B 2 U 45/03 – SozR 4-2700 § 2 Nr. 2 = juris, dort Rn. 12, sowie B 2 U 46/03 R – SozR 4-2700 § 2 Nr. 3 = juris, dort Rn. 11). Dementsprechend kann zulässiger Gegenstand des Rechtsstreits nur die Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, hier eines Arbeits¬unfalls, nicht aber der Anspruch auf bestimmte Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversiche¬rung sein.
Im Übrigen, d. h. hinsichtlich des Klageantrags zu 2), ist die Klage zulässig. Der Kläger erstrebt bei sinnentsprechender Auslegung seines Begehrens (§ 123 SGG) die Verpflichtung der Beklagten, festzustellen, dass das Ereignis vom 26. Mai 2009 ein Arbeitsunfall ist. Statthafte Klageart ist insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Geht es dem Versicherten um die vom Unfallversicherungsträger abgelehnte Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls, so kann er wählen, ob er dieses Begehren durch die Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage durchsetzt, also unmittelbar eine gerichtliche Feststellung des Versicherungsfalls erstrebt, oder ob er – wie hier – eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erhebt, gerichtet auf die Verpflichtung der Behörde, den Versicherungsfall festzustellen (BSG, Urteil vom 27. April 2010 – B 2 U 23/09 R – juris; BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 – B 2 U 17/10 R – juris).
Soweit die Klage zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 4. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht hat die Beklagte es abgelehnt, das Ereignis vom 26. Mai 2009 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII).
Für einen Arbeitsunfall ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwir¬kenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die An¬erkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung bestimmter Leistungen der gesetz¬lichen Unfallversicherung (BSG, Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 28/06 R – juris m. w. N.).
Hinsichtlich des Beweismaßstabs gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen. Demgegenüber genügt für den Nachweis der wesentlichen Ursachenzusammenhänge zwischen diesen Voraussetzungen die (hinreichende) Wahrscheinlich¬keit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 29/07 R – juris).
Unter Anwendung der dargelegten Grundsätze liegt hier kein Arbeitsunfall vor. Zwar gehört der Kläger zu dem nach § 6 SGB VII versicherten Personenkreis, denn es besteht eine freiwil¬lige Versicherung bei der Beklagten. Die hier in Frage stehende Verrichtung – das Eisessen – ist jedoch nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen.
Das Gericht legt seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde, dass sich das Ereignis vom 26. Mai 2009 so zugetragen hat, wie der Kläger es mit Schreiben vom 4. Juni 2009 geschildert hat. Selbst wenn man diesen Sachverhalt als feststehend unterstellte, liegen die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls nicht vor.
Für die Zuordnung einer bestimmten Handlung zum Kreis der versicherten Tätigkeit reicht es nicht aus, dass ein zeitlicher und räumlicher Zusammenhang zwischen der Handlung und der grundsätzlich gemäß §§ 2, 3 bzw. 6 SGB VII versicherten Tätigkeit besteht, sondern es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Handlung mit der versicherten Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang steht und dieser wesentlich dient (Schmitt, SGB VII, § 8 Rn. 11 m. w. N.).
Der Vorgang der Nahrungsaufnahme ist grundsätzlich unversichert. Von diesem Grundsatz sind lediglich Ausnahmen zu machen, wenn die Nahrungsaufnahme zur Wiedererlangung der Arbeitskraft erforderlich ist oder sie aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen muss und der Unfall auf das hastige Essen zurückzuführen ist (Schmitt, SGB VII, § 8 Rn. 80 m. w. N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Der Verzehr des Eises war zur Wiedererlangung der Arbeitskraft nicht erforderlich. Abgesehen davon, dass ein Speiseeis erfahrungsgemäß zu Genusszwecken und gerade nicht zum Zwecke der Stärkung verzehrt wird, befand sich der Kläger ohnehin bereits auf dem Weg nach Hause, als er das Eis zu sich nahm. Er war dementsprechend auf die Nahrungsaufnahme nicht angewiesen, um seine Arbeit fortzusetzen, denn die Arbeit war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Die Nahrungsaufnahme musste auch nicht aus betrieblichen Gründen besonders schnell erfolgen. Der Kläger hat das Eis mit besonderer Beschleunigung gegessen, weil er in den Zug einsteigen wollte und der Verzehr von Speiseeis im Zug nicht gestattet ist. Hierbei handelt es sich um einen Grund, der erkennbar nicht betrieblicher Natur ist, denn er steht in keinem Zusammenhang mit den geschäftlichen Abläufen im Unternehmen des Klägers.
War somit die hier in Frage stehende Verrichtung, der Verzehr des Eises, nicht der unfallversicherungsrechtlich geschützten Tätigkeit zuzurechnen, so liegt schon aus diesem Grund kein Arbeitsunfall im Sinne des § 8 SGB VII vor. Es kann mithin offen bleiben, ob der vom Kläger erlittene Herzinfarkt ursächlich auf das Verschlucken des Speiseeises zurückzuführen ist oder nicht.
Die Klage war nach allem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 105 Abs. 1 Satz 3 SGG in Verbindung mit § 193 SGG und orientiert sich am Ergebnis der Hauptsache, da Anhaltspunkte für eine abweichende Kostenentscheidung nicht ersichtlich waren.
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