Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 AS 2324/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1656/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialge-richts Düsseldorf vom 18.08.2011 aufgehoben. Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05-, NVwZ 2005, S. 927).
Das Sozialgericht (SG) hat den Antragsgegner zu Unrecht verpflichtet, dem Antragsteller zu 2 (jetziger Beschwerdegegner) für den Zeitraum vom 28.06.2011 bis 30.11.2011 Leistungen nach dem SGB II zu zahlen und dabei die zeitweise Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und dem Antragsteller zu 1 (Vater) fortzuführen. Dabei ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass der am 27.03.1993 geborene Beschwerdegegner Anspruchsinhaber ist (vgl. zu den Ansprüchen des Kindes zur Wahrnehmung des Umgangsrechts BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b 14/06 R, Rn. 28). Es fehlt jedoch seit der Volljährigkeit des Beschwerdegegners, unabhängig davon, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist, an einem Anordnungsanspruch. Dementsprechend hat der Antragsgegner mit den Bescheiden vom 10.05.2011 die Gewährung von weiteren Leistungen aufgrund der Besuchszeiten des Antragstellers bei seinem Vater nur noch bis Ende März 2011 übernommen, ab dem 01.04.2011 jedoch zutreffend abgelehnt.
Die Auffassung des SG, die Bildung einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft sei nicht nur auf die Zeit der Minderjährigkeit, sondern unter Berücksichtigung der Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres möglich, wird vom Senat nicht geteilt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b 14/06 R) zur Wahrnehmung des Umgangsrechts ist auf Besuchszeiten eines volljährigen Kindes beim Umgangsberechtigten nicht anzuwenden. Das BSG hat die Annahme einer temporären Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bei minderjährigen Kindern mit der besonderen Förderungspflicht des Staates gemäß Art 6 Abs. 1 GG begründet (BSG, a.a.O, Rn. 27). Die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums müssten im Ergebnis die Ausübung des Umgangsrechts bei Bedürftigkeit ermöglichen. Wie dies im Einzelnen zu erfolgen habe, sei abhängig von der einfachrechtlichen Ausgestaltung, die im Licht des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 auszulegen sei (BSG, a.a.O. Rn. 21).
Die besondere Förderungspflicht des Staates nach Art. 6 GG zur Gewährleistung des Umgangsrechts entfällt mit der Volljährigkeit. Mit der Volljährigkeit des Kindes (§ 2 BGB) endet die elterliche Sorge (Palandt, Kommentar zum BGB, 70. Auflage 2011, § 1626 Rn. 26). Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minder-jährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Zum Wohl des Kindes gehört gemäß 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 BGB).
Dass Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts nur für Minderjährige in Betracht kommen, lässt sich auch der Vorschrift des § 36 SGB II (örtliche Zuständigkeit) entnehmen. Nach § 36 Satz 3 SGB II ist für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 an Minderjährige, die Leistungen für die Zeit der Ausübung des Umgangsrechts nur für einen kurzen Zeitraum beanspruchen, der jeweilige Träger an dem Ort zuständig, an dem die umgangsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. In Satz 3 hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG zur örtlichen Zuständigkeit bei der Ausübung des Umgangsrechts Minderjähriger umgesetzt (vgl. Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 36 Rn. 17).
Da mit der Volljährigkeit die elterliche Sorge entfällt und nach (derzeitiger) Aktenlage keine Gründe vorliegen, die die Anerkennung eines Mehrbedarfs im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II rechtfertigen würden, hat der Beschwerdeführer (Antragsgegner) zu Recht ab dem die Gewährung weiterer Leistungen im Hinblick auf die Besuchszeiten ab dem 01.04.2011 abgelehnt. Die abschließende Prüfung, ob der Bescheid vom 10.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2011 rechtmäßig ist, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Gründe:
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05-, NVwZ 2005, S. 927).
Das Sozialgericht (SG) hat den Antragsgegner zu Unrecht verpflichtet, dem Antragsteller zu 2 (jetziger Beschwerdegegner) für den Zeitraum vom 28.06.2011 bis 30.11.2011 Leistungen nach dem SGB II zu zahlen und dabei die zeitweise Bedarfsgemeinschaft zwischen ihm und dem Antragsteller zu 1 (Vater) fortzuführen. Dabei ist das SG zutreffend davon ausgegangen, dass der am 27.03.1993 geborene Beschwerdegegner Anspruchsinhaber ist (vgl. zu den Ansprüchen des Kindes zur Wahrnehmung des Umgangsrechts BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b 14/06 R, Rn. 28). Es fehlt jedoch seit der Volljährigkeit des Beschwerdegegners, unabhängig davon, ob ein Anordnungsgrund gegeben ist, an einem Anordnungsanspruch. Dementsprechend hat der Antragsgegner mit den Bescheiden vom 10.05.2011 die Gewährung von weiteren Leistungen aufgrund der Besuchszeiten des Antragstellers bei seinem Vater nur noch bis Ende März 2011 übernommen, ab dem 01.04.2011 jedoch zutreffend abgelehnt.
Die Auffassung des SG, die Bildung einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft sei nicht nur auf die Zeit der Minderjährigkeit, sondern unter Berücksichtigung der Regelung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres möglich, wird vom Senat nicht geteilt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7b 14/06 R) zur Wahrnehmung des Umgangsrechts ist auf Besuchszeiten eines volljährigen Kindes beim Umgangsberechtigten nicht anzuwenden. Das BSG hat die Annahme einer temporären Bedarfsgemeinschaft im Sinne von § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II bei minderjährigen Kindern mit der besonderen Förderungspflicht des Staates gemäß Art 6 Abs. 1 GG begründet (BSG, a.a.O, Rn. 27). Die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums müssten im Ergebnis die Ausübung des Umgangsrechts bei Bedürftigkeit ermöglichen. Wie dies im Einzelnen zu erfolgen habe, sei abhängig von der einfachrechtlichen Ausgestaltung, die im Licht des Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 auszulegen sei (BSG, a.a.O. Rn. 21).
Die besondere Förderungspflicht des Staates nach Art. 6 GG zur Gewährleistung des Umgangsrechts entfällt mit der Volljährigkeit. Mit der Volljährigkeit des Kindes (§ 2 BGB) endet die elterliche Sorge (Palandt, Kommentar zum BGB, 70. Auflage 2011, § 1626 Rn. 26). Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minder-jährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). Die Personensorge umfasst insbesondere die Pflicht und das Recht, das Kind zu pflegen, zu erziehen, zu beaufsichtigen und seinen Aufenthalt zu bestimmen (§ 1631 Abs. 1 BGB). Zum Wohl des Kindes gehört gemäß 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil; jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt (§ 1684 Abs. 1 BGB).
Dass Leistungen zur Ausübung des Umgangsrechts nur für Minderjährige in Betracht kommen, lässt sich auch der Vorschrift des § 36 SGB II (örtliche Zuständigkeit) entnehmen. Nach § 36 Satz 3 SGB II ist für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 an Minderjährige, die Leistungen für die Zeit der Ausübung des Umgangsrechts nur für einen kurzen Zeitraum beanspruchen, der jeweilige Träger an dem Ort zuständig, an dem die umgangsberechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. In Satz 3 hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung des BSG zur örtlichen Zuständigkeit bei der Ausübung des Umgangsrechts Minderjähriger umgesetzt (vgl. Schoch in LPK-SGB II, 4. Auflage 2011, § 36 Rn. 17).
Da mit der Volljährigkeit die elterliche Sorge entfällt und nach (derzeitiger) Aktenlage keine Gründe vorliegen, die die Anerkennung eines Mehrbedarfs im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II rechtfertigen würden, hat der Beschwerdeführer (Antragsgegner) zu Recht ab dem die Gewährung weiterer Leistungen im Hinblick auf die Besuchszeiten ab dem 01.04.2011 abgelehnt. Die abschließende Prüfung, ob der Bescheid vom 10.05.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.05.2011 rechtmäßig ist, muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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