S 37 AS 19517/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 19517/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.3.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.6.2011 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 23.8. bis zum 31.8.2010 52,31 EUR Alg II und für die Zeit vom 1.9. bis zum 30.9.2010 174,38 EUR Alg II zu gewähren. 2. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.3.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.6.2011verurteilt, der Klägerin für April 2011 einen Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II in Höhe von 224,51 EUR monatlich und für die Monate Mai bis August 2011 in Höhe von jeweils 218,45 EUR zu gewähren. 3. Der Bescheid vom 29.6.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2011 wird aufgehoben 4. Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig sind Ansprüche auf Alg II und – seit April 2011 - den Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II.

Die im Juni 1989 geb. Klägerin bezog im März 2009 zusammen mit einer weiteren Person erstmals eine eigene Wohnung. Seinerzeit absolvierte sie ein freiwilliges soziales Jahr mit einem monatlichen Taschengeld von 265 EUR. Außerdem überwies ihr die Mutter monatlich 160 EUR des für die Klägerin gezahlten Kindergeldes.

Im September 2009 begann die Klägerin eine Ausbildung an einer Fachschule (Oberstufen-zentrum), die voraussichtlich im Juli 2012 endet. Das BAföG-Amt anerkannte bis September 2010 nur einen Grundanspruch von 212 EUR, weil die Klägerin die Schule vom Elternhaus in zumutbarer Zeit erreichen könne. Zu einer Auszahlung der Förderleistung kam es nicht, weil das nach §§ 21 ff BAföG anzurechnende Elterneinkommen den BAföG-Bedarfssatz überstieg.

Am 10.9.2009 beantragte die Klägerin Alg II, das anfangs mit der Begründung, die Klägerin unterliege einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II, abgelehnt worden war. Auf ihren Widerspruch bewilligte der Beklagte für den Zeitraum vom 10.9.2009 bis 28.2.2010 Alg II unter Prüfung eines Unterhaltsanspruchs gegen die Eltern der Klägerin.

Nachdem zunächst ein Unterhaltsanspruch von 465 EUR (640 EUR unterhaltsrechtlicher Ausbildungs-bedarf abzüglich 184 EUR Kindergeld) zu Grunde gelegt worden war, korrigierte der Beklagte den nach § 1610 BGB zustehenden Unterhaltsanspruch im November 2010 auf 108 EUR zuzüglich Kindergeld.

Den Fortzahlungsantrag der Klägerin für den Zeitraum März bis August 2010 hatte der Beklagte trotz eines auf BSG vom 21.12.2009 – B 14 AS 61/08 R gestützten Widerspruchs erneut unter Hinweis auf einen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II abgelehnt.

Im Juni 2010 bezog die Klägerin, die Mitte März 2010 einen 400 EUR-Job aufgenommen hatte, wegen Räumung der im März 2009 angemieteten Wohnung eine neue Wohnung. Haupt-mieterin dieser 1-Raum Wohnung mit einer monatlichen Miete von 260,85 EUR zuzüglich Abschlägen für eine Gasetagenheizung ist die Mutter der Klägerin, die die Wohnung mit Einverständnis des Vermieters im Rahmen eines Untermietvertrages (Mietzins = 260,85 EUR) der Klägerin überlässt. Der Vertrag mit dem Gasversorger läuft über die Klägerin.

Einen als Neuantrag gewerteten Alg II-Antrag der Klägerin vom 23.8.2010 lehnte der Beklagte zum wiederholten Mal mit Verweis auf § 7 Abs. 5 SGB II ab, den dem Ablehnungsbescheid vom 6.9.2010 beigefügten Antrag auf einen Mietzuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II (Fassung 2010) hielt der Beklagte entgegen, dass nur Bezieher von BAföG mietzuschussberechtigt seien (Ablehnungsbescheid vom 15.9.2010).

Am 15.2.2011 erneuerte die Klägerin ihren Antrag auf Gewährung eines Mietzuschusses, gestützt auf einen seit Oktober 2010 bestehenden, wegen Anrechnung von Elterneinkommen aber nicht zur Auszahlung kommenden Anspruch auf Voll-BAföG mit 465 EUR Fördersatz. Statt der vom BAföG-Amt errechneten Unterhaltszahlung von 632,91 EUR zahlten die Eltern das Kindergeld und übernahmen diverse, laufende Kosten für die Lebenshaltung der Klägerin in einem Umfang von ca. 101 EUR.

Mit Bescheid vom 14.3.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab; die Klägerin könne ihren Lebensunterhalt mit Unterhalt, Kindergeld und eigenem Einkommen (seit Februar 2011 von 400 EUR auf 280 EUR verringert) hinreichend bestreiten. Mit dieser Begründung wurde auch der Antrag auf Alg II vom 23.8.2010 nochmals abgelehnt (Bescheid vom 14.3.2011).

Die gegen die Ablehnungsbescheide vom 15.9.2010 und 14.3.2011 erhobenen Widersprüche der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 22.6.2011 und 30.6.2011 als unbegründet zurück; Alg II stehe der Klägerin nicht zu, weil sie mit einem BAföG-Grund-anspruch dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II unterfalle, der Zuschuss nach § 22 Abs. 7 SGB II (Fassung 2010) stehe nur Beziehern von BAföG zu.

Ein weiterer, genereller Ablehnungsbescheid vom 29.6.2011, bezogen auf einen formlosen Mietzuschuss-Antrag der Klägerin per Fax vom 14.2.2011, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.7.2011 bestätigt.

Mit einer am 25.7.2011 erhobenen Klage macht die Klägerin einen Anspruch auf Alg II für die Zeit vom 23.8.2010 bis zum 30.9.2010 sowie einen Mietzuschuss ab 1.4. bis 31.8.2011 nach § 27 Abs. 3 SGB II geltend.

Sie beruft sich darauf, während der Zeit des Grundanspruchs auf Mini-BAföG (212 EUR Fördersatz) keinem Leistungsausschluss unterlegen und mit dem ihr zur Verfügung stehenden Einkommen von 400 EUR Minijob + Kindergeld von 184 EUR und dem vom Beklagten errechneten Unterhaltsanspruch von 108 EUR ihren SGB II-Bedarf nicht voll habe decken zu können. Seit April 2011 stehe ihr trotz Nichtzahlung von BAföG ein Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II zu. Das verfügbare Einkommen von 280 EUR Minijob + Kindergeld + Zuwendungen der Mutter von ca. 101 EUR sei nicht bedarfsdeckend.

Die Bevollmächtige der Klägerin beantragt,

1. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14.3.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.6.2011 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 23.8.2010 bis zum 30.9.2010 Alg II in gesetzlich zustehender Höhe zu gewähren

2. den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 14.3.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.6.2011 zu verurteilen, der Klägerin für die Zeit vom 1.4.2011 bis zum 31.8.2011 den Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II in gesetzlich zustehender Höhe zu gewähren

3. den Bescheid vom 29.6.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2011 aufzuheben.

Die Beklagtenvertreterin beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie verweist ergänzend darauf, dass die Klägerin wegen des nicht zuvor mit dem Jobcenter abgestimmten Auszugs aus der elterlichen Wohnung im März 2009 und dem Bezug der neuen Wohnung ohne Zusicherung im Juni 2010 dem Leistungsausschluss nach § 22 Abs. 5 SGB II unterliege. Dieser erstrecke sich auch auf den Mietzuschuss.

Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die beigezogenen Leistungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet. Zu Recht macht die Klägerin geltend, dass ihr für die Zeit vom 23.8. bis 30.9.2010 Alg II zusteht (1). Für die Zeit ab Oktober 2010 war sie nach § 7 Abs. 5 SGB II von Alg II ausgeschlossen, kann aber seit April 2011 einen Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II beanspruchen (2).

Zu (1)

Nach einhelliger Auffassung in der Rechtsprechung (z. B. LSG Berlin-Brandenburg vom 15.2.2010 – L 25 AS 35/10 B ER; LSG Sachsen vom 14.7.2010 – L 7 AS 175/10 B ER; LSG Sachsen-Anhalt vom 3.6.2010 – L 5 AS 155/10 B ER) und der Literatur (z. B. Berlit, LPK-SGB II § 22 Rdn. 137) betrifft die Regelung des § 22 Abs. 5 Satz 1 SGB II nur Personen, die zum Zeitpunkt des Erst-Auszugs in einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 SGB II leben und Leistungen nach dem SGB II beziehen. Vor dem Auszug im März 2009 erhielten jedoch weder die Klägerin noch deren Eltern Alg II.

Die Klägerin ist auch nicht in der Absicht ausgezogen, sich hilfebedürftig zu machen (§ 22 Abs. 5 Satz 4 SGB II). Sie befand sich seinerzeit in einem freiwilligen sozialen Jahr und hatte mit der gewählten Wohngemeinschaft eine so günstige Wohnmöglichkeit erschlossen, dass sie mit dem Taschen- und Kindergeld auskam. Die finanziellen Probleme der Mitbewohnerin waren zum Zeitpunkt des Auszugs nicht vorhersehbar. Ob die Klägerin beabsichtigte, nach Ende des sozialen Jahrs Alg II zu beantragen, bleibt spekulativ. Gegen eine solche Absicht spricht, dass die Klägerin BAföG beanspruchte und nicht wissen konnte, ob und wie viel Förderleistungen sie erhalten werde. Da an den Nachweis der "absichtlichen" Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit strenge Anforderungen zu stellen sind (s. z. B. LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 21.5.2008 – L 10 AS 72/07), reicht allein die Mutmaßung, die Klägerin hätte damit rechnen müssen, mit Beginn der Schulausbildung auf Alg II angewiesen zu sein, nicht, zumal sie selbst bei Einholung fachlichen Rats die Auskunft erhalten hätte, dass ihr nach damaliger Praxis der SGB II-Träger in einem Fall von Mini-BAföG wegen Wohnen-Könnens im Elternhaus Alg II ganz versagt worden wäre.

Der Wohnungswechsel zum 15.6.2010 unterliegt als ein dem zulässigen Erstauszug nachgelagerter Umzug von vornherein nicht mehr der Regelung des § 22 Abs. 5 SGB II (s. auch dazu Berlit, a.a.O. Rdn. 136). Die gegenteilige Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26.11.2010 – L 5 AS 1880/10 B ER) kommt zumindest hier nicht zum Tragen, weil die Klägerin keine Rückzugsmöglichkeit in die elterliche Wohnung hatte. Die Eltern hatten die sehr kleine Wohnung (57 qm) nach Auszug der Klägerin für eigenen Wohnzwecke umgerüstet und sind als Nichtleistungsbezieher nicht verpflichtet, der Klägerin wieder Unterkunft zu geben. Unterhaltsrechtlich können Volljährige nur in besonderen Fällen auf Natural-Unterhalt verwiesen werden, was der Entscheidung der Eltern obliegt. Wählen diese den üblichen Bar-Unterhalt, kann das Kind unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Natural-Unterhalt fordern.

Die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II (Kappung auf die Unterkunftskosten der vorherigen Wohnung) war ebenfalls nicht anwendbar, da es sich um einen notwendigen Umzug handelte. Einer vorherigen Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II bedurfte es daher nicht, um einen Anspruch auf Übernahme zu begründen, sofern die Kosten angemessen sind, was hier außer Frage steht.

Dass die Mutter der Klägerin als Hauptmieterin auftrat, ist für einen Anspruch auf Mietkostenübernahme nach § 22 Abs. 1 SGB II unerheblich, weil es sich um ein ernst gemeintes und vom Vermieter gestattetes Untervermietverhältnis handelt. Die Klägerin hätte wegen der Mietschulden bei bloßem Einkommen aus Minijob keine Wohnung bekommen. Es kann somit weder unterstellt werden, dass die Untervermietung nur gewählt wurde, um Ansprüche nach dem SGB II zu begründen oder es sich "eigentlich" um die Wohnung der Mutter handelt mit der Folge, dass die Klägerin nur bzgl. des Regelbedarfs nach § 20 SGB II Hilfe benötigt.

Der SGB II-Bedarf der Klägerin im Zeitraum 23.8. bis 30.9.2010 ist mithin auf

359,00 EUR Regelsatz 260,85 EUR Miete plus Betriebskosten 53,53 EUR Abschläge für die Gasversorgung abzüglich 6,47 EUR Warmwasserpauschale 673,38 EUR

festzulegen. Dem steht ein anrechenbares Einkommen von 240 EUR aus dem Minijob und das Kindergeld von 184 EUR gegenüber. Dazu kommt der vom Beklagten nach den §§ 1603 ff BGB errechnete Unterhaltsanspruch von 108 EUR, da die Klägerin sich einerseits nicht mit weniger zufrieden geben dürfte (um mehr Alg II zu erhalten), andererseits kann nicht der vom BAföG-Amt errechnete Unterhaltsbetrag zugrunde gelegt werden. Denn im Streitfall kann auch das BAföG-Amt höchstens den BGB-Unterhalt von den Eltern fordern.

Nach Rechtsprechung des BSG vom 17.3.2009 – B 14 AS 62/07 R ist ausgezahltes BAföG pauschal um 20% des Voll-Fördersatzes (hier 93 EUR) zu verringern. Insoweit gilt das BAföG als zweckbestimmt für die nicht zum allgemeinen Lebensunterhalt zählenden Ausbildungskosten (Lernmittel, Fahrkosten, Studiengebühren etc.). Aus Gleichbehandlungsgrundsätzen kann für Unterhalt, der anstelle des BAföG gezahlt wird, nichts anderes gelten.

Im vorliegenden Fall ist wegen der erzielten Minijob-Vergütung außerdem die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 10 BAföG heranzuziehen; zwar ist dort nur das Zusammentreffen von Förder-leistungen mit einer Ausbildungsvergütung geregelt, der der Regelung zugrunde liegende Rechtsgedanke, dass der Freibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II für Ausbildungskosten einzusetzen ist, trifft aber gleichermaßen für Einkommen aus Schüler- oder Studentenjobs zu. Der Unterhaltsbetrag von 108 EUR ist somit nur um 33 EUR (93 EUR - 60 EUR = 20%-Freibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II) zu bereinigen.

Insgesamt ist dem monatlichen SGB II-Bedarf von 673,38 EUR mithin ein Einkommen von 499 EUR (240 EUR + 184 EUR + 75 EUR) gegenüber zu stellen, ergibt einen Anspruch von 174,38 EUR monatlich. Für die Zeit vom 23.8. bis 31.8.2010 steht der Klägerin demnach Alg II in Höhe von 174,38: 30 x 9 Tage = 52,31 EUR zu. Für den Monat September 2010 beläuft sich der Anspruch auf 174,38 EUR.

Die Klägerin kann rückwirkend nicht auf eine Durchsetzung des BAföG-Zahlanspruchs über § 36 Abs. 1 BAföG verwiesen werden. Denn die Vorausleistung nach § 36 BAföG ist keine Ausbildungsförderungsleistung, auf die der Auszubildende nach den allgemeinen Regelungen über die Anrechnung von Einkommen und Vermögen einen Anspruch hat. Es handelt sich nach BVerwG vom 23.2.2010 - 5 C 2/09 um "außerordentliche" Zusatzleistungen zur Abwendung der Gefahr eines Ausbildungsabbruchs infolge aktueller Mittellosigkeit. Wegen Ablauf des BAföG-Bewilligungszeitraums ist die Klägerin mit einem Vorausleistungsantrag nach § 36 Abs. 1 2 Halbsatz BAföG auch endgültig ausgeschlossen. § 5 Abs. 3 Satz 2 SGB II ist auf materiell-rechtliche Ausschlussfristen nicht anzuwenden.

Zu (2)

Aus diesem Grund kann auch der Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II für den hier streitigen Zeitraum nicht mit Verweis auf eine Vorausleistung des BAföG-Fördersatzes in Höhe von 440 EUR (25 EUR würden nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 BAföG vom Minijobeinkommen der Klägerin auf das BAföG angerechnet) verwehrt werden.

Eine Haftung der Klägerin nach § 34 SGB II scheidet aus, da der Beklagte nach § 5 Abs. 3 SGB II die Möglichkeit gehabt hätte, noch vor Ablauf des Bewilligungsabschnitts im September 2011 einen Vorausleistungsantrag zu stellen.

Der Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II steht der Klägerin erstmals seit dem 1.4.2011 zu, da § 22 Abs. 7 SGB II in der bis zum 31.3.2011 geltenden Fassung einen Bezug von BAföG oder BAB voraussetzte. Die Gerichte haben darin keinen verfassungsrelevanten Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 GG gesehen.

Nach Rechtsprechung des BSG ist der Mietzuschuss im Wege einer SGB II-konformen Bedarfs- und Einkommensberechnung zu ermitteln und auf die Differenz zwischen angemes-senen Unterkunfts- und Heizkosten und den im Fördersatz enthaltenen Anteil für das Wohnen zu begrenzen, falls der fiktive SGB II-Bedarf nach Abzug des anrechenbaren Einkommens darüber liegt (Urteil vom 22.3.2010 - B 4 AS 69/09 R ).

Die Klägerin bezieht zwar kein BAföG, hierdurch kann sie aber nicht besser gestellt werden, als würden ihr die 465 EUR BAföG ausgezahlt. Der ihr dann zustehende Höchstwert von [angemessenen Unterkunfts- und Heizkosten] - 132 EUR Wohngeldanteil im BAföG-Satz (falls sie über kein sonstiges SGB II-relevantes Einkommen verfügte), markiert daher auch im Fall der Zahlung von Unterhalt statt BAföG die Grenze für den Mietzuschuss.

Dem SGB II-Bedarf der Klägerin im Monat April 2011 von

364,00 EUR Regelsatz 280,45 EUR Miete plus Betriebskosten 76,06 EUR Gasabrechnung vor Umstellung auf die neuen Abschläge 720,51 EUR

ist mithin das anrechenbare Einkommen von 144 EUR aus dem Minijob plus 184 EUR Kindergeld plus 75 EUR Unterhalt (= 403 EUR) gegenüber zu stellen. Der Differenzbetrag von 317,51 EUR liegt über dem Grenzwert von 224,51 EUR (= [280,45 EUR + 76,06 EUR] - 132 EUR), so dass der Klägerin der errechnete Mietzuschuss nur in Höhe von 224,51 EUR zusteht.

Für die Monate Mai bis August 2011verändert sich der Grenzwert wegen der geringeren Gasabschläge von 65 EUR auf 218,45 EUR Mietzuschuss pro Monat [280,45 EUR + 65 EUR] - 132 EUR).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt die Klagerücknahme bzgl. des Zeitraums Oktober 2010 bis März 2011.
Rechtskraft
Aus
Saved