Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 1102/11
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die zum 01.01.2011 eingeführte Anrechnung von bezogenem Mindestelterngeld bis 300 Euro auf Leistungen nach dem SGB II ist für Leistungsbezieher, die vor und neben dem Elterngeldbezug keine Erwerbstätigkeit ausgeübt haben oder ausüben, verfassungsrechtlich unbedenklich.
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 17. Juni 2011 in der
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011
wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Anrechnung von bezogenem Elterngeld auf die mit Bescheid vom 17.06.2011 gewährten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom Juni bis September 2011.
Die am 1981 geborene Klägerin zu 1 hatte am 31.05.2011 nach Zuzug in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten für sich und den Kläger zu 2, ihren am 2010 geborenen Sohn, Leistungen nach dem SGB II beantragt.
Den Antragsunterlagen beigefügt war u.a. eine Abschrift des Bescheides der Stadtverwaltung Duisburg vom 08.12.2010, mit welchem der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.10. 2011 Elterngeld von monatlich 300,00 EUR bewilligt worden war. Dabei erfolgten die monatlichen Zahlungen des Elterngeldes jeweils im vorausgehenden Monat.
Mit Bescheid vom 17.06.2011 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11. 2011 Leistungen nach dem SGB II (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Kosten der Unterkunft, KdU), wobei in den Monaten Juni bis September 2011 das bis Oktober 2011 zu beziehende Elterngeld in Höhe von jeweils 270,00 EUR bedarfsmindernd als Einkommen auf die SGB-II-Leistungen angerechnet wurde.
Hiergegen wurde durch den für das Widerspruchverfahren beauftragten Bevollmächtigten am 20.07.2011 Widerspruch erhoben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Anrechnung von Elterngeld auf die SGB-II-Leistung aufgrund der zum 01.01.2011 eingeführten Regelung des § 10 Abs. 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße.
Zweck des Elterngeldes sei entsprechend der jeweiligen Gesetzesbegründung zur Einführung des Elterngeldes die Anerkennung der Erziehungs- und Betreuungsleistung der Eltern, welche auch der Gemeinschaft zugute komme. Es handele sich nach der Ausgestaltung des Elterngeldes nicht um eine Entgeltersatzleistung. Stattdessen solle mit dem Elterngeld ein gewisser finanzieller Schonraum geschaffen werden, um es den Eltern zu erleichtern, sich ohne größere finanzielle Nöte ihren Kindern widmen zu können. Dies werde insbesondere durch den Mindestbetrag von 300,00 EUR, der grundsätzlich allen Eltern zustehe, belegt.
Die durch § 10 Abs. 5 BEEG geschaffene Sonderregelung der Anrechnung für die Beziehung von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII sowie für den Kinderzuschlag nach § 6 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil es keinen rechtfertigenden Grund dafür gebe, die Bezieher entsprechender Leistungen darin schlechter zu stellen, dass diese das bezogene Elterngeld infolge der Anrechnung auf den Lebensunterhalt zu verwenden hätten, wogegen die Bezieher anderer einkommensabhängiger Sozialleistungen (BAföG, Wohngeld, Kriegsopferfürsorge) dagegen in den tatsächlichen zusätzlichen Genuss von 300,00 EUR Elterngeld kämen.
Zwischen den genannten Personengruppen bestünden keine schwerwiegenden Unterschiede, die die Ungleichbehandlung im Sinne der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) rechtfertigen könnten. Die Begründung des Gesetzgebers für die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes als Sonderregelung für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6 a BKGG sei insoweit nicht überzeugend. Es sei nicht mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar, wenn gerade bedürftigen Eltern der finanzielle Schonraum für die Kinderbetreuung verweigert werde. Die Differenzierung mache deutlich, dass der Gesetzgeber hier unter Verletzung von Grundrechten Eltern und ihre Kinder unterschiedlich bewerte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2011 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Bescheid vom 17.06.2011 entspreche der geltenden Rechtslage.
Hiergegen erhoben die Kläger am 29.09.2011 Klage zum Sozialgericht Augsburg und beantragten die Beiordnung des im Widerspruchsverfahren tätig gewordenen Anwalts im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH).
Mit Beschluss vom 18.11. 2011 lehnte das Gericht den Antrag auf PKH ab, da es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der erfolgten Anrechnung, insbesondere keine Verfassungswidrigkeit der von der Beklagten angewandten streitentscheidenden Regelung erkannte.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2011 beantragte die Klägerin zu 1 sinngemäß, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2011 zu verurteilen, Leistungen für den Bewilligungszeitraum ohne Anrechnung von Elterngeld zu bewilligen.
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragte die Abweisung der Klage.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Anrechnung des bezogenen Elterngeldes in Höhe von monatlich 270,00 EUR (300,00 EUR abzüglich Versicherungspauschale gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 der ALG-II-VO) in der Zeit von Juni 2011 bis September 2011 entspricht den gesetzlichen Regelungen, insbesondere der zum 01. 01. 2011 eingeführten Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG sowie der zum 01.01.2011 geänderten Regelung des § 11 SGB II nach Abschaffung des § 11 Abs. 3 a in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung.
Entgegen der grundsätzlichen Anrechnungsfreiheit der Elterngeldleistung als Einkommen bis zu einer Höhe von 300,00 EUR im Monat gemäß § 10 Abs. 1 BEEG sieht die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG grundsätzlich eine vollständige Anrechnung auf Ansprüche aus dem SGB II vor. Die Privilegierung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG kann für die Klägerin zu 1 nicht angewandt werden, da sie im Bemessungszeitraum nach § 2
Abs. 1 BEEG nicht erwerbstätig gewesen ist.
Der Bescheid vom 17.06.2011 mit entsprechender Anrechnung des Elterngeldes auf die Leistungen der Kläger zu 1 und 2 nach dem SGB II für die Zeit von Juni 2011 bis September 2011 befindet sich daher im Einklang mit den genannten gesetzlichen Regelungen.
Das zur Entscheidung berufene Gericht sieht auch keinen Anlass dafür, ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG anzustoßen und durch entsprechende Vorlage eine Entscheidung des BVerfG hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angewandten Gesetze herbeizuführen.
Es hat keine Bedenken, dass die streitentscheidenden angewandten Regelungen, insbesondere die Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG mit der Verfassung vereinbar sind.
Insbesondere erkennt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorliegende Ungleichbehandlung der Klägerin zu 1 in Bezug auf die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II keine hinreichenden sachlichen Rechtfertigungsgründe aufweist und somit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen könnte.
Dabei kommt eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG dann in Betracht, wenn eine Gruppe von Normenadressaten im Vergleich zu anderen Normenadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 76, 256, 329).
1. Gleichbehandlung mit anderen anspruchsberechtigten Eltern und Wesen des Eltern-
geldes:
Vorliegend ergibt sich hinsichtlich des Anspruchs auf Elterngeld durch die Klägerin
zu 1 keine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen elterngeldberechtigten Personen.
Die Klägerin, die im Bemessungszeitraum nach § 2 Abs. 1 BEEG nicht erwerbstätig war, erhielt für die Dauer von 12 Monaten das Mindestelterngeld von 300,00 EUR.
Dabei ergibt die Ausgestaltung der Höhe des Elterngeldes nach dem bisherigen Verdienst einen unzweifelhaften engen Bezug zur vorangegangenen Erwerbstätigkeit und eine vorrangige Entgeltersatzfunktion des Elterngeldes:
Entgegen der im Widerspruchsverfahren geäußerten Ansicht der Kläger ist das Elterngeld weitgehend als Entgeltersatzleistung konzipiert.
Wie sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf zur Einführung des Elterngeldes ergibt (BT-Drs. 16/1889, dort insbesondere S. 1-2 und 14-15), sollte das Elterngeld gerade Berufstätigen und auch Doppelverdienerpaaren die Entscheidung zur Gründung einer Familie erleichtern und finanzielle Einschnitte in der Frühphase der Familie möglichst weitgehend abmildern. Allgemein sollte die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf vergrößert werden. Es sollte ein "familienpolitischer Dreiklang" aus Verbesserung der Betreuungsinfrastruktur, familienbewusster Arbeitswelt und dem Elterngeld geschaffen werden. Die Ausrichtung des Elterngeldes an der bisherigen Verdiensthöhe unterstreicht dabei die vordringliche Entgeltersatzfunktion des Elterngeldes.
Im Bericht über die Auswirkungen des BEEG sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterentwicklung (Elterngeldbericht 2008 dort S. 8-9), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, werden die mit dem Elterngeld verbundenen familienpolitischen Ziele nochmals unmissverständlich angeführt: So soll das Elterngeld "allen Eltern in der ersten Zeit nach der Geburt des Kindes dessen Betreuung ermöglichen, ohne dadurch allzu große Einkommenseinbußen fürchten zu müssen". Insoweit soll "ein Schonraum geschaffen werden, in welchem sich die Familie nach Geburt des Kindes auf die neue Situation einstellen und zusammenfinden kann". Das Elterngeld sei damit "keine Leistung, durch die die wirtschaftliche Grundlage der Familie über das vor der Geburt vorhandene Niveau hinaus angehoben oder ein finanzielles Mindestniveau gewährleistet werden soll, sondern ein Ausgleich für konkrete Nachteile in der Frühphase der Familiengründung".
Lediglich hinsichtlich des Mindestelterngeldes wurde die sonst im Vordergrund stehende Entgeltersatzfunktion des Elterngeldes relativiert:
Wer vor Geburt eines Kindes nicht erwerbstätig war (z.B. wegen der Erziehung weiterer Kinder) sollte durch die Ausgestaltung des Elterngeldes nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen sein, um in den Genuss der Leistungen zu kommen. Insoweit wurde auch die Wahlfreiheit gestützt, aus sonstigen Gründen nicht erwerbstätig zu bleiben und damit die Erziehungsleistung im Allgemeinen gewürdigt.
2. Fragliche Ungleichbehandlung zu anderen nichterwerbstätigen Elterngeldberechtigten:
Soweit der Bevollmächtigte im Widerspruchsverfahren eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem darin sieht, dass der Klägerin als SGB-II-Empfängerin kein zusätzlicher finanzieller Spielraum eingeräumt wird, wogegen sonstigen nichterwerbstätigen Personen eine verbleibende staatliche Anerkennung der Erziehungsleistung von mindestens monatlich 300,00 EUR zukommt, vermag das Gericht insoweit keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem zu erkennen, als mit der Anspruchsberechtigung der Klägerin auf das Mindestelterngeld von 300,00 EUR in gleicher Form die Anerkennung der Erziehungsleistung zum Ausdruck kommt, wie bei allen anderen Anspruchsberechtigten.
Unterschiede ergeben sich aufgrund der Regelungen des § 10 Abs.1 und Abs. 5
Satz 1 BEEG hinsichtlich der aus dem Elterngeld gezogenen wirtschaftlichen Vorteile und der Auswirkungen auf die finanziellen Verhältnisse der Eltern insgesamt.
Während beispielsweise die wirtschaftlichen Verhältnisse eines verheirateten Elternpaares mit einem anspruchsberechtigten nicht erwerbstätigen Haushaltsführer um den Mindestbetrag des Elterngeldes verbessert werden, führt das Elterngeld im Falle der Klägerin als SGB-II-Leistungsbezieherin unter dem Strich nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bedarfsgemeinschaft.
Diese ungleichen Wirkungen des Elterngeldes beziehen ihre sachliche Rechtfertigung daraus, dass die von der Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG betroffenen Leistungsempfänger ihren Lebensunterhalt insgesamt mit steuerfinanzierten Mitteln be-
streiten, wogegen sonstige nichterwerbstätige Elterngeldbezieher außerhalb des SGB-II-/SGB-XII-Bezuges nicht auf Fürsorgeleistungen angewiesen sind.
Unter diesen Voraussetzungen muss es der Betroffene tolerieren, dass seine Erziehungsleistung zwar durch Bewilligung des Elterngeldes einerseits gewürdigt wird, dass es aber aufgrund der allgemeinen Grundsätze des Leistungsbezuges nach dem SGB II zu einer Korrektur hinsichtlich des Behaltendürfens zusätzlicher Einkünfte neben dem Leistungsbezug kommt.
So sind Leistungen nach dem SGB II nur bedarfsabhängig und subsidiär zu erbringen. Sämtliche Einkünfte der Leistungsempfänger mindern grundsätzlich deren Bedarf und damit die Höhe der SGB-II-Leistung. Die bisher mit § 11 Abs. 3 a SGB II in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung geregelte Anrechnungsfreiheit für Elterngeld in der Mindesthöhe von 300,00 EUR stellte eine Ausnahme von der Subsidiarität der SGB-II-/SGB-XII-Leistungen dar, deren Widerruf sachlich mit haushaltspolitischen Gesichtspunkten und der einer bezweckten Betonung von Erwerbsanreizen zur Verringerung/Beendi-
gung der Hilfebedürftigkeit gerechtfertigt werden kann.
Zumindest bei Paarbedarfsgemeinschaften mag das frühere Behaltendürfen des zusätzlichen Elterngeldes tatsächlich den Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eines Elternteiles eher verringert haben; demgegenüber werden über § 10 Abs. 5
Satz 2 BEEG durch die Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes für Leistungsempfänger nach dem SGB II mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit vor der Kindererziehung zusätzliche Erwerbsanreize für die Zeit vor der Geburt des Kindes geschaffen.
Dementsprechend wird in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Haushaltsbegleitgesetz 2011 (BT-Drs. 17/3030) zu Art. 13, mit welchem die Bestimmung des § 10 Abs. 5 BEEG eingeführt wurde, darauf verwiesen, dass die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und § 6 a BKGG dem Umstand Rechnung trage, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und des Kindes im System der Grundsicherung durch die Regelsätze und Zusatzleistungen wie gegebenenfalls der Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende umfassend gesichert sei. Jedes zusätzliche verbleibende Einkommen bedürfe daher einer Rechtfertigung, wie sie z.B. bei den Freibeträgen für Erwerbstätige als Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet sei.
Die Berücksichtigung des Elterngeldes im System der Grundsicherung vermeide gerade im Vergleich der Berechtigten untereinander die Relativierung der durch die Erwerbstätigenfreibeträge bezweckten Anreizwirkung und führe damit "zu einer stärkeren Konturierung des Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung".
3. Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Beziehern einkommensabhängiger
Sozialleistung:
Eine Ungleichbehandlung ergibt sich aufgrund der Bestimmung des § 10 Abs. 5
Satz 1 BEEG für die Klägerin als Bezieherin von SGB-II-Leistungen im Verhältnis zu Beziehern von anderen einkommensabhängigen Sozialleistungen, wie den Beziehern von BAföG, Wohngeld und Kriegsopferfürsorge.
Insoweit hat jedoch bereits das Sozialgericht Marburg mit Urteil vom 12.08.2011, Aktenzeichen S 8 AS 169/11 wesentliche Unterschiede des Charakters der jeweiligen Leistung im Vergleich zur Leistung nach dem SGB II/SGB XII herausgearbeitet und im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass hieraus keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem erfolgt. Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall für die Kläger, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und ihren Lebensunterhalt alleine aus Elterngeld, Kindergeld und den Mitteln nach dem SGB II bestreiten (vgl. insoweit SG Marburg, Urteil vom 12.08.2011, a.a.O., Rdnr. 36 f).
So müssen BAföG-Empfänger einen wesentlichen Anteil ihrer erhaltenen Leistungen nach Beendigung der Ausbildung zurückzahlen; für sie gilt während ihrer Ausbildung keine Priorität der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Erlangung hinreichender Eigenmittel, vielmehr steht bei BAföG-Empfängern die Gewährleistung einer letztlich erfolgreichen Ausbildung im Vordergrund.
Auch Empfänger von Wohngeld unterscheiden sich wesentlich von den von der Anrechnung nach § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG Betroffenen, indem sie über eigene Einkünfte aus Erwerbstätigkeit verfügen, die aber nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichen, weshalb Unterstützungen zur Deckung der Kosten der Unterkunft gewährt werden. Jedenfalls im Falle der Klägerin zu 1, welche im Vorfeld zum Bezug des Elterngeldes keinen eigenen Beitrag zur Sicherung des Lebensunterhaltes geleistet hat, ergibt sich ein Wertungsunterschied, der eine entsprechende Differenzierung hinsichtlich der Anrechnung bezogenen Elterngeldes vertretbar erscheinen lässt.
Gleiches gilt für Bezieher von Kriegsopferfürsorgeleistungen. Diese erhalten eine einkommensabhängige Leistung als Entschädigung für ein Sonderopfer, §§ 25 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG). Bereits damit aber unterscheidet sich diese Leistung deutlich von Fürsorgeleistungen nach dem SGB II/XII, welche allein vom Bestehen von Bedürftigkeit abhängen.
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG ist daher nicht gegeben.
Auch sonstige Grundrechte werden durch die unterschiedliche Regelung der Anrechnung/Anrechnungsfreiheit von Elterngeld nicht verletzt.
Soweit im Widerspruchsverfahren eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 GG und eine Art. 6 GG verletzende Schlechterstellung von hilfsbedürftigen Erziehenden besorgt wird, teilt die entscheidende Kammer diese Bedenken nicht.
Die der Konzipierung des Elterngeldes und der Gesetzesänderung in Form des § 10 Abs. 5 BEEG zugrundeliegenden familienpolitischen und haushaltspolitischen Erwägungen stellen hilfebedürftige Eltern nicht schutzlos. Der Leistungskatalog des SGB II sichert den Bedarf von Erziehendem und Kind in der verfassungsrechtlich garantierten Höhe des soziokulturellen Existenzminimums (vgl. BVerfGE, 1 BvL 1/09 vom 09.02.2010, Absatz-
Nr. 138 ff).
Die differenzierende Ausgestaltung bei der Anrechnung von Elterngeld als Einkommen und die vom Gesetzgeber gemäß der Gesetzesbegründung verfolgte Akzentuierung der Erwerbsanreize sind dabei nicht dahingehend zu prüfen, ob sie aus Sicht des Gerichtes die gerechteste und schlüssigste Regelungsmöglichkeit darstellen. Insoweit besitzt der parlamentarische Gesetzgeber das Vorrecht, die gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen nach seinen Bewertungen und Einschätzungen auszugestalten.
Die streitgegenständliche Anrechnung von Einkommen im Bescheid vom 17.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2011 erweist sich daher nach Grund und Höhe als rechtmäßig, so dass die Klage keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2011
wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten streitig ist die Anrechnung von bezogenem Elterngeld auf die mit Bescheid vom 17.06.2011 gewährten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom Juni bis September 2011.
Die am 1981 geborene Klägerin zu 1 hatte am 31.05.2011 nach Zuzug in den Zuständigkeitsbereich der Beklagten für sich und den Kläger zu 2, ihren am 2010 geborenen Sohn, Leistungen nach dem SGB II beantragt.
Den Antragsunterlagen beigefügt war u.a. eine Abschrift des Bescheides der Stadtverwaltung Duisburg vom 08.12.2010, mit welchem der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 01.11.2010 bis 31.10. 2011 Elterngeld von monatlich 300,00 EUR bewilligt worden war. Dabei erfolgten die monatlichen Zahlungen des Elterngeldes jeweils im vorausgehenden Monat.
Mit Bescheid vom 17.06.2011 bewilligte die Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11. 2011 Leistungen nach dem SGB II (Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Kosten der Unterkunft, KdU), wobei in den Monaten Juni bis September 2011 das bis Oktober 2011 zu beziehende Elterngeld in Höhe von jeweils 270,00 EUR bedarfsmindernd als Einkommen auf die SGB-II-Leistungen angerechnet wurde.
Hiergegen wurde durch den für das Widerspruchverfahren beauftragten Bevollmächtigten am 20.07.2011 Widerspruch erhoben.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Anrechnung von Elterngeld auf die SGB-II-Leistung aufgrund der zum 01.01.2011 eingeführten Regelung des § 10 Abs. 5 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße.
Zweck des Elterngeldes sei entsprechend der jeweiligen Gesetzesbegründung zur Einführung des Elterngeldes die Anerkennung der Erziehungs- und Betreuungsleistung der Eltern, welche auch der Gemeinschaft zugute komme. Es handele sich nach der Ausgestaltung des Elterngeldes nicht um eine Entgeltersatzleistung. Stattdessen solle mit dem Elterngeld ein gewisser finanzieller Schonraum geschaffen werden, um es den Eltern zu erleichtern, sich ohne größere finanzielle Nöte ihren Kindern widmen zu können. Dies werde insbesondere durch den Mindestbetrag von 300,00 EUR, der grundsätzlich allen Eltern zustehe, belegt.
Die durch § 10 Abs. 5 BEEG geschaffene Sonderregelung der Anrechnung für die Beziehung von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII sowie für den Kinderzuschlag nach § 6 a Bundeskindergeldgesetz (BKGG) verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil es keinen rechtfertigenden Grund dafür gebe, die Bezieher entsprechender Leistungen darin schlechter zu stellen, dass diese das bezogene Elterngeld infolge der Anrechnung auf den Lebensunterhalt zu verwenden hätten, wogegen die Bezieher anderer einkommensabhängiger Sozialleistungen (BAföG, Wohngeld, Kriegsopferfürsorge) dagegen in den tatsächlichen zusätzlichen Genuss von 300,00 EUR Elterngeld kämen.
Zwischen den genannten Personengruppen bestünden keine schwerwiegenden Unterschiede, die die Ungleichbehandlung im Sinne der Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) rechtfertigen könnten. Die Begründung des Gesetzgebers für die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes als Sonderregelung für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6 a BKGG sei insoweit nicht überzeugend. Es sei nicht mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar, wenn gerade bedürftigen Eltern der finanzielle Schonraum für die Kinderbetreuung verweigert werde. Die Differenzierung mache deutlich, dass der Gesetzgeber hier unter Verletzung von Grundrechten Eltern und ihre Kinder unterschiedlich bewerte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2011 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Der Bescheid vom 17.06.2011 entspreche der geltenden Rechtslage.
Hiergegen erhoben die Kläger am 29.09.2011 Klage zum Sozialgericht Augsburg und beantragten die Beiordnung des im Widerspruchsverfahren tätig gewordenen Anwalts im Wege der Prozesskostenhilfe (PKH).
Mit Beschluss vom 18.11. 2011 lehnte das Gericht den Antrag auf PKH ab, da es keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der erfolgten Anrechnung, insbesondere keine Verfassungswidrigkeit der von der Beklagten angewandten streitentscheidenden Regelung erkannte.
In der mündlichen Verhandlung vom 22.11.2011 beantragte die Klägerin zu 1 sinngemäß, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2011 zu verurteilen, Leistungen für den Bewilligungszeitraum ohne Anrechnung von Elterngeld zu bewilligen.
Die Bevollmächtigte der Beklagten beantragte die Abweisung der Klage.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, § 54 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Sie ist jedoch nicht begründet.
Die Anrechnung des bezogenen Elterngeldes in Höhe von monatlich 270,00 EUR (300,00 EUR abzüglich Versicherungspauschale gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 der ALG-II-VO) in der Zeit von Juni 2011 bis September 2011 entspricht den gesetzlichen Regelungen, insbesondere der zum 01. 01. 2011 eingeführten Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG sowie der zum 01.01.2011 geänderten Regelung des § 11 SGB II nach Abschaffung des § 11 Abs. 3 a in der bis zum 31.12.2010 gültigen Fassung.
Entgegen der grundsätzlichen Anrechnungsfreiheit der Elterngeldleistung als Einkommen bis zu einer Höhe von 300,00 EUR im Monat gemäß § 10 Abs. 1 BEEG sieht die gesetzliche Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG grundsätzlich eine vollständige Anrechnung auf Ansprüche aus dem SGB II vor. Die Privilegierung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG kann für die Klägerin zu 1 nicht angewandt werden, da sie im Bemessungszeitraum nach § 2
Abs. 1 BEEG nicht erwerbstätig gewesen ist.
Der Bescheid vom 17.06.2011 mit entsprechender Anrechnung des Elterngeldes auf die Leistungen der Kläger zu 1 und 2 nach dem SGB II für die Zeit von Juni 2011 bis September 2011 befindet sich daher im Einklang mit den genannten gesetzlichen Regelungen.
Das zur Entscheidung berufene Gericht sieht auch keinen Anlass dafür, ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG anzustoßen und durch entsprechende Vorlage eine Entscheidung des BVerfG hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der angewandten Gesetze herbeizuführen.
Es hat keine Bedenken, dass die streitentscheidenden angewandten Regelungen, insbesondere die Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG mit der Verfassung vereinbar sind.
Insbesondere erkennt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die vorliegende Ungleichbehandlung der Klägerin zu 1 in Bezug auf die Anrechnung des Elterngeldes als Einkommen auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II keine hinreichenden sachlichen Rechtfertigungsgründe aufweist und somit ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen könnte.
Dabei kommt eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG dann in Betracht, wenn eine Gruppe von Normenadressaten im Vergleich zu anderen Normenadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfGE 55, 72, 88; 76, 256, 329).
1. Gleichbehandlung mit anderen anspruchsberechtigten Eltern und Wesen des Eltern-
geldes:
Vorliegend ergibt sich hinsichtlich des Anspruchs auf Elterngeld durch die Klägerin
zu 1 keine Ungleichbehandlung im Vergleich zu anderen elterngeldberechtigten Personen.
Die Klägerin, die im Bemessungszeitraum nach § 2 Abs. 1 BEEG nicht erwerbstätig war, erhielt für die Dauer von 12 Monaten das Mindestelterngeld von 300,00 EUR.
Dabei ergibt die Ausgestaltung der Höhe des Elterngeldes nach dem bisherigen Verdienst einen unzweifelhaften engen Bezug zur vorangegangenen Erwerbstätigkeit und eine vorrangige Entgeltersatzfunktion des Elterngeldes:
Entgegen der im Widerspruchsverfahren geäußerten Ansicht der Kläger ist das Elterngeld weitgehend als Entgeltersatzleistung konzipiert.
Wie sich aus der Begründung zum Gesetzentwurf zur Einführung des Elterngeldes ergibt (BT-Drs. 16/1889, dort insbesondere S. 1-2 und 14-15), sollte das Elterngeld gerade Berufstätigen und auch Doppelverdienerpaaren die Entscheidung zur Gründung einer Familie erleichtern und finanzielle Einschnitte in der Frühphase der Familie möglichst weitgehend abmildern. Allgemein sollte die Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf vergrößert werden. Es sollte ein "familienpolitischer Dreiklang" aus Verbesserung der Betreuungsinfrastruktur, familienbewusster Arbeitswelt und dem Elterngeld geschaffen werden. Die Ausrichtung des Elterngeldes an der bisherigen Verdiensthöhe unterstreicht dabei die vordringliche Entgeltersatzfunktion des Elterngeldes.
Im Bericht über die Auswirkungen des BEEG sowie über die gegebenenfalls notwendige Weiterentwicklung (Elterngeldbericht 2008 dort S. 8-9), des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, werden die mit dem Elterngeld verbundenen familienpolitischen Ziele nochmals unmissverständlich angeführt: So soll das Elterngeld "allen Eltern in der ersten Zeit nach der Geburt des Kindes dessen Betreuung ermöglichen, ohne dadurch allzu große Einkommenseinbußen fürchten zu müssen". Insoweit soll "ein Schonraum geschaffen werden, in welchem sich die Familie nach Geburt des Kindes auf die neue Situation einstellen und zusammenfinden kann". Das Elterngeld sei damit "keine Leistung, durch die die wirtschaftliche Grundlage der Familie über das vor der Geburt vorhandene Niveau hinaus angehoben oder ein finanzielles Mindestniveau gewährleistet werden soll, sondern ein Ausgleich für konkrete Nachteile in der Frühphase der Familiengründung".
Lediglich hinsichtlich des Mindestelterngeldes wurde die sonst im Vordergrund stehende Entgeltersatzfunktion des Elterngeldes relativiert:
Wer vor Geburt eines Kindes nicht erwerbstätig war (z.B. wegen der Erziehung weiterer Kinder) sollte durch die Ausgestaltung des Elterngeldes nicht zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gezwungen sein, um in den Genuss der Leistungen zu kommen. Insoweit wurde auch die Wahlfreiheit gestützt, aus sonstigen Gründen nicht erwerbstätig zu bleiben und damit die Erziehungsleistung im Allgemeinen gewürdigt.
2. Fragliche Ungleichbehandlung zu anderen nichterwerbstätigen Elterngeldberechtigten:
Soweit der Bevollmächtigte im Widerspruchsverfahren eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem darin sieht, dass der Klägerin als SGB-II-Empfängerin kein zusätzlicher finanzieller Spielraum eingeräumt wird, wogegen sonstigen nichterwerbstätigen Personen eine verbleibende staatliche Anerkennung der Erziehungsleistung von mindestens monatlich 300,00 EUR zukommt, vermag das Gericht insoweit keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem zu erkennen, als mit der Anspruchsberechtigung der Klägerin auf das Mindestelterngeld von 300,00 EUR in gleicher Form die Anerkennung der Erziehungsleistung zum Ausdruck kommt, wie bei allen anderen Anspruchsberechtigten.
Unterschiede ergeben sich aufgrund der Regelungen des § 10 Abs.1 und Abs. 5
Satz 1 BEEG hinsichtlich der aus dem Elterngeld gezogenen wirtschaftlichen Vorteile und der Auswirkungen auf die finanziellen Verhältnisse der Eltern insgesamt.
Während beispielsweise die wirtschaftlichen Verhältnisse eines verheirateten Elternpaares mit einem anspruchsberechtigten nicht erwerbstätigen Haushaltsführer um den Mindestbetrag des Elterngeldes verbessert werden, führt das Elterngeld im Falle der Klägerin als SGB-II-Leistungsbezieherin unter dem Strich nicht zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Bedarfsgemeinschaft.
Diese ungleichen Wirkungen des Elterngeldes beziehen ihre sachliche Rechtfertigung daraus, dass die von der Regelung des § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG betroffenen Leistungsempfänger ihren Lebensunterhalt insgesamt mit steuerfinanzierten Mitteln be-
streiten, wogegen sonstige nichterwerbstätige Elterngeldbezieher außerhalb des SGB-II-/SGB-XII-Bezuges nicht auf Fürsorgeleistungen angewiesen sind.
Unter diesen Voraussetzungen muss es der Betroffene tolerieren, dass seine Erziehungsleistung zwar durch Bewilligung des Elterngeldes einerseits gewürdigt wird, dass es aber aufgrund der allgemeinen Grundsätze des Leistungsbezuges nach dem SGB II zu einer Korrektur hinsichtlich des Behaltendürfens zusätzlicher Einkünfte neben dem Leistungsbezug kommt.
So sind Leistungen nach dem SGB II nur bedarfsabhängig und subsidiär zu erbringen. Sämtliche Einkünfte der Leistungsempfänger mindern grundsätzlich deren Bedarf und damit die Höhe der SGB-II-Leistung. Die bisher mit § 11 Abs. 3 a SGB II in der bis 31.12.2010 gültigen Fassung geregelte Anrechnungsfreiheit für Elterngeld in der Mindesthöhe von 300,00 EUR stellte eine Ausnahme von der Subsidiarität der SGB-II-/SGB-XII-Leistungen dar, deren Widerruf sachlich mit haushaltspolitischen Gesichtspunkten und der einer bezweckten Betonung von Erwerbsanreizen zur Verringerung/Beendi-
gung der Hilfebedürftigkeit gerechtfertigt werden kann.
Zumindest bei Paarbedarfsgemeinschaften mag das frühere Behaltendürfen des zusätzlichen Elterngeldes tatsächlich den Anreiz zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit eines Elternteiles eher verringert haben; demgegenüber werden über § 10 Abs. 5
Satz 2 BEEG durch die Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes für Leistungsempfänger nach dem SGB II mit Einkünften aus Erwerbstätigkeit vor der Kindererziehung zusätzliche Erwerbsanreize für die Zeit vor der Geburt des Kindes geschaffen.
Dementsprechend wird in der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Haushaltsbegleitgesetz 2011 (BT-Drs. 17/3030) zu Art. 13, mit welchem die Bestimmung des § 10 Abs. 5 BEEG eingeführt wurde, darauf verwiesen, dass die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und § 6 a BKGG dem Umstand Rechnung trage, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und des Kindes im System der Grundsicherung durch die Regelsätze und Zusatzleistungen wie gegebenenfalls der Mehrbedarfszuschlag für Alleinerziehende umfassend gesichert sei. Jedes zusätzliche verbleibende Einkommen bedürfe daher einer Rechtfertigung, wie sie z.B. bei den Freibeträgen für Erwerbstätige als Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet sei.
Die Berücksichtigung des Elterngeldes im System der Grundsicherung vermeide gerade im Vergleich der Berechtigten untereinander die Relativierung der durch die Erwerbstätigenfreibeträge bezweckten Anreizwirkung und führe damit "zu einer stärkeren Konturierung des Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung".
3. Ungleichbehandlung im Verhältnis zu anderen Beziehern einkommensabhängiger
Sozialleistung:
Eine Ungleichbehandlung ergibt sich aufgrund der Bestimmung des § 10 Abs. 5
Satz 1 BEEG für die Klägerin als Bezieherin von SGB-II-Leistungen im Verhältnis zu Beziehern von anderen einkommensabhängigen Sozialleistungen, wie den Beziehern von BAföG, Wohngeld und Kriegsopferfürsorge.
Insoweit hat jedoch bereits das Sozialgericht Marburg mit Urteil vom 12.08.2011, Aktenzeichen S 8 AS 169/11 wesentliche Unterschiede des Charakters der jeweiligen Leistung im Vergleich zur Leistung nach dem SGB II/SGB XII herausgearbeitet und im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass hieraus keine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem erfolgt. Dies gilt jedenfalls im vorliegenden Fall für die Kläger, die keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und ihren Lebensunterhalt alleine aus Elterngeld, Kindergeld und den Mitteln nach dem SGB II bestreiten (vgl. insoweit SG Marburg, Urteil vom 12.08.2011, a.a.O., Rdnr. 36 f).
So müssen BAföG-Empfänger einen wesentlichen Anteil ihrer erhaltenen Leistungen nach Beendigung der Ausbildung zurückzahlen; für sie gilt während ihrer Ausbildung keine Priorität der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zur Erlangung hinreichender Eigenmittel, vielmehr steht bei BAföG-Empfängern die Gewährleistung einer letztlich erfolgreichen Ausbildung im Vordergrund.
Auch Empfänger von Wohngeld unterscheiden sich wesentlich von den von der Anrechnung nach § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG Betroffenen, indem sie über eigene Einkünfte aus Erwerbstätigkeit verfügen, die aber nicht zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreichen, weshalb Unterstützungen zur Deckung der Kosten der Unterkunft gewährt werden. Jedenfalls im Falle der Klägerin zu 1, welche im Vorfeld zum Bezug des Elterngeldes keinen eigenen Beitrag zur Sicherung des Lebensunterhaltes geleistet hat, ergibt sich ein Wertungsunterschied, der eine entsprechende Differenzierung hinsichtlich der Anrechnung bezogenen Elterngeldes vertretbar erscheinen lässt.
Gleiches gilt für Bezieher von Kriegsopferfürsorgeleistungen. Diese erhalten eine einkommensabhängige Leistung als Entschädigung für ein Sonderopfer, §§ 25 ff Bundesversorgungsgesetz (BVG). Bereits damit aber unterscheidet sich diese Leistung deutlich von Fürsorgeleistungen nach dem SGB II/XII, welche allein vom Bestehen von Bedürftigkeit abhängen.
Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nach Art. 3 GG ist daher nicht gegeben.
Auch sonstige Grundrechte werden durch die unterschiedliche Regelung der Anrechnung/Anrechnungsfreiheit von Elterngeld nicht verletzt.
Soweit im Widerspruchsverfahren eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips nach Art. 20 GG und eine Art. 6 GG verletzende Schlechterstellung von hilfsbedürftigen Erziehenden besorgt wird, teilt die entscheidende Kammer diese Bedenken nicht.
Die der Konzipierung des Elterngeldes und der Gesetzesänderung in Form des § 10 Abs. 5 BEEG zugrundeliegenden familienpolitischen und haushaltspolitischen Erwägungen stellen hilfebedürftige Eltern nicht schutzlos. Der Leistungskatalog des SGB II sichert den Bedarf von Erziehendem und Kind in der verfassungsrechtlich garantierten Höhe des soziokulturellen Existenzminimums (vgl. BVerfGE, 1 BvL 1/09 vom 09.02.2010, Absatz-
Nr. 138 ff).
Die differenzierende Ausgestaltung bei der Anrechnung von Elterngeld als Einkommen und die vom Gesetzgeber gemäß der Gesetzesbegründung verfolgte Akzentuierung der Erwerbsanreize sind dabei nicht dahingehend zu prüfen, ob sie aus Sicht des Gerichtes die gerechteste und schlüssigste Regelungsmöglichkeit darstellen. Insoweit besitzt der parlamentarische Gesetzgeber das Vorrecht, die gesetzlichen Regelungen und Maßnahmen nach seinen Bewertungen und Einschätzungen auszugestalten.
Die streitgegenständliche Anrechnung von Einkommen im Bescheid vom 17.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2011 erweist sich daher nach Grund und Höhe als rechtmäßig, so dass die Klage keinen Erfolg haben konnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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