Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 (45) AS 30/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. In Nordrhein-Westfalen wurden aufgrund des Übergangs der Gesetzgebungskompetenz für den sozialen Wohnungsbau vom Bund auf die Bundesländer des WoFG und das WoBindG zum 01.01.2010 durch das "Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen - WFNG NRW" (juris: WBFG NW 2009) ersetzt. Seitdem ist zur Bestimmung der Angemessenheit der Wohnungsgröße iS. des § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 nicht mehr die "Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen zum WoBindG - VV-WoBindG" (juris: WoBindGVwV NW), sondern auf die "Wohnraumnutzungsbestimmungen - WNB" abzustellen (aA LSG Essen vom 29.04.2010 - L 9 AS 58/08). Diese sehen für einen Einpersonenhaushalt eine angemessene Wohnfläche von 50 qm anstelle von bisher 45 qm vor.
2. Bei Nichtvorliegen eines "schlüssigen Konzepts" des Grundsicherungsträgers ist nicht von vornherein und pauschal auf die Grenzwerte der Wohngeldtabelle zurückzugreifen. Vielmehr ist der angemessene Quadratmeterpreis - soweit möglich - auf der Grundlae eines Mietspiegels der Region zu ermitteln, indem auf den Mindestquadratmeterpreis für eine Wohnung mittlerer Ausstattung in mittlerer Wohnlage 30% der Preisspanne zum höchsten Quadratmeterpreis aufgeschlagen werden.
2. Bei Nichtvorliegen eines "schlüssigen Konzepts" des Grundsicherungsträgers ist nicht von vornherein und pauschal auf die Grenzwerte der Wohngeldtabelle zurückzugreifen. Vielmehr ist der angemessene Quadratmeterpreis - soweit möglich - auf der Grundlae eines Mietspiegels der Region zu ermitteln, indem auf den Mindestquadratmeterpreis für eine Wohnung mittlerer Ausstattung in mittlerer Wohnlage 30% der Preisspanne zum höchsten Quadratmeterpreis aufgeschlagen werden.
Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 09.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.01.2007, vom 21.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2007. vom 21.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.02.2008, vom 21.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.09.2008, vom 03.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.06.2009, vom 26.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.06.2009 und vom 18.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.04.2010 verurteilt, dem Kläger einen weiteren Betrag an Kosten der Unterkunft i.H.v. insgesamt 519,90 EUR zu zahlen. Der Beklagte trägt die außergerichtlich erstattungsfähigen Kosten des Klägers.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme höherer Kosten der Unterkunft für den Leistungszeitraum von Dezember 2006 bis Mai 2010.
Der Kläger steht bei dem Beklagten seit Beginn des Jahres 2005 im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch). Mit Schreiben vom 23.05.2006 hat der Beklagte den Kläger darüber belehrt, dass seine Unterkunftskosten - gemessen an den geltenden Richtlinien des Beklagten - unangemessen seien. Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass lediglich ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis in Höhe von 4,39 EUR pro m² als angemessene Kaltmiete in Ansatz gebracht werden könne. Dies ergebe für einen 1-Personenhaushalt - in welchem der Kläger unstreitig lebt - gemäß den Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes unter Zugrundelegung einer zulässigen Gesamtwohnfläche von 45 m² einen angemessenen Gesamtmietpreis in Höhe von monatlich 197,55 EUR zzgl. Betriebs-/ und Heizkosten. Die tatsächliche Kaltmiete des Klägers in Höhe von 383,47 EUR würde mithin deutlich über dieser Angemessenheitsgrenze liegen. Der Kläger wurde sodann im gleichen Schreiben aufgefordert die Unterkunftskosten bis November 2006 auf das angemessene Maß zu senken und darüber informiert, dass ab Dezember 2006 lediglich noch die angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden könnten.
Erstmals mit Änderungsbescheid vom 30.11.2006 wurde ab Dezember 2006 bei dem Kläger lediglich noch die "angemessene" Kaltmiete berücksichtigt. Dies geschah sodann auch im Rahmen der jeweiligen nachfolgenden Bewilligungs-/ und Änderungsbescheide in den streitgegenständlichen Bewilligungszeiträumen bis Mai 2010. Auch gegen die nachfolgenden Bewilligungsbescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein.
Die Widersprüche des Klägers wurden jeweils durch die streitgegenständlichen Widerspruchsbescheide als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine Anerkennung der Mietkosten lediglich bis zur dritten Mietaltersstufe des lokalen Mietspielgels möglich sei und als Quadratmeterpreis der Mittelwert des örtlichen Mietspiegels zugrundezulegen sei. Der von der Beklagten festgesetzte Quadratmeterpreis sei günstiger, als der Wert, welcher sich aus dem Mietspiegel ergebe. Zudem habe der Kläger keinerlei Bemühungen nachgewiesen, die Kosten der Unterkunft zu senken.
Gegen die jeweiligen Bewilligungs- und Widerspruchsbescheide hat der Kläger vor dem erkennenden Gericht um Rechtsschutz nachgesucht. Die Verfahren sind von dem Gericht durch Verbindungsbeschluss vom 08.12.2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm höhere Kosten der Unterkunft zustünden, als von der Beklagten festgesetzt. Zudem habe er sehr wohl Bemühungen zur Wohnungssuche entfaltet. Diese hätten sich allerdings lediglich auf den Ballungsraum "H" beschränkt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide zu verurteilen, einen Gesamtbetrag i.H.v. 519,90 EUR nachzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011, Az.: B 4 AS 119/10 R, Rn. 14). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen.
2. Die angegriffenen Bescheide in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG, da diesem ein weitergehender Anspruch auf Leistungen der Kosten der Unterkunft zusteht.
Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Kläger ist hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II und hat gemäß §§ 7 Abs. 1, 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Vorliegend ist nur über die Kosten der Unterkunft zu entscheiden, da der Kläger den Streitgegenstand zulässigerweise darauf beschränkt hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.11.2006 – Az.: B 7b AS 8/06 R, Rn. 18 - 23 bei Juris, BSG, Urteil vom 22.09.2009 – Az.: B 4 AS 18/09 R). Zudem hat der Kläger im hiesigen Gerichtsverfahren lediglich die Übernahme der - nach Auffassung des Gerichts - angemessenen Kaltmiete beantragt. Das Gericht musste demnach vorliegend nicht darüber entscheiden, ob dem Kläger darüber hinaus weitergehende Betriebs-/ oder Heizkosten für den streitgegenständlichen Zeitraum zustehen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft (Kaltmiete) gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in der tenorierten Höhe. Nach dieser Norm sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen, soweit sie angemessen sind.
Die Rechtsprechung hat den gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff der "Angemessenheit" der Aufwendungen für die Unterkunft konkretisiert. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist in einem mehrstufigen Verfahren vorzugehen. Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards wird in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welche konkreten räumlichen Gegebenheiten als räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Anschließend ist hierbei zu untersuchen, wie viel für eine nach Größe und Standard abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem für den Hilfsbedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Dabei ist nicht nur auf die im streitgegenständlichen Zeitraum auf dem Markt tatsächlich angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen (sog. "Bestandmieten"). Hierbei vertritt die Rechtsprechung die sog. Produkttheorie. Danach müssen nicht beide Faktoren, Wohnungsgröße und der im Quadratmeterpreis ausgedrückte Wohnungsstandard, je für sich betrachtet angemessen sein. Vielmehr ist es ausreichend, dass das Produkt aus Quadratmeterzahl und Quadratmeterpreis eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ergibt (BSG, Urteil v. 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R; Hessisches LSG, Urteil v. 24.09.2008 – L 6 AS 130/07; SG Kassel, Urteil v. 11.03.2009 – Az.: S 7 AS 276/06).
a. Für einen Ein-Personen-Haushalt ist bis zum 31.12.2009 nach Auffassung der Kammer eine Wohnfläche von 45 m² als angemessen zu bewerten (vgl. u.a. LSG NRW, Beschluss vom 17.04.2009 – Az: L 19 B 76/09 AS). Ab dem 01.01.2010 ist eine Wohnfläche von 50 m² angemessen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nach Ansicht der Kammer die Angemessenheit der Wohnfläche im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II ab dem 01.01.2010 nicht mehr an Ziff. 5.71 der inzwischen außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (VV WoBindG) zu messen, sondern an Ziff. 8.2 der mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 erlassenen Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB). Denn diese sind nach den Auslegungsgrundsätzen, die das BSG in ständiger Rechtsprechung für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen Wohnfläche im Sinne des § 22 SGB II aufgestellt hat, die maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen. Das BSG stellt bei der Auslegung auf die Wohnungsgrößen, die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau gelten, ab. Es setzt damit die Auslegung der Angemessenheit durch die bisherige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 19 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 01.10.2992 – 5 C 28/89 Rdnr. 14 ) fort. Dabei sollen diejenigen Vorschriften aus dem sozialen Mietwohnungsbau zur Anwendung kommen, die einen Zusammenhang herstellen zwischen der Wohnfläche und der Anzahl der in dieser Wohnung lebenden Personen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, Rn. 16 zur Ablehnung der Auslegung anhand der WFB, Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 26.01.2006). Diese waren bis zum 31.12.2009 in § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFG, BGBl I 2376) in Verbindung mit den landesrechtlichen Durchführungsbestimmungen zu finden (so schon BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 19). Bis zum 31.12.2009 war dies in Nordrhein-Westfalen Ziff. 5.71 VV WoBindG, auf die die Beklagte ihre Berechnung gestützt hat. Darin war für einen Ein-Personen-Haushalt eine Fläche von 45 m² vorgesehen. Das BSG bestärkte diese Auslegungspraxis nochmals – allerdings nur aus Gründen der Praktikabilität – in seinem Urteil vom 19.02.2009 (B 4 AS 30/08 R). Darin kritisiert der entscheidende Senat, dass die vorangegangenen Entscheidungen des BSG nicht näher begründet hätten, warum sie zur Bestimmung der in § 22 Abs. 1 SGB II geforderten Angemessenheit bezüglich der Wohnungsgröße gerade auf § 10 WoFG zurückgegriffen hätten. Es sei nämlich nicht klar, nach welchen Aspekten die Länder Wohnungsgrößen gemäß § 10 WoFG festlegen und welche Zwecke sie damit verfolgten. Damit stünde auch nicht fest, ob der mit der Angemessenheitsprüfung verbundene Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des WoFG nebst Ausführungsbestimmungen der Länder weitgehend übereinstimmt. Überdies sei es problematisch, dass eine bundesrechtlich einheitlich zu handhabende Regelung des SGB II unterschiedliche landesrechtliche Angemessenheitsgrenzen vorlägen. Trotz dieser Kritik und dieser Bedenken hält das BSG auch weiterhin aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit an der bisherigen Auslegung fest (BSG, aaO, Rdnr. 15 – 18). Zum 01.01.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW, Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 08.12.2009) das WoFG in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Zum Vollzug dieses Gesetzes sind zum gleichen Tag mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) in Kraft getreten, die die bisherigen VV WoBindG ersetzen (Nr. 19 Satz 2 WNB). Die WNB legen als Grenze für die Angemessenheit in Ziff. 8.2 WNB für eine alleinstehende Person 50 m², für einen Zwei-Personen Haushalt 65 m² und für jede weitere haushaltsangehörige Person weitere 15 m² fest.
Nach Ansicht der Kammer ist mit dem Inkrafttreten der WNB die zuvor geltende Angemessenheitsgrenze aus den VV WoBindG durch die nunmehr geltenden höheren Flächenzahlen der WNB abgelöst worden (ebenso LSG NRW, Urteil vom 16.05.2011 – Az.: L 19 AS 2202/10; SG Aachen, Urteil vom 17.11.2010 - S 5 AS 910/10 und Urteil vom 11.08.2010 – S 4 AS 577/10, SG Duisburg, Urteil vom 05.11.2010 – S 31 AS 2269/10 und Urteil vom 22.02.2011 – S 17 AS 1907/10). Daher ist der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit im Sinne des § 22 SGB II nunmehr anhand der Wohnflächen der WNB auszulegen. Denn Nr. 8.2 WNB konkretisiert ebenso wie vorher die Nr. 5.71 VV WoBindG die gesetzliche Vorschrift, die die im Wohnberechtigungsschein anzugebende Wohnungsgröße für den Wohnungssuchenden regelt (§ 18 Abs. 2 WFNG NRW bzw. vormals § 27 Abs. 4 WoFG). Da die WNB in Nr. 8.2 die Wohnungsgrößen in Zusammenhang mit den darin lebenden Personen stellen, sind sie nunmehr der oben dargestellten Rechtsprechung des BSG folgend für die Auslegung des § 22 SGB II heranzuziehen (auf die jeweils aktuell gültige landesrechtliche Bestimmung abstellend auch BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R Rdnr. 15 für das Land Sachsen, ebenso auch bereits BVerwG, Urteil vom 01.10.1992 - 5 C 28/89 Rdnr. 14,). Sofern das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 29.04.2010 (Az.: L 9 AS 58/08) die Auffassung vertreten hat, die bis zum 31.12.2009 geltenden Wohnflächengrößen der VV WoBindG seien auch weiterhin gültiger Auslegungsmaßstab, folgt die Kammer dem nicht. Das LSG hatte über einen vor dem 01.01.2010 liegenden Zeitraum zu entscheiden, so dass seine Feststellungen zu den ab dem 01.01.2010 anzuwendenden Wohnflächen in Form eines obiter dictum ausgesprochen wurden. Das LSG argumentiert in der o.g. Entscheidung, dass der Gesetzgeber beim Erlass des SGB II im Hinblick auf die Angemessenheit der Wohnflächen die damalige Situation vor Augen gehabt und eine Dynamisierung nicht bezweckt habe. Auch aus den Regelungszielen des SGB II (u.a. Grundversorgung der Leistungsberechtigten mit Wohnraum) würden sich keine Anhaltspunkte für eine Dynamisierung ergeben (LSG, aaO, Rdnr. 27). Zwar ist auch die Kammer der Auffassung, dass es sich bei der Angemessenheit der Wohnfläche nicht unbedingt um eine Größe handelt, die häufigen Schwankungen unterliegt und daher dynamisch gehalten werden müsste. Doch da auch für die Erteilung des Wohnberechtigungsscheines die als angemessen anzusetzende Fläche nicht statisch blieb, sieht die Kammer keinen Grund dafür, dass diese Entwicklung dann nicht auch im Rahmen des § 22 SGB II gelten soll. Der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wohnt es inne, dass Veränderungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Wege der Auslegung Einzug in die jeweilige Norm halten. Es ist nicht ersichtlich, wieso im Rahmen des SGB II die Wohnfläche statisch sein soll, während sie dies im Rahmen des Wohnberechtigungsscheines nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers nicht ist. Überdies ist angesichts der ausgesprochen knappen Regelung zur Höhe der Unterkunftskosten in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und der ausdrücklichen Aufnahme einer Satzungsermächtigung zur näheren Ausgestaltung dieser Frage in § 27 SGB II nach Ansicht der Kammer davon auszugehen, dass der Gesetzgeber beim Erlass des SGB II gerade keinen statischen Wert festlegen wollte bzw. sich zumindest nicht näher mit dieser Frage auseinandergesetzt hat (so auch SG Aachen, Urteil vom 17.11.2010 – S 5 AS 910/10, SG Aachen, Urteil vom 11.08.2010 – S 4 AS 577/10, SG Duisburg, Urteil vom 05.11.2010 – S 31 AS 2269/10 und Urteil vom 22.02.2011 – S 17 AS 1907/10). Zum anderen erscheint der Kammer die Anwendung einer gemäß Nr. 19 Satz 2 WNB ausdrücklich außer Kraft gesetzten Vorschrift statt der diese ersetzende Vorschrift bedenklich. Letztlich erscheint eine einheitliche Bestimmung der angemessenen Quadratmeterfläche unter Bezugnahme auf eine (gültige) gesetzliche Vorschrift im Sinne der Rechtssicherheit angebracht.
b. Neben der Größe ist als weiterer Faktor für die Angemessenheit der Mietunterkunft der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend (BSG, Urt. v. 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R; Urt. v. 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Umzug an einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, nicht verlangt werden kann, sich der Vergleichsmaßstab aber auch nicht streng am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" auszurichten hat. Danach ist als maßgeblicher räumlicher Vergleichsmaßstab, innerhalb dessen zu ermitteln ist, welche Aufwendungen für eine Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, das gesamte Stadtgebiet der Stadt Viersen anzusehen. Bei dem insoweit maßgeblichen Vergleichsraum muss es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellt (BSG a.a.O.) Dies ist für den Bereich des Stadtgebietes von Viersen zu bejahen. Dabei ist davon auszugehen, dass in der Regel das Gebiet einer städtischen Kommune in deren kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen den räumlichen Vergleichsmaßstab für die Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises bildet. Eine andere Betrachtungsweise würde vor allem auch das Risiko der Bildung von sozialen Brennpunkten erhöhen. Eine solche durch eine mittelbare Steuerungswirkung des SGB II Leistungsbezuges hervorgerufene "Ghettoisierung" ist aber zu vermeiden (BSG a.a.O.).
Die Grundsicherungsträger müssen in diesem Zusammenhang die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt ermitteln und berücksichtigen. Als Erkenntnismittel kommen in Betracht: Örtliche Mietspiegel, Mietdatenbanken, Wohnungsmarktanzeigen in der örtlichen Presse oder im Internet; Anfragen bei Maklern, Wohnungsbaugesellschaften, Mietervereinen etc. Entscheidend ist hierbei nicht das Vorliegen eines qualifizierten oder einfachen Mietspiegels. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss vielmehr auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das die Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des Wohnungsmarktes wiederzugeben. Liegen keine entsprechenden Mietspiegel beziehungsweise Mietdatenbanken im Sinne der §§ 558c ff. BGB vor, können die Grundsicherungsträger für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene Mietspiegel oder Tabellen erstellen. Die vom Grundsicherungsträger hierbei gewählte Datengrundlage muss aber – wie schon ausgeführt wurde – auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiederzugeben. Ferner müssen die Faktoren, die das Produkt "Mietpreis" bestimmen, in die Auswertung eingeflossen sein. Es muss hierbei insbesondere sichergestellt sein, dass bestimmte Wohnungen, die das Bild von der Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft verzerren (vgl. BSG, Urteil v. 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R) im Rahmen des schlüssigen Konzeptes nicht berücksichtigt wurden. Einer der Faktoren, der für die angemessenen Kosten der Unterkunft bestimmend ist, ist der sog. Wohnungsstandard. Den Standard bestimmen u.a. Kriterien wie die Lage, Infrastruktur, das Wohnungsumfeld, die Verkehrsanbindung, die Umweltbelastung und die Ausstattung der Wohnung wie die Zahl und Größe der einzelnen Räume, deren Belichtung, Belüftung, sanitäre Ausstattung und die Art der Heizung (vgl. Knickrehm / Voelzke / Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, Stuttgart 2009, S.16). Diese Auflistung dürfte weder abschließend sein noch dürfte es für ein schlüssiges Konzept zwingend erforderlich sein, dass sämtliche aufgeführten Kriterien von den Leistungsträgern im Rahmen ihres schlüssigen Konzeptes Berücksichtigung finden. Ein schlüssiges Konzept setzt aber jedenfalls ein "planmäßiges Vorgehen" der Grundsicherungsträger im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung der relevanten Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsmaßstab voraus (BSG, Urteil v. 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09). Daran fehlt es nach Auffassung der Kammer vorliegend.
Der Beklagte legt einen "angemessenen" Quadratmeterpreis i.H.v. 4,39 EUR bis Dezember 2008 und i.H.v. 4,80 EUR ab Januar 2009 zugrunde. Dieser Preis wurde ausweislich des Vortrags des Beklagten vor vielen Jahren – insbesondere bevor das BSG seine Rechtsprechung zum Erfordernis eines schlüssigen Konzepts formuliert hat – festgelegt. Wie und auf welchen Daten basierend dieser Wert damals ermittelt worden ist, ist offen geblieben. Insbesondere konnte der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz v. 21.01.2011 nicht überzeugen, wonach der angemessene Quadratmeterpreis auf der Grundlage der örtlichen Mietspiegel der Stadt H (Mittelwert) entwickelt worden ist. Insoweit lässt sich - zumindest für den Zeitraum der Gültigkeit des Mietspiegels bis Ende 2008 - nicht nachvollziehen, wie der Beklagte den Wert von 4,39 errechnet hat. Dieser entspricht unstreitig nicht dem "Mittelwert" aller Mietpreiskategorien bzw. Mietstufen([hier:4,30 EUR). Die Vertreterin des Beklagten konnte hierzu in der mündlichen Verhandlung auch keine weiteren Auskünfte geben.
Ein solches Vorgehen stellt nach Auffassung der Kammer kein schlüssiges Konzept dar.
Zum Einen kann der Beklagte - wie oben beschrieben - die Entstehung der "angemessenen" Quadratmeterpreise nicht nachvollziehbar erläutern, womit ein "planmäßiges Vorgehen" bereits im Ansatz nicht erkennbar ist. Zum anderen handelt es sich bei den in Bezug genommenen Mietspiegeln um keine ausreichende Tatsachengrundlage i.S.d. Rechtsprechung des BSG. Dies beruht bereits auf der Tatsache, dass es sich bei den Mietspiegeln der Stadt H nicht um sogenannte "qualifizierte" Mietspiegel i.S.v. § 558 d BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) handelt. Die Mietspiegel sind demzufolge nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erarbeitet worden. womit die Tatsachengrundlage, auf welcher die Mietspiegel basieren, für das Gericht nicht erkennbar und auch nicht aufzuklären ist. Insbesondere ist den Mietspiegeln nicht zu entnehmen, ob sie auf einem belastbaren und aussagekräftigen Datenmaterial (Berücksichtigung von Bestandswohnungen; Umfang (Quantität) der Erhebungen: Art (Qualität) der Erhebungen) beruhen. Allein die aus der "Präambel" des Mietspiegels ("1. Allgemeines") zu entnehmende Beschränkung der Auswertung des Wohnungsmarktes auf "Mehrfamilienhäuser" schließt einen Großteil von verfügbaren Wohnungen in Einfamilienhäusern (Dachboden/Keller) sachgrundlos aus. Die Kammer muss mithin davon ausgehen, dass bei der Erstellung der Mietspiegel Schätzungen zugrunde lagen, welche sich lediglich aus der Beobachtung des damaligen Wohnungsmarktes ergaben.
Letztlich ist der Umfang des einbezogenen Datenmaterials nach Auffassung der Kammer nicht repräsentativ und die Datenerhebung insgesamt nicht valide.
c. Ist der Leistungsträger nicht in der Lage, ein schlüssiges Konzept zu präsentieren, sind nach der Rechtsprechung des BSG die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren. Es existiert jedoch auch dann eine absolute Obergrenze der Angemessenheit, die durch die einschlägigen Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) markiert wird. Jedoch ist nach Auffassung der Kammer in Anlehnung an die zutreffende Rechtsprechung des BSG "nicht von vornherein und pauschal auf die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz zurückzugreifen” (bzw. ab dem 01.01.2009 § 12 WoGG), vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Terminbericht Nr. 58/06). Die im konkreten Fall als angemessen anzusehenden Kosten von Unterkunft und Heizung sind vielmehr, soweit möglich, anhand eines nach den örtlichen Verhältnissen zu bestimmenden Quadratmeterpreises zu ermitteln. Die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises erfolgt vorliegend unter Zuhilfenahme des einfachen Mietspiegels der Gemeinde H, wobei auf einen Wohnungsstandard im unteren Marktsegment abzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2005, L 19 B 28/05 AS ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 24.04,2006, L 9 AS 39/06 ER und jetzt auch BSG, a.a.O.; vgl. weiter zur Bestimmung der angemessenen KdU, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2005, L 19 B 21/05 AS ER; vgl. zur grundsätzlichen Problematik der Bildung eines arithemtischen Mittelwerts BSG v 19.10.10 – B 14 AS 50/10 R). Davon ausgehend ermittelt die Kammer den angemessenen Quadratmeterpreis, indem auf den Mindestquadratmeterpreis für eine Wohnung mittlerer Ausstattung in mittlerer Wohnlage 30% der Preisspanne zum höchsten Quadratmeterpreis aufgeschlagen werden (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 09.01.2008 – L 12 AS 77/06; SG Aachen, Urteil vom 25.09.2006 – S 23 (15) AS 145/05).
Dabei legt die Kammer die Wohnungen mit dem Standard "mit Heizung, Bad/WC” in der Wohnungsaltersklasse 1970-1976 (unterer Wert) als mittleren Standard und mittlere Ausstattung zugrunde (vgl. Bl. 79, 138 d. GA; zur Berechnung vertiefend auch den gerichtlichen Hinweis vom 08.12.2010, welcher sich allerdings fälschlicherweise auf die Mietspiegel der Stadt Viersen bezog) und ermittelt nach dem obigen Rechnungsweg einen angemessenen Quadratmeterpreis i.H.v. 4,81 EUR für den Zeitraum bis Dezember 2008 und i.H.v. 4,86 EUR für den Zeitraum ab Januar 2009.
In dieser Höhe – zuzüglich der Heiz- und Nebenkosten – sind die Kosten der Unterkunft und Heizung unter Beachtung der jeweils angemessenen Wohnfläche (vgl. unter a.) gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Berufung wird vorliegend gemäß § 144 Nr. 1, 2 SGG zugelassen, da es – hinsichtlich der angemessenen Wohnungsgröße – von einer Entscheidung des Landessozialgerichts NRW abweicht und die Sache aufgrund der Vielzahl von Betroffenen grundsätzliche Bedeutung für das Stadtgebiet der Gemeinde Viersen/Grefrath hat.
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Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren über die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme höherer Kosten der Unterkunft für den Leistungszeitraum von Dezember 2006 bis Mai 2010.
Der Kläger steht bei dem Beklagten seit Beginn des Jahres 2005 im Bezug von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II (Zweites Sozialgesetzbuch). Mit Schreiben vom 23.05.2006 hat der Beklagte den Kläger darüber belehrt, dass seine Unterkunftskosten - gemessen an den geltenden Richtlinien des Beklagten - unangemessen seien. Der Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass lediglich ein durchschnittlicher Quadratmeterpreis in Höhe von 4,39 EUR pro m² als angemessene Kaltmiete in Ansatz gebracht werden könne. Dies ergebe für einen 1-Personenhaushalt - in welchem der Kläger unstreitig lebt - gemäß den Regelungen des Wohnungsbindungsgesetzes unter Zugrundelegung einer zulässigen Gesamtwohnfläche von 45 m² einen angemessenen Gesamtmietpreis in Höhe von monatlich 197,55 EUR zzgl. Betriebs-/ und Heizkosten. Die tatsächliche Kaltmiete des Klägers in Höhe von 383,47 EUR würde mithin deutlich über dieser Angemessenheitsgrenze liegen. Der Kläger wurde sodann im gleichen Schreiben aufgefordert die Unterkunftskosten bis November 2006 auf das angemessene Maß zu senken und darüber informiert, dass ab Dezember 2006 lediglich noch die angemessenen Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden könnten.
Erstmals mit Änderungsbescheid vom 30.11.2006 wurde ab Dezember 2006 bei dem Kläger lediglich noch die "angemessene" Kaltmiete berücksichtigt. Dies geschah sodann auch im Rahmen der jeweiligen nachfolgenden Bewilligungs-/ und Änderungsbescheide in den streitgegenständlichen Bewilligungszeiträumen bis Mai 2010. Auch gegen die nachfolgenden Bewilligungsbescheide legte der Kläger jeweils Widerspruch ein.
Die Widersprüche des Klägers wurden jeweils durch die streitgegenständlichen Widerspruchsbescheide als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass eine Anerkennung der Mietkosten lediglich bis zur dritten Mietaltersstufe des lokalen Mietspielgels möglich sei und als Quadratmeterpreis der Mittelwert des örtlichen Mietspiegels zugrundezulegen sei. Der von der Beklagten festgesetzte Quadratmeterpreis sei günstiger, als der Wert, welcher sich aus dem Mietspiegel ergebe. Zudem habe der Kläger keinerlei Bemühungen nachgewiesen, die Kosten der Unterkunft zu senken.
Gegen die jeweiligen Bewilligungs- und Widerspruchsbescheide hat der Kläger vor dem erkennenden Gericht um Rechtsschutz nachgesucht. Die Verfahren sind von dem Gericht durch Verbindungsbeschluss vom 08.12.2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm höhere Kosten der Unterkunft zustünden, als von der Beklagten festgesetzt. Zudem habe er sehr wohl Bemühungen zur Wohnungssuche entfaltet. Diese hätten sich allerdings lediglich auf den Ballungsraum "H" beschränkt.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung der streitgegenständlichen Bescheide zu verurteilen, einen Gesamtbetrag i.H.v. 519,90 EUR nachzuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen, welche Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beteiligtenfähig (vgl. BSG, Urteil vom 06.04.2011, Az.: B 4 AS 119/10 R, Rn. 14). Nach § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Das Passivrubrum war von Amts wegen zu berichtigen.
2. Die angegriffenen Bescheide in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide sind rechtswidrig und beschweren den Kläger im Sinne des § 54 Abs. 1 S. 2 SGG, da diesem ein weitergehender Anspruch auf Leistungen der Kosten der Unterkunft zusteht.
Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Der Kläger ist hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II und hat gemäß §§ 7 Abs. 1, 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Vorliegend ist nur über die Kosten der Unterkunft zu entscheiden, da der Kläger den Streitgegenstand zulässigerweise darauf beschränkt hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 07.11.2006 – Az.: B 7b AS 8/06 R, Rn. 18 - 23 bei Juris, BSG, Urteil vom 22.09.2009 – Az.: B 4 AS 18/09 R). Zudem hat der Kläger im hiesigen Gerichtsverfahren lediglich die Übernahme der - nach Auffassung des Gerichts - angemessenen Kaltmiete beantragt. Das Gericht musste demnach vorliegend nicht darüber entscheiden, ob dem Kläger darüber hinaus weitergehende Betriebs-/ oder Heizkosten für den streitgegenständlichen Zeitraum zustehen.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die Übernahme der Kosten der Unterkunft (Kaltmiete) gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in der tenorierten Höhe. Nach dieser Norm sind die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen, soweit sie angemessen sind.
Die Rechtsprechung hat den gerichtlich voll überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff der "Angemessenheit" der Aufwendungen für die Unterkunft konkretisiert. Bei der Prüfung der Angemessenheit ist in einem mehrstufigen Verfahren vorzugehen. Nach der in einem ersten Schritt vorzunehmenden Bestimmung der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und des Wohnungsstandards wird in einem zweiten Schritt festgelegt, auf welche konkreten räumlichen Gegebenheiten als räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Anschließend ist hierbei zu untersuchen, wie viel für eine nach Größe und Standard abstrakt als angemessen eingestufte Wohnung auf dem für den Hilfsbedürftigen maßgeblichen Wohnungsmarkt aufzuwenden ist. Dabei ist nicht nur auf die im streitgegenständlichen Zeitraum auf dem Markt tatsächlich angebotenen Wohnungen abzustellen, sondern auch auf vermietete Wohnungen (sog. "Bestandmieten"). Hierbei vertritt die Rechtsprechung die sog. Produkttheorie. Danach müssen nicht beide Faktoren, Wohnungsgröße und der im Quadratmeterpreis ausgedrückte Wohnungsstandard, je für sich betrachtet angemessen sein. Vielmehr ist es ausreichend, dass das Produkt aus Quadratmeterzahl und Quadratmeterpreis eine insgesamt angemessene Wohnungsmiete ergibt (BSG, Urteil v. 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R; Hessisches LSG, Urteil v. 24.09.2008 – L 6 AS 130/07; SG Kassel, Urteil v. 11.03.2009 – Az.: S 7 AS 276/06).
a. Für einen Ein-Personen-Haushalt ist bis zum 31.12.2009 nach Auffassung der Kammer eine Wohnfläche von 45 m² als angemessen zu bewerten (vgl. u.a. LSG NRW, Beschluss vom 17.04.2009 – Az: L 19 B 76/09 AS). Ab dem 01.01.2010 ist eine Wohnfläche von 50 m² angemessen. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist nach Ansicht der Kammer die Angemessenheit der Wohnfläche im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II ab dem 01.01.2010 nicht mehr an Ziff. 5.71 der inzwischen außer Kraft getretenen Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (VV WoBindG) zu messen, sondern an Ziff. 8.2 der mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 erlassenen Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB). Denn diese sind nach den Auslegungsgrundsätzen, die das BSG in ständiger Rechtsprechung für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der angemessenen Wohnfläche im Sinne des § 22 SGB II aufgestellt hat, die maßgeblichen landesrechtlichen Bestimmungen. Das BSG stellt bei der Auslegung auf die Wohnungsgrößen, die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau gelten, ab. Es setzt damit die Auslegung der Angemessenheit durch die bisherige verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 19 m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 01.10.2992 – 5 C 28/89 Rdnr. 14 ) fort. Dabei sollen diejenigen Vorschriften aus dem sozialen Mietwohnungsbau zur Anwendung kommen, die einen Zusammenhang herstellen zwischen der Wohnfläche und der Anzahl der in dieser Wohnung lebenden Personen (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 27/09 R, Rn. 16 zur Ablehnung der Auslegung anhand der WFB, Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 26.01.2006). Diese waren bis zum 31.12.2009 in § 10 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFG, BGBl I 2376) in Verbindung mit den landesrechtlichen Durchführungsbestimmungen zu finden (so schon BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R, Rdnr. 19). Bis zum 31.12.2009 war dies in Nordrhein-Westfalen Ziff. 5.71 VV WoBindG, auf die die Beklagte ihre Berechnung gestützt hat. Darin war für einen Ein-Personen-Haushalt eine Fläche von 45 m² vorgesehen. Das BSG bestärkte diese Auslegungspraxis nochmals – allerdings nur aus Gründen der Praktikabilität – in seinem Urteil vom 19.02.2009 (B 4 AS 30/08 R). Darin kritisiert der entscheidende Senat, dass die vorangegangenen Entscheidungen des BSG nicht näher begründet hätten, warum sie zur Bestimmung der in § 22 Abs. 1 SGB II geforderten Angemessenheit bezüglich der Wohnungsgröße gerade auf § 10 WoFG zurückgegriffen hätten. Es sei nämlich nicht klar, nach welchen Aspekten die Länder Wohnungsgrößen gemäß § 10 WoFG festlegen und welche Zwecke sie damit verfolgten. Damit stünde auch nicht fest, ob der mit der Angemessenheitsprüfung verbundene Zweck im Rahmen des § 22 SGB II mit den Zwecken des WoFG nebst Ausführungsbestimmungen der Länder weitgehend übereinstimmt. Überdies sei es problematisch, dass eine bundesrechtlich einheitlich zu handhabende Regelung des SGB II unterschiedliche landesrechtliche Angemessenheitsgrenzen vorlägen. Trotz dieser Kritik und dieser Bedenken hält das BSG auch weiterhin aus Gründen der Praktikabilität und der Rechtssicherheit an der bisherigen Auslegung fest (BSG, aaO, Rdnr. 15 – 18). Zum 01.01.2010 ist im Zuge der Föderalismusreform mit dem Gesetz zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WFNG-NRW, Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Föderalismusreform im Wohnungswesen vom 08.12.2009) das WoFG in Nordrhein-Westfalen abgelöst worden. Zum Vollzug dieses Gesetzes sind zum gleichen Tag mit dem Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr vom 12.12.2009 Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) in Kraft getreten, die die bisherigen VV WoBindG ersetzen (Nr. 19 Satz 2 WNB). Die WNB legen als Grenze für die Angemessenheit in Ziff. 8.2 WNB für eine alleinstehende Person 50 m², für einen Zwei-Personen Haushalt 65 m² und für jede weitere haushaltsangehörige Person weitere 15 m² fest.
Nach Ansicht der Kammer ist mit dem Inkrafttreten der WNB die zuvor geltende Angemessenheitsgrenze aus den VV WoBindG durch die nunmehr geltenden höheren Flächenzahlen der WNB abgelöst worden (ebenso LSG NRW, Urteil vom 16.05.2011 – Az.: L 19 AS 2202/10; SG Aachen, Urteil vom 17.11.2010 - S 5 AS 910/10 und Urteil vom 11.08.2010 – S 4 AS 577/10, SG Duisburg, Urteil vom 05.11.2010 – S 31 AS 2269/10 und Urteil vom 22.02.2011 – S 17 AS 1907/10). Daher ist der unbestimmte Rechtsbegriff der Angemessenheit im Sinne des § 22 SGB II nunmehr anhand der Wohnflächen der WNB auszulegen. Denn Nr. 8.2 WNB konkretisiert ebenso wie vorher die Nr. 5.71 VV WoBindG die gesetzliche Vorschrift, die die im Wohnberechtigungsschein anzugebende Wohnungsgröße für den Wohnungssuchenden regelt (§ 18 Abs. 2 WFNG NRW bzw. vormals § 27 Abs. 4 WoFG). Da die WNB in Nr. 8.2 die Wohnungsgrößen in Zusammenhang mit den darin lebenden Personen stellen, sind sie nunmehr der oben dargestellten Rechtsprechung des BSG folgend für die Auslegung des § 22 SGB II heranzuziehen (auf die jeweils aktuell gültige landesrechtliche Bestimmung abstellend auch BSG, Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 70/08 R Rdnr. 15 für das Land Sachsen, ebenso auch bereits BVerwG, Urteil vom 01.10.1992 - 5 C 28/89 Rdnr. 14,). Sofern das LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 29.04.2010 (Az.: L 9 AS 58/08) die Auffassung vertreten hat, die bis zum 31.12.2009 geltenden Wohnflächengrößen der VV WoBindG seien auch weiterhin gültiger Auslegungsmaßstab, folgt die Kammer dem nicht. Das LSG hatte über einen vor dem 01.01.2010 liegenden Zeitraum zu entscheiden, so dass seine Feststellungen zu den ab dem 01.01.2010 anzuwendenden Wohnflächen in Form eines obiter dictum ausgesprochen wurden. Das LSG argumentiert in der o.g. Entscheidung, dass der Gesetzgeber beim Erlass des SGB II im Hinblick auf die Angemessenheit der Wohnflächen die damalige Situation vor Augen gehabt und eine Dynamisierung nicht bezweckt habe. Auch aus den Regelungszielen des SGB II (u.a. Grundversorgung der Leistungsberechtigten mit Wohnraum) würden sich keine Anhaltspunkte für eine Dynamisierung ergeben (LSG, aaO, Rdnr. 27). Zwar ist auch die Kammer der Auffassung, dass es sich bei der Angemessenheit der Wohnfläche nicht unbedingt um eine Größe handelt, die häufigen Schwankungen unterliegt und daher dynamisch gehalten werden müsste. Doch da auch für die Erteilung des Wohnberechtigungsscheines die als angemessen anzusetzende Fläche nicht statisch blieb, sieht die Kammer keinen Grund dafür, dass diese Entwicklung dann nicht auch im Rahmen des § 22 SGB II gelten soll. Der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wohnt es inne, dass Veränderungen in der gesellschaftlichen Wirklichkeit im Wege der Auslegung Einzug in die jeweilige Norm halten. Es ist nicht ersichtlich, wieso im Rahmen des SGB II die Wohnfläche statisch sein soll, während sie dies im Rahmen des Wohnberechtigungsscheines nach dem Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers nicht ist. Überdies ist angesichts der ausgesprochen knappen Regelung zur Höhe der Unterkunftskosten in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II und der ausdrücklichen Aufnahme einer Satzungsermächtigung zur näheren Ausgestaltung dieser Frage in § 27 SGB II nach Ansicht der Kammer davon auszugehen, dass der Gesetzgeber beim Erlass des SGB II gerade keinen statischen Wert festlegen wollte bzw. sich zumindest nicht näher mit dieser Frage auseinandergesetzt hat (so auch SG Aachen, Urteil vom 17.11.2010 – S 5 AS 910/10, SG Aachen, Urteil vom 11.08.2010 – S 4 AS 577/10, SG Duisburg, Urteil vom 05.11.2010 – S 31 AS 2269/10 und Urteil vom 22.02.2011 – S 17 AS 1907/10). Zum anderen erscheint der Kammer die Anwendung einer gemäß Nr. 19 Satz 2 WNB ausdrücklich außer Kraft gesetzten Vorschrift statt der diese ersetzende Vorschrift bedenklich. Letztlich erscheint eine einheitliche Bestimmung der angemessenen Quadratmeterfläche unter Bezugnahme auf eine (gültige) gesetzliche Vorschrift im Sinne der Rechtssicherheit angebracht.
b. Neben der Größe ist als weiterer Faktor für die Angemessenheit der Mietunterkunft der Wohnungsstandard zu berücksichtigen. Als räumlicher Vergleichsmaßstab ist in erster Linie der Wohnort des Hilfebedürftigen maßgebend (BSG, Urt. v. 07.11.2006, Az. B 7b AS 10/06 R; Urt. v. 19.02.2009, Az. B 4 AS 30/08 R). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Umzug an einen anderen Wohnort, der mit der Aufgabe des sozialen Umfeldes verbunden wäre, nicht verlangt werden kann, sich der Vergleichsmaßstab aber auch nicht streng am kommunalverfassungsrechtlichen Begriff der "Gemeinde" auszurichten hat. Danach ist als maßgeblicher räumlicher Vergleichsmaßstab, innerhalb dessen zu ermitteln ist, welche Aufwendungen für eine Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, das gesamte Stadtgebiet der Stadt Viersen anzusehen. Bei dem insoweit maßgeblichen Vergleichsraum muss es sich um einen ausreichend großen Raum der Wohnbebauung handeln, der auf Grund seiner räumlichen Nähe, seiner Infrastruktur und insbesondere seiner verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich darstellt (BSG a.a.O.) Dies ist für den Bereich des Stadtgebietes von Viersen zu bejahen. Dabei ist davon auszugehen, dass in der Regel das Gebiet einer städtischen Kommune in deren kommunalverfassungsrechtlichen Grenzen den räumlichen Vergleichsmaßstab für die Ermittlung des angemessenen Quadratmeterpreises bildet. Eine andere Betrachtungsweise würde vor allem auch das Risiko der Bildung von sozialen Brennpunkten erhöhen. Eine solche durch eine mittelbare Steuerungswirkung des SGB II Leistungsbezuges hervorgerufene "Ghettoisierung" ist aber zu vermeiden (BSG a.a.O.).
Die Grundsicherungsträger müssen in diesem Zusammenhang die konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt ermitteln und berücksichtigen. Als Erkenntnismittel kommen in Betracht: Örtliche Mietspiegel, Mietdatenbanken, Wohnungsmarktanzeigen in der örtlichen Presse oder im Internet; Anfragen bei Maklern, Wohnungsbaugesellschaften, Mietervereinen etc. Entscheidend ist hierbei nicht das Vorliegen eines qualifizierten oder einfachen Mietspiegels. Die vom Grundsicherungsträger gewählte Datengrundlage muss vielmehr auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das die Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des Wohnungsmarktes wiederzugeben. Liegen keine entsprechenden Mietspiegel beziehungsweise Mietdatenbanken im Sinne der §§ 558c ff. BGB vor, können die Grundsicherungsträger für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich eigene Mietspiegel oder Tabellen erstellen. Die vom Grundsicherungsträger hierbei gewählte Datengrundlage muss aber – wie schon ausgeführt wurde – auf einem schlüssigen Konzept beruhen, das eine hinreichende Gewähr dafür bietet, die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Wohnungsmarktes wiederzugeben. Ferner müssen die Faktoren, die das Produkt "Mietpreis" bestimmen, in die Auswertung eingeflossen sein. Es muss hierbei insbesondere sichergestellt sein, dass bestimmte Wohnungen, die das Bild von der Höhe der angemessenen Kosten der Unterkunft verzerren (vgl. BSG, Urteil v. 22.09.2009, Az.: B 4 AS 18/09 R) im Rahmen des schlüssigen Konzeptes nicht berücksichtigt wurden. Einer der Faktoren, der für die angemessenen Kosten der Unterkunft bestimmend ist, ist der sog. Wohnungsstandard. Den Standard bestimmen u.a. Kriterien wie die Lage, Infrastruktur, das Wohnungsumfeld, die Verkehrsanbindung, die Umweltbelastung und die Ausstattung der Wohnung wie die Zahl und Größe der einzelnen Räume, deren Belichtung, Belüftung, sanitäre Ausstattung und die Art der Heizung (vgl. Knickrehm / Voelzke / Spellbrink, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, Stuttgart 2009, S.16). Diese Auflistung dürfte weder abschließend sein noch dürfte es für ein schlüssiges Konzept zwingend erforderlich sein, dass sämtliche aufgeführten Kriterien von den Leistungsträgern im Rahmen ihres schlüssigen Konzeptes Berücksichtigung finden. Ein schlüssiges Konzept setzt aber jedenfalls ein "planmäßiges Vorgehen" der Grundsicherungsträger im Sinne einer systematischen Ermittlung und Bewertung der relevanten Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsmaßstab voraus (BSG, Urteil v. 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09; Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 27/09). Daran fehlt es nach Auffassung der Kammer vorliegend.
Der Beklagte legt einen "angemessenen" Quadratmeterpreis i.H.v. 4,39 EUR bis Dezember 2008 und i.H.v. 4,80 EUR ab Januar 2009 zugrunde. Dieser Preis wurde ausweislich des Vortrags des Beklagten vor vielen Jahren – insbesondere bevor das BSG seine Rechtsprechung zum Erfordernis eines schlüssigen Konzepts formuliert hat – festgelegt. Wie und auf welchen Daten basierend dieser Wert damals ermittelt worden ist, ist offen geblieben. Insbesondere konnte der Vortrag des Beklagten im Schriftsatz v. 21.01.2011 nicht überzeugen, wonach der angemessene Quadratmeterpreis auf der Grundlage der örtlichen Mietspiegel der Stadt H (Mittelwert) entwickelt worden ist. Insoweit lässt sich - zumindest für den Zeitraum der Gültigkeit des Mietspiegels bis Ende 2008 - nicht nachvollziehen, wie der Beklagte den Wert von 4,39 errechnet hat. Dieser entspricht unstreitig nicht dem "Mittelwert" aller Mietpreiskategorien bzw. Mietstufen([hier:4,30 EUR). Die Vertreterin des Beklagten konnte hierzu in der mündlichen Verhandlung auch keine weiteren Auskünfte geben.
Ein solches Vorgehen stellt nach Auffassung der Kammer kein schlüssiges Konzept dar.
Zum Einen kann der Beklagte - wie oben beschrieben - die Entstehung der "angemessenen" Quadratmeterpreise nicht nachvollziehbar erläutern, womit ein "planmäßiges Vorgehen" bereits im Ansatz nicht erkennbar ist. Zum anderen handelt es sich bei den in Bezug genommenen Mietspiegeln um keine ausreichende Tatsachengrundlage i.S.d. Rechtsprechung des BSG. Dies beruht bereits auf der Tatsache, dass es sich bei den Mietspiegeln der Stadt H nicht um sogenannte "qualifizierte" Mietspiegel i.S.v. § 558 d BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) handelt. Die Mietspiegel sind demzufolge nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erarbeitet worden. womit die Tatsachengrundlage, auf welcher die Mietspiegel basieren, für das Gericht nicht erkennbar und auch nicht aufzuklären ist. Insbesondere ist den Mietspiegeln nicht zu entnehmen, ob sie auf einem belastbaren und aussagekräftigen Datenmaterial (Berücksichtigung von Bestandswohnungen; Umfang (Quantität) der Erhebungen: Art (Qualität) der Erhebungen) beruhen. Allein die aus der "Präambel" des Mietspiegels ("1. Allgemeines") zu entnehmende Beschränkung der Auswertung des Wohnungsmarktes auf "Mehrfamilienhäuser" schließt einen Großteil von verfügbaren Wohnungen in Einfamilienhäusern (Dachboden/Keller) sachgrundlos aus. Die Kammer muss mithin davon ausgehen, dass bei der Erstellung der Mietspiegel Schätzungen zugrunde lagen, welche sich lediglich aus der Beobachtung des damaligen Wohnungsmarktes ergaben.
Letztlich ist der Umfang des einbezogenen Datenmaterials nach Auffassung der Kammer nicht repräsentativ und die Datenerhebung insgesamt nicht valide.
c. Ist der Leistungsträger nicht in der Lage, ein schlüssiges Konzept zu präsentieren, sind nach der Rechtsprechung des BSG die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren. Es existiert jedoch auch dann eine absolute Obergrenze der Angemessenheit, die durch die einschlägigen Tabellenwerte nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) markiert wird. Jedoch ist nach Auffassung der Kammer in Anlehnung an die zutreffende Rechtsprechung des BSG "nicht von vornherein und pauschal auf die Werte der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz zurückzugreifen” (bzw. ab dem 01.01.2009 § 12 WoGG), vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, Terminbericht Nr. 58/06). Die im konkreten Fall als angemessen anzusehenden Kosten von Unterkunft und Heizung sind vielmehr, soweit möglich, anhand eines nach den örtlichen Verhältnissen zu bestimmenden Quadratmeterpreises zu ermitteln. Die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises erfolgt vorliegend unter Zuhilfenahme des einfachen Mietspiegels der Gemeinde H, wobei auf einen Wohnungsstandard im unteren Marktsegment abzustellen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2005, L 19 B 28/05 AS ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 24.04,2006, L 9 AS 39/06 ER und jetzt auch BSG, a.a.O.; vgl. weiter zur Bestimmung der angemessenen KdU, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2005, L 19 B 21/05 AS ER; vgl. zur grundsätzlichen Problematik der Bildung eines arithemtischen Mittelwerts BSG v 19.10.10 – B 14 AS 50/10 R). Davon ausgehend ermittelt die Kammer den angemessenen Quadratmeterpreis, indem auf den Mindestquadratmeterpreis für eine Wohnung mittlerer Ausstattung in mittlerer Wohnlage 30% der Preisspanne zum höchsten Quadratmeterpreis aufgeschlagen werden (vgl. auch LSG NRW, Urteil vom 09.01.2008 – L 12 AS 77/06; SG Aachen, Urteil vom 25.09.2006 – S 23 (15) AS 145/05).
Dabei legt die Kammer die Wohnungen mit dem Standard "mit Heizung, Bad/WC” in der Wohnungsaltersklasse 1970-1976 (unterer Wert) als mittleren Standard und mittlere Ausstattung zugrunde (vgl. Bl. 79, 138 d. GA; zur Berechnung vertiefend auch den gerichtlichen Hinweis vom 08.12.2010, welcher sich allerdings fälschlicherweise auf die Mietspiegel der Stadt Viersen bezog) und ermittelt nach dem obigen Rechnungsweg einen angemessenen Quadratmeterpreis i.H.v. 4,81 EUR für den Zeitraum bis Dezember 2008 und i.H.v. 4,86 EUR für den Zeitraum ab Januar 2009.
In dieser Höhe – zuzüglich der Heiz- und Nebenkosten – sind die Kosten der Unterkunft und Heizung unter Beachtung der jeweils angemessenen Wohnfläche (vgl. unter a.) gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II angemessen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Die Berufung wird vorliegend gemäß § 144 Nr. 1, 2 SGG zugelassen, da es – hinsichtlich der angemessenen Wohnungsgröße – von einer Entscheidung des Landessozialgerichts NRW abweicht und die Sache aufgrund der Vielzahl von Betroffenen grundsätzliche Bedeutung für das Stadtgebiet der Gemeinde Viersen/Grefrath hat.
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