L 2 AS 702/11 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
2
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 3169/11 R
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AS 702/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wird jegliche Verwertungsbemühung eines selbstgenutzten großen Hausgrundstücks duch die Vermögensinhaber verweigert, scheidet eine darlehensweise Leistungsgewährung nach § 24 Abs. 5 SGB 2
aus.

Verweigert ein Antragsteller bei vorhandenem nicht sofort verwertbarem Vermögen jegliche
Verwertungsbemühungen und stimmt einer dinglichen Sicherung durch Eintragung einer Grundschuld im
Grundbuch nicht zu, scheidet die darlehensweise Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach § 24 Abs.
5 SGB II aus.
I. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 01.08.2011 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vorläufig in der Zeit ab dem 07.07.2011.

Der 1951 geborene Antragsteller (Ast.) zu 1) und die mit ihm verheiratete 1949 geborene Ast. zu 2) standen seit 2005 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Die Ast. bewohnen eine Wohnung im zweiten Obergeschoss, welche aus Küche, Schlafzimmer, Bad, Kinderzimmer, Wohnzimmer, Flur besteht und ca. 75 m² groß ist. Die Wohnung im ersten Obergeschoss wird von der Mutter der Ast. zu 2) unentgeltlich bewohnt.

Eigentümer des Grundstücks in R , D St ..., Flurstück 66 und 82/2 ist der Ast. zu 1). Das Grundstück ist mit einem vor 1900 gebauten Wohn- und Geschäftshaus bebaut. Das Wohn- und Geschäftshaus verfügt über eine Wohn- und Nutzfläche von insgesamt knapp 280 m², die gewerbliche Nutzfläche im Erdgeschoss beträgt ca. 68 m², die Wohnfläche im ersten und zweiten Obergeschoss beträgt ca. 148 m². Hinzu kommen 27 m² nicht vermietbare Nebenflächen sowie ca. 35 m² im Hinterhaus (Büro) (vgl. zum Ganzen: Verkehrswertgutachten Nr. 59/2010 vom 20.10.2010 des Gutachterausschusses für die Ermittlungen von Grundstückswerten im Landkreis Mittelsachsen, Bl. 577 ff. VA). Der Gutachterausschuss ermittelte für das Grundstück des Ast. zu 1) zum Bewertungsstichtag 31.08.2004 einen Verkehrswert in Höhe von 64.000,00 EUR. Das Gutachten war veranlasst worden im Rahmen eines Rechtsstreits vor dem Sozialgericht Leipzig (SG), in welchem es um höhere Leistungen nach dem SGB II ging.

Nach den von den Ast. vorgelegten Kontoauszügen der finanzierenden Bank, war das Haus im Zeitpunkt der Antragstellung zum 01.07.2011 noch mit einer Schuld in der Größenordnung von ca. 36.500 EUR belastet.

Nachdem der Antragsgegner (Ag.) den Ast. zuletzt mit Bewilligungsänderungsbescheid vom 29.03.2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit von Januar bis März 2011 in Höhe von monatlich 1.107,37 EUR als Zuschuss bewilligt hatte, gewährte der Ag. den Ast. mit Bewilligungsbescheid vom 29.03.2011 Leistungen für den Zeitraum ab dem 01.04.2011 (nur noch) als Darlehen.

Der Bewilligungszeitraum im Bescheid vom 29.03.2011 war auf die Zeit vom 01.04.2011 bis zum 30.06.2011 befristet. Im Bescheid vom 29.03.2011 wies der Ag. die Ast. darauf hin, dass das Hausgrundstück D St Vermögen nach § 12 Abs. 1 SGB II darstelle. Es falle nicht unter die Ausnahmeregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, weil danach nur Hausgrundstücke "angemessener Größe" Schonvermögen seien. Laut der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der Landessozialgerichte sei die Größe nur dann noch angemessen, wenn die Wohnfläche nicht mehr als 90 m² für zwei Personen bzw. 110 m² für drei Personen betrage. Laut dem Gutachten 59/2010 betrage die Wohnfläche jedoch fast 280 m². Anhaltspunkte für das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II seien nicht ersichtlich. Der Verkehrswert der Immobilie liege laut dem vom SG eingeholten Gutachten deutlich über der Summe der Höchstfreibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II. Laut Gutachten sei eine Vermietbarkeit der Wohn- bzw. Gewerbeflächen grundsätzlich gegeben. Seitens des Gerichts sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass nach der Rechtsprechung des Sächsischen Landessozialgerichts ein Anspruch auf Darlehen nur bestehe, wenn erste Schritte zu einer Verwertung der Immobilie vollzogen würden. Der Ag. forderte die Ast. daher nochmals auf, Bemühungen nachzuweisen, die auf eine Verwertung/Vermietung des Grundstücks zielten. Diese bedeute insbesondere auch die Geltendmachung einer Miete für die der Frau B (Mutter der Ast. zu 2) unentgeltlich überlassenen Räume. Des Weiteren wurde der Ast. zu 1) als Eigentümer des Grundstücks D St aufgefordert, der Eintragung einer Grundschuld in Höhe des monatlich jeweils gewährten Darlehens im Grundbuch gem. § 23 Abs. 5 S. 2 SGB II zuzustimmen.

Am 06.04.2011 legten die Ast. Widerspruch gegen den Bescheid vom 29.03.2011 ein, mit welchem ihnen die Leistungen nur noch darlehensweise gewährt wurden.

Mit Schreiben vom 26.04.2011 teilte der Prozessbevollmächtigte der Ast. mit, dass die Ast. keine Zustimmung zur Eintragung einer Grundschuld geben würden.

Mit weiterem Schreiben vom 29.04.2011 forderte der Ag. den Ast. zu 1) erneut auf, der Eintragung einer Grundschuld in Höhe des monatlich gewährten Darlehens im Grundbuch zuzustimmen. Mit Schreiben vom 18.05.2011 teilte der Prozessbevollmächtigte der Ast. mit, dass es nicht zu einer Veräußerung des Grundstücks sowie der Immobilie gekommen sei, da die Käufer die Schulden mit übernehmen hätten sollen, wozu sie nicht bereit und in der Lage waren.

Mit Schreiben vom 18.05.2011 forderte der Ag. die Ast. nochmals auf, der Eintragung einer Grundschuld im Grundbuch zur Sicherung der darlehensweise gewährten Leistungen des Ag. zuzustimmen. Des Weiteren müssten Bemühungen über die Verwertung des Grundstücks bzw. über die Erzielung von Mieteinnahmen nachgewiesen werden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.05.2011 wies der Ag. den Widerspruch der Ast. als unbegründet zurück. Die Ast. verfügten über Vermögen in Höhe von 64,000,00 EUR, welches nach Abzug der Freibeträge in Höhe von 19.650,00 EUR nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II immer noch 44.350,00 EUR betrage. Selbst eine Bankschuld in Höhe von 36.000,00 EUR würde immer noch zu einem entsprechenden Vermögen führen. Daher seien die Leistungen nur als Darlehen gemäß § 23 Abs. 5 SGB II zu erbringen.

Gegen diesen Bescheid haben die Ast. beim SG Klage unter dem Aktenzeichen S 3 AS 2535/11 erhoben.

Den Folgeantrag der Ast. vom 25.05.2011 auf weitere Leistungen zur Grundsicherung ab dem 01.07.2011 wies der Ag. mit Bescheid vom 30.06.2011 ab, da die Ast. aufgrund von Vermögen nicht hilfebedürftig seien. Sie seien mit Schreiben vom 18.05.2011 und 14.06.2011 aufgefordert worden, Bemühungen über die Verwertung ihres Grundstücks, Erzeilung von Mieteinnahmen nachzuweisen bzw. der Eintragung einer Grundschuld in Höhe des monatlich gewährten Darlehens zuzustimmen. Diesen Aufforderungen seien sie nicht nachgekommen. Die Höhe des Vermögens ergebe sich aus dem Verkehrswertgutachten vom 28.10.2010.

Am 07.07.2011 haben die Ast. beim SG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.

Mit Beschluss vom 01.08.2011 hat das SG den Ag. verpflichtet, den Ast. vorläufig ab dem 07.07.2011 Alg II in Höhe von monatlich 1.107,37 EUR als Zuschuss zu gewähren und wieder, wie zuletzt im März 2011 erfolgt, Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten. Zwar verfügten die Ast. über Vermögen in Form des Hausgrundstücks des Ast. zu 1), jedoch verfügten sie nicht über aktuell verwertbares Vermögen. Den Ast. sei innerhalb einer Zeitspanne von sechs Monaten eine Verwertung unmöglich. Ab Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz seien daher den Ast. vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren gewesen.

Hiergegen hat der Ag. am 08.08.2011 beim Sächsischen Landessozialgericht Beschwerde eingelegt.

Der Ag. beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 01.08.2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.

Die Ast. beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie begehren weiterhin Leistungen zur Grundsicherung als Zuschuss.

Ein mit den Beteiligten am 17.11.2011 geschlossener widerruflicher Vergleich ist am 08.12.2011 vom Prozessbevollmächtigten der Ast. widerrufen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen sowie die Leistungsakte des Ag. verwiesen.

II.

Auf die Beschwerde des Ag. ist der Beschluss des SG vom 01.08.2011 aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.

Die Ast. haben keinen Anspruch auf vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, auch nicht als Darlehen, weil sie jegliche Bemühungen zur Veräußerung des Grundstücks verweigern und der Eintragung einer Grundschuld in das Grundbuch nicht zustimmen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86 b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn die Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dazu ist gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sowohl der durch die Anordnung zu sichernde, im Hauptsacheverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die Anordnung ergehen und dieser Anspruch vorläufig bis zur Entscheidung der Hauptsache gesichert werden soll (Anordnungsgrund), glaubhaft zu machen. Gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG ist § 929 ZPO entsprechend anzuwenden.

Gemessen an diesen Vorgaben ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund gegeben.

1. Soweit vorläufige Leistungen zur Deckung des laufenden Bedarfs der Ast. begehrt werden, ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft dargetan. Die Ast. sind nicht hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 und 2 SGB II da sie über Vermögen verfügen und jegliche Mitwirkung zur Veräußerung des Hausgrundstücks verweigern und auch die dingliche Sicherung des Ag. durch Zustimmung zur Eintragung einer Grundschuld ablehnen.

Leistungen nach dem SGB II erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (Nr. 1), die erwerbsfähig (Nr. 2) und hilfebedürftig (Nr. 3) sind, und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4).

Hilfebedürftig im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 9 Abs. 1 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, u.a. aus dem zu berücksichtigenden Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen und Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Nach § 12 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen; dazu können bewegliche Sachen ebenso gehören wie Immobilien und Forderungen.

Der Ast. zu 1) und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebende Ast. zu 2) sind wegen des Vermögens des Ast. zu 1) nicht nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 SGB II bedürftig. Denn sie können ihren Lebensunterhalt im streitigen Zeitraum aus ihrem zu berücksichtigenden Vermögen sicherstellen. Das Hausgrundstück der Ast. zu 1) und 2) stellt Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II dar. Als selbstgenutztes Hausgrundstück ist es kein nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II privilegiertes Vermögen, da bei einer Gesamtgröße von ca. 279 m² die "angemessene Größe" im Sinne dieser Vorschrift überschritten wird.

Der Grenzwert eines gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II noch geschützten selbst genutzten Hausgrundstücks liegt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 07.11.2006 – 7b AS 2/05 R –, vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R – und vom 19.09.20078 – B 14 AS 54/07 R –) bei 80 m² und damit unter der Gesamtwohnfläche des Hauses des Ast. zu 1).

Bei dieser Berechnung ist auch die unvermietete Geschäftsfläche im Erdgeschoss sowie die von der Mutter der Ast. zu 2) genutzte Wohnung im ersten Obergeschoss, für die die Ast. keine Miete erheben, mit einzubeziehen. Die Obliegenheit zur Verwertung bezieht sich auf das gesamte mit 279 m² unangemessen große Hausgrundstück und nicht lediglich die von den Ast. bewohnte Wohnung.

Das Hausgrundstück bleibt auch nicht gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II als Schonvermögen unberücksichtigt. Danach sind als Vermögen nicht zu berücksichtigende Sachen und Rechte, soweit ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist oder für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde.

Bei dem Hausgrundstück handelt es sich um einen verwertbaren Vermögensgegenstand (§ 12 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Der Begriff der Verwertbarkeit ist rein wirtschaftlicher Natur und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen. Anhaltspunkte für rechtliche Verwertungshindernisse bestehen hier nicht. Anhaltspunkte für tatsächliche Hindernisse bestehen nach dem Kenntnisstand des Senats nicht. Entsprechender Vortrag der Ast. liegt nicht vor. Sofern die Ast. pauschal behaupten, das Grundstück ließe sich nicht verkaufen, ist dieser Vortrag für den Senat nicht glaubhaft dargetan.

Auch ist für den Senat eine "offensichtlich unwirtschaftliche" Verwertung des gesamten Hausgrundstücks nicht erkennbar. Von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ist dann auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum "wirklichen Wert" steht (vgl. BSG, Urteil vom 17.10.1990 – 11 RaR 133/88 –, DBIR 3785a, § 137 AFG; BSG, Urteil vom 24.04.2002 – B 11 AL 69/01 R –, DBIR 4750a, AFG/137). Umgekehrt ist offensichtlich die Unwirtschaftlichkeit der Vermögensverwertung nicht gegeben, wenn das Ergebnis der Verwertung vom wirklichen Wert nur geringfügig abweicht (Mecke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 12 Rdnr. 84; Hessisches LSG, 10.08.2006, L 7 AS 50/06 ER; zur ALHI BSG, SozR 3-4100 § 137 Nr. 7). Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit der Verwertung ist auf das ökonomische Kalkül eines rational handelnden Marktteilnehmers abzustellen (zum Recht der ALHI vgl. Spellbrink, Kassler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts 2003, § 13 Rdnr. 208). Dem Merkmal "offensichtlich" kommt dabei nicht die Funktion zu, die notwendige Sachverhaltsaufklärung zu beschränken; es kann also nicht so verstanden werden, dass offensichtlich nur ein Missverhältnis ist, das offen zu Tage tritt. Vielmehr ist die Frage der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit nur unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Einzelfalls zu beantworten (BSG, Urteil vom 17.10.1990, 11 RaR 133/88). Es ist mithin zu ermitteln, welchen Verkehrswert der Vermögensgegenstand gegenwärtig auf dem Markt hat. Dieser gegenwärtige Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüberzustellen (BSG, Urteil vom 27.01.2009 – B 14 AS 42/07 R – Rdnr. 37).

Dem Senat liegt das Gutachten des Gutachterausschusses für die Ermittlung von Grundstückswerten im Landkreis Mittelsachsen vom 20.10.2010 vor. Der Verkehrswert im Zeitpunkt 31.08.2004 hat demnach 64.000,00 EUR betragen. Der im Verkehrswertgutachten ermittelte Sachwert hat rund 68.000,00 EUR betragen, so dass bei einer Abweichung von ca. 4.000,00 EUR hier nicht von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung gesprochen werden kann. Nach der Rechtsprechung des 6. Senats des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 01.06.2010, L 6 AS 15/09, Rdnr. 39, die auch der erkennende Senat für überzeugend hält und der er sich anschließt, sind Abschläge von 10 bis 15 % im Verkehrswert bei hier mit einhergehender Unterschreitung der Erstellungskosten von ca. 28 bis 31 % bei einem Vermarktungszeitraum von 6 bis 9 bzw. 12 Monaten nicht (mehr) unwirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II. Dass das Hausgrundstück der Antragsteller als solches nicht verwertbar ist bzw. nur unter solchen Verlusten, die die Schwelle zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit in dem soeben oben dargestellten Umfang überschreitet, haben die Ast. nicht vorgetragen. Auch ergeben sich hierfür nach dem gesamten Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte.

Dass die Verwertung für die Ast. eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II bedeuten würde, ist ebenfalls nicht glaubhaft vorgetragen. Wann von einer besonderen Härte auszugehen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, wobei maßgebend nur außergewöhnliche Umstände sein können, die nicht durch die ausdrücklichen Fragestellungen über das Schonvermögen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 SGB II, § 4 Abs. 1 Alg II-V) und die Absetzungsbeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II erfasst werden (vgl. Mücke, in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 12 Rdnr. 87 f.; Geiger, in: LPK-SGB II, 4. Aufl., § 12 Rdnr. 63 f.). Die Prüfung des Vorliegens einer besonderen Härte ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen (BSG, Urteil vom 16.05.2007, – B 11b AS 37/05 R –, Rdnr. 31).

Für die Anwendung müssen außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers (BT-Drucksache 15/1749, Seite 32) kann nicht allein der Verlust der Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt, sondern nur beides zusammen mit der Versorgungslücke eine besondere Härte darstellen. Es sind also nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen regelmäßig nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen. Für den Senat ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass hier solche außergewöhnlichen Umstände vorliegen sollen, die eine derartige besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 2. Alternative SGB II bedeuten würden.

Selbst unter Berücksichtigung der noch im Antragszeitpunkt vorhandenen Restschuld in Höhe von ca. 36.500 EUR bzw. Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung von ca. 34.700 EUR gegenüber der Alten Leipziger Bauspar Aktiengesellschaft überschreitet das Vermögen der Ast. die ihnen nach § 12 SGB II zustehenden Freibeträge immer noch erheblich. Auch die im Grundbuch eingetragene höhere Schuld vermag hieran nichts zu ändern. Denn schließlich steht den Ast. aus dem Darlehensvertrag die Sicherungseinrede zu.

Soweit der Ag. mit Bescheid vom 30.06.2011 den Ast. Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II ab dem 01.07.2011 auch darlehensweise versagt hat, weil diese der Forderung des Ag. nach Bestellung einer Grundschuld nicht nachgekommen sind, ist dies rechtmäßig und rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 24 Abs. 5 Satz 1 SGB II in der Neufassung des 2. Buches Sozialgesetzbuch vom 23.05.2011 (BGBl. I, Nr. 23, Seite 850 bis 891, bis dahin § 23 Abs. 5 SGB II) sind Leistungen als Darlehen zu erbringen, soweit Hilfebedürftigen der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung von zu berücksichtigendem Vermögen nicht möglich ist oder für sie eine besondere Härte bedeuten würde. Nach § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB II können die Leistungen davon abhängig gemacht werden, dass der Anspruch auf Rückzahlung dinglich oder in anderer Weise gesichert wird. Vorliegend hatte der Ag. den Ast. ab dem 01.04.2011 die Leistungen nur noch darlehensweise im Sinne des § 24 Abs. 5 Satz 1 SGB II bewilligt und die Ast. im Bescheid vom 29.03.2011 sowie mit Schreiben vom 29.04.2011 und vom 18.05.2011 aufgefordert, einer dinglichen Sicherung in Form einer Grundschuldeintragung im Grundbuch zuzustimmen zur Sicherung der darlehensweisen Gewährung der Leistungen nach dem SGB II. Mit der seit dem 01.04.2006 geltenden Vorschrift des § 24 Abs. 5 Satz 2 SGB II (bis Mai 2011 § 23 Abs. 5 Satz 2 SGB II) hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, die Rückführung von darlehensweise gewährten Leistungen zu sichern, wenn die vorhandenen Vermögensgegenstände nicht kurzfristig oder nur mit Schwierigkeiten verwertet werden können. Eine darlehensweise Gewährung der Leistungen durch den Ag. scheidet für die Zeit ab Antragstellung durch die Ast. jedoch aus, da sie sich jeglichen Verwertungsbemühungen versperrt haben und keinerlei Versuche unternehmen, das Hausgrundstück zu verkaufen oder aber zumindest ernsthafte Bemühungen zu unternehmen, um zumindest die Geschäftseinheit zu vermieten und die von der Schwiegermutter des Ast. zu 1) im ersten Obergeschoss bewohnte Wohnung gegen einen ortsüblichen Mietzins zu vermieten. Die pauschalen Behauptungen der Ast., bei dem Objekt ließe sich nichts vermieten, überzeugen den Senat nicht. Vielmehr ist im Verkehrswertgutachten von Oktober 2010 ausdrücklich aufgeführt, dass grundsätzlich von einer Vermietbarkeit der Wohn- bzw. Gewerbeflächen auszugehen sei. Lediglich im Rahmen der Betriebskostenabrechnung wären (zum Wertermittlungsstichtag nicht vorhandene) Wärmemengenzähler an den Heizkörpern anzuschaffen. Für das Ladengeschäft im Erdgeschoss wird hierbei von einer monatlichen Nettokaltmiete in Höhe von 374,94 EUR, für die Wohnung im ersten Obergeschoss von einer Nettokaltmiete von 294,04 EUR ausgegangen.

In Anlehnung an die Rechtsprechung des 7. Senats des Sächsischen Landessozialgerichts (Beschluss vom 06.09.2010, – L 7 AS 777/09 B ER –, Rdnr. 23; des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 20.08.2009, – L 7 AS 852/09 B ER –, Rdnr. 6; des Landessozialgericht Sachsen-Anhalt im Beschluss vom 25.05.2009, – L 5 AS 56/09 B ER –; sowie des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.03.2011, – L 7 AS 25/11 B ER –, Rdnr. 3), der sich der erkennende Senat nach eigener Prüfung anschließt, kommt eine darlehensweise Leistungsgewährung gemäß § 23 Abs. 5 Satz 1 SGB II in Verbindung mit einer dinglichen Sicherung erst dann in Betracht, wenn der Vermögensinhaber irgendwie zum Ausdruck bringt, dass er bereit ist, an einer Vermögensverwertung mitzuwirken bzw. nicht zu Lasten der Steuerzahler die Verwertung seines eigenen Vermögens ausschließt, jedoch unbedingt Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen möchte. Dies ist Ausfluss des in § 2 SGB II verankerten Gedanken des Nachrangprinzips, das die Hilfebedürftigen verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen.

Nach alledem hat der Senat keine Möglichkeit gesehen, den Ast., die sich im Erörterungstermin und durch den Widerruf des Vergleichs jeder Art von Mitwirkung im Hinblick auf eine darlehensweise Gewährung durch den Ag. versperrt haben, weiterhin Leistungen nach dem SGB II im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zuzusprechen.

2. Auch ein Anordnungsgrund ist nicht gegeben, nachdem bereits die Voraussetzungen eines Anordnungsanspruchs vorliegend nicht gegeben sind. Weitere Ausführungen zur Dringlichkeit des Antrags sind daher entbehrlich.

Die Beschwerde hatte daher Erfolg und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Schmidt Czarnecki Dr. Scholz
Rechtskraft
Aus
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