Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 1379/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3580/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Pflegegeld - Anrechnung Ehegatteneinkommen - zumutbares Einkommen über Einkommensgrenze
Bei der Bestimmung des zumutbaren Einkommens über der Einkommensgrenze nach § 87 Abs. 1 SGB XII sind bei schwerstpflegebedürftigen oder blinden Menschen neben dem Mindestbetrag nach § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII weitere Freilassungen für Umstände zu berücksichtigen, die nicht typisierend von der Art oder Schwere der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit dieses Personenkreises umfasst sind.
Bei der Bestimmung des zumutbaren Einkommens über der Einkommensgrenze nach § 87 Abs. 1 SGB XII sind bei schwerstpflegebedürftigen oder blinden Menschen neben dem Mindestbetrag nach § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII weitere Freilassungen für Umstände zu berücksichtigen, die nicht typisierend von der Art oder Schwere der Behinderung oder Pflegebedürftigkeit dieses Personenkreises umfasst sind.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. August 2011 und der Bescheid des Beklagten vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 abgeändert und der Beklagte verurteilt, der Klägerin vom 1. Januar 2010 bis 30. September 2010 um EUR 64,71, vom 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010 um EUR 212,71 sowie vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 um EUR 214,31 monatlich höheres Pflegegeld zu gewähren.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Pflegegeldes nach § 64 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2011 streitig, insbesondere die Anrechnung des Ehegatteneinkommens.
Die 1958 geborene, schwerbehinderte Klägerin ist aufgrund einer Querschnittslähmung dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen; auch die oberen Extremitäten sind teilweise gelähmt, die Greiffunktionen stark eingeschränkt. Seitens der Pflegekasse ist sie als Schwerstpflegebedürftige i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch ((SGB XI); Pflegestufe III) anerkannt und erhält entsprechende Sachleistungen. Ein Pflegegeld nach § 37 SGB XI bezieht sie nicht. Bereits vor Einführung der sozialen Pflegeversicherung hatte sie ein Pflegegeld nach den bis 31. März 1995 geltenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) - gekürzt wegen des Bezuges weiterer Leistungen - bezogen. Ihr 1957 geborener Ehemann (im Folgenden JS) leidet an einer spastischen Halbseitenlähmung mit starker Gehbehinderung (Pflegestufe I nach § 15 SGB XI). Das Ehepaar wohnt gemeinsam mit ihrem 1987 geborenen, studierenden Sohn in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Die 1989 geborene Tochter hat nach Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres zum 1. Oktober 2010 die elterliche Wohnung verlassen, um auswärts ein Studium aufzunehmen. Die Kosten der Unterkunft belaufen sich monatlich auf EUR 288,62.
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. EUR 979,88 sowie eine VBL-Rente i.H.v. EUR 258,79 (jeweils monatlicher Auszahlungsbetrag). Das monatliche Einkommen des JS aus einer Teilzeittätigkeit als Jugendgerichtshelfer belief sich nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auf EUR 1.608.- netto. Das Kindergeld i.H.v. EUR 184.- monatlich je Kind wurde an ihn ausgezahlt; eine Weiterleitung an die Kinder erfolgte nicht. Auf einen staatlich geförderten Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Rente) zahlte er monatlich EUR 35,95, als Gewerkschaftsbeitrag monatlich EUR 19,09. Den Weg zur 25 km entfernten Arbeitsstelle legt er mit einem Kfz zurück; die Haftpflichtversicherung für dieses belief sich auf EUR 16,73 monatlich. Die Kinder hatten von ihrer Großmutter zu gleichen Teilen eine Eigentumswohnung übertragen erhalten, in der diese gegenwärtig aufgrund eines lebenslangen, unentgeltlichen Wohnungsrechts lebt. Anträge auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wurden aufgrund dessen abgelehnt. Die Eltern unterstützen den Sohn mit EUR 300.- monatlich, die Tochter ab dem 1. Oktober 2010 mit monatlich EUR 400.-.
Die Klägerin erhält vom Beklagten Hilfe zur Pflege u.a. in Form der Kostenübernahme für die Dienste der Sozialstation und privater Einsatzkräfte, soweit sie durch Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckt werden.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2007 hatte der Beklagte außerdem als Hilfe zur Pflege für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2007 ein als besitzstandwahrend bezeichnetes Pflegegeld i.H.v. EUR 195,16 monatlich bewilligt. Der dagegen eingelegte Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 zurückgewiesen worden. Der Beklagte hatte ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf besitzstandwahrendes Pflegegeld nach Art. 51 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG), sondern nur auf solches nach dem SGB XII mit einer ungünstigeren Einkommensgrenze. Daher stehe ihr gar kein Pflegegeld mehr zu; aus Gründen des Vertrauensschutzes werde aber von einer Rückforderung der Überzahlung des Pflegegeldes abgesehen. Das dagegen angestrengte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe ((SG); S 4 SO 5470/07) endete durch gerichtlichen Vergleich vom 12. Dezember 2008, nach dessen Ziff. IV die Klägerin "anerkannte", dass ihr ein Besitzstandwahrungspflegegeld ab 1. Januar 2007 nicht zustehe. In dem wegen des Streites über die Verfahrensbeendigung fortgesetzten Verfahren (jetzt S 4 SO 5608/08) stellte das SG mit Urteil vom 29. September 2009 die Erledigung des Rechtsstreites durch Vergleich fest und wies die Klage als unzulässig ab. Ihre dagegen eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg ((LSG); L 2 SO 4556/09) erklärte die Klägerin am 15. Dezember 2009 für erledigt. Eine weitere Klage, mit der sie die unrichtige Umsetzung des gerichtlichen Vergleichs geltend machte, wies das SG mit Urteil vom 27. Januar 2011 (S 4 SO 146/10) ab. Die dagegen eingelegte Berufung (L 7 SO 577/11) nahm die Klägerin am 2. Dezember 2011 zurück.
Auch im streitgegenständlichen Zeitraum gewährte der Beklagte Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme der durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten der Sozialstation, der Nachbarschaftshilfe sowie für Betreuungsleistungen des Schwagers.
Mit Bescheid vom 8. September 2010 bewilligte der Beklagte darüber hinaus für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2011 Pflegegeld i.H.v. EUR 56,07 monatlich. Dabei kürzte er das Pflegegeld wegen der Gewährung anderer Leistungen um ein Sechstel. Als Einkommen berücksichtigte er das Renteneinkommen der Klägerin, das gewährte Kindergeld für beide Kinder sowie das Erwerbseinkommen des Ehemannes. Von diesem setzte er neben Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen EUR 130.- berufsbedingte Fahrkosten, EUR 30.- Versicherungspauschale sowie EUR 5,20 Werbungskosten ab. Bei der Berechnung der Einkommensgrenze berücksichtigte er einen Familienzuschlag für JS und beide Kinder. Von dem so errechneten, die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommen rechnete er 40% an (Freibetrag 60%).
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, ihr Ehemann habe seine Unterhaltspflicht bereits durch die ihr gewährte Pflege erfüllt. Der Heranziehung auch seines Einkommens stehe daher § 94 SGB XII entgegen. Des Weiteren sei der Unterhalt von studierenden Kindern nach der Düsseldorfer Tabelle zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, die zugrundegelegte Berechnung nochmals dargestellt und ausgeführt, § 94 SGB XII finde auf nicht getrennt lebende Ehegatten keine Anwendung.
Hiergegen und gegen weitere Gegenstände des Widerspruchsbescheides hat die Klägerin am 29. März 2011 Klage beim SG erhoben, das den Streit um das Pflegegeld (Anrechnung des Ehegatteneinkommens) mit Beschluss vom 5. August 2011 vom übrigen Verfahren abgetrennt hat. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin in Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ausgeführt, § 19 Abs. 3 SGB XII schreibe die Berücksichtigung von Einkommen vor, soweit nach dem Elften Kapitel zumutbar. § 94 SGB XII sei Teil des Elften Kapitels, also anwendbar. Ihr Ehemann erbringe den Unterhalt in Form umfangreicher Betreuungs- und Pflegeleistungen. Dann bestehe kein weiterer Anspruch auf Unterhalt. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag hat die Klägerin Pflegegeldleistungen in monatlicher Höhe von EUR 570,81 ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen ihres Ehemannes begehrt.
Mit Urteil vom 11. August 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. § 94 SGB XII finde auf nicht getrennt lebende Ehegatten keine Anwendung. Die Vorschrift gelte nur für Unterhaltsansprüche, die übergeleitet werden könnten, wenn der Unterhalt nicht erbracht werde. Dies liege aber bei der Klägerin nicht vor. Die angefochtenen Bescheide seien daher rechtmäßig.
Zu der am 24. August 2011 beim LSG eingelegten Berufung hat die Klägerin über ihr bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt, es gehe um die Frage, ob der Beklagte bei der Bestimmung des anzurechnenden Teils des Einkommens sein Ermessen nach § 87 SGB XII richtig ausgeübt habe (Familiengröße von vier Personen, Dauer des Hilfebedarfs usw.) und ob das Einkommen ihres Mannes überhaupt angerechnet werden dürfe. Zur Untermauerung ihrer Ansicht, dass der Anrechnung des Ehegatteneinkommens § 94 SGB XII entgegenstehe, weil dieser seine Unterhaltspflicht durch Pflegeleistungen in natura erbringe, hat sie mehrere zivilgerichtliche Urteile zur Überleitung von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger bei Elternunterhalt angeführt. Einen gerichtlichen Vergleich zur Beendigung des Rechtsstreits hat sie fristgerecht widerrufen und hierzu u.a. ausgeführt, ihr stehe ein Besitzstandspflegegeld nach Art. 51 PflegeVG mit günstigeren Einkommens- und Vermögensgrenzen zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. August 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Juni 2011 Pflegegeld in monatlicher Höhe von EUR 570,81 unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und des erstinstanzlichen Urteils. Ergänzend führt er aus, selbst wenn bei der Bestimmung des zumutbar einsetzbaren Einkommens besondere Belastungen anzuerkennen seien, müssten diese zunächst vom Einkommen abgezogen werden; der Freibetrag von 60 v. H. sei dann nur aus dem solchermaßen geminderten Einkommen über der Einkommensgrenze zu ermitteln. Des Weiteren sei bei Anerkennung einer besonderen Belastung in Form der Unterstützungszahlungen für die studierenden Kinder zu berücksichtigen, dass deren Lebensunterhalt bereits im Rahmen des Familienzuschlags bei der Bestimmung der Einkommensgrenze Rechnung getragen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschriften über die nichtöffentliche Sitzung vom 2. Dezember 2011 und über die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Höhe des gewährten Pflegegeldes nach § 64 SGB XII, nicht aber ein Anspruch der Klägerin auf ein sog. Besitzstandspflegegeld nach Art. 51 des PflegeVG. Im angefochtenen Ausgangsbescheid vom 8. September 2010 hat der Beklagte zu letzterem keine Regelung getroffen, auch keine Ablehnung. Für eine solche bestand zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses auch kein Anlass, da die Klägerin im gerichtlichen Vergleich vom 12. Dezember 2008 anerkannt hatte, dass ihr ein Besitzstandspflegegeld ab 1. Januar 2007 nicht zustehe (Ziffer IV. des Vergleiches). Der Verfügungssatz des Bescheides vom 8. September 2010 bestimmt nur die Bewilligung und Festsetzung der Höhe des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin ausschließlich gegen die Anrechnung des Ehegatteneinkommens und begehrte die ungekürzte Auszahlung des gewährten Pflegegeldes. Der Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 verhielt sich hinsichtlich des Pflegegeldes ebenfalls nur zu dem nach § 64 SGB XII. In der Klage vom 25. März 2011 wird ein Besitzstandspflegegeld nicht erwähnt. Das SG hat im angefochtenen Urteil entsprechend dem in der dortigen mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auch nicht dazu entschieden. Beim Anspruch auf Besitzstandspflegegeld handelt es sich um einen gegenüber dem auf Pflegegeld nach § 64 SGB XII zunächst eigenständigen Regelungsgegenstand. Die Voraussetzungen der Leistung nach der Besitzstandsregelung des Art. 51 PflegeVG weichen tatbestandlich erheblich von denen des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII ab. Des Weiteren bestimmt Art. 51 Abs. 4 Nr. 4 PflegeVG, dass sich die Besitzstandsleistung um den Betrag des Pflegegeldes nach § 69a BSHG, der Vorgängerregelung des § 64 SGB XII, mindert. Das Besitzstandspflegegeld tritt also neben das Pflegegeld nach dem BSHG bzw. SGB XII und wird ergänzend zu diesem gewährt (vgl. H. Schellhorn in Schellhorn, SGB XII, 18. Aufl., § 64 Rdnr. 30; Meßling in jurisPK-SGB XII, § 64 Rdnr. 62). Gerade diese Anrechnungsvorschrift macht deutlich, dass es sich um zwei eigenständige Leistungen und damit auch um unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt. Im vorliegenden Rechtsstreit könnte der Senat daher schon wegen des Fehlens eines entsprechenden Ausgangsbescheides des Beklagten keine Sachentscheidung zum Besitzstandspflegegeld treffen.
Der Entscheidungsumfang des Senats ist zeitlich begrenzt auf den in den angefochtenen Bescheiden geregelten Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2011. Bescheide für Folgezeiträume sind nicht, auch nicht nach § 96 Abs. 1 SGG, Gegenstand des Verfahrens geworden. In der Höhe ergibt sich eine Begrenzung insoweit, als die Klägerin ein Pflegegeld ausdrücklich in monatlicher Höhe von (nur) EUR 514,74 (EUR 570,81 abzüglich bereits gewährten Pflegegeldes i.H.v. EUR 56,07) begehrt. Bis zu diesen Betrag unterliegen allerdings alle für die Leistungshöhe maßgeblichen Faktoren der gerichtlichen Überprüfung.
Die Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Gemäß dem seit 1. Januar 2005 unverändert geltenden § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Hilfe zur Pflege ist gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen zu leisten, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die Klägerin gehört aufgrund ihrer Behinderung und dem damit verbundenen Hilfebedarf zu diesem anspruchsberechtigten Personenkreis. Nach § 64 Abs. 3 SGB XII erhalten Pflegebedürftige, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für mehrere Verrichtungen täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (Schwerstpflegebedürftige), ein Pflegegeld in Höhe des Betrages nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Dieses betrug im streitgegenständlichen Zeitraum EUR 685.- monatlich. Die Schwerstpflegebedürftigkeit der Klägerin in diesem Sinne steht aufgrund der von der Pflegekasse zuerkannten Pflegestufe III fest (§ 62 SGB XII).
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII ist das Pflegegeld aber nur unter Beachtung der Vorschriften der Einkommens- und Vermögensanrechnung der §§ 82 bis 96 SGB XII (Elftes Kapitel) zu leisten. Über einzusetzendes Vermögen i.S.d. § 90 SGB XII verfügen die Ehegatten nicht, was auch der Beklagte nicht in Abrede stellt.
Als Einkommen ist nicht nur das eigene der Klägerin, sondern auch das ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 3 SGB XII). Gegen diese Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens wendet sich die Klägerin vorrangig. Sie ist der Auffassung, aufgrund des durch die Verweisung auf das gesamte Elfte Kapitel des SGB XII ebenfalls in Bezug genommenen § 94 SGB XII sei ein Rückgriff auf das Einkommen ihres Ehemannes ausgeschlossen. Dieser komme seiner ehelichen Unterhaltsverpflichtung bereits in Form umfangreicher Betreuungs- und Pflegeleistungen nach. In einem solchen Fall bestehe kein weiterer Anspruch auf Unterhalt (als Geldleistung), wie auch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg am 14. Januar 2010 entschieden habe. Diese Ansicht lässt jedoch die Systematik des SGB XII - und den Wortlaut des § 94 SGB XII - außer Acht. Zwischen dem privatrechtlichen Unterhalts- und dem öffentlich-rechtlichen Sozialhilferecht bestehen erhebliche Unterschiede, die auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung beruhen. Die vom OLG Oldenburg getroffene Entscheidung betrifft allein das private Unterhaltsrecht und ist vorliegend damit nicht einschlägig. Dies gilt insbesondere für den Rechtssatz, dass (im dortigen Fall) die Tochter den Unterhalt an ihre Mutter auch in Naturalform erbringen könne, also nicht zwingend Geld zu leisten habe. Darüber hinaus betreffen die von der Klägerin angeführten Entscheidungen jeweils Unterhaltsleistungen der Kinder an die Eltern, nicht Leistungen des Ehegatten. Dem SGB XII liegt eine andere Konzeption zugrunde:
Ausgangspunkt ist § 19 SGB XII, der in Abs. 1 bis 3 Einkommen der dort genannten Personen, insbesondere des nicht getrennt lebenden Ehegatten, unmittelbar als anzurechnendes Einkommen dem Hilfebedürftigen zuordnet (sog. Einsatzgemeinschaft). Diese Einsatzgemeinschaft und die damit verbundene Systematik der Einkommensberücksichtigung ist in § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII gleich ausgestaltet. Bei den von Abs. 3 erfassten Leistungen sind lediglich zusätzlich die Einschränkungen durch die weitergehenden Vorschriften über die Zumutbarkeit der Einkommensanrechnung nach dem Elften Kapitel zu beachten. Die Zumutbarkeit betrifft hingegen nicht die Frage der Art der Einkommensberücksichtigung, hier also die Zuordnung des Einkommens im Rahmen der Einsatzgemeinschaft unabhängig von zivilrechtlichen Unterhaltsvorschriften (Schoch in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 19 Rdnr. 44 i.V.m. 11 und 15 ff.; Münder in LPK-SGB XII, a.a.O., § 94 Rdnr. 3, 4; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. § 19 Rdnr. 14). Die von der Klägerin angeführte Kommentierung von H. Schellhorn, a.a.O., § 94 Rdnr. 46 (vgl. Bl. 3761 der Verwaltungsakte) besagt nichts anderes. Dort wird lediglich dargestellt, dass der zivilrechtlich Unterhaltspflichtige seinen Unterhalt durch eigene Pflegeleistung erbringen kann und der Sozialhilfeträger diesen dann nicht aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs in Anspruch nehmen kann, wenn Pflegegeld gezahlt wird. Die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes beruht aber gerade nicht auf der Unterhaltspflicht oder -leistung, sondern allein auf der gesetzlichen Anordnung im Rahmen der Einsatzgemeinschaft. Gleiches gilt daher für die von der Klägerin angeführte Regelung der Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg (im Folgenden SHR) 94.21. Zu berücksichtigen ist nach § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 82 ff. SGB XII nur das den dort näher geregelten, anzuerkennenden eigenen Bedarf übersteigende Einkommen (bereinigtes Einkommen). Das SGB XII stellt hier also gerade nicht auf zivilrechtliche Unterhaltsansprüche ab. Die Hilfebedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und die Art der Unterhaltsgewährung nach den zivilrechtlichen Vorschriften sind ohne Bedeutung für die Einkommensberücksichtigung nach dem SGB XII. § 94 SGB XII steht zwar ebenfalls im Elften Kapitel, knüpft aber tatbestandlich an Unterhaltsansprüche des Hilfebedürftigen an, die im Rahmen der Einkommensanrechnung der sog. Einsatzgemeinschaft gerade keine Rolle spielen. Dies macht das Gesetz in § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auch selbst ausdrücklich deutlich, indem der Anspruchsübergang (also der Übergang von Unterhaltsansprüchen des Hilfebedürftigen auf den Sozialhilfeträger) ausgeschlossen ist, wenn die unterhaltspflichtige Person (hier Ehemann) zum Personenkreis des § 19 SGB XII gehört (nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis, sondern zur Einsatzgemeinschaft). Damit berücksichtigt das Gesetz, dass das Einkommen bereits im Rahmen der Einsatzgemeinschaft angerechnet wird (Münder, a.a.O., § 94 Rdnr. 28; Armbruster in jurisPK-SGB XII § 94 Rdnr. 81). § 94 SGB XII findet also nach Wortlaut und Systematik keine Anwendung auf Personen der Einsatzgemeinschaft nach § 19 Abs. 3 SGB XII, hier des Ehemannes. Dass die Vorschrift Teil des Elften Kapitels und damit von der generellen Verweisung umfasst ist, steht dem nicht entgegen, da der Tatbestand bereits nicht erfüllt ist. Das Einkommen des Ehemannes der Klägerin ist daher zu berücksichtigen.
Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum über ein monatliches (Netto-)Einkommen in Form einer Rente wegen Erwerbsminderung i.H.v. EUR 979,88 sowie einer VBL-Rente i.H.v. EUR 258,79. Beiträge zu privaten Versicherungen sind bei ihr nicht angefallen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen sind entsprechende Abbuchungen nicht ersichtlich. Die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen.
Das Einkommen des Ehegatten aus Erwerbstätigkeit belief sich nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (§ 82 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB XII) auf EUR 1.608.-, was von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt wird. Nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII sind weiter abzusetzen u.a. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes (EStG), soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 EStG nicht überschreiten. Ein solcher Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Rente) besteht für JS; nach den vorgelegten Kontoauszügen zahlte er hierauf monatlich EUR 35,95. Damit wird zwar der Mindesteigenbetrag nicht erreicht. Auf die Abzugsfähigkeit nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII hat dies keine Auswirkungen, da die Vorschrift nur auf eine Beschränkung bei Überschreitung abstellt. Die Unterschreitung hat nur zur Folge, dass die Zulage gem. § 86 EStG gekürzt wird. Damit wird der Grund für die Abzugsfähigkeit nach sozialhilferechtlichen Maßstäben nicht in Frage gestellt. Abzuziehen sind auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII). Die vom Beklagten berücksichtigten Beträge für berufsbedingte Fahrkosten (EUR 130.-) und Werbungskosten (EUR 5,20) sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen den rechtlichen Vorgaben der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII in der Fassung vom 21. März 2005 (BGBl. I S. 818, (DVO)). Da JS unter Berücksichtigung seiner eigenen Behinderung für die Fahrten zur Arbeit auf das Kfz angewiesen ist, ist auch die entsprechende Haftpflichtversicherung (EUR 16,73 monatlich) abzusetzen. Diese ist nicht in der Kilometerpauschale enthalten (Brühl in LPK-SGB XII, a.a.O., § 82 Rdnr. 89; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. September 2009 - 4 Ta 7/09 - (juris)). Der Gewerkschaftsbeitrag ist nach § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 DVO zu berücksichtigen (EUR 19,09 monatlich). Für die vom Beklagten angesetzte Versicherungspauschale gibt es hingegen im SGB XII und der DVO keine Rechtsgrundlage. Weitere private Versicherungen sind nicht vorgetragen und ergeben sich auch nicht aus den vorgelegten Kontoauszügen. Ein Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit gem. § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ist nicht abzuziehen. Dieser ist ausdrücklich nur für Leistungen zum Lebensunterhalt (so schon § 76 Abs. 2a BSHG) und der Grundsicherung, nicht für andere Hilfearten wie die Hilfe zur Pflege vorgesehen. Auch zur Vermeidung von Unstimmigkeiten mit dem Recht des SGB II ist ein solcher Freibetrag nicht über die allgemeine Härteregelung des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 SO 20/09 R - (juris)) einzuräumen. Zwar unterfiele der erwerbsfähige JS im Rahmen der Grundsicherung dem Recht des SGB II. Die hier streitigen Hilfen in besonderen Lebenslagen (Hilfe zur Pflege) sind im Leistungsrecht des SGB II jedoch nicht vorgesehen, so dass eine Verwerfung (Freibetrag nach dem SGB II, aber nicht im SGB XII) nicht entstehen kann. Das zu berücksichtigende Einkommen des JS beläuft sich mithin auf EUR 1.401,03 monatlich.
Als weiteres Einkommen ist das Kindergeld für die beiden volljährigen Kinder heranzuziehen, da die besondere Zuordnungsvorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nur für minderjährige, haushaltsangehörige Kinder gilt. Das Kindergeld ist mithin Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils, hier des JS. Anderes ergäbe sich nur bei tatsächlicher Weitergabe an das Kind durch einen gesonderten, zweckorientierten Zuwendungsakt (zum Ganzen Brühl in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 82 Rdnr. 60). Da ein solcher hier nicht behauptet wird und aus den Akten nicht ersichtlich ist, hat der Beklagte das Kindergeld zu Recht in die Berechnung mit einbezogen. Im hier streitigen Zeitraum belief sich das Kindergeld auf je EUR 184.- monatlich für das 1. und 2. Kind. Somit sind monatlich weitere EUR 368.- zu berücksichtigen. Das monatliche Gesamteinkommen der Klägerin und des JS betrug mithin EUR 3.007,70.
Die Einkommensgrenze bestimmt sich nach § 85 Abs. 1 SGB XII: Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus 1. einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes (ab 1. Januar 2011 Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII), 2. den Kosten der Unterkunft, soweit die Aufwendungen hierfür den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und 3. einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert des Eckregelsatzes (ab 1. Januar 2011 der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII) für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
Die Kosten der Unterkunft beliefen sich durchgängig auf EUR 288,62. Ein Familienzuschlag ist zu gewähren nicht nur für den JS, sondern auch die von ihm und der Klägerin überwiegend unterhaltenen Kinder. Der Eckregelsatz 2010 belief sich auf EUR 359.- (70 v. H. hiervon, gerundet auf volle Euro: EUR 252.-). Für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2011 gilt die Regelbedarfsstufe 1 i.H.v. EUR 364.- (70% hiervon, gerundet auf volle Euro: EUR 255.-). Unter Berücksichtigung des Grundbetrages (Ziffer 1) i.H.v. von EUR 718.- (bis 31. Dezember 2010) bzw. EUR 728.- ab 1. Januar 2011 liegt die Einkommensgrenze i.S.d. § 85 SGB XII vorliegend somit bei EUR 1.762,62 im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 und danach bei EUR 1.781,62, der Betrag über der Einkommensgrenze also im ersten Zeitraum bei EUR 1.245,08 und im zweiten bei EUR 1.226,08.
Dieser Einkommensüberhang ist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur "in angemessenem Umfang" - allerdings zwingend - einzusetzen; ein Ermessen des Sozialhilfeträgers auf Rechtsfolgenseite besteht nicht. Bei dem "angemessenen Umfang" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Behörde auch keinen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene einräumt, vielmehr der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (so schon Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) NVwZ 1990, 370 - zur Vorgängerregelung des § 84 BSHG - m.w.N.). Nach anderer Ansicht soll dem Sozialhilfeträger hingegen ein Beurteilungsspielraum zustehen, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich sei (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, a.a.O., § 87 Rdnr. 8 m.w.N.). Da der Gesetzgeber jedoch in § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Regelung des BSHG fortgeschrieben hat, wäre in Kenntnis der Rechtsprechung des BVerwG eine klarstellende Formulierung zu erwarten gewesen, wenn ein solcher Beurteilungsspielraum hätte geschaffen werden sollen. Da dies nicht erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Rechtsprechung akzeptiert hat.
Bei der Prüfung, welcher Umfang des Einkommenseinsatzes angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen (§ 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Bei schwerstpflegebedürftigen Menschen nach § 64 Abs. 3 und blinden Menschen nach § 72 ist ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60 vom Hundert nicht zuzumuten (Satz 3). Die Klägerin, die schwerstpflegebedürftig i.S.d. § 64 Abs. 3 SGB XII ist, erfüllt die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Satzes 3 sind mindestens 60 v. H. "des Einkommens über der Einkommensgrenze" freizulassen. Diese Freilassung errechnet sich daher nicht erst aus dem um besondere Belastungen nach Satz 2 weiter geminderten Betrag. Die Regelung des Satzes 3 bestimmt eine Höchstgrenze der Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes mit 40 v. H. des Einkommensüberhanges, bezogen auf die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII. Unter Zugrundelegung der übrigen Kriterien des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kann aber auch eine noch niedrigere Belastung in Betracht kommen ("mindestens"; ebenso vgl. Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 87 Rdnr. 24, 48 f.; Schoch, a.a.O., § 87 Rdnr. 14, der allerdings eine im Wortlaut des § 87 Abs. 1 SGB XII nicht angelegte Ermessensentscheidung annimmt). Das Gesetz regelt in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, welche Kriterien bei der Bestimmung des angemessenen Umfanges insbesondere zu berücksichtigen sind, und schreibt in Satz 3 für eines dieser Kriterien eine verbindliche Mindestgrenze fest. Der in Satz 3 genannte Personenkreis wird durch die Art der Behinderung (blinde Menschen i.S.d. § 72 SGB XII) oder die Schwere der Behinderungsfolgen (Schwerstpflegebedürftige) bestimmt. Das Gesetz schreibt mithin einen Mindestfreibetrag bei besonderer und konkretisierter Ausprägung des in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII genannten Kriteriums der "Art oder Schwere der Behinderung" vor. Sind die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt, bildet dieser Freibetrag den Ausgangspunkt für die Bestimmung des angemessenen Umfanges. Aus den o.g. die Einkommensgrenze überschreitenden Beträgen ergibt sich demnach ein maximal einzusetzendes Einkommen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 i.H.v. EUR 498,03 (40 v. H. von EUR 1.245,08) und ab dem 1. Januar 2011 i.H.v. EUR 490,43 (40 v. H. von 1.226,08).
Nach § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind u.a. besondere Belastungen der nachfragenden Person oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen. Dazu gehören auch die in die Einsatzgemeinschaft einbezogenen Personen, auch wenn sie nicht unterhaltsberechtigt sind (Gutzler, a.a.O., § 87 Rdnr. 30; ebenso SHR 87.07). Gemeint sind insbesondere finanzielle Verpflichtungen, die über den normalen Lebensbedarf hinausgehen. Die weitere Berücksichtigung von besonderen Belastungen nach § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII setzt zunächst voraus, dass diese nicht schon im Freibetrag nach Satz 3 typisierend enthalten sind. Davon ist bei besonderen Aufwendungen für Unterhaltsleistungen wie für die Ausbildung unterhaltsberechtigter Angehöriger (ebenso SHR 87.09 Nr. 2.2) auszugehen. Zu berücksichtigen sind daher die Aufwendungen der Klägerin und ihres Ehemannes an den studierenden Sohn und ab 1. September 2010 auch an die Tochter. Die Beträge von EUR 300.- an den Sohn und den etwas höheren an die auswärts wohnende Tochter von EUR 400.- sind nicht unangemessen. Insbesondere liegen sie noch unter den Höchstsätzen, die das BAföG für den hier streitigen Zeitraum vorsah. Die Klägerin hat dargelegt, dass beiden Kindern BAföG-Leistungen abgelehnt worden waren, da ihnen von ihrer Großmutter zu gleichen Teilen eine Eigentumswohnung übertragen worden war. Eine Verwertung ist ihnen jedoch derzeit nicht möglich, da die Großmutter aufgrund eines lebenslangen, unentgeltlichen Wohnrechtes die Wohnung noch nutzt. Die Berücksichtigung der elterlichen Leistungen zum Ausgleich der entfallenen BAföG-Leistungen als Abzugsbetrag bei der Einkommensanrechnung bei der hier streitigen Hilfe zur Pflege stellt keine versteckte Studienförderung durch Mittel der Sozialhilfe dar. Es geht allein um die Frage, inwieweit das Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes bereits durch anderweitige Belastungen gebunden ist. Das Studium der Kinder wird durch das tatsächlich vorhandene Einkommen der Eltern finanziert, nicht durch Sozialhilfeleistungen. Um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden, können die Unterstützungsleistungen nur insoweit angerechnet werden, als ihnen nicht bereits durch den Familienzuschlag nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII Rechnung getragen wurde (Gutzler, a.a.O., Rdnr. 28). Die Unterstützungsleistungen an den Sohn i.H.v. EUR 300.- monatlich können daher nur in einem Umfange von EUR 48.- monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 (EUR 300 - EUR 252) und danach i.H.v. EUR 45.- (EUR 300 - EUR 255) berücksichtigt werden, die an die Tochter für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 i.H.v. EUR 148.- sowie ab 1. Januar 2011 i.H.v. EUR 145.-.
Die in § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB XII enthaltene Aufzählung berücksichtigungsfähiger Umstände ist nicht abschließend ("insbesondere"). Zu berücksichtigen ist daher auch, inwieweit die Heranziehung von Einkommen den Erfolg der Hilfe gefährdet (vgl. Schoch, a.a.O., Rdnr. 7). Dies käme in Betracht, wenn die Gefahr bestünde, dass die weitergehende Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten diesen veranlassen könnte, seine Pflege der Klägerin nicht in bisherigem Umfange fortzuführen. Hier kann jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass der Beklagte der Klägerin bereits umfangreich weitere Hilfen zur Pflege leistet, insbesondere die Übernahme der Kosten der Sozialstation, soweit sie nicht durch die Pflegekasse gedeckt werden, oder die Übernahme der Kosten für die Nachbarschaftshilfe und die Betreuung durch den Schwager. Unter Berücksichtigung der dennoch vom Beklagten vorgenommenen weitgehenden Freistellung des Pflegegeldes von der Kürzung wegen dieser Leistungen nach § 66 Abs. 2 Satz 2 SGB XII (dazu unten) sieht der Senat dessen Erfolg durch die Anrechnung des Ehegatteneinkommens nicht in Frage gestellt.
Damit verbleibt ein heranzuziehendes Einkommen wie folgt: 1. Januar 2010 bis 30. September 2010: EUR 450,03 (EUR 498,03 - EUR 48) 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010: EUR 302,03 (EUR 498,03 - EUR 48 - EUR 148) 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011: EUR 300,43 (EUR 490,43 - EUR 45 - EUR 145)
Die Entscheidung des Beklagten, wegen der nach § 65 Abs. 1 SGB XII erbrachten Leistungen (Übernahme der undeckten Kosten der Sozialstation etc.) das Pflegegeld (nur) i.H.v. von 1/6 zu kürzen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Werden Leistungen nach § 65 Abs. 1 oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht, kann das Pflegegeld gem. § 66 Abs. 2 Satz 2 SGB XII um bis zu zwei Drittel gekürzt werden. Bei dieser Kürzung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Verwaltung ("kann"; Krahmer in LPK-SGB XII, a.a.O., § 66 Rdnr. 7; Meßling in juris-PK-SGB XII, § 66 Rdnr. 23). Der gerichtlichen Prüfung unterworfene Ermessensfehler (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) liegen nicht vor. Auch die Klägerin macht solche nicht geltend. Vielmehr hat sie mit der Beschränkung des im Klageantrag begehrten monatlichen Betrages von EUR 570,81 (= 5/6 von EUR 685.-) gerade zum Ausdruck gebracht, dass sie die Entscheidung insoweit für zutreffend hält.
Unter Anrechnung der o.g. Einkommensbeträge steht der Klägerin daher im streitigen Zeitraum ein monatliches Pflegegeld wie folgt zu: 1. Januar 2010 bis 30. September 2010: EUR 120,78 (EUR 570,81 - EUR 450,03) 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010: EUR 268,78 (EUR 570,81 - EUR 302,03) 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011: EUR 270,38 (EUR 570,81 - EUR 300,43)
Die bereits gewährten Leistungen i.H.v. EUR 56,07 monatlich sind hierbei noch anzurechnen. Das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide waren daher entsprechend abzuändern. Ein höherer Anspruch steht der Klägerin hingegen nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt insbesondere die Anteile des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin ein Viertel ihrer außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Pflegegeldes nach § 64 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2011 streitig, insbesondere die Anrechnung des Ehegatteneinkommens.
Die 1958 geborene, schwerbehinderte Klägerin ist aufgrund einer Querschnittslähmung dauerhaft auf einen Rollstuhl angewiesen; auch die oberen Extremitäten sind teilweise gelähmt, die Greiffunktionen stark eingeschränkt. Seitens der Pflegekasse ist sie als Schwerstpflegebedürftige i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch ((SGB XI); Pflegestufe III) anerkannt und erhält entsprechende Sachleistungen. Ein Pflegegeld nach § 37 SGB XI bezieht sie nicht. Bereits vor Einführung der sozialen Pflegeversicherung hatte sie ein Pflegegeld nach den bis 31. März 1995 geltenden Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) - gekürzt wegen des Bezuges weiterer Leistungen - bezogen. Ihr 1957 geborener Ehemann (im Folgenden JS) leidet an einer spastischen Halbseitenlähmung mit starker Gehbehinderung (Pflegestufe I nach § 15 SGB XI). Das Ehepaar wohnt gemeinsam mit ihrem 1987 geborenen, studierenden Sohn in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Die 1989 geborene Tochter hat nach Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres zum 1. Oktober 2010 die elterliche Wohnung verlassen, um auswärts ein Studium aufzunehmen. Die Kosten der Unterkunft belaufen sich monatlich auf EUR 288,62.
Die Klägerin bezog im streitgegenständlichen Zeitraum eine Rente wegen voller Erwerbsminderung i.H.v. EUR 979,88 sowie eine VBL-Rente i.H.v. EUR 258,79 (jeweils monatlicher Auszahlungsbetrag). Das monatliche Einkommen des JS aus einer Teilzeittätigkeit als Jugendgerichtshelfer belief sich nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auf EUR 1.608.- netto. Das Kindergeld i.H.v. EUR 184.- monatlich je Kind wurde an ihn ausgezahlt; eine Weiterleitung an die Kinder erfolgte nicht. Auf einen staatlich geförderten Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Rente) zahlte er monatlich EUR 35,95, als Gewerkschaftsbeitrag monatlich EUR 19,09. Den Weg zur 25 km entfernten Arbeitsstelle legt er mit einem Kfz zurück; die Haftpflichtversicherung für dieses belief sich auf EUR 16,73 monatlich. Die Kinder hatten von ihrer Großmutter zu gleichen Teilen eine Eigentumswohnung übertragen erhalten, in der diese gegenwärtig aufgrund eines lebenslangen, unentgeltlichen Wohnungsrechts lebt. Anträge auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wurden aufgrund dessen abgelehnt. Die Eltern unterstützen den Sohn mit EUR 300.- monatlich, die Tochter ab dem 1. Oktober 2010 mit monatlich EUR 400.-.
Die Klägerin erhält vom Beklagten Hilfe zur Pflege u.a. in Form der Kostenübernahme für die Dienste der Sozialstation und privater Einsatzkräfte, soweit sie durch Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckt werden.
Mit Bescheid vom 28. Februar 2007 hatte der Beklagte außerdem als Hilfe zur Pflege für die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2007 ein als besitzstandwahrend bezeichnetes Pflegegeld i.H.v. EUR 195,16 monatlich bewilligt. Der dagegen eingelegte Widerspruch war mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2007 zurückgewiesen worden. Der Beklagte hatte ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf besitzstandwahrendes Pflegegeld nach Art. 51 des Pflegeversicherungsgesetzes (PflegeVG), sondern nur auf solches nach dem SGB XII mit einer ungünstigeren Einkommensgrenze. Daher stehe ihr gar kein Pflegegeld mehr zu; aus Gründen des Vertrauensschutzes werde aber von einer Rückforderung der Überzahlung des Pflegegeldes abgesehen. Das dagegen angestrengte Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe ((SG); S 4 SO 5470/07) endete durch gerichtlichen Vergleich vom 12. Dezember 2008, nach dessen Ziff. IV die Klägerin "anerkannte", dass ihr ein Besitzstandwahrungspflegegeld ab 1. Januar 2007 nicht zustehe. In dem wegen des Streites über die Verfahrensbeendigung fortgesetzten Verfahren (jetzt S 4 SO 5608/08) stellte das SG mit Urteil vom 29. September 2009 die Erledigung des Rechtsstreites durch Vergleich fest und wies die Klage als unzulässig ab. Ihre dagegen eingelegte Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg ((LSG); L 2 SO 4556/09) erklärte die Klägerin am 15. Dezember 2009 für erledigt. Eine weitere Klage, mit der sie die unrichtige Umsetzung des gerichtlichen Vergleichs geltend machte, wies das SG mit Urteil vom 27. Januar 2011 (S 4 SO 146/10) ab. Die dagegen eingelegte Berufung (L 7 SO 577/11) nahm die Klägerin am 2. Dezember 2011 zurück.
Auch im streitgegenständlichen Zeitraum gewährte der Beklagte Hilfe zur Pflege in Form der Übernahme der durch die Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten Kosten der Sozialstation, der Nachbarschaftshilfe sowie für Betreuungsleistungen des Schwagers.
Mit Bescheid vom 8. September 2010 bewilligte der Beklagte darüber hinaus für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2011 Pflegegeld i.H.v. EUR 56,07 monatlich. Dabei kürzte er das Pflegegeld wegen der Gewährung anderer Leistungen um ein Sechstel. Als Einkommen berücksichtigte er das Renteneinkommen der Klägerin, das gewährte Kindergeld für beide Kinder sowie das Erwerbseinkommen des Ehemannes. Von diesem setzte er neben Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen EUR 130.- berufsbedingte Fahrkosten, EUR 30.- Versicherungspauschale sowie EUR 5,20 Werbungskosten ab. Bei der Berechnung der Einkommensgrenze berücksichtigte er einen Familienzuschlag für JS und beide Kinder. Von dem so errechneten, die Einkommensgrenze übersteigenden Einkommen rechnete er 40% an (Freibetrag 60%).
Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches führte die Klägerin aus, ihr Ehemann habe seine Unterhaltspflicht bereits durch die ihr gewährte Pflege erfüllt. Der Heranziehung auch seines Einkommens stehe daher § 94 SGB XII entgegen. Des Weiteren sei der Unterhalt von studierenden Kindern nach der Düsseldorfer Tabelle zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 hat der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen, die zugrundegelegte Berechnung nochmals dargestellt und ausgeführt, § 94 SGB XII finde auf nicht getrennt lebende Ehegatten keine Anwendung.
Hiergegen und gegen weitere Gegenstände des Widerspruchsbescheides hat die Klägerin am 29. März 2011 Klage beim SG erhoben, das den Streit um das Pflegegeld (Anrechnung des Ehegatteneinkommens) mit Beschluss vom 5. August 2011 vom übrigen Verfahren abgetrennt hat. Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin in Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens ausgeführt, § 19 Abs. 3 SGB XII schreibe die Berücksichtigung von Einkommen vor, soweit nach dem Elften Kapitel zumutbar. § 94 SGB XII sei Teil des Elften Kapitels, also anwendbar. Ihr Ehemann erbringe den Unterhalt in Form umfangreicher Betreuungs- und Pflegeleistungen. Dann bestehe kein weiterer Anspruch auf Unterhalt. Mit dem in der mündlichen Verhandlung vor dem SG gestellten Antrag hat die Klägerin Pflegegeldleistungen in monatlicher Höhe von EUR 570,81 ohne Anrechnung von Erwerbseinkommen ihres Ehemannes begehrt.
Mit Urteil vom 11. August 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. § 94 SGB XII finde auf nicht getrennt lebende Ehegatten keine Anwendung. Die Vorschrift gelte nur für Unterhaltsansprüche, die übergeleitet werden könnten, wenn der Unterhalt nicht erbracht werde. Dies liege aber bei der Klägerin nicht vor. Die angefochtenen Bescheide seien daher rechtmäßig.
Zu der am 24. August 2011 beim LSG eingelegten Berufung hat die Klägerin über ihr bisheriges Vorbringen hinaus ausgeführt, es gehe um die Frage, ob der Beklagte bei der Bestimmung des anzurechnenden Teils des Einkommens sein Ermessen nach § 87 SGB XII richtig ausgeübt habe (Familiengröße von vier Personen, Dauer des Hilfebedarfs usw.) und ob das Einkommen ihres Mannes überhaupt angerechnet werden dürfe. Zur Untermauerung ihrer Ansicht, dass der Anrechnung des Ehegatteneinkommens § 94 SGB XII entgegenstehe, weil dieser seine Unterhaltspflicht durch Pflegeleistungen in natura erbringe, hat sie mehrere zivilgerichtliche Urteile zur Überleitung von Unterhaltsansprüchen auf den Sozialhilfeträger bei Elternunterhalt angeführt. Einen gerichtlichen Vergleich zur Beendigung des Rechtsstreits hat sie fristgerecht widerrufen und hierzu u.a. ausgeführt, ihr stehe ein Besitzstandspflegegeld nach Art. 51 PflegeVG mit günstigeren Einkommens- und Vermögensgrenzen zu.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 11. August 2011 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 8. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2011 zu verurteilen, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 31. Juni 2011 Pflegegeld in monatlicher Höhe von EUR 570,81 unter Anrechnung bereits geleisteter Zahlungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und des erstinstanzlichen Urteils. Ergänzend führt er aus, selbst wenn bei der Bestimmung des zumutbar einsetzbaren Einkommens besondere Belastungen anzuerkennen seien, müssten diese zunächst vom Einkommen abgezogen werden; der Freibetrag von 60 v. H. sei dann nur aus dem solchermaßen geminderten Einkommen über der Einkommensgrenze zu ermitteln. Des Weiteren sei bei Anerkennung einer besonderen Belastung in Form der Unterstützungszahlungen für die studierenden Kinder zu berücksichtigen, dass deren Lebensunterhalt bereits im Rahmen des Familienzuschlags bei der Bestimmung der Einkommensgrenze Rechnung getragen worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten, der Verfahrensakten des SG und des Senats sowie auf die Niederschriften über die nichtöffentliche Sitzung vom 2. Dezember 2011 und über die mündliche Verhandlung vom 23. Februar 2012 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, insbesondere statthaft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Gegenstand des Verfahrens ist allein die Höhe des gewährten Pflegegeldes nach § 64 SGB XII, nicht aber ein Anspruch der Klägerin auf ein sog. Besitzstandspflegegeld nach Art. 51 des PflegeVG. Im angefochtenen Ausgangsbescheid vom 8. September 2010 hat der Beklagte zu letzterem keine Regelung getroffen, auch keine Ablehnung. Für eine solche bestand zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses auch kein Anlass, da die Klägerin im gerichtlichen Vergleich vom 12. Dezember 2008 anerkannt hatte, dass ihr ein Besitzstandspflegegeld ab 1. Januar 2007 nicht zustehe (Ziffer IV. des Vergleiches). Der Verfügungssatz des Bescheides vom 8. September 2010 bestimmt nur die Bewilligung und Festsetzung der Höhe des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch wandte sich die Klägerin ausschließlich gegen die Anrechnung des Ehegatteneinkommens und begehrte die ungekürzte Auszahlung des gewährten Pflegegeldes. Der Widerspruchsbescheid vom 21. März 2011 verhielt sich hinsichtlich des Pflegegeldes ebenfalls nur zu dem nach § 64 SGB XII. In der Klage vom 25. März 2011 wird ein Besitzstandspflegegeld nicht erwähnt. Das SG hat im angefochtenen Urteil entsprechend dem in der dortigen mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auch nicht dazu entschieden. Beim Anspruch auf Besitzstandspflegegeld handelt es sich um einen gegenüber dem auf Pflegegeld nach § 64 SGB XII zunächst eigenständigen Regelungsgegenstand. Die Voraussetzungen der Leistung nach der Besitzstandsregelung des Art. 51 PflegeVG weichen tatbestandlich erheblich von denen des Pflegegeldes nach § 64 SGB XII ab. Des Weiteren bestimmt Art. 51 Abs. 4 Nr. 4 PflegeVG, dass sich die Besitzstandsleistung um den Betrag des Pflegegeldes nach § 69a BSHG, der Vorgängerregelung des § 64 SGB XII, mindert. Das Besitzstandspflegegeld tritt also neben das Pflegegeld nach dem BSHG bzw. SGB XII und wird ergänzend zu diesem gewährt (vgl. H. Schellhorn in Schellhorn, SGB XII, 18. Aufl., § 64 Rdnr. 30; Meßling in jurisPK-SGB XII, § 64 Rdnr. 62). Gerade diese Anrechnungsvorschrift macht deutlich, dass es sich um zwei eigenständige Leistungen und damit auch um unterschiedliche Regelungsgegenstände handelt. Im vorliegenden Rechtsstreit könnte der Senat daher schon wegen des Fehlens eines entsprechenden Ausgangsbescheides des Beklagten keine Sachentscheidung zum Besitzstandspflegegeld treffen.
Der Entscheidungsumfang des Senats ist zeitlich begrenzt auf den in den angefochtenen Bescheiden geregelten Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis 30. Juni 2011. Bescheide für Folgezeiträume sind nicht, auch nicht nach § 96 Abs. 1 SGG, Gegenstand des Verfahrens geworden. In der Höhe ergibt sich eine Begrenzung insoweit, als die Klägerin ein Pflegegeld ausdrücklich in monatlicher Höhe von (nur) EUR 514,74 (EUR 570,81 abzüglich bereits gewährten Pflegegeldes i.H.v. EUR 56,07) begehrt. Bis zu diesen Betrag unterliegen allerdings alle für die Leistungshöhe maßgeblichen Faktoren der gerichtlichen Überprüfung.
Die Berufung der Klägerin hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfange Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
Gemäß dem seit 1. Januar 2005 unverändert geltenden § 19 Abs. 3 SGB XII werden Hilfen zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist. Hilfe zur Pflege ist gem. § 61 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen zu leisten, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße der Hilfe bedürfen. Die Klägerin gehört aufgrund ihrer Behinderung und dem damit verbundenen Hilfebedarf zu diesem anspruchsberechtigten Personenkreis. Nach § 64 Abs. 3 SGB XII erhalten Pflegebedürftige, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für mehrere Verrichtungen täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (Schwerstpflegebedürftige), ein Pflegegeld in Höhe des Betrages nach § 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI). Dieses betrug im streitgegenständlichen Zeitraum EUR 685.- monatlich. Die Schwerstpflegebedürftigkeit der Klägerin in diesem Sinne steht aufgrund der von der Pflegekasse zuerkannten Pflegestufe III fest (§ 62 SGB XII).
Nach § 19 Abs. 3 SGB XII ist das Pflegegeld aber nur unter Beachtung der Vorschriften der Einkommens- und Vermögensanrechnung der §§ 82 bis 96 SGB XII (Elftes Kapitel) zu leisten. Über einzusetzendes Vermögen i.S.d. § 90 SGB XII verfügen die Ehegatten nicht, was auch der Beklagte nicht in Abrede stellt.
Als Einkommen ist nicht nur das eigene der Klägerin, sondern auch das ihres nicht getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen (§ 19 Abs. 3 SGB XII). Gegen diese Berücksichtigung des Ehegatteneinkommens wendet sich die Klägerin vorrangig. Sie ist der Auffassung, aufgrund des durch die Verweisung auf das gesamte Elfte Kapitel des SGB XII ebenfalls in Bezug genommenen § 94 SGB XII sei ein Rückgriff auf das Einkommen ihres Ehemannes ausgeschlossen. Dieser komme seiner ehelichen Unterhaltsverpflichtung bereits in Form umfangreicher Betreuungs- und Pflegeleistungen nach. In einem solchen Fall bestehe kein weiterer Anspruch auf Unterhalt (als Geldleistung), wie auch das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg am 14. Januar 2010 entschieden habe. Diese Ansicht lässt jedoch die Systematik des SGB XII - und den Wortlaut des § 94 SGB XII - außer Acht. Zwischen dem privatrechtlichen Unterhalts- und dem öffentlich-rechtlichen Sozialhilferecht bestehen erhebliche Unterschiede, die auf einer bewussten gesetzgeberischen Entscheidung beruhen. Die vom OLG Oldenburg getroffene Entscheidung betrifft allein das private Unterhaltsrecht und ist vorliegend damit nicht einschlägig. Dies gilt insbesondere für den Rechtssatz, dass (im dortigen Fall) die Tochter den Unterhalt an ihre Mutter auch in Naturalform erbringen könne, also nicht zwingend Geld zu leisten habe. Darüber hinaus betreffen die von der Klägerin angeführten Entscheidungen jeweils Unterhaltsleistungen der Kinder an die Eltern, nicht Leistungen des Ehegatten. Dem SGB XII liegt eine andere Konzeption zugrunde:
Ausgangspunkt ist § 19 SGB XII, der in Abs. 1 bis 3 Einkommen der dort genannten Personen, insbesondere des nicht getrennt lebenden Ehegatten, unmittelbar als anzurechnendes Einkommen dem Hilfebedürftigen zuordnet (sog. Einsatzgemeinschaft). Diese Einsatzgemeinschaft und die damit verbundene Systematik der Einkommensberücksichtigung ist in § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII gleich ausgestaltet. Bei den von Abs. 3 erfassten Leistungen sind lediglich zusätzlich die Einschränkungen durch die weitergehenden Vorschriften über die Zumutbarkeit der Einkommensanrechnung nach dem Elften Kapitel zu beachten. Die Zumutbarkeit betrifft hingegen nicht die Frage der Art der Einkommensberücksichtigung, hier also die Zuordnung des Einkommens im Rahmen der Einsatzgemeinschaft unabhängig von zivilrechtlichen Unterhaltsvorschriften (Schoch in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 19 Rdnr. 44 i.V.m. 11 und 15 ff.; Münder in LPK-SGB XII, a.a.O., § 94 Rdnr. 3, 4; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. § 19 Rdnr. 14). Die von der Klägerin angeführte Kommentierung von H. Schellhorn, a.a.O., § 94 Rdnr. 46 (vgl. Bl. 3761 der Verwaltungsakte) besagt nichts anderes. Dort wird lediglich dargestellt, dass der zivilrechtlich Unterhaltspflichtige seinen Unterhalt durch eigene Pflegeleistung erbringen kann und der Sozialhilfeträger diesen dann nicht aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs in Anspruch nehmen kann, wenn Pflegegeld gezahlt wird. Die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes beruht aber gerade nicht auf der Unterhaltspflicht oder -leistung, sondern allein auf der gesetzlichen Anordnung im Rahmen der Einsatzgemeinschaft. Gleiches gilt daher für die von der Klägerin angeführte Regelung der Sozialhilferichtlinien Baden-Württemberg (im Folgenden SHR) 94.21. Zu berücksichtigen ist nach § 19 Abs. 3 i.V.m. §§ 82 ff. SGB XII nur das den dort näher geregelten, anzuerkennenden eigenen Bedarf übersteigende Einkommen (bereinigtes Einkommen). Das SGB XII stellt hier also gerade nicht auf zivilrechtliche Unterhaltsansprüche ab. Die Hilfebedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers, die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners und die Art der Unterhaltsgewährung nach den zivilrechtlichen Vorschriften sind ohne Bedeutung für die Einkommensberücksichtigung nach dem SGB XII. § 94 SGB XII steht zwar ebenfalls im Elften Kapitel, knüpft aber tatbestandlich an Unterhaltsansprüche des Hilfebedürftigen an, die im Rahmen der Einkommensanrechnung der sog. Einsatzgemeinschaft gerade keine Rolle spielen. Dies macht das Gesetz in § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auch selbst ausdrücklich deutlich, indem der Anspruchsübergang (also der Übergang von Unterhaltsansprüchen des Hilfebedürftigen auf den Sozialhilfeträger) ausgeschlossen ist, wenn die unterhaltspflichtige Person (hier Ehemann) zum Personenkreis des § 19 SGB XII gehört (nicht zum leistungsberechtigten Personenkreis, sondern zur Einsatzgemeinschaft). Damit berücksichtigt das Gesetz, dass das Einkommen bereits im Rahmen der Einsatzgemeinschaft angerechnet wird (Münder, a.a.O., § 94 Rdnr. 28; Armbruster in jurisPK-SGB XII § 94 Rdnr. 81). § 94 SGB XII findet also nach Wortlaut und Systematik keine Anwendung auf Personen der Einsatzgemeinschaft nach § 19 Abs. 3 SGB XII, hier des Ehemannes. Dass die Vorschrift Teil des Elften Kapitels und damit von der generellen Verweisung umfasst ist, steht dem nicht entgegen, da der Tatbestand bereits nicht erfüllt ist. Das Einkommen des Ehemannes der Klägerin ist daher zu berücksichtigen.
Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum über ein monatliches (Netto-)Einkommen in Form einer Rente wegen Erwerbsminderung i.H.v. EUR 979,88 sowie einer VBL-Rente i.H.v. EUR 258,79. Beiträge zu privaten Versicherungen sind bei ihr nicht angefallen. Aus den vorgelegten Kontoauszügen sind entsprechende Abbuchungen nicht ersichtlich. Die Klägerin hat hierzu auch nichts vorgetragen.
Das Einkommen des Ehegatten aus Erwerbstätigkeit belief sich nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (§ 82 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGB XII) auf EUR 1.608.-, was von den Beteiligten auch nicht in Abrede gestellt wird. Nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII sind weiter abzusetzen u.a. geförderte Altersvorsorgebeiträge nach § 82 des Einkommensteuergesetzes (EStG), soweit sie den Mindesteigenbeitrag nach § 86 EStG nicht überschreiten. Ein solcher Altersvorsorgevertrag (sog. Riester-Rente) besteht für JS; nach den vorgelegten Kontoauszügen zahlte er hierauf monatlich EUR 35,95. Damit wird zwar der Mindesteigenbetrag nicht erreicht. Auf die Abzugsfähigkeit nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII hat dies keine Auswirkungen, da die Vorschrift nur auf eine Beschränkung bei Überschreitung abstellt. Die Unterschreitung hat nur zur Folge, dass die Zulage gem. § 86 EStG gekürzt wird. Damit wird der Grund für die Abzugsfähigkeit nach sozialhilferechtlichen Maßstäben nicht in Frage gestellt. Abzuziehen sind auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII). Die vom Beklagten berücksichtigten Beträge für berufsbedingte Fahrkosten (EUR 130.-) und Werbungskosten (EUR 5,20) sind nicht zu beanstanden. Sie entsprechen den rechtlichen Vorgaben der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII in der Fassung vom 21. März 2005 (BGBl. I S. 818, (DVO)). Da JS unter Berücksichtigung seiner eigenen Behinderung für die Fahrten zur Arbeit auf das Kfz angewiesen ist, ist auch die entsprechende Haftpflichtversicherung (EUR 16,73 monatlich) abzusetzen. Diese ist nicht in der Kilometerpauschale enthalten (Brühl in LPK-SGB XII, a.a.O., § 82 Rdnr. 89; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. September 2009 - 4 Ta 7/09 - (juris)). Der Gewerkschaftsbeitrag ist nach § 3 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 DVO zu berücksichtigen (EUR 19,09 monatlich). Für die vom Beklagten angesetzte Versicherungspauschale gibt es hingegen im SGB XII und der DVO keine Rechtsgrundlage. Weitere private Versicherungen sind nicht vorgetragen und ergeben sich auch nicht aus den vorgelegten Kontoauszügen. Ein Freibetrag wegen Erwerbstätigkeit gem. § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ist nicht abzuziehen. Dieser ist ausdrücklich nur für Leistungen zum Lebensunterhalt (so schon § 76 Abs. 2a BSHG) und der Grundsicherung, nicht für andere Hilfearten wie die Hilfe zur Pflege vorgesehen. Auch zur Vermeidung von Unstimmigkeiten mit dem Recht des SGB II ist ein solcher Freibetrag nicht über die allgemeine Härteregelung des § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 9. Juni 2011 - B 8 SO 20/09 R - (juris)) einzuräumen. Zwar unterfiele der erwerbsfähige JS im Rahmen der Grundsicherung dem Recht des SGB II. Die hier streitigen Hilfen in besonderen Lebenslagen (Hilfe zur Pflege) sind im Leistungsrecht des SGB II jedoch nicht vorgesehen, so dass eine Verwerfung (Freibetrag nach dem SGB II, aber nicht im SGB XII) nicht entstehen kann. Das zu berücksichtigende Einkommen des JS beläuft sich mithin auf EUR 1.401,03 monatlich.
Als weiteres Einkommen ist das Kindergeld für die beiden volljährigen Kinder heranzuziehen, da die besondere Zuordnungsvorschrift des § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB XII nur für minderjährige, haushaltsangehörige Kinder gilt. Das Kindergeld ist mithin Einkommen des bezugsberechtigten Elternteils, hier des JS. Anderes ergäbe sich nur bei tatsächlicher Weitergabe an das Kind durch einen gesonderten, zweckorientierten Zuwendungsakt (zum Ganzen Brühl in LPK-SGB XII, 8. Aufl., § 82 Rdnr. 60). Da ein solcher hier nicht behauptet wird und aus den Akten nicht ersichtlich ist, hat der Beklagte das Kindergeld zu Recht in die Berechnung mit einbezogen. Im hier streitigen Zeitraum belief sich das Kindergeld auf je EUR 184.- monatlich für das 1. und 2. Kind. Somit sind monatlich weitere EUR 368.- zu berücksichtigen. Das monatliche Gesamteinkommen der Klägerin und des JS betrug mithin EUR 3.007,70.
Die Einkommensgrenze bestimmt sich nach § 85 Abs. 1 SGB XII: Bei der Hilfe nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist der nachfragenden Person und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner die Aufbringung der Mittel nicht zuzumuten, wenn während der Dauer des Bedarfs ihr monatliches Einkommen zusammen eine Einkommensgrenze nicht übersteigt, die sich ergibt aus 1. einem Grundbetrag in Höhe des zweifachen Eckregelsatzes (ab 1. Januar 2011 Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII), 2. den Kosten der Unterkunft, soweit die Aufwendungen hierfür den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang nicht übersteigen und 3. einem Familienzuschlag in Höhe des auf volle Euro aufgerundeten Betrages von 70 vom Hundert des Eckregelsatzes (ab 1. Januar 2011 der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII) für den nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und für jede Person, die von der nachfragenden Person, ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner überwiegend unterhalten worden ist oder für die sie nach der Entscheidung über die Erbringung der Sozialhilfe unterhaltspflichtig werden.
Die Kosten der Unterkunft beliefen sich durchgängig auf EUR 288,62. Ein Familienzuschlag ist zu gewähren nicht nur für den JS, sondern auch die von ihm und der Klägerin überwiegend unterhaltenen Kinder. Der Eckregelsatz 2010 belief sich auf EUR 359.- (70 v. H. hiervon, gerundet auf volle Euro: EUR 252.-). Für den Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 2011 gilt die Regelbedarfsstufe 1 i.H.v. EUR 364.- (70% hiervon, gerundet auf volle Euro: EUR 255.-). Unter Berücksichtigung des Grundbetrages (Ziffer 1) i.H.v. von EUR 718.- (bis 31. Dezember 2010) bzw. EUR 728.- ab 1. Januar 2011 liegt die Einkommensgrenze i.S.d. § 85 SGB XII vorliegend somit bei EUR 1.762,62 im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 und danach bei EUR 1.781,62, der Betrag über der Einkommensgrenze also im ersten Zeitraum bei EUR 1.245,08 und im zweiten bei EUR 1.226,08.
Dieser Einkommensüberhang ist nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nur "in angemessenem Umfang" - allerdings zwingend - einzusetzen; ein Ermessen des Sozialhilfeträgers auf Rechtsfolgenseite besteht nicht. Bei dem "angemessenen Umfang" handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der Behörde auch keinen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsebene einräumt, vielmehr der uneingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt (so schon Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) NVwZ 1990, 370 - zur Vorgängerregelung des § 84 BSHG - m.w.N.). Nach anderer Ansicht soll dem Sozialhilfeträger hingegen ein Beurteilungsspielraum zustehen, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich sei (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, a.a.O., § 87 Rdnr. 8 m.w.N.). Da der Gesetzgeber jedoch in § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Regelung des BSHG fortgeschrieben hat, wäre in Kenntnis der Rechtsprechung des BVerwG eine klarstellende Formulierung zu erwarten gewesen, wenn ein solcher Beurteilungsspielraum hätte geschaffen werden sollen. Da dies nicht erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Rechtsprechung akzeptiert hat.
Bei der Prüfung, welcher Umfang des Einkommenseinsatzes angemessen ist, sind insbesondere die Art des Bedarfs, die Art oder Schwere der Behinderung oder der Pflegebedürftigkeit, die Dauer und Höhe der erforderlichen Aufwendungen sowie besondere Belastungen der nachfragenden Person und ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen (§ 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII). Bei schwerstpflegebedürftigen Menschen nach § 64 Abs. 3 und blinden Menschen nach § 72 ist ein Einsatz des Einkommens über der Einkommensgrenze in Höhe von mindestens 60 vom Hundert nicht zuzumuten (Satz 3). Die Klägerin, die schwerstpflegebedürftig i.S.d. § 64 Abs. 3 SGB XII ist, erfüllt die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 Satz 3 SGB XII. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Satzes 3 sind mindestens 60 v. H. "des Einkommens über der Einkommensgrenze" freizulassen. Diese Freilassung errechnet sich daher nicht erst aus dem um besondere Belastungen nach Satz 2 weiter geminderten Betrag. Die Regelung des Satzes 3 bestimmt eine Höchstgrenze der Zumutbarkeit des Einkommenseinsatzes mit 40 v. H. des Einkommensüberhanges, bezogen auf die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII. Unter Zugrundelegung der übrigen Kriterien des § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII kann aber auch eine noch niedrigere Belastung in Betracht kommen ("mindestens"; ebenso vgl. Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 87 Rdnr. 24, 48 f.; Schoch, a.a.O., § 87 Rdnr. 14, der allerdings eine im Wortlaut des § 87 Abs. 1 SGB XII nicht angelegte Ermessensentscheidung annimmt). Das Gesetz regelt in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII, welche Kriterien bei der Bestimmung des angemessenen Umfanges insbesondere zu berücksichtigen sind, und schreibt in Satz 3 für eines dieser Kriterien eine verbindliche Mindestgrenze fest. Der in Satz 3 genannte Personenkreis wird durch die Art der Behinderung (blinde Menschen i.S.d. § 72 SGB XII) oder die Schwere der Behinderungsfolgen (Schwerstpflegebedürftige) bestimmt. Das Gesetz schreibt mithin einen Mindestfreibetrag bei besonderer und konkretisierter Ausprägung des in § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII genannten Kriteriums der "Art oder Schwere der Behinderung" vor. Sind die Voraussetzungen des Satzes 3 erfüllt, bildet dieser Freibetrag den Ausgangspunkt für die Bestimmung des angemessenen Umfanges. Aus den o.g. die Einkommensgrenze überschreitenden Beträgen ergibt sich demnach ein maximal einzusetzendes Einkommen für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 i.H.v. EUR 498,03 (40 v. H. von EUR 1.245,08) und ab dem 1. Januar 2011 i.H.v. EUR 490,43 (40 v. H. von 1.226,08).
Nach § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII sind u.a. besondere Belastungen der nachfragenden Person oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen zu berücksichtigen. Dazu gehören auch die in die Einsatzgemeinschaft einbezogenen Personen, auch wenn sie nicht unterhaltsberechtigt sind (Gutzler, a.a.O., § 87 Rdnr. 30; ebenso SHR 87.07). Gemeint sind insbesondere finanzielle Verpflichtungen, die über den normalen Lebensbedarf hinausgehen. Die weitere Berücksichtigung von besonderen Belastungen nach § 87 Abs. 1 Satz 2 SGB XII setzt zunächst voraus, dass diese nicht schon im Freibetrag nach Satz 3 typisierend enthalten sind. Davon ist bei besonderen Aufwendungen für Unterhaltsleistungen wie für die Ausbildung unterhaltsberechtigter Angehöriger (ebenso SHR 87.09 Nr. 2.2) auszugehen. Zu berücksichtigen sind daher die Aufwendungen der Klägerin und ihres Ehemannes an den studierenden Sohn und ab 1. September 2010 auch an die Tochter. Die Beträge von EUR 300.- an den Sohn und den etwas höheren an die auswärts wohnende Tochter von EUR 400.- sind nicht unangemessen. Insbesondere liegen sie noch unter den Höchstsätzen, die das BAföG für den hier streitigen Zeitraum vorsah. Die Klägerin hat dargelegt, dass beiden Kindern BAföG-Leistungen abgelehnt worden waren, da ihnen von ihrer Großmutter zu gleichen Teilen eine Eigentumswohnung übertragen worden war. Eine Verwertung ist ihnen jedoch derzeit nicht möglich, da die Großmutter aufgrund eines lebenslangen, unentgeltlichen Wohnrechtes die Wohnung noch nutzt. Die Berücksichtigung der elterlichen Leistungen zum Ausgleich der entfallenen BAföG-Leistungen als Abzugsbetrag bei der Einkommensanrechnung bei der hier streitigen Hilfe zur Pflege stellt keine versteckte Studienförderung durch Mittel der Sozialhilfe dar. Es geht allein um die Frage, inwieweit das Einkommen der Klägerin und ihres Ehemannes bereits durch anderweitige Belastungen gebunden ist. Das Studium der Kinder wird durch das tatsächlich vorhandene Einkommen der Eltern finanziert, nicht durch Sozialhilfeleistungen. Um eine doppelte Berücksichtigung zu vermeiden, können die Unterstützungsleistungen nur insoweit angerechnet werden, als ihnen nicht bereits durch den Familienzuschlag nach § 85 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII Rechnung getragen wurde (Gutzler, a.a.O., Rdnr. 28). Die Unterstützungsleistungen an den Sohn i.H.v. EUR 300.- monatlich können daher nur in einem Umfange von EUR 48.- monatlich für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2010 (EUR 300 - EUR 252) und danach i.H.v. EUR 45.- (EUR 300 - EUR 255) berücksichtigt werden, die an die Tochter für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2010 i.H.v. EUR 148.- sowie ab 1. Januar 2011 i.H.v. EUR 145.-.
Die in § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB XII enthaltene Aufzählung berücksichtigungsfähiger Umstände ist nicht abschließend ("insbesondere"). Zu berücksichtigen ist daher auch, inwieweit die Heranziehung von Einkommen den Erfolg der Hilfe gefährdet (vgl. Schoch, a.a.O., Rdnr. 7). Dies käme in Betracht, wenn die Gefahr bestünde, dass die weitergehende Berücksichtigung des Einkommens des Ehegatten diesen veranlassen könnte, seine Pflege der Klägerin nicht in bisherigem Umfange fortzuführen. Hier kann jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass der Beklagte der Klägerin bereits umfangreich weitere Hilfen zur Pflege leistet, insbesondere die Übernahme der Kosten der Sozialstation, soweit sie nicht durch die Pflegekasse gedeckt werden, oder die Übernahme der Kosten für die Nachbarschaftshilfe und die Betreuung durch den Schwager. Unter Berücksichtigung der dennoch vom Beklagten vorgenommenen weitgehenden Freistellung des Pflegegeldes von der Kürzung wegen dieser Leistungen nach § 66 Abs. 2 Satz 2 SGB XII (dazu unten) sieht der Senat dessen Erfolg durch die Anrechnung des Ehegatteneinkommens nicht in Frage gestellt.
Damit verbleibt ein heranzuziehendes Einkommen wie folgt: 1. Januar 2010 bis 30. September 2010: EUR 450,03 (EUR 498,03 - EUR 48) 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010: EUR 302,03 (EUR 498,03 - EUR 48 - EUR 148) 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011: EUR 300,43 (EUR 490,43 - EUR 45 - EUR 145)
Die Entscheidung des Beklagten, wegen der nach § 65 Abs. 1 SGB XII erbrachten Leistungen (Übernahme der undeckten Kosten der Sozialstation etc.) das Pflegegeld (nur) i.H.v. von 1/6 zu kürzen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Werden Leistungen nach § 65 Abs. 1 oder gleichartige Leistungen nach anderen Rechtsvorschriften erbracht, kann das Pflegegeld gem. § 66 Abs. 2 Satz 2 SGB XII um bis zu zwei Drittel gekürzt werden. Bei dieser Kürzung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Verwaltung ("kann"; Krahmer in LPK-SGB XII, a.a.O., § 66 Rdnr. 7; Meßling in juris-PK-SGB XII, § 66 Rdnr. 23). Der gerichtlichen Prüfung unterworfene Ermessensfehler (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG) liegen nicht vor. Auch die Klägerin macht solche nicht geltend. Vielmehr hat sie mit der Beschränkung des im Klageantrag begehrten monatlichen Betrages von EUR 570,81 (= 5/6 von EUR 685.-) gerade zum Ausdruck gebracht, dass sie die Entscheidung insoweit für zutreffend hält.
Unter Anrechnung der o.g. Einkommensbeträge steht der Klägerin daher im streitigen Zeitraum ein monatliches Pflegegeld wie folgt zu: 1. Januar 2010 bis 30. September 2010: EUR 120,78 (EUR 570,81 - EUR 450,03) 1. Oktober 2010 bis 31. Dezember 2010: EUR 268,78 (EUR 570,81 - EUR 302,03) 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011: EUR 270,38 (EUR 570,81 - EUR 300,43)
Die bereits gewährten Leistungen i.H.v. EUR 56,07 monatlich sind hierbei noch anzurechnen. Das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide waren daher entsprechend abzuändern. Ein höherer Anspruch steht der Klägerin hingegen nicht zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt insbesondere die Anteile des jeweiligen Obsiegens bzw. Unterliegens.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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