Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
55
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 55 AS 30011/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem Zufluss von zwei Monatsentgelten aus demselben Arbeitsverhältnis innerhalb eines Kalendermonats sind die Freibeträge nach §§ 11 Abs 2 Satz 2, 30 Satz 1 SGB II aF (nunmehr: § 11b Abs 2 und 3 SGB II) jeweils für jedes Monatsentgelt einzuräumen, sofern nicht Vergütungen aus mehreren Arbeitsverhältnissen oder Tätigkeiten bezogen werden und die Freibeträge erschöpfen.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2010 in der Form der Bescheide vom 31. August und 3. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 wird insoweit aufgehoben, als die Leistungsaufhebung für Januar 2010 und die Erstattungsforderung den Betrag von 166,80 EUR übersteigen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Beklagte hat der Klägerin deren außergerichtliche Kosten des Rechtsstreites zu einem Drittel zu erstatten. 4. Die Berufung wird zugunsten der Beklagten zugelassen
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Aufhebungsbescheid und eine Erstattungsforderung der Beklagten nach Zufluss von zwei Monatsgehältern während des Monats Januar 2010.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 11. September 2009 für den Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2010 Arbeitslosengeld II unter Anrechnung laufender Einkünfte der Klägerin. Sie setzte mit dem Änderungsbescheid vom 30. Dezember 2009 die Regelleistung für Januar 2010 auf 39,00 EUR und die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung auf 300,95 EUR fest.
In Absprache mit der Klägerin änderte der Arbeitgeber mit Wirkung zum Januar 2010 den regelmäßigen Auszahlungszeitpunkt für den Lohn. Erfolgte die Überweisung zunächst jeweils am Vierten des Folgemonats, sollte sie nunmehr zum 30. des laufenden Monats erfolgen. Dies führte dazu, dass im Januar 2010 sowohl der Lohn für Dezember 2009 als auch der Lohn für Januar 2010 dem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurden (am 04. und am 30.01.2010). Der Dezemberlohn hatte einen Umfang von 438,15 EUR und der Januarlohn von 426,85 EUR, jeweils brutto gleich netto. Das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt der Klägerin betrug 398,84 EUR zzgl eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung. Mit Änderungsbescheid vom 12. März 2010 setzte die Beklagte die Leistungen für die Monate Januar und Februar 2010 neu fest und gewährte dabei für Januar 2010 lediglich Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 66,65 EUR.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2010 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass für Januar 2010 eine Überzahlung von insgesamt 273,30 EUR eingetreten sei. Sie hob mit Bescheid vom 2. Juni 2010 die Bewilligung für Januar 2010 teilweise auf und forderte die Erstattung der Regelleistung von 39,00 EUR und von den Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 234,30 EUR, insgesamt 273,30 EUR. Dies begründete die Beklagte mit der Doppelzahlung des Arbeitsentgeltes für Dezember 2009 und Januar 2010. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei die Klägerin nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig gewesen, so dass die Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zu erfolgen habe.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 9. Juni 2010. Sie habe im Januar 2010 keine zwei Gehälter bezogen. Sie habe jeden Monat die Belege vorgelegt, aus denen sich die Auszahlungsdaten ergeben würden. Die Beklagte erließ am 31. August und am 3. September 2010 Änderungsbescheide, die hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung keine Änderungen beinhalteten. Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2010 zurück.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Klage vom 28. September 2010 weiter. Es könne nicht sein, dass die Beklagte für einen Leistungsmonat die Arbeitsentgelte für zwei Kalendermonate anrechne.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2010 in der Form der Bescheide vom 31. August und 3. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 aufzuheben.
Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, die Niederschrift und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat Anspruch auf teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 2. Juni 2010 in der Form der Bescheide vom 31. August und 3. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010. Dieser Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten soweit, als die Aufhebung und Erstattung einen höheren Betrag als 166,80 Euro betrifft, weil er insoweit gegen die Aufhebungsvorschriften der § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X verstößt. Die weitergehende Klage konnte keinen Erfolg haben, weil das im Januar 2010 zugeflossene Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung der Freibeträge im Zuflussmonat die Hilfebedürftigkeit um 166,80 Euro reduzierte.
Unbeachtlich ist, dass die Beklagte bereits mit Änderungsbescheid vom 12. März 2010 die Teilaufhebung vorgenommen hatte und dass dieser Änderungsbescheid von der Klägerin nicht angefochten wurde und daher an sich bestandskräftig war. Denn die Beklagte hat diesen Bescheid hinsichtlich des Leistungsumfanges für Januar 2010 durch den hier angefochtenen Bescheid vom 2. Juni 2010 vollständig ersetzt und ihre Entscheidung dadurch erneut der Anfechtbarkeit unterworfen.
Die Beklagte durfte die Bewilligung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X nicht im beschiedenen Umfang aufheben. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß Satz 2 Nr 3 der Vorschrift mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach Satz 3 der Regelung in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes. Diese Regelung zielt daher auf eine verschuldensunabhängige Aufhebung von einkommensabhängigen Leistungen, wie die der Grundsicherung nach dem SGB II, ohne weitere Prüfung von Vertrauensschutz. Wegen §§ 40 Abs 2 Nr 3 SGB II, 330 Abs 3 SGB III ist die Rechtsfolge zwingend.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift waren im Fall der Klägerin erfüllt, denn durch den Zufluss von zwei Monatslöhnen im Januar 2010 war eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Da es sich um erzieltes Einkommen handelte, wirkte die Änderung auf den Zeitpunkt des Anrechnungszeitraumes zurück, hier Januar 2010.
Die Notwendigkeit der Anrechnung der Arbeitsentgelte auf den Grundsicherungsbedarf der Klägerin nach §§ 19, 20 SGB II (in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) folgt aus §§ 9, 19 und 11 SGB II. Gemäß § 2 Abs 2 Arbeitslosengeld-II-VO (in der Fassung bis 31.12.2010) sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Diese Regelung ist von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als gesetzeskonform bestätigt. Die Regelung ist inzwischen in § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II (aktuelle Fassung) unmittelbar Gesetz. Laufende Einnahmen im Sinne dieser Vorschriften sind als deren Regelfall gerade die monatlichen Arbeitsentgelte.
Weil im Monat Januar 2010 sowohl das Arbeitsentgelt für den Dezember 2009 als auch dasjenige für den Monat Januar 2010 zufloss, denn sie wurden tatsächlich jeweils im Januar 2010 auf dem Konto der Klägerin gebucht, sind beide Arbeitslöhne auch im Zuflussmonat Januar 2010 anzurechnen. Insofern bestand für die Beklagte keinerlei Spielraum. Daher ist der angefochtene Bescheid insoweit auch nicht zu beanstanden. Das Ansinnen der Klägerin, nur einen Monatslohn anzurechnen, findet keinen Halt im Gesetz, das für sie und die Beklagte wie auch für das Gericht alleiniger Maßstab zu sein hat.
Durch die Anrechnung dieser beiden Monatslöhne im Monat Januar 2010 errechnete sich ein geringerer Leistungsbetrag. Diesen indes hat die Beklagte fehlerhaft bestimmt, weil sie die Freibeträge nach §§ 11 Abs 2 Satz 2, 30 Satz 1 SGB II (in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung: SGB II aF) zu Lasten der Klägerin falsch bemessen hat.
§ 11 Abs 2 Sätze 2 und 3 SGB II hatte vom 1. Januar 2007 bis 31.12.2010 folgende Fassung: "Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro, gilt Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt." Der Grundfreibetrag von 100 Euro tritt also bei einem monatlichen Bruttoeinkommen bis 400,00 Euro stets, bei einem höheren monatlichen Bruttoeinkommen vorbehaltlich nachgewiesener höherer tatsächlicher Aufwendungen an die Stelle der Freibeträge für gesetzlich nicht vorgeschriebene, aber angemessene Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen, für Altersvorsorgebeiträge und für die sogenannten Werbungskosten.
§ 30 Satz 1 SGB II hatte vom 1. Oktober 2005 bis 31.12.2010 folgenden Wortlaut: "Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 800 Euro beträgt, auf 20 vom Hundert und 2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200 Euro beträgt, auf 10 vom Hundert."
Aus Wortlaut, Systematik, Regelungsgeschichte und Regelungszweck dieser Freibetragsvorschriften folgert die Kammer, dass auch bei einem Zufluss von zwei Monatslöhnen aus demselben Arbeitsverhältnis innerhalb eines Kalendermonats die Freibeträge nach §§ 11 Abs 2 Satz 2, 30 Satz 1 SGB II aF (nunmehr: § 11b Abs 2 und 3 SGB II) jeweils für jeden Monatslohn, sofern nicht Entgelte aus mehreren Arbeitsverhältnissen oder Tätigkeiten bezogen werden und die Freibeträge erschöpfen, einzuräumen sind. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF, weil dort normiert wird, dass der Freibetrag von 100 EUR "monatlich abzusetzen" ist. Indes verweist bereits Satz 3 der Regelung auf den Charakter als monatliches Erwerbseinkommen. Diese Formulierung wird in § 30 Satz 1, insbesondere Nr 1, SGB II aF ausdrücklich aufgenommen. Monatliches Einkommen in diesem Sinne kann jedoch nur das jeweils monatlich erarbeitete und zu beanspruchende Arbeitsentgelt sein, unabhängig davon, wie es konkret ausgezahlt wird, wenn die Auszahlung monatlich zu erfolgen hat. Die Regelung des §§ 11 Abs 2 Satz 2 SGB II muss aus diesen Wortlautaspekten und der systematischen Einbettung daher so verstanden werden, dass der Freibetrag von 100 EUR auf jedes monatliche Einkommen anzuwenden ist.
Dies wird durch die Regelungsgeschichte und die gesetzgeberischen Motive bestätigt. Ziel der gesetzlichen Neuregelung der Pauschalabsetzung bei Erwerbstätigen nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF war es, die Freibetragsregelungen des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II zu vereinfachen und durch den – gegenüber dem bis 30. September 2005 geltenden Recht - in der Regel höheren Absetzbetrag verbesserte Anreize für eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich zu schaffen (vgl. BT-Drs 15/5446 S 1 und S 4; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 09.08.2007, L 7 AS 5695/06, JURIS-RdNr 27 mwN). Sinn und Zweck der weiteren Erwerbstätigenfreibeträge (§§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, 30 SGB II) ist es gleichfalls, einen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu schaffen (vgl. BT-Drs 15/5446 S 5; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 09.08.2007, L 7 AS 5695/06, JURIS-RdNr 27 mwN). Zudem hat insbesondere der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF die Funktion, die monatlichen aus den laufenden Einnahmen zu deckenden Aufwendungen, die mit der Erwerbstätigkeit verbunden oder im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit als angemessene Vorsorge zu begreifen sind, aus der Einkommensanrechnung auszuklammern, weil insofern die Hilfebedürftigkeit nicht reduziert wird. Einkünfte, die für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit unmittelbar oder als angemessene Vorsorgeaufwendungen ausgegeben werden müssen/sollen, stehen für die Sicherung des Lebensunterhaltes nicht zur Verfügung.
Der Anreizfunktion beider Freibeträge liefe es indes zuwider, wenn ihre Berücksichtigung sowie deren Ausmaß davon abhinge, ob die für die einzelnen Monate erbrachte Arbeitsleistung vom Arbeitgeber monatlich laufend oder im Einzelfall sogar vertragswidrig unregelmäßig erst mit Verzug im Folgemonat vergütet wird (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 09.08.2007, L 7 AS 5695/06, JURIS-RdNr 28 für den Fall einer Nachzahlung für vier Monate). Der Zeitpunkt der Arbeitsentgeltzahlung durch den Arbeitgeber, der regelmäßig nicht in der Hand des Hilfebedürftigen liegt, kann nicht maßgeblich dafür sein, ob und wie diese Freibeträge berücksichtigt werden (LSG Baden-Württemberg ebd). Bei unregelmäßigen Zahlungen durch den Arbeitgeber, bliebe es dem Zufall (durch Vertragsbruch des Arbeitgebers) überlassen, ob die Freibeträge monatlich wirksam werden oder nur reduziert in Monaten doppelter oder gar mehrfacher Zuflüsse. Die Funktion des Freibetrages von 100 Euro, für den erwerbstätigen Hilfesuchenden die mit der Tätigkeit verbundenen, monatlich anfallenden Kosten bei der Einkommensanrechung außer Acht zu lassen, weil sie zur Deckung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung stehen, könnte nicht monatlich bzw eben nur teilweise erfüllt werden, denn in den Monaten, in denen kein Einkommenszufluss erfolgt, kann der Freibetrag auch nicht abgesetzt werden. Nichts anderes gilt, wenn durch Umstellung der Zahlungsweise – wie im vorliegenden Fall – korrekt zwei Monatslöhne zufließen. Die mit der Einkommenserzielung notwendig verbundenen und angemessenen, typischerweise monatlichen Ausgaben müssen, weil insofern kein Hilfebedarf reduziert wird, für das monatliche Einkommen und eben nicht "monatlich" berücksichtigt werden. Dies gilt um so mehr für Leistungsberechtigte, deren monatliches Einkommen – wie bei der Klägerin – unter 400 Euro liegt und denen ein Nachweis höherer Ausgaben verwehrt ist, für die im Zuflussmonat ausgezahlten Monatsentgelte ein Ausgabennachweis für beide Monate also gesetzlich ausgeschlossen ist.
Daher ist im Falle der Klägerin für den Monat Januar 2010 der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF von 100 Euro also auf beide monatlichen Einkünfte und nicht nur einmal abzusetzen. Auch die Freibeträge nach § 30 Satz 1 SGB II aF sind für jedes monatliches Einkommen separat zu ermitteln. Daraus resultiert eine Erhöhung des Freibetrages um 100 Euro wegen § 11 Abs 2 Satz 2SGB II aF und von 6,50 Euro nach § 30 Satz 1 SGB II aF, weil die Beklagte auf einen Betrag von insgesamt 65,00 Euro einen Freibetrag von lediglich 10 Prozent statt 20 Prozent errechnete.
Unter Anwendung der um 106,50 Euro erhöhten Freibeträge reduziert sich das anzurechnende Einkommen um eben diesen Betrag und somit auch die Aufhebungs- und Erstattungssumme. In einem Umfang von 273,30 EUR – 106,50 Euro = 166,80 Euro hatte die Aufhebung zu erfolgen und musste die Beklagte gemäß § 50 Abs 1 SGB X Erstattung verlangen. Nur insoweit war der angefochtene Bescheid rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den anteiligen Erfolg der Rechtsverfolgung durch die Klägerin.
Die Berufung war zu Gunsten der Beklagten wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. Die Zulassung bezieht sich deshalb ausschließlich auf die Reduzierung der Aufhebungs- und Erstattungssumme durch Anwendung der Freibeträge nach §§ 11 Abs 2 Satz 2, 30 Satz 1 SGB II aF.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Aufhebungsbescheid und eine Erstattungsforderung der Beklagten nach Zufluss von zwei Monatsgehältern während des Monats Januar 2010.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 11. September 2009 für den Zeitraum von Oktober 2009 bis März 2010 Arbeitslosengeld II unter Anrechnung laufender Einkünfte der Klägerin. Sie setzte mit dem Änderungsbescheid vom 30. Dezember 2009 die Regelleistung für Januar 2010 auf 39,00 EUR und die Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung auf 300,95 EUR fest.
In Absprache mit der Klägerin änderte der Arbeitgeber mit Wirkung zum Januar 2010 den regelmäßigen Auszahlungszeitpunkt für den Lohn. Erfolgte die Überweisung zunächst jeweils am Vierten des Folgemonats, sollte sie nunmehr zum 30. des laufenden Monats erfolgen. Dies führte dazu, dass im Januar 2010 sowohl der Lohn für Dezember 2009 als auch der Lohn für Januar 2010 dem Konto der Klägerin gutgeschrieben wurden (am 04. und am 30.01.2010). Der Dezemberlohn hatte einen Umfang von 438,15 EUR und der Januarlohn von 426,85 EUR, jeweils brutto gleich netto. Das regelmäßige monatliche Arbeitsentgelt der Klägerin betrug 398,84 EUR zzgl eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung. Mit Änderungsbescheid vom 12. März 2010 setzte die Beklagte die Leistungen für die Monate Januar und Februar 2010 neu fest und gewährte dabei für Januar 2010 lediglich Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 66,65 EUR.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2010 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass für Januar 2010 eine Überzahlung von insgesamt 273,30 EUR eingetreten sei. Sie hob mit Bescheid vom 2. Juni 2010 die Bewilligung für Januar 2010 teilweise auf und forderte die Erstattung der Regelleistung von 39,00 EUR und von den Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 234,30 EUR, insgesamt 273,30 EUR. Dies begründete die Beklagte mit der Doppelzahlung des Arbeitsentgeltes für Dezember 2009 und Januar 2010. Mit den nachgewiesenen Einkommensverhältnissen sei die Klägerin nicht in bisher festgestellter und bewilligter Höhe hilfebedürftig gewesen, so dass die Aufhebung der Bewilligung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X zu erfolgen habe.
Dagegen wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 9. Juni 2010. Sie habe im Januar 2010 keine zwei Gehälter bezogen. Sie habe jeden Monat die Belege vorgelegt, aus denen sich die Auszahlungsdaten ergeben würden. Die Beklagte erließ am 31. August und am 3. September 2010 Änderungsbescheide, die hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung keine Änderungen beinhalteten. Sie wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2010 zurück.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren mit ihrer Klage vom 28. September 2010 weiter. Es könne nicht sein, dass die Beklagte für einen Leistungsmonat die Arbeitsentgelte für zwei Kalendermonate anrechne.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2010 in der Form der Bescheide vom 31. August und 3. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 aufzuheben.
Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kammer haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze, die Niederschrift und den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin hat Anspruch auf teilweise Aufhebung des angefochtenen Bescheides der Beklagten vom 2. Juni 2010 in der Form der Bescheide vom 31. August und 3. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010. Dieser Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten soweit, als die Aufhebung und Erstattung einen höheren Betrag als 166,80 Euro betrifft, weil er insoweit gegen die Aufhebungsvorschriften der § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X verstößt. Die weitergehende Klage konnte keinen Erfolg haben, weil das im Januar 2010 zugeflossene Arbeitsentgelt unter Berücksichtigung der Freibeträge im Zuflussmonat die Hilfebedürftigkeit um 166,80 Euro reduzierte.
Unbeachtlich ist, dass die Beklagte bereits mit Änderungsbescheid vom 12. März 2010 die Teilaufhebung vorgenommen hatte und dass dieser Änderungsbescheid von der Klägerin nicht angefochten wurde und daher an sich bestandskräftig war. Denn die Beklagte hat diesen Bescheid hinsichtlich des Leistungsumfanges für Januar 2010 durch den hier angefochtenen Bescheid vom 2. Juni 2010 vollständig ersetzt und ihre Entscheidung dadurch erneut der Anfechtbarkeit unterworfen.
Die Beklagte durfte die Bewilligung nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X nicht im beschiedenen Umfang aufheben. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß Satz 2 Nr 3 der Vorschrift mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt nach Satz 3 der Regelung in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes. Diese Regelung zielt daher auf eine verschuldensunabhängige Aufhebung von einkommensabhängigen Leistungen, wie die der Grundsicherung nach dem SGB II, ohne weitere Prüfung von Vertrauensschutz. Wegen §§ 40 Abs 2 Nr 3 SGB II, 330 Abs 3 SGB III ist die Rechtsfolge zwingend.
Die Voraussetzungen dieser Vorschrift waren im Fall der Klägerin erfüllt, denn durch den Zufluss von zwei Monatslöhnen im Januar 2010 war eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten. Da es sich um erzieltes Einkommen handelte, wirkte die Änderung auf den Zeitpunkt des Anrechnungszeitraumes zurück, hier Januar 2010.
Die Notwendigkeit der Anrechnung der Arbeitsentgelte auf den Grundsicherungsbedarf der Klägerin nach §§ 19, 20 SGB II (in der bis 31. Dezember 2010 geltenden Fassung) folgt aus §§ 9, 19 und 11 SGB II. Gemäß § 2 Abs 2 Arbeitslosengeld-II-VO (in der Fassung bis 31.12.2010) sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Diese Regelung ist von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung als gesetzeskonform bestätigt. Die Regelung ist inzwischen in § 11 Abs 2 Satz 1 SGB II (aktuelle Fassung) unmittelbar Gesetz. Laufende Einnahmen im Sinne dieser Vorschriften sind als deren Regelfall gerade die monatlichen Arbeitsentgelte.
Weil im Monat Januar 2010 sowohl das Arbeitsentgelt für den Dezember 2009 als auch dasjenige für den Monat Januar 2010 zufloss, denn sie wurden tatsächlich jeweils im Januar 2010 auf dem Konto der Klägerin gebucht, sind beide Arbeitslöhne auch im Zuflussmonat Januar 2010 anzurechnen. Insofern bestand für die Beklagte keinerlei Spielraum. Daher ist der angefochtene Bescheid insoweit auch nicht zu beanstanden. Das Ansinnen der Klägerin, nur einen Monatslohn anzurechnen, findet keinen Halt im Gesetz, das für sie und die Beklagte wie auch für das Gericht alleiniger Maßstab zu sein hat.
Durch die Anrechnung dieser beiden Monatslöhne im Monat Januar 2010 errechnete sich ein geringerer Leistungsbetrag. Diesen indes hat die Beklagte fehlerhaft bestimmt, weil sie die Freibeträge nach §§ 11 Abs 2 Satz 2, 30 Satz 1 SGB II (in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung: SGB II aF) zu Lasten der Klägerin falsch bemessen hat.
§ 11 Abs 2 Sätze 2 und 3 SGB II hatte vom 1. Januar 2007 bis 31.12.2010 folgende Fassung: "Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist an Stelle der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 ein Betrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Beträgt das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro, gilt Satz 2 nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige nachweist, dass die Summe der Beträge nach Satz 1 Nr. 3 bis 5 den Betrag von 100 Euro übersteigt." Der Grundfreibetrag von 100 Euro tritt also bei einem monatlichen Bruttoeinkommen bis 400,00 Euro stets, bei einem höheren monatlichen Bruttoeinkommen vorbehaltlich nachgewiesener höherer tatsächlicher Aufwendungen an die Stelle der Freibeträge für gesetzlich nicht vorgeschriebene, aber angemessene Beiträge zu öffentlichen und privaten Versicherungen, für Altersvorsorgebeiträge und für die sogenannten Werbungskosten.
§ 30 Satz 1 SGB II hatte vom 1. Oktober 2005 bis 31.12.2010 folgenden Wortlaut: "Bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die erwerbstätig sind, ist von dem monatlichen Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Betrag abzusetzen. Dieser beläuft sich 1. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 100 Euro übersteigt und nicht mehr als 800 Euro beträgt, auf 20 vom Hundert und 2. für den Teil des monatlichen Einkommens, das 800 Euro übersteigt und nicht mehr als 1.200 Euro beträgt, auf 10 vom Hundert."
Aus Wortlaut, Systematik, Regelungsgeschichte und Regelungszweck dieser Freibetragsvorschriften folgert die Kammer, dass auch bei einem Zufluss von zwei Monatslöhnen aus demselben Arbeitsverhältnis innerhalb eines Kalendermonats die Freibeträge nach §§ 11 Abs 2 Satz 2, 30 Satz 1 SGB II aF (nunmehr: § 11b Abs 2 und 3 SGB II) jeweils für jeden Monatslohn, sofern nicht Entgelte aus mehreren Arbeitsverhältnissen oder Tätigkeiten bezogen werden und die Freibeträge erschöpfen, einzuräumen sind. Dies folgt zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut von § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF, weil dort normiert wird, dass der Freibetrag von 100 EUR "monatlich abzusetzen" ist. Indes verweist bereits Satz 3 der Regelung auf den Charakter als monatliches Erwerbseinkommen. Diese Formulierung wird in § 30 Satz 1, insbesondere Nr 1, SGB II aF ausdrücklich aufgenommen. Monatliches Einkommen in diesem Sinne kann jedoch nur das jeweils monatlich erarbeitete und zu beanspruchende Arbeitsentgelt sein, unabhängig davon, wie es konkret ausgezahlt wird, wenn die Auszahlung monatlich zu erfolgen hat. Die Regelung des §§ 11 Abs 2 Satz 2 SGB II muss aus diesen Wortlautaspekten und der systematischen Einbettung daher so verstanden werden, dass der Freibetrag von 100 EUR auf jedes monatliche Einkommen anzuwenden ist.
Dies wird durch die Regelungsgeschichte und die gesetzgeberischen Motive bestätigt. Ziel der gesetzlichen Neuregelung der Pauschalabsetzung bei Erwerbstätigen nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF war es, die Freibetragsregelungen des § 11 Abs 2 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II zu vereinfachen und durch den – gegenüber dem bis 30. September 2005 geltenden Recht - in der Regel höheren Absetzbetrag verbesserte Anreize für eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich zu schaffen (vgl. BT-Drs 15/5446 S 1 und S 4; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 09.08.2007, L 7 AS 5695/06, JURIS-RdNr 27 mwN). Sinn und Zweck der weiteren Erwerbstätigenfreibeträge (§§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, 30 SGB II) ist es gleichfalls, einen Anreiz zur Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit zu schaffen (vgl. BT-Drs 15/5446 S 5; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 09.08.2007, L 7 AS 5695/06, JURIS-RdNr 27 mwN). Zudem hat insbesondere der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF die Funktion, die monatlichen aus den laufenden Einnahmen zu deckenden Aufwendungen, die mit der Erwerbstätigkeit verbunden oder im Hinblick auf die Erwerbstätigkeit als angemessene Vorsorge zu begreifen sind, aus der Einkommensanrechnung auszuklammern, weil insofern die Hilfebedürftigkeit nicht reduziert wird. Einkünfte, die für die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigkeit unmittelbar oder als angemessene Vorsorgeaufwendungen ausgegeben werden müssen/sollen, stehen für die Sicherung des Lebensunterhaltes nicht zur Verfügung.
Der Anreizfunktion beider Freibeträge liefe es indes zuwider, wenn ihre Berücksichtigung sowie deren Ausmaß davon abhinge, ob die für die einzelnen Monate erbrachte Arbeitsleistung vom Arbeitgeber monatlich laufend oder im Einzelfall sogar vertragswidrig unregelmäßig erst mit Verzug im Folgemonat vergütet wird (LSG Baden-Württemberg Urteil vom 09.08.2007, L 7 AS 5695/06, JURIS-RdNr 28 für den Fall einer Nachzahlung für vier Monate). Der Zeitpunkt der Arbeitsentgeltzahlung durch den Arbeitgeber, der regelmäßig nicht in der Hand des Hilfebedürftigen liegt, kann nicht maßgeblich dafür sein, ob und wie diese Freibeträge berücksichtigt werden (LSG Baden-Württemberg ebd). Bei unregelmäßigen Zahlungen durch den Arbeitgeber, bliebe es dem Zufall (durch Vertragsbruch des Arbeitgebers) überlassen, ob die Freibeträge monatlich wirksam werden oder nur reduziert in Monaten doppelter oder gar mehrfacher Zuflüsse. Die Funktion des Freibetrages von 100 Euro, für den erwerbstätigen Hilfesuchenden die mit der Tätigkeit verbundenen, monatlich anfallenden Kosten bei der Einkommensanrechung außer Acht zu lassen, weil sie zur Deckung des Lebensunterhalts nicht zur Verfügung stehen, könnte nicht monatlich bzw eben nur teilweise erfüllt werden, denn in den Monaten, in denen kein Einkommenszufluss erfolgt, kann der Freibetrag auch nicht abgesetzt werden. Nichts anderes gilt, wenn durch Umstellung der Zahlungsweise – wie im vorliegenden Fall – korrekt zwei Monatslöhne zufließen. Die mit der Einkommenserzielung notwendig verbundenen und angemessenen, typischerweise monatlichen Ausgaben müssen, weil insofern kein Hilfebedarf reduziert wird, für das monatliche Einkommen und eben nicht "monatlich" berücksichtigt werden. Dies gilt um so mehr für Leistungsberechtigte, deren monatliches Einkommen – wie bei der Klägerin – unter 400 Euro liegt und denen ein Nachweis höherer Ausgaben verwehrt ist, für die im Zuflussmonat ausgezahlten Monatsentgelte ein Ausgabennachweis für beide Monate also gesetzlich ausgeschlossen ist.
Daher ist im Falle der Klägerin für den Monat Januar 2010 der Freibetrag nach § 11 Abs 2 Satz 2 SGB II aF von 100 Euro also auf beide monatlichen Einkünfte und nicht nur einmal abzusetzen. Auch die Freibeträge nach § 30 Satz 1 SGB II aF sind für jedes monatliches Einkommen separat zu ermitteln. Daraus resultiert eine Erhöhung des Freibetrages um 100 Euro wegen § 11 Abs 2 Satz 2SGB II aF und von 6,50 Euro nach § 30 Satz 1 SGB II aF, weil die Beklagte auf einen Betrag von insgesamt 65,00 Euro einen Freibetrag von lediglich 10 Prozent statt 20 Prozent errechnete.
Unter Anwendung der um 106,50 Euro erhöhten Freibeträge reduziert sich das anzurechnende Einkommen um eben diesen Betrag und somit auch die Aufhebungs- und Erstattungssumme. In einem Umfang von 273,30 EUR – 106,50 Euro = 166,80 Euro hatte die Aufhebung zu erfolgen und musste die Beklagte gemäß § 50 Abs 1 SGB X Erstattung verlangen. Nur insoweit war der angefochtene Bescheid rechtmäßig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt den anteiligen Erfolg der Rechtsverfolgung durch die Klägerin.
Die Berufung war zu Gunsten der Beklagten wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zuzulassen. Die Zulassung bezieht sich deshalb ausschließlich auf die Reduzierung der Aufhebungs- und Erstattungssumme durch Anwendung der Freibeträge nach §§ 11 Abs 2 Satz 2, 30 Satz 1 SGB II aF.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved