L 4 AS 40/09

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 32 AS 1156/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 40/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Kostenersatz für die Erstausstattung seiner Wohnung.

Der im Jahr 1969 geborene, hilfebedürftige Kläger bezieht laufende Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Bis Oktober 2007 lebte er in einer Wohnung in H.-S ... Aus dieser zog er mit Zustimmung des Beklagten im November 2007 in die Wohnung H.-Straße in H ...

Ausweislich eines Aktenvermerks sprach die Mutter des Klägers am 19. Februar 2008 bei dem Beklagten vor und teilte mit, dass in der Wohnung des Klägers keine Küche vorhanden sei. Mit Fax vom selben Tage wurden folgende Einrichtungsgegenstände beantragt: Elektroherd, Spüle, Spülbeckenarmatur, Küchenschränke, Schlafzimmerschrank, Teppich im Schlafzimmer.

Bei einem Hausbesuch am 21. Februar 2008 stellte der Betreuungsdienst des Beklagten fest, dass drei Unterschränke und eine Spüle neu sowie ein Elektroherd gebraucht angeschafft worden seien. Gefrierschrank, Geschirrspüler und Waschmaschine seien bereits vorhanden. Der vorhandene Schlafzimmerschrank könne in das Wohnzimmer umgestellt werden, auch in Anbetracht der Schrägen im Schlafzimmer sei daher eine Neuanschaffung nicht notwendig. Der Bodenbelag im Schlafzimmer bestehe aus altem, verklebten PVC.

In der Folge wurden für den Kläger einige Rechnungen über angeschaffte Einrichtungsgegenstände vorgelegt. Darauf wird hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen.

Mit Bescheid vom 25. März 2008 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab mit der Begründung, dass die Wohnung bereits eingerichtet sei. Die entsprechenden Mittel seien von den Eltern des Klägers vorgestreckt worden; eine Erstattung sei insoweit ausgeschlossen, da Schulden nicht aus Mitteln der Grundsicherung übernommen werden könnten.

Der Widerspruch des Klägers vom 29. März 2008 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. April 2008 zurückgewiesen.

Mit seiner am 7. Mai 2008 erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass zum Zeitpunkt der Wohnungsübergabe in der Küche nur Wasser- und Herdanschluss vorhanden gewesen seien. An sämtlichen Einrichtungsgegenständen habe es in der Küche gefehlt. Der PVC-Boden im Schlafzimmer sei beschädigt und verschmutzt gewesen. Ein Schrank für das Schlafzimmer sei ebenfalls nicht vorhanden gewesen. Die Gegenstände seien erst nach Rücksprache mit dem Beklagten angeschafft worden. Die Eltern des Klägers hätten die Anschaffungen lediglich bevorschusst.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. Februar 2009 hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Bewilligung einer Beihilfe zu Erstausstattung seiner Wohnung insoweit neu zu entscheiden, als nach dem 19. Februar 2008 Aufwendungen für Teppichboden und Teppichleisten, einen Schlafzimmerschrank nebst Anlieferung und den Anschluss eines Herdes entstanden waren. Im Übrigen hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Wegen des Antragserfordernisses nach § 37 SGB II könne ein Anspruch des Klägers auf Wohnungserstausstattung nur in Bezug auf diejenigen Gegenstände bestehen, die nach der Antragstellung am 19. Februar 2008 angeschafft worden seien. Auch insoweit könne lediglich zur Neubescheidung verpflichtet werden, weil der Beklagte durchaus auch zur Festlegung eines Pauschalbetrages oder zur Gewährung einer Sachleistung berechtigt sei.

Gegen diesen ihm am 16. Februar 2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. März 2009 Berufung eingelegt. Er habe den Umzug mit dem Beklagten besprochen und sei dabei zu keiner Zeit darauf hingewiesen worden, dass eine Kostenübernahme für die Wohnungsausstattung nur in Betracht komme, wenn vorher ein Antrag gestellt werde. Bei einem Besuch der Mutter des Klägers bei dem Beklagten am 19. Februar 2008 habe sie – die Mutter – die Frage der Einrichtung angesprochen. Dabei sei sie darauf hingewiesen worden, dass eine Ersatzverpflichtung nur in Betracht komme, wenn ein entsprechender Antrag vorliegt. Diesen Antrag habe sie noch am selben Tag per Fax gestellt. Der Beklagte habe aber aus Besuchen des Klägers bereits zuvor gewusst, dass dieser eine neue Wohnung beziehen würde. Es sei dabei auch die Frage der Einrichtung angesprochen worden. Der Kläger sei zu keiner Zeit darüber belehrt worden, dass Anschaffungen nur bezuschusst würden, wenn ein vorheriger Antrag vorliege. Insoweit sei der Beklagte seiner Beratungsverpflichtung nicht nachgekommen, so dass der so genannte sozialrechtliche Herstellungsanspruch eingreife. Die unverzügliche Antragstellung am 19. Februar 2008 belege, dass der Kläger sich nach entsprechender Beratung jederzeit gesetzeskonform verhalten hätte. Im Übrigen bezweifelt der Kläger das Erfordernis eines vorherigen Antrags. Die entsprechende Vorschrift solle lediglich die Hilfebedürftigen vor übereilten Entscheidungen schützen, könne aber nicht als Anspruchshindernis verstanden werden.

Mit Bescheid vom 11. März 2009 hat der Beklagte dem Kläger aufgrund des Gerichtsbescheides vom 6. Februar 2009 einen Betrag i.H.v. 254,99 EUR bewilligt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2009 den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2008 aufzuheben sowie den Bescheid vom 11. März 2009 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Kosten für die Erstausstattung der Wohnung i.H.v. 1.261,78 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter erklärt.

Das Gericht hat in der öffentlichen Sitzung vom 27. Oktober 2011 die Mutter des Klägers zu den Absprachen mit dem Beklagten hinsichtlich des Umzugs des Klägers angehört. In der öffentlichen Sitzung vom 15. März 2012 das Gericht zudem den Mitarbeiter des Beklagten, den Zeugen M., zu demselben Gegenstand als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der Befragungen wird auf den Inhalt der Protokolle verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte des Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsbildung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden § 155 Abs. 3, 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Ersatz der Kosten der Ausstattung seiner Wohnung besitzt, soweit es um Aufwendungen vor dem 19. Februar 2008 geht (dazu 1.). Hinsichtlich der Aufwendungen nach dem 19. Februar 2008 hat der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 11. März 2009 rechtmäßig beschieden (dazu 2.).

1. Nach den Feststellungen des Senats hat der Kläger erst am 19. Februar 2008 erstmalig einen Antrag auf Übernahme der Erstausstattung seiner Wohnung gestellt. Ein zuvor gestellter Antrag ist aus der Akte nicht ersichtlich und hat sich auch aus den Bekundungen der Mutter des Klägers sowie des Zeugen M. nicht ergeben. Die Mutter des Klägers konnte sich vielmehr nicht erinnern, dass sie dem Beklagten den Bedarf an Erstausstattung schon vor dem 19. Februar 2008 angezeigt hatte. Auch der Zeuge M. konnte sich an ein entsprechendes Gespräch vor dem 19. Februar 2008 nicht erinnern; er hat zudem bekundet, dass er keinen Gesprächsvermerk betreffend eine Erstausstattung vor dem 19. Februar 2008 gefunden habe, obwohl es zu seiner Arbeitsweise gehöre, regelmäßig Gesprächsvermerke zu erstellen.

Leistungen nach dem SGB II werden aber nur auf Antrag und nicht für Zeiten vor der Antragstellung erbracht, § 37 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 SGB II. Diese gesetzliche Maßgabe steht Ersatzansprüchen für Anschaffungen vor dem Antrag vom 19. Februar 2008 entgegen. Zwar mag das Antragserfordernis durch den Meistbegünstigungsgrundsatz relativiert werden können; wenn es wie hier um Kostenerstattungsansprüche geht, kann das aber nicht durchschlagen.

Denn ein Bedarf an Erstausstattung war insoweit – nämlich hinsichtlich der vor dem 19. Februar 2008 angeschafften Erstausstattung – bereits deshalb entfallen, weil die Eltern des Klägers insoweit die Anschaffungen bereits getätigt hatten, bevor der Beklagte überhaupt Gelegenheit zur Kostenübernahme bekam. Mit der Sachzuwendung war der Bedarf gedeckt, und es war den Eltern des Klägers angesichts der zeitlichen Reihenfolge von Anschaffung und Antragstellung auch nicht darum gegangen, eine rechtswidrig vom Grundsicherungsträger abgelehnte Leistung eben wegen der Ablehnung bis zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes zu substituieren (vgl. BSG, Urt. v. 20.12.2011 - B 4 AS 46/11 R). Das hätte den Grundsicherungsträger nicht von seiner Leistungsverpflichtung entbunden; so liegt der Fall hier aber gerade nicht. Die Eltern des Klägers haben auch nicht lediglich darlehnsweise geholfen; eine Rückgewährverpflichtung des Klägers ist zu keinem Zeitpunkt vorgetragen worden und auch nicht sonstwie ersichtlich. Vielmehr hat der Kläger in der Klagschrift vorgetragen, dass seine Eltern die Anschaffungskosten bevorschusst hatten und den Erstattungsbetrag des Beklagten erhalten wollten. Darin ist keine Darlehnsabrede zu sehen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Denn ein Beratungsverschulden des Beklagten, das der Kläger geltend macht, ist nicht erkennbar. Vielmehr hat der Zeuge M. bekundet, dass er regelmäßig auch das Thema des Erstausstattungsanspruchs anspreche, wenn die Situation des Hilfebedürftige das nahelege – also wenn der Hilfebedürftige nichts mitbringen könne oder es sich um eine Erstwohnung handele. Der Kläger hat aber zuvor schon mehrere Jahre in einer Wohnung gelebt; eine Bedarfslage war bei ihm nicht ersichtlich und eine diesbezügliche Beratung nicht veranlasst.

2. Hinsichtlich der Aufwendungen nach dem 19. Februar 2008 hat der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 11. März 2009 rechtmäßig beschieden. Weder ist zu beanstanden, dass die Erstausstattung als Pauschalbetrag erbracht wird – § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II sieht das ausdrücklich vor –, noch, dass die Pauschalbeträge zu niedrig angesetzt wurden. Das hat der Kläger im Übrigen auch nicht weiter substantiiert angegriffen. Die Erstausstattung umfasst alle Gegenstände, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein menschenwürdiges Leben erforderlich sind (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 2.3.2009, L 19 AS 78/08; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.12.2008, L 2 B 449/08 AS ER). Der Hilfebedürftige kann auf die Anschaffung von Gebrauchtmöbeln verwiesen werden; dies entspricht durchaus den Lebensgewohnheiten gering verdienender Bevölkerungskreise (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 3.4.2008, L 19 AS 1116/06; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 14.2.2007, L 2 B 261/06 AS ER). Nach diesen Maßstäben sind die von dem Beklagten bewilligten Pauschalbeträge nicht zu beanstanden; sie entsprechen der einschlägigen fachlichen Weisung, die in nachvollziehbarer und einleuchtender Weise im Einzelnen die Bestandteile der Einrichtungspauschale aufgliedert und mit Einzelwerten belegt, die bei preisbewusstem Einkauf nach der Lebenserfahrung auskömmlich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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