Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 29 AS 714/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 314/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 39/12 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 abgeändert und die Klage in vollem Umfange abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Ersatzanspruch nach § 34 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II.
Der 1973 geborene Kläger ist seit 1996 verheiratet und hat ein am xx. xxx 2004 geborenes Kind. Wegen einer am 15. Juli 2003 begangenen Straftat wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 18. Oktober 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Aufgrund eines Haftbefehls wurde der Kläger am 17. Januar 2005 in Untersuchungshaft genommen.
Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 24. Januar 2005 gekündigt hatte, beantragte die Ehefrau am 15. Februar 2005 bei dem Beklagten Leistungen. Diese wurden mit Bescheid vom 9. März 2005 für die Zeit vom 15. Februar bis zunächst 31. März 2005 bewilligt und mit weiterem Bescheid vom 14. April 2005 für den Zeitraum April und Mai 2005.
Am 18. März 2005 wurde der Kläger aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit wurde letztlich mit Bescheid vom 16. Juni 2005 ab 22. März 2005 entsprochen (Sperrzeit vom 26. Januar 2005 bis 21. März 2005).
Mit Bescheid vom 14. April 2005 forderte der Beklagte von dem Kläger die Erstattung der Leistungen nach § 34 SGB II für die Zeit vom 15. Februar 2005 bis 19. April 2005 in Höhe von insgesamt 2.595,45 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 23. März 2006 wurde der Bescheid vom 14. April 2005 aufgehoben und die Erstattung auf den Zeitraum 15. Februar 2005 bis 21. März 2005 in Höhe von 1.477,41 EUR ermäßigt. Die Widersprüche des Klägers vom 27. April 2005 und 7. April 2006 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 zurückgewiesen. Der Erstattungsbetrag wurde nunmehr auf 1.513,34 EUR festgesetzt.
Hiergegen hat der Kläger am 31. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Er trägt vor, die Verhängung einer Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit schließe die Anwendung von § 34 SGB II aus. Außerdem habe er während seiner Untersuchungshaft nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Familie gelebt. Mit Urteil vom 24. Mai 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide des Beklagten hinsichtlich des Zeitraums vom 15. Februar 2005 bis 17. März 2005 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Während der Zeit der Untersuchungshaft habe der Kläger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinem Kind gelebt, so dass für diesen Zeitraum eine Anwendung des § 34 SGB II nicht in Betracht komme. Eine Bedarfsgemeinschaft habe erst wieder ab dem 18. März 2005 bestanden. Der Ersatzanspruch sei damit auf die Zeit vom 18. März 2005 bis 21. März 2005 beschränkt.
Gegen dieses dem Beklagten am 7. Juni 2011 zugestellte Urteil hat er am 20. Juni 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfüllung des Merkmals des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft sei der Zeitpunkt der Herbeiführung der Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit. Dabei sei im Falle des Klägers unbeachtlich, ob man auf den Zeitpunkt des Begehens der Straftat oder auf den Zeitpunkt der Inhaftnahme abstelle.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 abzuändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass im Zeitpunkt der Inhaftierung keine Bedarfsgemeinschaft bestanden habe, da er den Unterhalt für sich und seine Familie aus eigenem Erwerbseinkommen erzielt und die Familie keine Leistungen bezogen habe. Die Bedarfsgemeinschaft sei erst nach der Haftentlassung, also am 18. März 2005, entstanden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II liegen vor. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 war daher entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.
Nach § 34 SGB II in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung ist zum Ersatz der gezahlten Leistungen verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig
1. die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, oder
2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben,
ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat.
Nach dem Schutzzweck der Norm ist eine Haftung nach dieser Vorschrift nur dann gegeben, wenn das Verhalten, durch das die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen herbeigeführt werden, als sozialwidrig angesehen wird. Es handelt sich um einen quasi-deliktischen Ausnahmetatbestand. Dabei muss sich der Betroffene der Sozialwidrigkeit seines Verhaltens bewusst oder grob fahrlässig nicht bewusst sein (zu der insoweit gleichen Vorgängernorm § 92a BSHG vgl. BVerwG in: NDV 1977, 198). Als Fallgruppe eines solchen sozialwidrigen Verhaltens kommt auch die Verletzung der Unterhaltspflicht durch Herbeiführung von Untersuchungs- oder Strafhaft in Betracht (Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2007 – L 5 B 410/07 AS ER, L 5 B 410/07 m.w.Nw.).
Der Ersatzanspruch gegen den Verursacher richtet sich auf die Leistungen, die an ihn selber erbracht wurden sowie auf die Leistungen für die Personen, die im Zeitpunkt seines sozialwidrigen Verhaltens mit diesem in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft richtet sich nach § 7 Abs. 3 SGB II. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. im Folgenden Schwitzky in: LPK-SGB II, 2011, Rdnr. 11): "Zum einen wird ausgeführt, dass der Ersatzanspruch nur für den Zeitraum verlangt werden kann, in dem der Verursacher mit den Personen, deren Hilfebedürftigkeit er herbeigeführt hat, eine Bedarfsgemeinschaft bildet (Conradis a.a.O. Rdnr. 13). Die hiervon abweichende Auffassung stellt allein darauf ab, ob im Zeitpunkt des sozialwidrigen Verhaltens eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Verursacher und anderen Mitgliedern bestand (Link a.a.O. Rdnr. 8a). Danach kommt es für die Entstehung des Ersatzanspruchs nicht darauf an, ob die Bedarfsgemeinschaft nach Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit weiter fortbesteht. Im Grundsatz ist der zweitgenannten Interpretation (Link a.a.O.) zu folgen; dies ergibt sich bereits aus Abs. 1 S. 1. Die Auffassung, dass der Ersatzanspruch nur für Zeiträume des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft verlangt werden kann, übersieht, dass gerade in Folge der Auflösung einer Bedarfsgemeinschaft Hilfebedürftigkeit für deren Mitglieder sozialwidrig herbeigeführt werden kann." Dies hätte zur Folge, dass der Ersatzanspruch entgegen seines Normzweckes u.a. in solchen Konstellationen ins Leere gehen würde. Dies wäre jedoch zweckwidrig, da mit der Auflösung der Bedarfsgemeinschaft regelmäßig nicht die Kausalität für die Hilfebedürftigkeit der einstigen Mitglieder beseitigt wird; sie besteht auch darüber hinaus (Schwitzky a.a.O.). Die Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 und 3 SGB II betrifft die grundsätzliche Leistungsberechtigung nach dem SGB II. Sie wird nicht durch eine vorübergehende Abwesenheit (hier: Untersuchungshaft) aufgelöst. Unabhängig davon muss die Bedarfsgemeinschaft nur in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem das sozialwidrige Verhalten den Ersatz begründet hat (Peters in: Estelmann, SGB II, 2011, § 7 Rdnr. 26; Hölzer in: Estelmann a.a.O., Rdnr. 43) oder der Zeitpunkt der Herbeiführung der Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit (Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2008, § 34 Rdnr. 8a). Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.
Daraus folgt, dass sowohl im Zeitpunkt des sozialwidrigen Verhaltens des Klägers (Straftat im Jahre 2003) als auch im Zeitpunkt des Herbeiführens der Hilfebedürftigkeit (Untersuchungshaft Januar 2005) die Bedarfsgemeinschaft bestand und während der Haft auch fort bestand.
Auch die übrigen Voraussetzungen von § 34 SGB II sind erfüllt. Der volljährige Kläger hat durch seine strafbare Handlung ohne Weiteres sozialwidrig gehandelt, ohne dass ihm dafür ein wichtiger Grund zur Seite stand. Er hat auch zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten an den Tag gelegt, da für ihn vorhersehbar gewesen ist, dass sein Verhalten Hilfebedürftigkeit herbeiführt (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X) und dass er hierfür keinen wichtigen Grund hat. Soweit der Beklagte die Höhe der Kostenerstattung im Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 mit 1.513,34 EUR errechnet hat, ist dies vom Kläger nicht bestritten worden; Fehler sind auch nicht erkennbar.
Soweit der Kläger rügt, dass die Verhängung der Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit Ersatzansprüche nach § 34 SGB II ausschließt, folgt der Senat dieser Auffassung nicht, da die Vorschriften von § 144 SGB III – Sperrzeit - und § 34 SGB II – Ersatzanspruch - unterschiedliche Zielsetzungen haben. Dies wird auch durch die Vorschrift von § 31 Abs. 4 Nr. 3a und 3b SGB II untermauert (vgl. auch Conradis in: LPK-SGB II, § 34 Rdnr. 22; Brühl/Hofmann, Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des Sozialgesetzbuches II (SGB II), 2/2011, § 34, Anm. 34.7).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Ersatzanspruch nach § 34 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II.
Der 1973 geborene Kläger ist seit 1996 verheiratet und hat ein am xx. xxx 2004 geborenes Kind. Wegen einer am 15. Juli 2003 begangenen Straftat wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 18. Oktober 2004 zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt. Aufgrund eines Haftbefehls wurde der Kläger am 17. Januar 2005 in Untersuchungshaft genommen.
Nachdem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 24. Januar 2005 gekündigt hatte, beantragte die Ehefrau am 15. Februar 2005 bei dem Beklagten Leistungen. Diese wurden mit Bescheid vom 9. März 2005 für die Zeit vom 15. Februar bis zunächst 31. März 2005 bewilligt und mit weiterem Bescheid vom 14. April 2005 für den Zeitraum April und Mai 2005.
Am 18. März 2005 wurde der Kläger aus der Untersuchungshaft entlassen. Seinem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld bei der Bundesagentur für Arbeit wurde letztlich mit Bescheid vom 16. Juni 2005 ab 22. März 2005 entsprochen (Sperrzeit vom 26. Januar 2005 bis 21. März 2005).
Mit Bescheid vom 14. April 2005 forderte der Beklagte von dem Kläger die Erstattung der Leistungen nach § 34 SGB II für die Zeit vom 15. Februar 2005 bis 19. April 2005 in Höhe von insgesamt 2.595,45 EUR. Mit weiterem Bescheid vom 23. März 2006 wurde der Bescheid vom 14. April 2005 aufgehoben und die Erstattung auf den Zeitraum 15. Februar 2005 bis 21. März 2005 in Höhe von 1.477,41 EUR ermäßigt. Die Widersprüche des Klägers vom 27. April 2005 und 7. April 2006 wurden mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 zurückgewiesen. Der Erstattungsbetrag wurde nunmehr auf 1.513,34 EUR festgesetzt.
Hiergegen hat der Kläger am 31. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben. Er trägt vor, die Verhängung einer Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit schließe die Anwendung von § 34 SGB II aus. Außerdem habe er während seiner Untersuchungshaft nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Familie gelebt. Mit Urteil vom 24. Mai 2011 hat das Sozialgericht die Bescheide des Beklagten hinsichtlich des Zeitraums vom 15. Februar 2005 bis 17. März 2005 aufgehoben und im Übrigen die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Während der Zeit der Untersuchungshaft habe der Kläger nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit seiner Ehefrau und seinem Kind gelebt, so dass für diesen Zeitraum eine Anwendung des § 34 SGB II nicht in Betracht komme. Eine Bedarfsgemeinschaft habe erst wieder ab dem 18. März 2005 bestanden. Der Ersatzanspruch sei damit auf die Zeit vom 18. März 2005 bis 21. März 2005 beschränkt.
Gegen dieses dem Beklagten am 7. Juni 2011 zugestellte Urteil hat er am 20. Juni 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er ist der Auffassung, maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfüllung des Merkmals des Vorliegens einer Bedarfsgemeinschaft sei der Zeitpunkt der Herbeiführung der Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit. Dabei sei im Falle des Klägers unbeachtlich, ob man auf den Zeitpunkt des Begehens der Straftat oder auf den Zeitpunkt der Inhaftnahme abstelle.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 abzuändern und die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass im Zeitpunkt der Inhaftierung keine Bedarfsgemeinschaft bestanden habe, da er den Unterhalt für sich und seine Familie aus eigenem Erwerbseinkommen erzielt und die Familie keine Leistungen bezogen habe. Die Bedarfsgemeinschaft sei erst nach der Haftentlassung, also am 18. März 2005, entstanden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen für einen Ersatzanspruch nach § 34 SGB II liegen vor. Das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 24. Mai 2011 war daher entsprechend abzuändern und die Klage abzuweisen.
Nach § 34 SGB II in der bis 31. März 2011 geltenden Fassung ist zum Ersatz der gezahlten Leistungen verpflichtet, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig
1. die Voraussetzungen für seine Hilfebedürftigkeit oder die Hilfebedürftigkeit von Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben, oder
2. die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts an sich oder an Personen, die mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben,
ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat.
Nach dem Schutzzweck der Norm ist eine Haftung nach dieser Vorschrift nur dann gegeben, wenn das Verhalten, durch das die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen herbeigeführt werden, als sozialwidrig angesehen wird. Es handelt sich um einen quasi-deliktischen Ausnahmetatbestand. Dabei muss sich der Betroffene der Sozialwidrigkeit seines Verhaltens bewusst oder grob fahrlässig nicht bewusst sein (zu der insoweit gleichen Vorgängernorm § 92a BSHG vgl. BVerwG in: NDV 1977, 198). Als Fallgruppe eines solchen sozialwidrigen Verhaltens kommt auch die Verletzung der Unterhaltspflicht durch Herbeiführung von Untersuchungs- oder Strafhaft in Betracht (Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. Juli 2007 – L 5 B 410/07 AS ER, L 5 B 410/07 m.w.Nw.).
Der Ersatzanspruch gegen den Verursacher richtet sich auf die Leistungen, die an ihn selber erbracht wurden sowie auf die Leistungen für die Personen, die im Zeitpunkt seines sozialwidrigen Verhaltens mit diesem in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Die Zugehörigkeit zur Bedarfsgemeinschaft richtet sich nach § 7 Abs. 3 SGB II. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. im Folgenden Schwitzky in: LPK-SGB II, 2011, Rdnr. 11): "Zum einen wird ausgeführt, dass der Ersatzanspruch nur für den Zeitraum verlangt werden kann, in dem der Verursacher mit den Personen, deren Hilfebedürftigkeit er herbeigeführt hat, eine Bedarfsgemeinschaft bildet (Conradis a.a.O. Rdnr. 13). Die hiervon abweichende Auffassung stellt allein darauf ab, ob im Zeitpunkt des sozialwidrigen Verhaltens eine Bedarfsgemeinschaft zwischen Verursacher und anderen Mitgliedern bestand (Link a.a.O. Rdnr. 8a). Danach kommt es für die Entstehung des Ersatzanspruchs nicht darauf an, ob die Bedarfsgemeinschaft nach Herbeiführung der Hilfebedürftigkeit weiter fortbesteht. Im Grundsatz ist der zweitgenannten Interpretation (Link a.a.O.) zu folgen; dies ergibt sich bereits aus Abs. 1 S. 1. Die Auffassung, dass der Ersatzanspruch nur für Zeiträume des Bestehens einer Bedarfsgemeinschaft verlangt werden kann, übersieht, dass gerade in Folge der Auflösung einer Bedarfsgemeinschaft Hilfebedürftigkeit für deren Mitglieder sozialwidrig herbeigeführt werden kann." Dies hätte zur Folge, dass der Ersatzanspruch entgegen seines Normzweckes u.a. in solchen Konstellationen ins Leere gehen würde. Dies wäre jedoch zweckwidrig, da mit der Auflösung der Bedarfsgemeinschaft regelmäßig nicht die Kausalität für die Hilfebedürftigkeit der einstigen Mitglieder beseitigt wird; sie besteht auch darüber hinaus (Schwitzky a.a.O.). Die Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 und 3 SGB II betrifft die grundsätzliche Leistungsberechtigung nach dem SGB II. Sie wird nicht durch eine vorübergehende Abwesenheit (hier: Untersuchungshaft) aufgelöst. Unabhängig davon muss die Bedarfsgemeinschaft nur in dem Zeitpunkt vorliegen, in dem das sozialwidrige Verhalten den Ersatz begründet hat (Peters in: Estelmann, SGB II, 2011, § 7 Rdnr. 26; Hölzer in: Estelmann a.a.O., Rdnr. 43) oder der Zeitpunkt der Herbeiführung der Voraussetzungen der Hilfebedürftigkeit (Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2008, § 34 Rdnr. 8a). Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an.
Daraus folgt, dass sowohl im Zeitpunkt des sozialwidrigen Verhaltens des Klägers (Straftat im Jahre 2003) als auch im Zeitpunkt des Herbeiführens der Hilfebedürftigkeit (Untersuchungshaft Januar 2005) die Bedarfsgemeinschaft bestand und während der Haft auch fort bestand.
Auch die übrigen Voraussetzungen von § 34 SGB II sind erfüllt. Der volljährige Kläger hat durch seine strafbare Handlung ohne Weiteres sozialwidrig gehandelt, ohne dass ihm dafür ein wichtiger Grund zur Seite stand. Er hat auch zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten an den Tag gelegt, da für ihn vorhersehbar gewesen ist, dass sein Verhalten Hilfebedürftigkeit herbeiführt (vgl. § 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X) und dass er hierfür keinen wichtigen Grund hat. Soweit der Beklagte die Höhe der Kostenerstattung im Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2007 mit 1.513,34 EUR errechnet hat, ist dies vom Kläger nicht bestritten worden; Fehler sind auch nicht erkennbar.
Soweit der Kläger rügt, dass die Verhängung der Sperrzeit durch die Bundesagentur für Arbeit Ersatzansprüche nach § 34 SGB II ausschließt, folgt der Senat dieser Auffassung nicht, da die Vorschriften von § 144 SGB III – Sperrzeit - und § 34 SGB II – Ersatzanspruch - unterschiedliche Zielsetzungen haben. Dies wird auch durch die Vorschrift von § 31 Abs. 4 Nr. 3a und 3b SGB II untermauert (vgl. auch Conradis in: LPK-SGB II, § 34 Rdnr. 22; Brühl/Hofmann, Durchführungshinweise der Bundesagentur für Arbeit für die Anwendung des Sozialgesetzbuches II (SGB II), 2/2011, § 34, Anm. 34.7).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.
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