Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 34 KR 462/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 63/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2011 geändert. Dem Kläger wird für die Zeit ab 20.06.2011 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin X, E, beigeordnet.
Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 20.01.2011 und Widerspruchsbescheid vom 06.04.2011 forderte die Beklagte vom Kläger überzahltes Krankengeld für die Zeit vom 01.02.2010 bis 08.12.2010 in Höhe von 29.106 EUR zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 09.05.2011 erhobene Klage, am 20.06.2011 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 12.12.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er die Fehlerhaftigkeit der Höhe des ihm ausgezahlten Krankengeldes zumindest in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Der Kläger habe aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen sicher erkennen können, dass ihm ein Anspruch auf Krankengeld in Höhe des mehr als 2,5-fachen des von ihm vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten Nettoarbeitsentgeltes nicht zustehe.
Gegen diese dem Kläger am 19.12.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 26.01.2012 erhobene Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Für die Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussicht genügt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags eine nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit des Obsiegens besteht (BVerfG vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfG 81, 347; BVerfG vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07, NJW 2008 S. 1060; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008 § 73 a Rn. 7 und 7 a; st. Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 08.11.2010 - L 1 B 1/09 BK).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg:
Einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten ist § 45 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird nur in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Zwar dürfte die Beklagte insoweit zu Recht die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X angenommen haben, wonach der Begünstigte sich auf Vertrauen nicht berufen kann, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Höhe des überzahlten Krankengeldes für die Annahme grober Fahrlässigkeit spricht.
Jedoch fehlt es an der gem. § 45 Abs. 1 SGB X gebotenen Ermessensausübung. Diese ist nicht etwa entbehrlich, weil der Kläger sich gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann. Zwar wird in der Rechtsprechung des BSG teilweise vertreten, dass der Sozialleistungsträger das zu Unrecht Erlangte vom bösgläubigen Versicherten (ohne Ermessensausübung) zurückfordern müsse, es sei denn, dessen Haftung beruhe auf rechtlicher Zurechnung von Verschulden oder von Einkommen/Bereicherung Dritter (BSG, Urteil vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92, SozR 3-1300 § 50 Nr. 16, in diesem Sinne wohl auch BSG, Urteil vom 26.09.1990 - 9b/7 RAr 30/89, SozR 3-4100 § 155 Nr. 2 = BSGE 67, 232). Diese Meinung hat sich jedoch in dieser Form in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht durchgesetzt (BSG, Urteil vom 25.01.1995 - 8 RKn 11/93, SozR 3-1300 § 50 Nr. 17 = BSGE 75, 291) und wird auch in der Literatur abgelehnt (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, § 45 RNr. 91 m.w.N.). Zwar mag in besonders groben Fällen von Bösgläubigkeit im Sinne von betrügerischem Verhalten das Ermessen eingeschränkt oder auf Null reduziert sein. Eine verallgemeinernde Aussage dahingehend, dass in allen Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine Ermessensausübung nicht geboten sei, ist jedoch nicht möglich. Dies wäre bereits mit dem Wortlaut von § 45 Abs. 1 SGB X nicht zu vereinbaren. Die für das Recht der Arbeitsförderung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Sonderregelungen (§§ 330 Abs. 2 SGB III, 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) wären überflüssig. Die unterschiedliche Intensität des Verschuldens der verschiedenen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 bliebe unberücksichtigt (in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 24.01.1995 - 8 RKn 11/93).
Auch von der Beklagten wird nicht behauptet, dass die Überzahlung auf einem vorsätzlichen (betrügerischen) Verhalten des Klägers beruhe. Vielmehr ist die Überzahlung ausschließlich durch einen Fehler der Beklagten eingetreten. Damit musste die Beklagte Ermessen ausüben. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt. Sie hat keine Ermessenserwägungen angestellt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, kommt es auf den Inhalt des Bescheides, insbesondere seine Begründung an. Diese muss nicht nur erkennen lassen, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte, von denen sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Die Entscheidung muss eine durch den Zweck der Ermächtigung vorgeschriebene Abwägung und eine angemessene Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - deren Voraussetzungen ggfs. vorher ermittelt worden sind - enthalten (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84, SozR 1300 § 45 Nr. 19 = BSGE 59, 157; vgl. auch § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X). In Betracht kommende und von der Beklagten zu ermittelnde Ermessensgesichtspunkte sind beispielsweise besonders grobes Verschulden der Behörde ohne Verschulden des Betroffenen, eine aufgrund besonderer Umstände und nicht nur in der Höhe der Erstattungssumme liegende besondere Härte bei einer Rückforderung, besondere soziale Verhältnisse, wie die Unterstützung anderer Personen oder der Gesundheitszustand mit hohem zusätzlichen Versorgungsbedarf (hierzu näher Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage § 45 Rn. 90).
Im Bescheid vom 20.01.2011 finden sich keinerlei entsprechende Darlegungen. Der Widerspruchsbescheid vom 06.04.2011 enthält zum Thema Ermessen allein den Satz: "Bei der Ermessensabwägung kann aus diesem Grunde das gegen die Rücknahme sprechende Vertrauen nicht berücksichtigt werden." Dieser Satz ist eine Leerformel, der den gesetzlichen Anforderungen an die Ermessensausübung nicht gerecht wird.
Eine Ermessensausübung ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es hierfür im konkreten Fall an geeigneten Tatsachen fehlen würde (hierzu Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage § 45 Rn. 89). Die Überzahlung beruht auf einem allein durch die Beklagte zu vertretenden Verwaltungsfehler und hat eine insbesondere unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Klägers erhebliche Größenordnung. Der Kläger hat im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen, dass die Rückforderung für ihn eine besondere Härte bedeuten würde. Mindestens diesem Hinweis hätte die Beklagte im Wege der Amtsermittlung nachgehen müssen und die Ermittlungsergebnisse unter Berücksichtigung ihres eigenen Verschuldens in eine begründete Gesamtabwägung einstellen müssen.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt.
Die Beiordnung der Rechtsanwältin ist wegen der Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage geboten (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 20.01.2011 und Widerspruchsbescheid vom 06.04.2011 forderte die Beklagte vom Kläger überzahltes Krankengeld für die Zeit vom 01.02.2010 bis 08.12.2010 in Höhe von 29.106 EUR zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 09.05.2011 erhobene Klage, am 20.06.2011 hat der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Mit Beschluss vom 12.12.2011 hat das Sozialgericht den Antrag abgelehnt. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig, der Kläger könne sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er die Fehlerhaftigkeit der Höhe des ihm ausgezahlten Krankengeldes zumindest in Folge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Der Kläger habe aufgrund einfachster und naheliegender Überlegungen sicher erkennen können, dass ihm ein Anspruch auf Krankengeld in Höhe des mehr als 2,5-fachen des von ihm vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit erzielten Nettoarbeitsentgeltes nicht zustehe.
Gegen diese dem Kläger am 19.12.2011 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 26.01.2012 erhobene Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts.
Nach § 73 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Beteiligter, der aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig erscheint und hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Für die Bejahung der hinreichenden Erfolgsaussicht genügt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Antrags eine nicht ganz entfernt liegende Möglichkeit des Obsiegens besteht (BVerfG vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88, BVerfG 81, 347; BVerfG vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07, NJW 2008 S. 1060; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008 § 73 a Rn. 7 und 7 a; st. Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschluss vom 08.11.2010 - L 1 B 1/09 BK).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg:
Einzig in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage für die Entscheidung der Beklagten ist § 45 SGB X. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur unter den Einschränkungen der Abs. 2 - 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Gemäß § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X wird nur in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Zwar dürfte die Beklagte insoweit zu Recht die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X angenommen haben, wonach der Begünstigte sich auf Vertrauen nicht berufen kann, soweit er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder in Folge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Höhe des überzahlten Krankengeldes für die Annahme grober Fahrlässigkeit spricht.
Jedoch fehlt es an der gem. § 45 Abs. 1 SGB X gebotenen Ermessensausübung. Diese ist nicht etwa entbehrlich, weil der Kläger sich gem. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X nicht auf Vertrauen berufen kann. Zwar wird in der Rechtsprechung des BSG teilweise vertreten, dass der Sozialleistungsträger das zu Unrecht Erlangte vom bösgläubigen Versicherten (ohne Ermessensausübung) zurückfordern müsse, es sei denn, dessen Haftung beruhe auf rechtlicher Zurechnung von Verschulden oder von Einkommen/Bereicherung Dritter (BSG, Urteil vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92, SozR 3-1300 § 50 Nr. 16, in diesem Sinne wohl auch BSG, Urteil vom 26.09.1990 - 9b/7 RAr 30/89, SozR 3-4100 § 155 Nr. 2 = BSGE 67, 232). Diese Meinung hat sich jedoch in dieser Form in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht durchgesetzt (BSG, Urteil vom 25.01.1995 - 8 RKn 11/93, SozR 3-1300 § 50 Nr. 17 = BSGE 75, 291) und wird auch in der Literatur abgelehnt (Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage, § 45 RNr. 91 m.w.N.). Zwar mag in besonders groben Fällen von Bösgläubigkeit im Sinne von betrügerischem Verhalten das Ermessen eingeschränkt oder auf Null reduziert sein. Eine verallgemeinernde Aussage dahingehend, dass in allen Fällen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X eine Ermessensausübung nicht geboten sei, ist jedoch nicht möglich. Dies wäre bereits mit dem Wortlaut von § 45 Abs. 1 SGB X nicht zu vereinbaren. Die für das Recht der Arbeitsförderung und der Grundsicherung für Arbeitsuchende geltenden Sonderregelungen (§§ 330 Abs. 2 SGB III, 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II) wären überflüssig. Die unterschiedliche Intensität des Verschuldens der verschiedenen Tatbestände des § 45 Abs. 2 Satz 3 bliebe unberücksichtigt (in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 24.01.1995 - 8 RKn 11/93).
Auch von der Beklagten wird nicht behauptet, dass die Überzahlung auf einem vorsätzlichen (betrügerischen) Verhalten des Klägers beruhe. Vielmehr ist die Überzahlung ausschließlich durch einen Fehler der Beklagten eingetreten. Damit musste die Beklagte Ermessen ausüben. Diese Pflicht hat die Beklagte verletzt. Sie hat keine Ermessenserwägungen angestellt.
Für die Beurteilung der Frage, ob die Behörde von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, kommt es auf den Inhalt des Bescheides, insbesondere seine Begründung an. Diese muss nicht nur erkennen lassen, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung treffen wollte und getroffen hat, sondern auch diejenigen Gesichtspunkte, von denen sie bei der Ausübung des Ermessens ausgegangen ist. Die Entscheidung muss eine durch den Zweck der Ermächtigung vorgeschriebene Abwägung und eine angemessene Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls - deren Voraussetzungen ggfs. vorher ermittelt worden sind - enthalten (BSG, Urteil vom 14.11.1985 - 7 RAr 123/84, SozR 1300 § 45 Nr. 19 = BSGE 59, 157; vgl. auch § 35 Abs. 1 S. 3 SGB X). In Betracht kommende und von der Beklagten zu ermittelnde Ermessensgesichtspunkte sind beispielsweise besonders grobes Verschulden der Behörde ohne Verschulden des Betroffenen, eine aufgrund besonderer Umstände und nicht nur in der Höhe der Erstattungssumme liegende besondere Härte bei einer Rückforderung, besondere soziale Verhältnisse, wie die Unterstützung anderer Personen oder der Gesundheitszustand mit hohem zusätzlichen Versorgungsbedarf (hierzu näher Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage § 45 Rn. 90).
Im Bescheid vom 20.01.2011 finden sich keinerlei entsprechende Darlegungen. Der Widerspruchsbescheid vom 06.04.2011 enthält zum Thema Ermessen allein den Satz: "Bei der Ermessensabwägung kann aus diesem Grunde das gegen die Rücknahme sprechende Vertrauen nicht berücksichtigt werden." Dieser Satz ist eine Leerformel, der den gesetzlichen Anforderungen an die Ermessensausübung nicht gerecht wird.
Eine Ermessensausübung ist auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil es hierfür im konkreten Fall an geeigneten Tatsachen fehlen würde (hierzu Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage § 45 Rn. 89). Die Überzahlung beruht auf einem allein durch die Beklagte zu vertretenden Verwaltungsfehler und hat eine insbesondere unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse des Klägers erhebliche Größenordnung. Der Kläger hat im Widerspruchsverfahren darauf hingewiesen, dass die Rückforderung für ihn eine besondere Härte bedeuten würde. Mindestens diesem Hinweis hätte die Beklagte im Wege der Amtsermittlung nachgehen müssen und die Ermittlungsergebnisse unter Berücksichtigung ihres eigenen Verschuldens in eine begründete Gesamtabwägung einstellen müssen.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt.
Die Beiordnung der Rechtsanwältin ist wegen der Schwierigkeiten der Sach- und Rechtslage geboten (§ 121 Abs. 2 ZPO).
Der Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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