L 3 U 308/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 10 U 19/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 308/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass nur die Bescheide der Beklagten vom 14. und 15. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2007 aufgehoben werden. Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin, eine Jagdgenossenschaft, welche das Jagdausübungsrecht an Dritte verpachtet und selbst die Jagd nicht für eigene Rechnung durch angestellte Jäger ausüben lässt, wendet sich gegen einen Zuständigkeits- und Beitragsbescheid der Beklagten.

Die Beklagte stellte nach Anhörung der Klägerin ihr gegenüber mit Bescheid vom 14. November 2006 fest, dass die Beklagte seit dem 07. März 1992 der gesetzliche Unfallversicherungsträger für die gegen Arbeitsunfall Versicherten der Klägerin sei. Zur Begründung verwies die Beklagte auf § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und § 123 Abs. 1 Nr. 7 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Die Beklagte erhob mit Beitragsbescheid vom 15. November 2006 für die Jahre 2002 bis 2005 Beiträge in Höhe von jeweils 12,00 EUR. Die Klägerin erhob am 18. Dezember 2006 gegen beide Bescheide Widerspruch, welcher mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2007 zurückgewiesen wurde. In der Begründung heißt es u.a., Jagdgenossenschaften dienten ihrer Zweckrichtung nach dem Schutz und der Förderung der Landwirtschaft. Einerseits werde die Jagd gefördert, die selbst ein landwirtschaftliches Unternehmen darstelle. Andererseits gehe es den Jagdgenossenschaften um den Schutz der Landwirtschaft und Landeskultur. Letztlich schlössen Jagdgenossenschaften auch keine Siedlungsgebiete mit ein. Sie erstreckten sich vielmehr auf land- und forstwirtschaftliche Kulturflächen im Sinne der Steuergesetzgebung. Dies ergebe sich daraus, dass der praktische Nutzen der Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft darin liege, dass aus der Jagdpacht zusätzliche Betriebseinkünfte zuflössen, aus steuerlichen Gründen oftmals aus Teilen der Jagdpacht gemeinschaftlich Maschinen und Geräte angeschafft würden, die dann auch wieder für die einzelbetriebliche Nutzung zur Verfügung stünden, teilweise Beiträge aus der Jagdpacht auch für gemeinschaftliche Wegebaumaßnahmen eingesetzt würden, Jagdgenossenschaften sich um Biotopplanung kümmerten, weil durch eine optimale Biotopplanung eine höhere Jagdpacht zu erzielen sei und in vielen Fällen der Wildschadensausgleich über die Jagdgenossenschaft geregelt werde, zumindest dem Landwirt in Streitfällen bei der Interessenwahrnehmung assistiert werde.

Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 14. Februar 2007 zum Sozialgericht (SG) Frankfurt (Oder) erhobenen Klage weiterverfolgt. Sie hat darauf verwiesen, dass sich eine Zuständigkeit der Beklagten weder nach § 123 Abs. 1 Nr. 5 ("Jagden") noch aus § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII begründen lasse. Die Jagdgenossenschaft diene nicht, vor allem nicht unmittelbar und überwiegend, dem Schutz und der Förderung der Landwirtschaft, und es gehe ihr nicht um den Schutz der Landwirtschaft und Landeskultur, sondern der ausschließliche Zweck der Jagdgenossenschaft bestehe darin, die Jagdausübungsrechte der Mitglieder zu verwalten, an jagdausübungsberechtigte Personen weiterzugeben und damit sicherzustellen, dass gemeinschaftliche Jagdbezirke bejagt würden. Die Bejagung der gemeinschaftlichen Jagdbezirke wie die Jagd überhaupt diene nämlich nicht der Land- und Forstwirtschaft, sondern sie sei eine Nachhaltswirtschaft, die sogar weitgehend im Konflikt mit der Nachhaltswirtschaft Land- und Fortwirtschaft stehe. Dies ergebe sich aus § 1 des Bundesjagdgesetzes (BJagdG), wonach Ziel der Jagd die Erhaltung eines gesunden und artenreichen Wildbestandes sei.

Zwischenzeitlich ergingen Beitragsbescheide für die Jahre 2006 und 2007 vom 19. Februar 2007 bzw. 20. Februar 2008.

Das SG hat mit Urteil vom 30. September 2009 die Bescheide der Beklagten vom 14. und 15. November 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2007 sowie die Bescheide vom 19. Februar 2007 und 20. Februar 2008 aufgehoben. In verfahrensrechtlicher Hinsicht ist das SG davon ausgegangen, dass auch die Bescheide vom 19. Februar 2007 und 20. Februar 2008 nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden seien. In der Sache selbst hat es weder eine Zuständigkeit nach § 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII noch nach Nr. 7 der Vorschrift angenommen. § 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII sei nicht erfüllt, weil die Klägerin keine Jagd ausübe. § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII sei nicht erfüllt, weil aus den Zielen des BJagdG folge, dass die Jagdgenossenschaften nicht unmittelbar und überwiegend der Sicherung und Förderung der Landwirtschaft dienten. Zur Interpretation der Ziele des BJagdG hat sich das SG auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2006 – 1 BvR 2084/05 – bezogen, wonach das BJagdG einerseits der Ermöglichung des Jagdrechts und der Vermeidung von Wildschäden, andererseits auch der Wildhege und damit dem Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen diene. Gleichsam dienten die Jagdgenossenschaften in erster Linie der Wildhege zur Sicherung eines artenreichen Wildbestandes. Dass die Wildhege der Landwirtschaft zugute komme, indem die geordnete Ausübung der Jagd einen Schutz vor Wildschäden bewirke, sei die mittelbare, vom Gesetzgeber aber nicht unmittelbare Zielrichtung der Einrichtung von Jagdgenossenschaften gewesen. Schließlich spreche auch in systematischer Hinsicht gegen eine Einbeziehung der Jagdgenossenschaften in den Tatbestand von § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, dass die § 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII lediglich Jagden, nicht aber auch Jagdgenossenschaften einbezogen habe.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 12. November 2009 zugestellte Urteil am 24. November 2009 Berufung eingelegt. Sie verweist zur Untermauerung ihres bisherigen Vorbringens auf einen Vermerk der Rechtsvorgängerin des LSV-Spitzenverbandes zur unfallversicherungsrechtlichen Zuständigkeit für Jagdgenossenschaften vom 06. August 2001, eine Stellungnahme der Unfallkasse Sachsen-Anhalt zur berufsgenossenschaftlichen Zuständigkeit für Jagdgenossenschaften und eine Stellungnahme der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft zur berufgenossenschaftlichen Zuständigkeit für Jagdgenossenschaften. Sie ist überdies der Auffassung, dass die Beitragsbescheide vom 19. Februar 2007 und 20. Februar 2008 nicht Gegenstand vorliegenden Verfahrens geworden seien.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Sie verweist zur Untermauerung ihres Vorbringens auf ihre im Termin am 16. August 2012 vor dem Senat vorgelegte Satzung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Die Zurückweisung der Berufung ist indes unter die Maßgabe zu stellen, dass nur die Bescheide vom 14. und 15. November 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 15. Januar 2007 aufzuheben sind. Denn die weiteren Beitragsbescheide vom 19. Februar 2007 und 20. Februar 2008 sind weder nach der alten bis zum 31. März 2008 geltenden noch nach der seitdem geltenden neuen Fassung des § 96 SGG Gegenstand vorliegenden Verfahrens geworden. Denn beiden Fassungen ist gemein, dass nur ein Verwaltungsakt, der den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt, Gegenstand des Klageverfahrens wird. Dies ist bei den sich erst auf die späteren Beitragszeiten 2006 und 2007 beziehenden vorgenannten Bescheiden in Bezug auf den ursprünglichen, sich abschließend auf die Beitragsjahre 2002 bis 2005 beziehenden Bescheid vom 15. November 2006 gerade nicht der Fall.

Die ursprünglich angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeit der Beklagten für die Klägerin liegen nicht vor. Die Beklagte war und ist für die Klägerin nicht zuständig.

Zunächst kommt eine Zuständigkeit weder nach § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 der bis zum 31. Dezember 1996 gegoltenen RVO noch nach dem ab 01. Januar 1997 geltenden § 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII in Betracht, wonach die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften u.a. für die Unternehmen der Jagden zuständig sind.

Unternehmer sind alle natürlichen oder juristischen Personen, denen der Wert oder Unwert der in einem Betrieb verrichteten Arbeit unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht, m.a.W. welche das Unternehmensrisiko tragen (etwa Köhler, in: SGB VII – Gesetzliche Unfallversicherung, Lehr- und Praxiskommentar, 3. Aufl. 2011, § 136 Rn. 11). "Jagden" ist als Zusammenfassung all derjenigen Unternehmen zu sehen, in denen das Recht ausgeübt wird, in eigenen oder fremden Geländen wildlebende jagdbare Tiere zu hegen und zu erlegen (Diel, in: Hauck/ Noftz, Sozialgesetzbuch - Kommentar, SGB VII, 52. Lfg. VI/ 11, K § 123 Rn. 40). Die dabei versicherte Tätigkeit umfasst alle mit der Jagdausübung verbundenen Verrichtungen (Fangen und Erlegen jagdbarer Tiere, Bau und Instandhaltung von Hochsitzen und Jagdhütten, Wildfütterung und Bewirtschaftung von Wildäckern) (Köhler, a.a.O., § 123 Rn. 26). Jagdunternehmen sind mithin alle mit der Jagdausübung zusammenhängende Tätigkeiten einschließlich der damit zusammenhängenden Nebentätigkeiten, also nicht nur das Erlegen oder Fangen von Tieren, sondern zum Beispiel auf die Wildfütterung, der Bau und die Unterhaltung von Jagdhütten und Hochsitzen sowie die Waffenpflege (Schmitt, SGB VII – Gesetzliche Unfallversicherung, 1. Aufl. 1998, § 123 Rn. 20).

Hieran gemessen scheidet der Zuständigkeitstatbestand aus § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 bzw. § 123 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII aus. Dafür, dass die Klägerin die Jagd i.S.v. § 1 Abs. 4 BJagdG ausübt, wonach sich die Jagdausübung auf das Aufsuchen, Nachstellen, Erlegen und Fangen von Wild erstreckt, liegt nichts vor. Zwar steht die Ausübung des Jagdrechts nach § 8 Abs. 5 BJagdG und damit auch der Jagd als solchen in gemeinschaftlichen Jagdbezirken der Jagdgenossenschaft zu. Jedoch kommt eine Unternehmerstellung hier nicht Betracht, weil die Klägerin als Jagdgenossenschaft – wie gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 BJagdG in der Regel und tatsächlich unstreitig – die Jagd ausschließlich durch Verpachtung nutzt und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin die Jagd für eigene Rechnung durch angestellte Jäger ausüben lässt (vgl. § 10 Abs. 2 S. 1 BJagdG).

Auch kommt ein Zuständigkeitstatbestand weder für die Zeit bis zum 31. Dezember 1996 nach § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO bzw. für die Zeit danach nach § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII in Betracht. Nach § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO umfasst die landwirtschaftliche Unfallversicherung vorbehaltlich des § 644 RVO unter anderem Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft einschließlich der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung und ihrer Verbände (§ 539 Abs. 1 Nr. 5 RVO) und die in ihnen tätigen gegen Arbeitsunfall Versicherten. Nach § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII sind die landwirtschaftlichen Berufungsgenossenschaften u.a. für Unternehmen zuständig, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen.

Mindestanforderung sowohl von § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO als auch von § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII ist, dass es sich um ein Unternehmen handelt, dass seinem Ziel nach der Erhaltung, Unterstützung und Entwicklung der Landwirtschaft im weitesten Sinne dient (Ricke, a.a.O., § 123 Rn. 27). Landwirtschaft meint begrifflich Bodenbewirtschaftung; diese umfasst alle Tätigkeiten von nicht ganz kurzer Dauer, die dazu bestimmt sind, Bodengewächse überwiegend planmäßig aufzuziehen und abzuernten (grundlegend Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 31. Januar 1989 - RU 30/88 -, zitiert nach juris Rn. 14).

Ausgehend von der § 5 Abs. 1 der Satzung der Beklagten, wonach die Jagdgenossenschaft nach Maßgabe des geltenden Rechts unter eigener Verantwortung nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und unter Berücksichtigung der jagdlichen Belange alle Angelegenheiten, die sich aus dem Jagdrecht der ihr angehörenden Jagdgenossen ergeben, verwaltet, ist für die Zwecksetzung der Jagdgenossenschaft auf die Zwecksetzung des Jagdrechts abzustellen, welcher die Jagdgenossenschaft als Jagdrechtsausübungsberechtigte verpflichtet ist. Die Zwecksetzung des Jagdrechts ergibt sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 BJagdG, wonach das Jagdrecht die ausschließliche Befugnis ist, auf einem bestimmten Gebiet wildlebende Tiere, die dem Jagdrecht unterliegen, (Wild) zu hegen, auf sie die Jagd auszuüben und sie sich anzueignen, und aus § 1 Abs. 1 S. 2 BJagdG, wonach mit dem Jagdrecht die Pflicht zur Hege verbunden ist, wobei die Hege nach § 1 Abs. 2 S. 1 BJagdG die Erhaltung eines den landschaftlichen und landeskulturellen Verhältnissen angepassten artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung seiner Lebensgrundlagen zum Ziel hat. Soweit nach § 1 Abs. 2 S. 2 BJagdG die Hege so durchgeführt werden muss, dass Beeinträchtigungen einer ordnungsgemäßen land-, forst- und fischereiwirtschaftlichen Nutzung, insbesondere Wildschäden, möglichst vermieden werden, so ist in der Tat eine Schutz- und Förderungsfunktion zu erkennen und impliziert dies grundsätzlich eine Pflicht auch der Jagdgenossenschaften zum Interessenausgleich zwischen Jagdrecht und landwirtschaftlichen Interessen. Dies wird deutlich an der in § 21 Abs. 1 BJagdG enthaltenen Abschussregelung, wonach der Abschuss des Wildes zwar so zu regeln ist, dass die berechtigten Ansprüche der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft auf Schutz gegen Wildschäden voll gewahrt bleiben sowie die Belange von Naturschutz und Landschaftspflege berücksichtigt werden, jedoch im Vordergrund der jagdrechtlichen Zielsetzung steht, dass innerhalb der durch § 21 Abs. 1 S. 1 BJagdG gezogenen Grenzen die Abschussregelung dazu beitragen soll, dass ein gesunder Wildbestand aller heimischen Tierarten in angemessener Zahl erhalten bleibt und insbesondere der Schutz von Tierarten gesichert ist, deren Bestand bedroht erscheint. Die der Landwirtschaft so zugute kommende Schutzwirkung des BJagdG und damit auch eine entsprechend Zwecksetzung der Jagdgenossenschaften erschöpfen sich mithin im Wildschadensschutz, mithin nur und mittelbar in einem kleinen Ausschnitt der Gesamtheit der landwirtschaftlichen Belange.

Selbst wenn man hiernach noch überhaupt einen Schutz- und Förderungszweck der Jagdgenossenschaften zugunsten der Bodenbewirtschaftung erkennen wollte, so liegen jedoch die weitergehenden, für eine Zuständigkeit der Beklagten konstitutiven gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor.

So fällt die klägerische Jagdgenossenschaft zunächst einmal nicht unter den hier für die Zeit bis zum 31. Dezember 1996 einzig in Betracht zu ziehenden Zuständigkeitstatbestand nach § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO.

Als Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft i.S.v. § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO wurden – einzelfallbezogen - jedenfalls solche gesehen, die Kenntnisse auch für landwirtschaftliche Unternehmer vermitteln, die ein solcher Unternehmer in seinem Betrieb verwenden soll und kann (BSG, Urteil vom 23. November 1971 – 7/2 RU 63/69 -, zitiert nach juris Rn. 12). Aus dem Vergleich zwischen § 776 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 RVO und seinem zweiten Absatz folgt indes, dass das Unternehmen überwiegend auf den Schutz und die Förderung der Landwirtschaft gerichtet sein muss. § 776 Abs. 2 RVO enthält eine Verordnungsermächtigung dahingehend, dass auch andere als die in Absatz 1 genannten Unternehmen als landwirtschaftliche Unternehmen gelten, wenn sie überwiegend der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Garten- und Weinbaues, der Binnenfischerei oder der Imkerei dienen. Hieraus folgt, dass die die Landwirtschaft "unterstützenden" Unternehmen eine besondere Nähe zu diesen Tätigkeiten aufweisen müssen. § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO ist mithin kein bloßer Auffangtatbestand, durch welchen alle Unternehmen, die in der einen oder anderen Hinsicht nützlich für die Landwirtschaft sind, der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zugeordnet werden (Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 15. Mai 2003 – L 2 U 145/01 LW -, zitiert nach juris, Rn. 55 f.).

Hieran gemessen lässt sich die Jagdgenossenschaft nicht unter die Unternehmen nach § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO fassen. Es fehlt bereits am Überwiegen i.S.v. § 776 Abs. 2 RVO; es ist nichts dafür ersichtlich, dass mehr als die Hälfte der Tätigkeit, welche die klägerische Jagdgenossenschaft entfaltet, dem Schutz und der Förderung der Landwirtschaft dient. Soweit für die Zwecksetzung der Jagdgenossenschaft auch hier zunächst auf die Zwecksetzung des Jagdrechts abzustellen ist, so ergibt sich aus diesem nach dem oben Gesagten auch nichts dafür, dass die Jagdgenossenschaften und so auch die Klägerin den Unternehmensgegenständen des unmittelbaren Schutzes und der unmittelbaren Förderung der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugung und der Erzeugnisse, Baulichkeiten und sonstigen Betriebseinrichtungen zu dienen bestimmt sind. Dass die der Hege verpflichteten Jagdgenossenschaften im Wege der Wildschadensverhütung einen positiven Nebeneffekt oder Reflex zugunsten der Landwirtschaft bewirken, reicht für eine Zuständigkeit nach § 776 Abs. 1 Nr. 4 bis zum 31. Dezember 1996 nicht aus.

Es liegt ab 01. Januar 1997 auch keine Zuständigkeit nach § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII vor.

Während nun § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO zunächst seinem Wortlaut nach sämtliche Unternehmen zum Schutz und zur Förderung der Landwirtschaft einschließlich der landwirtschaftlichen Selbstverwaltung und ihrer Verbände umfasste, wurde diese Regelung - wie auch die übrigen Vorschriften des Dritten Buches der RVO - mit Wirkung vom 1. Januar 1997 durch Art. 35 Nr. 1 des Unfallversicherungs-Einordnungsgesetzes (UVEG) vom 7. August 1996 (BGBl. I 1254) aufgehoben und durch § 123 Abs. 1 Nr. 6 und 7 SGB VII ersetzt (Art. 36 UVEG). Nach näherer Maßgabe des § 123 Abs. 1 SGB VII sind die landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften für die Landwirtschaftskammern und die Berufsverbände der Landwirtschaft (Nr. 6) sowie für Unternehmen zuständig, die unmittelbar der Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft überwiegend dienen (Nr. 7). Die Unterschiede zwischen § 776 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 RVO und dem – im vorliegenden Fall allein in Betracht kommenden - § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII sind angesichts des veränderten Wortlauts nicht nur formaler und sprachlicher Art. Die Vorschriften unterscheiden sich vielmehr auch im Begrifflichen. Insbesondere fordert letztere Vorschrift im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin die Unmittelbarkeit und das Überwiegen der Sicherung, Überwachung und Förderung der Landwirtschaft. Zwar heißt es in der amtlichen Begründung zu § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, die Vorschrift entspreche dem geltenden Recht; ohne inhaltliche Änderung würden die hierdurch erfassten Unternehmen unter Berücksichtigung der Rechtsprechung konkreter beschrieben (BT-Drucks. 13/ 2204 S. 104). Abgesehen davon, dass bei der Auslegung von Rechtsnormen im Zweifel deren objektiver Erklärungsinhalt und nicht die Gesetzesmaterialien ausschlaggebend sind, ist zu der genannten Gesetzesbegründung festzustellen, dass auch eine Konkretisierung eine inhaltliche Änderung ist, weil sie die bei einer allgemein gehaltenen Formulierung möglichen weiten Auslegungen einer Vorschrift in der Regel einschränkt. § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII ist vom Wortlaut her mithin enger gefasst sei als die frühere Regelung in § 776 Abs. 1 Nr. 4 RVO (vgl. BSG, Beschluss vom 13. August 2002 – B 2 U 104/02 B -, zitiert nach juris Rn. 4). Vor diesem Hintergrund ist für § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII zu fordern, dass der Unternehmenszweck unmittelbar und überwiegend (mehr als die Hälfte) auf den fachlichen (technischen) landwirtschaftlichen Betrieb, also letztlich auf die landwirtschaftliche Erzeugung, nicht auch auf den kaufmännischen oder verwaltenden Teil ausgerichtet sein muss. So werden insbesondere Tier- und Pflanzenschutzverbände, Unternehmen zur Qualitätskontrolle und für Bodenuntersuchungen, landtechnische Beratung, Flurbereinigungsverbände, Unternehmen zur Be- und Entwässerung landwirtschaftlicher Flächen, Betriebshelferverbände (Maschinenringe), nicht aber Buchführungsbetriebe, Flurschadenschützer, Trichinenbeschauer und Hagelversicherer erfasst (etwa Diel, a.a.O., K § 123 Rn. 42).

Dies zugrunde gelegt ist erst recht keine Zuständigkeit für die Zeit ab 01. Januar 1997 unter der Geltung des nach überzeugender Auffassung des BSG enger gefassten § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII zu erkennen. Es ist nicht nur nichts dafür ersichtlich, dass die Tätigkeit der Jagdgenossenschaft zu mehr als der Hälfte auf die Sicherung, Überwachung oder Förderung der Landwirtschaft als solcher i.S.d. Bodenbewirtschaftung ausgerichtet ist, sondern es reicht auch ein sich nur mittelbar bzw. reflexhaft aus den Zielen des Jagdrechts ergebender Schutz- und Förderungszweck zugunsten der Landwirtschaft nicht aus.

Bei alldem lassen sich die Teilmerkmale "überwiegend" und "unmittelbar" nicht unter Hinweis darauf bejahen, dass die Jagdgenossenschaften offenbar ja allein schon den landwirtschaftlichen Unternehmen der "Jagden" i.S.v. § 123 Abs. 1 Nr. 5 BJagdG überwiegend und unmittelbar dienten. Denn das Gesetz differenziert begrifflich zwischen landwirtschaftlichen Unternehmen i.S.v. § 123 Abs. 1 vor Nr. 1 SGB VII, welche dann in Nr. 1 bis 7 von § 123 Abs. 1 SGB VII enumerativ aufgezählt werden, und dem Begriff der Landwirtschaft etwa i.S.v. § 123 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII, wo es ja gerade nicht heißt "Unternehmen, die unmittelbar den landwirtschaftlichen Unternehmen überwiegend dienen".

Da die Zuständigkeitsfeststellung rechtswidrig und der angefochtene Zuständigkeitsbescheid deshalb aufzuheben war, war der Beitragsbescheid vom 15. November 2006, mit welchem Beiträge für 2002 bis 2005 erhoben werden, mangels Zuständigkeit der Beklagten ebenfalls aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 Hs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), weil die Klägerin vollständig obsiegt hat.

Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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