Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 462/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 817/12 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Rechtsfrage, ob die Ungleichbehandlung solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld bis zu 300 € nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, und solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld vollständig auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG vereinbar ist, ist nach der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr klärungsbedürftig.
I. Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 24. Oktober 2012 betreffend die Ablehnung des Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
II. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in zwei verbundenen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden über die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in den Bewilligungszeiträumen 1. März 2012 bis 30. September 2012 und 1. April 2012 bis 30. September 2012 (verbundenes Verfahren S 16 AS 463/12). Die Klagen wurden mit Urteil vom 24. Oktober 2012 in erster Instanz abgewiesen.
Die Kläger waren schon im Widerspruchsverfahren durch ihre Prozessbevollmächtigten vertreten. In der Begründung der Widersprüche gegen die Bewilligungsbescheide vom 20. Februar 2012 und vom 3. April 2012 rügte der Prozessbevollmächtigte ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II. Das Elterngeld stelle keine Lohnersatzleistung dar und dürfe nicht angerechnet werden. Wegen des Ausscheidens des Klägers zu 3) aus der Bedarfsgemeinschaft hob die Beklagte den Bescheid vom 3. April 2012 auf und erließ einen Änderungsbescheid vom 9. Mai 2012 für den Zeitraum ab 1. Juni 2012. Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2012 als unbegründet zurückgewiesen.
In den am 13. Juni 2012 erhobenen Klagen (S 16 AS 462/12 und S 16 AS 463/12), die unter dem führenden Aktenzeichen S 16 AS 462/12 verbunden wurden, haben die Kläger, weiterhin anwaltlich vertreten, erstmals vorgetragen, die Berechnung der Regelbedarfe sei verfassungswidrig. Die Berechnung der Regelsätze aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 – RBEG - (BGBl. I S. 453 ff.) entspreche nicht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 aufgestellt habe und sei verfassungswidrig. Außerdem wird der Vortrag wiederholt, die Anrechnung des Elterngelds auf das Arbeitslosengeld II stelle eine nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung solcher Eltern, die Arbeitslosengeld II empfangen, gegenüber solchen Personen dar, welche vor der Geburt des Kindes ebenfalls kein Einkommen erzielt hätten, aber nicht auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen seien. Die Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2011 sei nicht mit der Verfassung vereinbar.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2012 hat das Sozialgericht Wiesbaden den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und dies mit der nicht hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage begründet. Hiergegen haben die Kläger am 26. November 2012 Beschwerde eingelegt.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Insbesondere ist es unschädlich, dass der Beschwerdeschriftsatz einen Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. Oktober 2012 bezeichnet. Aus der Beschwerdebegründung ist erkennbar, dass es sich um eine Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 24. Oktober 2012 handelt, der am 30. Oktober 2012 ausgefertigt wurde.
2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO).
a) Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z. B. Beschlüsse vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 - NJW-RR 2004, 1053 und vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07 - juris) auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Gebotes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) dahingehend auszulegen, dass eine Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes erreicht wird. Allerdings ist der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Davon ausgehend beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Erforderlichkeit und Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, also eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, das Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 - juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a Rdnr. 7 ff.).
Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist nicht bereits jede Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Vielmehr ist maßgeblich, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 29). Ist dies der Fall, muss die bedürftige Person die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren zu vertreten und ggf. Rechtsmittel einlegen zu können (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2001 - 1 BvR 1803/97 -, juris Rn. 9).
aa) Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in der ab 1. Januar 2011 geltenden und hier anzuwendenden Fassung, werden das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich in vollem Umfang berücksichtigt. Nur wenn der oder die Leistungsberechtigte nach dem SGB II, der oder die das Kind betreut, vor der Geburt erwerbstätig war, bleibt das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigten durchschnittlichen Einkommens aus der Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 EUR im Monat als Einkommen unberücksichtigt.
Nach § 11 Abs. 3a SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 2748), gültig vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010, war abweichend von den Absätzen 1 bis 3 des § 11 SGB II lediglich der Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge übersteigt, in voller Höhe zu berücksichtigen. In Höhe von 300 EUR blieben Leistungen nach dem BEEG im Rahmen des SGB II stets anrechnungsfrei, also auch dann, wenn der Leistungsberechtigte vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig war.
Die Rechtsfrage, ob die Anrechnung von zugeflossenem Elterngeld auf die Leistungen nach dem SGB II gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier ab 1. Januar 2011 maßgeblichen Fassung verfassungsgemäß ist, erscheint im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als nicht mehr klärungsbedürftig.
Die Kläger rügen eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber solchen Personen, die vor der Geburt des Kindes gleichfalls kein Einkommen erzielt haben, aber nicht auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Hier ist schon die im Rahmen einer Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG erforderliche Vergleichsgruppenbildung nicht tauglich. Leistungsberechtigte nach dem SGB II sind nicht vom Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen. § 11 SGB II regelt nicht einen Anspruchsausschluss, sondern die Anrechnung von Einkommen auf das Arbeitslosengeld II. Bei Personen, die keinen Anspruch auf Fürsorgeleistungen haben, kann es aber keine entsprechende Anrechnungsvorschrift geben.
Die Frage, ob die Ungleichbehandlung solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld bis zu 300 EUR nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, und solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld vollständig auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, erscheint nach der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht mehr klärungsbedürftig (vgl. kritisch zu dieser Rechtsprechung, soweit sie die Ausgestaltung des Anspruchs auf Elterngeld hinsichtlich Höhe und Dauer für verfassungsgemäß erklärt, Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Oktober 2011 – L 6 EG 16/08, juris).
In seinem Kammerbeschluss vom 16. März 2011 – 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08, juris zur Verfassungsmäßigkeit der leistungsmindernden Anrechnung einer Verletztenrente auf Leistungen nach dem SGB II hat das Bundesverfassungsgericht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont. Bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpften, habe der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber treffe, ob und in welchem Umfang das Vermögen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet werde. Für die Anrechnung von Einkommen gelte nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht habe deshalb nicht zu untersuchen, ob der Normgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat.
In seinem Kammerbeschluss zur Verfassungsmäßigkeit der leistungsmindernden Anrechnung von Kindergeld auf das Sozialgeld (Beschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 3163/09, juris) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es liege weder ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG vor, weil die Beschwerdeführer in diesem Verfahren durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld im Ergebnis staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe erhalten hatten, noch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber, der – ggf. aufgrund verfassungsrechtlicher Verpflichtung – Steuervergünstigungen gewähre, nicht dazu verpflichtet sei, diesen Vergünstigungen entsprechende Sozialleistungen solchen Personen und ihren Angehörigen zu gewähren, die kein zu versteuerndes Einkommen erzielen.
Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Beschluss zur Anrechenbarkeit des Kindergeldes sind im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des § 10 Abs. 5 BEEG zum 1. Januar 2011 aufgenommen worden. Es heißt dort (BR-Drucks. 532/10, S. 61 f.):
"Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes beim Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - (Arbeitslosengeld II), nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - und nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - (Kinderzuschlag) trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und der des Kindes im System der Grundsicherung durch die Regelsätze und die Zusatzleistungen, gegebenenfalls einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende, umfassend gesichert ist und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung des Kindes wird daher auch in diesen weitergehenden Leistungssystemen unterstützt. Die Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Berechnung der genannten Leistungen ist daher auch in den Wirkungen vertretbar. Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG wird grundsätzlich jedes Einkommen angerechnet. Insofern ist die Freistellung von bestimmten Einnahmen, wie zum Beispiel Elterngeldzahlungen, jeweils besonders rechtfertigungsbedürftig. Eine solche Rechtfertigung ist etwa bei den Erwerbstätigenfreibeträgen gegeben, mit denen ein Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet werden soll. Die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes im System der Grundsicherung vermeidet gerade auch im Vergleich der Berechtigten untereinander die Relativierung der durch die Erwerbstätigenfreibeträge bezweckten Anreizwirkung. und führt damit auch zu einer stärkeren Konturierung des differenzierten Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung."
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte die genauere Ausgestaltung der Regelung, das Elterngeld, soweit es als Ausgleich für Einkommen vor der Geburt gezahlt wird, zukünftig bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und beim Kinderzuschlag vollständig als Einkommen zu berücksichtigen, geprüft werden (BR-Drucks. 532/10, S. 62). Diese Prüfung führte zur Anfügung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG, der nur eine teilweise Anrechnung von Einkommen bei solchen Leistungsberechtigten nach dem SGB II vorsieht, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren und hieraus Einkommen erzielten. Die Besserstellung dieser Leistungsberechtigten gegenüber solchen Leistungsberechtigten nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren und hieraus kein Einkommen erzielten, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anrechenbarkeit des Kindergeldes gedeckt.
Das Bundesverfassungsgericht hat überdies in einem weiteren Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011 – 1 BvR 1853/11, juris, festgestellt, dass die Gestaltung des Elterngelds als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstoße. Die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im BEEG stelle gegenüber der Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) zwar einen Systemwechsel dar und nehme möglicherweise gesetzessystematisch eine Sonderstellung ein. Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngelds an das bisherige Erwerbseinkommen anzuknüpfen, sei von legitimen Zwecken getragen. Bei der Ausgestaltung der durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gebotenen Familienförderung kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, den er mit der hier mittelbar angegriffenen Regelung nicht überschritten hat.
Die vollständige Anrechnung des Elterngeldes auf die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II, soweit nicht vor der Geburt des Kindes Erwerbseinkommen erzielt wurde (§ 10 Abs. 5 Satz 1 und 2 BEEG), fügt sich nach allem systematisch in die vom Bundesverfassungsgericht gebilligte gesetzgeberische Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung ein.
Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten stellt sich vorliegend die Frage der Zulässigkeit der Neuregelung der Anrechenbarkeit des Elterngeldes nicht. In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2012 - 1 BvL 20/12 zur (unzulässigen) Richtervorlage zu § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG führt das Bundesverfassungsgericht aus (juris Rn. 39): "Nach den Gründen des Beschlusses vom 7. Dezember 2010 (1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90, 107) zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005, bewirkte die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe keine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe durch die Rechtsordnung keine Ausgestaltung erfahren, die über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinaus eine verfestigte Anspruchsposition begründet habe. Die Arbeitslosenhilfe sei vielmehr abschnittsweise und nur nach einer Neuprüfung der Anspruchsvoraussetzungen gewährt worden. Die einmal erfolgte Bewilligung habe weder in ihrem Verfügungssatz noch in den ihr zugrunde liegenden Feststellungen eine über den im Bescheid geregelten Zeitraum hinausgehende Rechtsposition zu begründen vermocht. Ein Recht, das durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, sei daher frühestens mit der jeweiligen Neu- oder Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe entstanden und habe sich nur auf die Zeit bis zum Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts bezogen. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, sei mangels hinreichender Konkretisierung kein solches geschütztes Recht. Denn die Verfassung gewähre keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft gebe es nicht." Streitgegenständlich sind auch in den vorliegenden Klageverfahren nur Bewilligungsabschnitte nach dem SGB II, die nach der Neuregelung der Anrechenbarkeit des Elterngeldes ab 1. Januar 2011 beginnen. Die Frage einer unechten Rückwirkung oder tatbestandlichen Rückanknüpfung stellt sich hier nicht.
Die Kläger haben nach allem hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II in den Bewilligungszeiträumen 1. März 2012 bis 30. September 2012 und 1. April 2012 bis 30. September 2012 keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Januar 2012 – L 12 AS 2089/11 B, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Oktober 2012 - L 14 AS 1607/12 NZB, juris). Die Klage hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg.
bb) Dagegen ist den Klagen bezüglich der Rüge der Verfassungswidrigkeit der Regelsatzhöhe eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abzusprechen.
Bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe in der Neugestaltung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453 ff.) handelt es sich um eine schwierige, bisher nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Mai 2012 - L 12 AS 1862/11 B, juris; Beschluss vom 12. Juli 2012 – L 7 AS 813/12 B, juris; Beschluss vom 6. August 2012 L 19 AS734/12 B, juris; LSG Hessen, Beschluss vom 6. November 2012 – L 6 AS 469/12 B, juris m.w.N.). Zwar liegt das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 189/11 R, juris zur Verfassungsmäßigkeit der § 19 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II vor. Letztlich wird jedoch das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben, ob der Gesetzgeber den von ihm postulierten hohen Anforderungen an die Ermittlung und Begründung der Regelbedarfe unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums gerecht geworden ist.
b) Die Rechtsverfolgung betreffend die Verfassungswidrigkeit der Regelsatzhöhe erscheint vorliegend indessen als mutwillig i.S.d. § 114 ZPO (zu einem Fall, in dem diese Frage offen gelassen wurde (LSG Hessen, Beschluss vom 6. November 2012 – L 6 AS 469/12 B, juris). Die Kläger haben, obwohl anwaltlich vertreten, im Widerspruchsverfahren nicht vorgetragen, sie hielten die Regelsätze für verfassungswidrig. In der Begründung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 3. April 2012 und 20. Februar 2012 rügt der Prozessbevollmächtigte zwar die Verfassungswidrigkeit der Anrechnung des Elterngeldes, aber noch nicht die Höhe der Leistungssätze für das Arbeitslosengeld II und Sozialgeld. Erst in den Klagen haben die Kläger erstmals vorgetragen, die Berechnung der Regelbedarfe sei verfassungswidrig. Sie haben sich dabei ausschließlich auf Argumente gestützt, die das SG Berlin in seinem Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12, juris, Rdnr. 84 ff.) vorgebracht hat (fehlerhafte, weil zirkuläre Festlegung von Referenzgruppen, zu niedrige Bemessung des Ansparbetrags für langlebige Gebrauchsgüter, fehlerhafte Ermittlung des Mobilitätsbedarfs, unzulässige Kürzung hinsichtlich bestimmter teilhaberelevanter Bedarfe wie Speisen und Getränke in Restaurants, Cafés und Imbissen, Kantinenversorgung, Schnittblumen). Hätten die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Berechnung der Regelbedarfe schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, hätte die Möglichkeit bestanden, das Verfahren zum Ruhen zu bringen, bis das Bundesverfassungsgericht über die genannte Vorlage des SG Berlin vom 25. April 2012 entschieden hat. Da die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Regelsätze im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren noch nicht rügten, bestand kein Anlass für die Beklagte, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen und unter Bezugnahme auf das Vorlageverfahren des SG Berlin ihrerseits das Ruhen des Widerspruchsverfahrens anzuregen. Die Kläger hätten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren einen einfacheren und kostengünstigen Weg gehabt, um ihr Anliegen vorzubringen (vgl. zu diesem Maßstab BSG, Beschluss vom 24. Mai 2000 – B 1 KR 4/99 BH). Ihre Klageerhebung mit völlig neuem, nachgeschobenem Vortrag, der in der Sache aber seit der Neuregelung der Leistungshöhe des Arbeitslosengeld II und des Sozialgeldes in der öffentlichen Diskussion war und spätestens mit dem Vorlagebeschluss des SG Berlin das Bundesverfassungsgericht erreichte, erscheint als mutwillig. Prozesskostenhilfe für die möglicherweise entbehrlichen Klageverfahren ist damit nicht zu gewähren.
Gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
II. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten in zwei verbundenen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Wiesbaden über die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in den Bewilligungszeiträumen 1. März 2012 bis 30. September 2012 und 1. April 2012 bis 30. September 2012 (verbundenes Verfahren S 16 AS 463/12). Die Klagen wurden mit Urteil vom 24. Oktober 2012 in erster Instanz abgewiesen.
Die Kläger waren schon im Widerspruchsverfahren durch ihre Prozessbevollmächtigten vertreten. In der Begründung der Widersprüche gegen die Bewilligungsbescheide vom 20. Februar 2012 und vom 3. April 2012 rügte der Prozessbevollmächtigte ausschließlich die Verfassungswidrigkeit der Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II. Das Elterngeld stelle keine Lohnersatzleistung dar und dürfe nicht angerechnet werden. Wegen des Ausscheidens des Klägers zu 3) aus der Bedarfsgemeinschaft hob die Beklagte den Bescheid vom 3. April 2012 auf und erließ einen Änderungsbescheid vom 9. Mai 2012 für den Zeitraum ab 1. Juni 2012. Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 1. Juni 2012 als unbegründet zurückgewiesen.
In den am 13. Juni 2012 erhobenen Klagen (S 16 AS 462/12 und S 16 AS 463/12), die unter dem führenden Aktenzeichen S 16 AS 462/12 verbunden wurden, haben die Kläger, weiterhin anwaltlich vertreten, erstmals vorgetragen, die Berechnung der Regelbedarfe sei verfassungswidrig. Die Berechnung der Regelsätze aufgrund des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 – RBEG - (BGBl. I S. 453 ff.) entspreche nicht den Vorgaben, die das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom 9. Februar 2010 aufgestellt habe und sei verfassungswidrig. Außerdem wird der Vortrag wiederholt, die Anrechnung des Elterngelds auf das Arbeitslosengeld II stelle eine nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung solcher Eltern, die Arbeitslosengeld II empfangen, gegenüber solchen Personen dar, welche vor der Geburt des Kindes ebenfalls kein Einkommen erzielt hätten, aber nicht auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen seien. Die Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II ab dem 1. Januar 2011 sei nicht mit der Verfassung vereinbar.
Mit Beschluss vom 24. Oktober 2012 hat das Sozialgericht Wiesbaden den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und dies mit der nicht hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage begründet. Hiergegen haben die Kläger am 26. November 2012 Beschwerde eingelegt.
II.
1. Die Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Insbesondere ist es unschädlich, dass der Beschwerdeschriftsatz einen Beschluss des Sozialgerichts Wiesbaden vom 30. Oktober 2012 bezeichnet. Aus der Beschwerdebegründung ist erkennbar, dass es sich um eine Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss vom 24. Oktober 2012 handelt, der am 30. Oktober 2012 ausgefertigt wurde.
2. Die Beschwerde ist aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG gelten für die Gewährung von Prozesskostenhilfe in sozialgerichtlichen Verfahren die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend. Danach ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf seinen Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 114 ZPO).
a) Der unbestimmte Rechtsbegriff der hinreichenden Erfolgsaussicht ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. z. B. Beschlüsse vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 - NJW-RR 2004, 1053 und vom 28. November 2007 - 1 BvR 68/07 - juris) auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und des Gebotes der Gewährung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) dahingehend auszulegen, dass eine Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes erreicht wird. Allerdings ist der Unbemittelte nur einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Davon ausgehend beurteilt das angerufene Gericht die Erfolgsaussicht regelmäßig ohne abschließende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitstoffes. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Erforderlichkeit und Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist, also eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, das Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe durchzusetzen (BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 2006 - 2 BvR 626/06 - juris; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 73a Rdnr. 7 ff.).
Wird eine Rechtsfrage aufgeworfen, die in der Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, muss Prozesskostenhilfe bewilligt werden. Klärungsbedürftig in diesem Sinn ist nicht bereits jede Rechtsfrage, die noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Vielmehr ist maßgeblich, ob die entscheidungserhebliche Rechtsfrage im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen schwierig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 - 2 BvR 94/88 -, juris Rn. 29). Ist dies der Fall, muss die bedürftige Person die Möglichkeit haben, ihren Rechtsstandpunkt im Hauptsacheverfahren zu vertreten und ggf. Rechtsmittel einlegen zu können (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 2001 - 1 BvR 1803/97 -, juris Rn. 9).
aa) Gemäß § 10 Abs. 5 Satz 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) in der ab 1. Januar 2011 geltenden und hier anzuwendenden Fassung, werden das Elterngeld und vergleichbare Leistungen der Länder sowie die nach § 3 BEEG auf das Elterngeld angerechneten Leistungen bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II grundsätzlich in vollem Umfang berücksichtigt. Nur wenn der oder die Leistungsberechtigte nach dem SGB II, der oder die das Kind betreut, vor der Geburt erwerbstätig war, bleibt das Elterngeld in Höhe des nach § 2 Abs. 1 BEEG berücksichtigten durchschnittlichen Einkommens aus der Erwerbstätigkeit vor der Geburt bis zu 300 EUR im Monat als Einkommen unberücksichtigt.
Nach § 11 Abs. 3a SGB II in der Fassung des Gesetzes zur Einführung des Elterngeldes vom 5. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 2748), gültig vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Dezember 2010, war abweichend von den Absätzen 1 bis 3 des § 11 SGB II lediglich der Teil des Elterngeldes, der die nach § 10 BEEG anrechnungsfreien Beträge übersteigt, in voller Höhe zu berücksichtigen. In Höhe von 300 EUR blieben Leistungen nach dem BEEG im Rahmen des SGB II stets anrechnungsfrei, also auch dann, wenn der Leistungsberechtigte vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig war.
Die Rechtsfrage, ob die Anrechnung von zugeflossenem Elterngeld auf die Leistungen nach dem SGB II gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der hier ab 1. Januar 2011 maßgeblichen Fassung verfassungsgemäß ist, erscheint im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als nicht mehr klärungsbedürftig.
Die Kläger rügen eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber solchen Personen, die vor der Geburt des Kindes gleichfalls kein Einkommen erzielt haben, aber nicht auf den Bezug von Arbeitslosengeld II angewiesen sind. Hier ist schon die im Rahmen einer Prüfung des Art. 3 Abs. 1 GG erforderliche Vergleichsgruppenbildung nicht tauglich. Leistungsberechtigte nach dem SGB II sind nicht vom Anspruch auf Elterngeld ausgeschlossen. § 11 SGB II regelt nicht einen Anspruchsausschluss, sondern die Anrechnung von Einkommen auf das Arbeitslosengeld II. Bei Personen, die keinen Anspruch auf Fürsorgeleistungen haben, kann es aber keine entsprechende Anrechnungsvorschrift geben.
Die Frage, ob die Ungleichbehandlung solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld bis zu 300 EUR nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, und solcher Leistungsberechtigter nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren und bei denen das Elterngeld vollständig auf das Arbeitslosengeld II angerechnet wird, erscheint nach der vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht nicht mehr klärungsbedürftig (vgl. kritisch zu dieser Rechtsprechung, soweit sie die Ausgestaltung des Anspruchs auf Elterngeld hinsichtlich Höhe und Dauer für verfassungsgemäß erklärt, Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. Oktober 2011 – L 6 EG 16/08, juris).
In seinem Kammerbeschluss vom 16. März 2011 – 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08, juris zur Verfassungsmäßigkeit der leistungsmindernden Anrechnung einer Verletztenrente auf Leistungen nach dem SGB II hat das Bundesverfassungsgericht den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers betont. Bei der Gewährung von Sozialleistungen, die an die Bedürftigkeit des Empfängers anknüpften, habe der Gesetzgeber grundsätzlich einen weiten Spielraum, wenn er Regelungen darüber treffe, ob und in welchem Umfang das Vermögen des Empfängers auf den individuellen Bedarf angerechnet werde. Für die Anrechnung von Einkommen gelte nichts anderes. Das Bundesverfassungsgericht habe deshalb nicht zu untersuchen, ob der Normgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat.
In seinem Kammerbeschluss zur Verfassungsmäßigkeit der leistungsmindernden Anrechnung von Kindergeld auf das Sozialgeld (Beschluss vom 11. März 2010 – 1 BvR 3163/09, juris) hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, es liege weder ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG vor, weil die Beschwerdeführer in diesem Verfahren durch das Kindergeld und das gekürzte Sozialgeld im Ergebnis staatliche Leistungen in der gesetzlich bestimmten Höhe erhalten hatten, noch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Gesetzgeber, der – ggf. aufgrund verfassungsrechtlicher Verpflichtung – Steuervergünstigungen gewähre, nicht dazu verpflichtet sei, diesen Vergünstigungen entsprechende Sozialleistungen solchen Personen und ihren Angehörigen zu gewähren, die kein zu versteuerndes Einkommen erzielen.
Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Beschluss zur Anrechenbarkeit des Kindergeldes sind im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung des § 10 Abs. 5 BEEG zum 1. Januar 2011 aufgenommen worden. Es heißt dort (BR-Drucks. 532/10, S. 61 f.):
"Die Aufhebung der Anrechnungsfreiheit des Elterngeldes beim Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - (Arbeitslosengeld II), nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - und nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - (Kinderzuschlag) trägt dem Umstand Rechnung, dass der Bedarf des betreuenden Elternteils und der des Kindes im System der Grundsicherung durch die Regelsätze und die Zusatzleistungen, gegebenenfalls einschließlich des Mehrbedarfszuschlags für Alleinerziehende, umfassend gesichert ist und dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet wird. Die vorübergehende Übernahme der Betreuung des Kindes wird daher auch in diesen weitergehenden Leistungssystemen unterstützt. Die Berücksichtigung des Elterngeldes bei der Berechnung der genannten Leistungen ist daher auch in den Wirkungen vertretbar. Bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und nach § 6a BKGG wird grundsätzlich jedes Einkommen angerechnet. Insofern ist die Freistellung von bestimmten Einnahmen, wie zum Beispiel Elterngeldzahlungen, jeweils besonders rechtfertigungsbedürftig. Eine solche Rechtfertigung ist etwa bei den Erwerbstätigenfreibeträgen gegeben, mit denen ein Anreiz zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit gewährleistet werden soll. Die vollständige Berücksichtigung des Elterngeldes im System der Grundsicherung vermeidet gerade auch im Vergleich der Berechtigten untereinander die Relativierung der durch die Erwerbstätigenfreibeträge bezweckten Anreizwirkung. und führt damit auch zu einer stärkeren Konturierung des differenzierten Anreiz- und Unterstützungssystems in der Grundsicherung."
Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte die genauere Ausgestaltung der Regelung, das Elterngeld, soweit es als Ausgleich für Einkommen vor der Geburt gezahlt wird, zukünftig bei Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII und beim Kinderzuschlag vollständig als Einkommen zu berücksichtigen, geprüft werden (BR-Drucks. 532/10, S. 62). Diese Prüfung führte zur Anfügung des § 10 Abs. 5 Satz 2 BEEG, der nur eine teilweise Anrechnung von Einkommen bei solchen Leistungsberechtigten nach dem SGB II vorsieht, die vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren und hieraus Einkommen erzielten. Die Besserstellung dieser Leistungsberechtigten gegenüber solchen Leistungsberechtigten nach dem SGB II, die vor der Geburt des Kindes nicht erwerbstätig waren und hieraus kein Einkommen erzielten, ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Anrechenbarkeit des Kindergeldes gedeckt.
Das Bundesverfassungsgericht hat überdies in einem weiteren Nichtannahmebeschluss vom 9. November 2011 – 1 BvR 1853/11, juris, festgestellt, dass die Gestaltung des Elterngelds als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung nicht gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 und 2 GG verstoße. Die einkommensabhängige Ausgestaltung des Elterngeldes im BEEG stelle gegenüber der Vorgängerregelung im Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) zwar einen Systemwechsel dar und nehme möglicherweise gesetzessystematisch eine Sonderstellung ein. Die gesetzgeberische Entscheidung, bei der Bemessung des Elterngelds an das bisherige Erwerbseinkommen anzuknüpfen, sei von legitimen Zwecken getragen. Bei der Ausgestaltung der durch Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gebotenen Familienförderung kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu, den er mit der hier mittelbar angegriffenen Regelung nicht überschritten hat.
Die vollständige Anrechnung des Elterngeldes auf die Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II, soweit nicht vor der Geburt des Kindes Erwerbseinkommen erzielt wurde (§ 10 Abs. 5 Satz 1 und 2 BEEG), fügt sich nach allem systematisch in die vom Bundesverfassungsgericht gebilligte gesetzgeberische Ausgestaltung des Elterngeldes als steuerfinanzierte Einkommensersatzleistung ein.
Unter Vertrauensschutzgesichtspunkten stellt sich vorliegend die Frage der Zulässigkeit der Neuregelung der Anrechenbarkeit des Elterngeldes nicht. In seinem Beschluss vom 5. Dezember 2012 - 1 BvL 20/12 zur (unzulässigen) Richtervorlage zu § 10 Abs. 5 Satz 1 BEEG führt das Bundesverfassungsgericht aus (juris Rn. 39): "Nach den Gründen des Beschlusses vom 7. Dezember 2010 (1 BvR 2628/07, BVerfGE 128, 90, 107) zur Abschaffung der Arbeitslosenhilfe zum 1. Januar 2005, bewirkte die Abschaffung der Arbeitslosenhilfe keine unechte Rückwirkung oder tatbestandliche Rückanknüpfung. Der Anspruch auf Arbeitslosenhilfe habe durch die Rechtsordnung keine Ausgestaltung erfahren, die über das Ende des jeweiligen Bewilligungsabschnitts hinaus eine verfestigte Anspruchsposition begründet habe. Die Arbeitslosenhilfe sei vielmehr abschnittsweise und nur nach einer Neuprüfung der Anspruchsvoraussetzungen gewährt worden. Die einmal erfolgte Bewilligung habe weder in ihrem Verfügungssatz noch in den ihr zugrunde liegenden Feststellungen eine über den im Bescheid geregelten Zeitraum hinausgehende Rechtsposition zu begründen vermocht. Ein Recht, das durch den Vertrauensschutzgrundsatz gegen seine nachträgliche Entwertung hätte geschützt werden können, sei daher frühestens mit der jeweiligen Neu- oder Weiterbewilligung der Arbeitslosenhilfe entstanden und habe sich nur auf die Zeit bis zum Ablauf des jeweiligen Bewilligungsabschnitts bezogen. Eine unabhängig vom Bewilligungsakt bestehende Erwartung der Betroffenen, sie würden, den Fortbestand der jeweiligen Rechtslage vorausgesetzt, in einer bestimmten zukünftigen Sachlage leistungsberechtigt sein, sei mangels hinreichender Konkretisierung kein solches geschütztes Recht. Denn die Verfassung gewähre keinen Schutz vor einer nachteiligen Veränderung der geltenden Rechtslage. Ein schützenswertes Vertrauen auf die voraussichtliche Ausgestaltung bestimmter Vorschriften in der Zukunft gebe es nicht." Streitgegenständlich sind auch in den vorliegenden Klageverfahren nur Bewilligungsabschnitte nach dem SGB II, die nach der Neuregelung der Anrechenbarkeit des Elterngeldes ab 1. Januar 2011 beginnen. Die Frage einer unechten Rückwirkung oder tatbestandlichen Rückanknüpfung stellt sich hier nicht.
Die Kläger haben nach allem hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Anrechnung des Elterngeldes auf das Arbeitslosengeld II in den Bewilligungszeiträumen 1. März 2012 bis 30. September 2012 und 1. April 2012 bis 30. September 2012 keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 4. Januar 2012 – L 12 AS 2089/11 B, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Oktober 2012 - L 14 AS 1607/12 NZB, juris). Die Klage hat insoweit keine Aussicht auf Erfolg.
bb) Dagegen ist den Klagen bezüglich der Rüge der Verfassungswidrigkeit der Regelsatzhöhe eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht abzusprechen.
Bei der Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelbedarfe in der Neugestaltung durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453 ff.) handelt es sich um eine schwierige, bisher nicht höchstrichterlich geklärte Rechtsfrage (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. Mai 2012 - L 12 AS 1862/11 B, juris; Beschluss vom 12. Juli 2012 – L 7 AS 813/12 B, juris; Beschluss vom 6. August 2012 L 19 AS734/12 B, juris; LSG Hessen, Beschluss vom 6. November 2012 – L 6 AS 469/12 B, juris m.w.N.). Zwar liegt das Urteil des Bundessozialgerichts vom 12. Juli 2012 – B 14 AS 189/11 R, juris zur Verfassungsmäßigkeit der § 19 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB II vor. Letztlich wird jedoch das Bundesverfassungsgericht zu entscheiden haben, ob der Gesetzgeber den von ihm postulierten hohen Anforderungen an die Ermittlung und Begründung der Regelbedarfe unter Berücksichtigung des Gestaltungsspielraums gerecht geworden ist.
b) Die Rechtsverfolgung betreffend die Verfassungswidrigkeit der Regelsatzhöhe erscheint vorliegend indessen als mutwillig i.S.d. § 114 ZPO (zu einem Fall, in dem diese Frage offen gelassen wurde (LSG Hessen, Beschluss vom 6. November 2012 – L 6 AS 469/12 B, juris). Die Kläger haben, obwohl anwaltlich vertreten, im Widerspruchsverfahren nicht vorgetragen, sie hielten die Regelsätze für verfassungswidrig. In der Begründung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 3. April 2012 und 20. Februar 2012 rügt der Prozessbevollmächtigte zwar die Verfassungswidrigkeit der Anrechnung des Elterngeldes, aber noch nicht die Höhe der Leistungssätze für das Arbeitslosengeld II und Sozialgeld. Erst in den Klagen haben die Kläger erstmals vorgetragen, die Berechnung der Regelbedarfe sei verfassungswidrig. Sie haben sich dabei ausschließlich auf Argumente gestützt, die das SG Berlin in seinem Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG vom 25. April 2012 (S 55 AS 9238/12, juris, Rdnr. 84 ff.) vorgebracht hat (fehlerhafte, weil zirkuläre Festlegung von Referenzgruppen, zu niedrige Bemessung des Ansparbetrags für langlebige Gebrauchsgüter, fehlerhafte Ermittlung des Mobilitätsbedarfs, unzulässige Kürzung hinsichtlich bestimmter teilhaberelevanter Bedarfe wie Speisen und Getränke in Restaurants, Cafés und Imbissen, Kantinenversorgung, Schnittblumen). Hätten die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Regelungen zur Berechnung der Regelbedarfe schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, hätte die Möglichkeit bestanden, das Verfahren zum Ruhen zu bringen, bis das Bundesverfassungsgericht über die genannte Vorlage des SG Berlin vom 25. April 2012 entschieden hat. Da die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Regelsätze im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren noch nicht rügten, bestand kein Anlass für die Beklagte, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen und unter Bezugnahme auf das Vorlageverfahren des SG Berlin ihrerseits das Ruhen des Widerspruchsverfahrens anzuregen. Die Kläger hätten im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren einen einfacheren und kostengünstigen Weg gehabt, um ihr Anliegen vorzubringen (vgl. zu diesem Maßstab BSG, Beschluss vom 24. Mai 2000 – B 1 KR 4/99 BH). Ihre Klageerhebung mit völlig neuem, nachgeschobenem Vortrag, der in der Sache aber seit der Neuregelung der Leistungshöhe des Arbeitslosengeld II und des Sozialgeldes in der öffentlichen Diskussion war und spätestens mit dem Vorlagebeschluss des SG Berlin das Bundesverfassungsgericht erreichte, erscheint als mutwillig. Prozesskostenhilfe für die möglicherweise entbehrlichen Klageverfahren ist damit nicht zu gewähren.
Gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO sind Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu erstatten.
Diese Entscheidung kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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