Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 4282/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
1.) Der Versicherungsschutz in der gesetzliche Unfallversicherung auf Wegen zur und von der Nahrungsaufnahme endet bzw. beginnt mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem die Kantine oder Gaststätte liegt, d.h. mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums (Anschluss an BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R - ).
2.) Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht vom Einverständnis der Beteiligten abhängig und kann auch gegen den erklärten Willen eines Beteiligten ergehen.
2.) Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht vom Einverständnis der Beteiligten abhängig und kann auch gegen den erklärten Willen eines Beteiligten ergehen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin am 22.06.2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1973 geborene Klägerin ist seit September 2005 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis am T-Gymnasium, P., beschäftigt. Da die Schule über keine eigene Kantine verfügt, nehmen die dort tätigen Lehrer den Angaben der Klägerin zufolge ihr Mittagessen üblicherweise in der in der Nähe der Schule gelegenen Kantine der Sparkasse P. ein.
Am 22.06.2012 blieb die Klägerin auf dem Rückweg vom Mittagessen beim Heruntergehen einer Treppe innerhalb des Gebäudes der Sparkasse P. mit der Schuhsohle an einer Stufe hängen und verdrehte das rechte Knie (Unfallanzeige des T-Gymnasiums vom 25.06.2012). Dabei zog sie sich eine Ruptur des vorderen Kreuzbands mit begleitender Rissbildung im Bereich des Außenmeniskushinterhorns und Zerrung der medialen und ventromedialen Gelenkkapsel rechts zu (vgl. Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom 26.06.2012).
Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, zwar stünden Wege zur und von der Aufnahme des Mittagessens grundsätzlich unter Versicherungsschutz. Führe der Weg zur Nahrungsaufnahme allerdings aus dem eigenen Betrieb hinaus, beginne und ende der gesetzliche Unfallversicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befinde (Bescheid vom 13.07.2012).
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, der Unfall habe sich noch innerhalb des Gebäudes der Sparkasse P. ereignet, in welchem die Kantine untergebracht sei. Schon aus diesem Grund sei vorliegend Unfallversicherungsschutz gegeben (Hinweis auf den Beschluss des Bay. VGH vom 10.05.1999 - 3 ZB 98.2893 - (Juris)). Die Beklagte wies den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Treppensturz habe sich im unversicherten Bereich des Sparkassengebäudes ereignet. Die Klägerin habe das Schulgelände (Betriebsgelände) verlassen, um die Kantine im Sparkassengebäude aufzusuchen. Auf Wegen zur oder von der Nahrungsaufnahme sei ein Versicherter regelmäßig im gesamten Bereich des öffentlichen Verkehrsraums geschützt. Mit dem Durchschreiten der Außentür des Sparkassengebäudes habe die Klägerin den öffentlichen Verkehrsraum indes verlassen und diesen im Unfallzeitpunkt noch nicht wieder erreicht. Deshalb habe sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15) im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden (Widerspruchsbescheid vom 23.10.2012).
Deswegen hat die Klägerin am 26.11.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen einem privaten und einem öffentlichen Verkehrsraum sei nicht nachvollziehbar und willkürlich. Vielmehr seien der öffentliche Verkehrsraum und öffentliche Gebäude gleich zu bewerten, insbesondere, wenn es sich um Gebäude einer öffentlich-rechtlichen Institution wie einer Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts handele.
Die Klägerin beantragt - teilweise sinngemäß -,
den Bescheid vom 13. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2012 aufzuheben und das Unfallereignis vom 22. Juni 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Mit Schreiben vom 04.02.2013 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.02.2013, beim erkennenden Gericht am 04.03.2013 eingegangen, Gebrauch gemacht.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nrn. 16 und 23; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 3 und BSG, UV-Recht Aktuell 2010, 114 ff., ferner LSG Baden-Württemberg vom 29.01.2013 - L 9 U 1683/09 -) ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht hat die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide die Anerkennung des Unfallereignisses vom 22.06.2012 als Arbeitsunfall abgelehnt, denn die Klägerin stand zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierüber konnte die Kammer gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Entscheidung ist auch gegen den im Schriftsatz vom 21.02.2013 erklärten ausdrücklichen Willen der Klägerin möglich, weil § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG, anders als § 124 Abs. 2 SGG, eine Entscheidung der Kammer durch Gerichtsbescheid nicht vom Einverständnis der Beteiligten abhängig macht (vgl. zu der gleichlautenden Regelung in § 84 der Verwaltungsgerichtsordnung: Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 84, Rand-Nrn. 18 m.w.N. und 27).
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach regelmäßig erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung (vgl. BSGE 63, 273, 274 und BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R - m.w.N. (Juris)). Bei dieser Wertung, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung ausgeübt hat, stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19 und BSG, Breithaupt 2000, Seite 662, 664).
Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit sind von der Notwendigkeit geprägt, persönlich an der Arbeitsstelle anwesend zu sein und dort die betriebliche Tätigkeit zu verrichten. Darüber hinaus stehen Wege zur Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit unter Versicherungsschutz (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 97), weil sie dadurch gekennzeichnet sind, dass sie regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlungen sind, um die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und es ihm zu ermöglichen, die jeweilige betriebliche Tätigkeit fortzusetzen (ständige Rechtsprechung des BSG, u.a. BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R - m.w.N. (Juris)). Das Essen und Trinken selbst sowie der Aufenthalt am Ort der Nahrungsaufnahme sind in der Regel dagegen dem persönlichen Bereich zuzuordnende nicht versicherte Betätigungen (vgl. BSGE 11, 267, 268 und BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 sowie Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 Rand-Nr. 58 m.w.N.). Denn die Nahrungsaufnahme ist für jeden Menschen Grundbedürfnis, gegenüber dem sonstige betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, regelmäßig zurücktreten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der das erkennende Gericht folgt, endet der Versicherungsschutz auf dem Hinweg zur Arbeit oder zur Nahrungsaufnahme und beginnt auf dem Rückweg jeweils mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem z.B. die Wohnung, die Gaststätte oder - wie hier - die Kantine liegt. Der Versicherungsschutz erstreckt sich damit nicht auf Unfälle auf Wegen in dem Gebäude, in dem z.B. die Kantine selbst liegt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 und BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R - (Juris)). Bei einer Gaststätte, die sich in dem Obergeschoss eines Einkaufszentrums befindet, hat das BSG insoweit auf die Außentür des Einkaufszentrums und nicht der Gaststätte selbst abgestellt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15). An dieser Rechtsprechung hat das BSG in seinem weiteren Urteil vom 24.06.2003 (B 2 U 24/02 R (Juris)) ausdrücklich festgehalten und zu Recht darauf hingewiesen, dass bei dieser auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Weg und dem unversicherten Bereich maßgebend der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und das Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung waren und insoweit keine Ausnahmen zugelassen sind. Die Grenze "Außentür des Gebäudes" trennt auch für den Versicherten klar und eindeutig den öffentlichen Verkehrsraum von dem übrigen Bereich ab, z.B. dem Gebäude, in dem die von ihm zur Nahrungsaufnahme ausgewählte Gaststätte oder - wie vorliegend - die Kantine liegt (vgl. Bay. LSG v. 28.09.2011 - L 18 U 354/09 - und vom 03.02.2009 - L 15 U 93/08 - (jeweils Juris)).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin am 22.06.2012 keinen Arbeitsunfall erlitten, denn der Unfall ereignete sich - unstreitig - nach Verlassen der Kantine auf einer Treppe im Innern und noch vor dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes der Sparkasse P ... Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin damit den "öffentlichen Verkehrsraum", auf den entscheidungserheblich abzustellen ist, noch nicht wieder erreicht. Dass es sich bei der Sparkasse P., in deren Gebäude die Kantine lag, um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handelt, rechtfertigt - entgegen der Ansicht der Klägerin - keine andere Entscheidung. Denn "öffentlicher Verkehrsraum" ist nicht gleichzusetzen mit jeder Verkehrsfläche, die einer unbestimmten Anzahl von Nutzern offensteht; gemeint ist vielmehr, wie sich aus Sinn und Zweck und dem Gesamtzusammenhang der Rechtsprechung des BSG ergibt, allein der öffentliche "Straßen"Verkehrsraum. Denn auch das Betreten eines an die Straße auf dem Weg zur oder von der Arbeit angrenzenden Geschäfts, z.B. einer Bäckerei, um dort für das Abendessen einzukaufen, führt infolge Verlassens des öffentlichen Verkehrsraums zur Unterbrechung des versicherten Weges (vgl. hierzu BSGE 20,219, 221 f. und BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 14). Dabei steht auch das Ladenlokal einer Bäckerei, ebenso wie die Schalterhalle einer Bank oder Sparkasse, von vornherein einer unbestimmten Anzahl von Kunden zum Betreten offen, ohne dass das Ladenlokal deshalb als öffentlicher Verkehrsraum wie eine Straße oder Einkaufsstraße anzusehen ist.
Die von der Klägerin gegen die Rechtsprechung des BSG, insbesondere im Urteil vom 24.06.2003 (B 2 U 24/02 R), zuletzt im Schriftsatz vom 21.02.2013 vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Insbesondere ist die vom BSG in ständiger Rechtsprechung gezogene Grenze für den Beginn oder das Ende des Versicherungsschutzes mit dem Durchschreiten der Außentür eines Einkaufszentrums weder "nicht nachvollziehbar" noch "willkürlich". Vielmehr trennt diese Grenze auch für den Versicherten klar und eindeutig den öffentlichen Verkehrsraum von dem übrigen - unversicherten - Bereich ab.
Anders ist schließlich auch nicht aufgrund der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bay. VGH vom 10.05.1999 - 3 ZB 98.2893 - (= NVwZ-RR 2000, 99 f.) zu entscheiden. Denn dieser Entscheidung, die zum beamtenrechtlichen Dienstunfallrecht ergangen ist, lag ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde, weil die dortige Klägerin auf dem Hinweg zum Kauf einer Flasche Mineralwasser nach dem Verlassen ihres Dienstgebäudes auf einer vereisten öffentlichen Straße ausrutschte und sich dabei eine Schnittverletzung zuzog. Vorliegend befand sich die Klägerin indes gerade (noch) nicht (wieder) innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums. Sie stand daher im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig und musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Klägerin am 22.06.2012 einen Arbeitsunfall erlitten hat.
Die 1973 geborene Klägerin ist seit September 2005 als Lehrerin im Angestelltenverhältnis am T-Gymnasium, P., beschäftigt. Da die Schule über keine eigene Kantine verfügt, nehmen die dort tätigen Lehrer den Angaben der Klägerin zufolge ihr Mittagessen üblicherweise in der in der Nähe der Schule gelegenen Kantine der Sparkasse P. ein.
Am 22.06.2012 blieb die Klägerin auf dem Rückweg vom Mittagessen beim Heruntergehen einer Treppe innerhalb des Gebäudes der Sparkasse P. mit der Schuhsohle an einer Stufe hängen und verdrehte das rechte Knie (Unfallanzeige des T-Gymnasiums vom 25.06.2012). Dabei zog sie sich eine Ruptur des vorderen Kreuzbands mit begleitender Rissbildung im Bereich des Außenmeniskushinterhorns und Zerrung der medialen und ventromedialen Gelenkkapsel rechts zu (vgl. Arztbrief des Radiologen Dr. K. vom 26.06.2012).
Die Beklagte lehnte die Anerkennung des Unfallereignisses als Arbeitsunfall mit der Begründung ab, zwar stünden Wege zur und von der Aufnahme des Mittagessens grundsätzlich unter Versicherungsschutz. Führe der Weg zur Nahrungsaufnahme allerdings aus dem eigenen Betrieb hinaus, beginne und ende der gesetzliche Unfallversicherungsschutz mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich die Kantine befinde (Bescheid vom 13.07.2012).
Zur Begründung ihres dagegen erhobenen Widerspruchs trug die Klägerin im Wesentlichen vor, der Unfall habe sich noch innerhalb des Gebäudes der Sparkasse P. ereignet, in welchem die Kantine untergebracht sei. Schon aus diesem Grund sei vorliegend Unfallversicherungsschutz gegeben (Hinweis auf den Beschluss des Bay. VGH vom 10.05.1999 - 3 ZB 98.2893 - (Juris)). Die Beklagte wies den Widerspruch zurück mit der Begründung, der Treppensturz habe sich im unversicherten Bereich des Sparkassengebäudes ereignet. Die Klägerin habe das Schulgelände (Betriebsgelände) verlassen, um die Kantine im Sparkassengebäude aufzusuchen. Auf Wegen zur oder von der Nahrungsaufnahme sei ein Versicherter regelmäßig im gesamten Bereich des öffentlichen Verkehrsraums geschützt. Mit dem Durchschreiten der Außentür des Sparkassengebäudes habe die Klägerin den öffentlichen Verkehrsraum indes verlassen und diesen im Unfallzeitpunkt noch nicht wieder erreicht. Deshalb habe sie nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (Hinweis auf BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15) im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden (Widerspruchsbescheid vom 23.10.2012).
Deswegen hat die Klägerin am 26.11.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen einem privaten und einem öffentlichen Verkehrsraum sei nicht nachvollziehbar und willkürlich. Vielmehr seien der öffentliche Verkehrsraum und öffentliche Gebäude gleich zu bewerten, insbesondere, wenn es sich um Gebäude einer öffentlich-rechtlichen Institution wie einer Sparkasse als Anstalt des öffentlichen Rechts handele.
Die Klägerin beantragt - teilweise sinngemäß -,
den Bescheid vom 13. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Oktober 2012 aufzuheben und das Unfallereignis vom 22. Juni 2012 als Arbeitsunfall festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Mit Schreiben vom 04.02.2013 hat das Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Von dieser Möglichkeit hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.02.2013, beim erkennenden Gericht am 04.03.2013 eingegangen, Gebrauch gemacht.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG); vgl. BSG SozR 4-2700 § 8 Nrn. 16 und 23; BSG SozR 4-2700 § 2 Nr. 3 und BSG, UV-Recht Aktuell 2010, 114 ff., ferner LSG Baden-Württemberg vom 29.01.2013 - L 9 U 1683/09 -) ist zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Zu Recht hat die Beklagte durch die angefochtenen Bescheide die Anerkennung des Unfallereignisses vom 22.06.2012 als Arbeitsunfall abgelehnt, denn die Klägerin stand zum Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hierüber konnte die Kammer gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Diese Entscheidung ist auch gegen den im Schriftsatz vom 21.02.2013 erklärten ausdrücklichen Willen der Klägerin möglich, weil § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG, anders als § 124 Abs. 2 SGG, eine Entscheidung der Kammer durch Gerichtsbescheid nicht vom Einverständnis der Beteiligten abhängig macht (vgl. zu der gleichlautenden Regelung in § 84 der Verwaltungsgerichtsordnung: Kopp/Schenke, VwGO, 18. Auflage 2012, § 84, Rand-Nrn. 18 m.w.N. und 27).
Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach regelmäßig erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung (vgl. BSGE 63, 273, 274 und BSG SozR 3-2700 § 8 Nr. 10) ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (vgl. BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R - m.w.N. (Juris)). Bei dieser Wertung, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine der versicherten Tätigkeit zuzurechnende Verrichtung ausgeübt hat, stehen Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19 und BSG, Breithaupt 2000, Seite 662, 664).
Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit sind von der Notwendigkeit geprägt, persönlich an der Arbeitsstelle anwesend zu sein und dort die betriebliche Tätigkeit zu verrichten. Darüber hinaus stehen Wege zur Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit unter Versicherungsschutz (vgl. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 97), weil sie dadurch gekennzeichnet sind, dass sie regelmäßig unaufschiebbare, notwendige Handlungen sind, um die Arbeitskraft des Versicherten zu erhalten und es ihm zu ermöglichen, die jeweilige betriebliche Tätigkeit fortzusetzen (ständige Rechtsprechung des BSG, u.a. BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R - m.w.N. (Juris)). Das Essen und Trinken selbst sowie der Aufenthalt am Ort der Nahrungsaufnahme sind in der Regel dagegen dem persönlichen Bereich zuzuordnende nicht versicherte Betätigungen (vgl. BSGE 11, 267, 268 und BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 sowie Wagner in jurisPK-SGB VII, § 8 Rand-Nr. 58 m.w.N.). Denn die Nahrungsaufnahme ist für jeden Menschen Grundbedürfnis, gegenüber dem sonstige betriebliche Belange, etwa das betriebliche Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, regelmäßig zurücktreten.
Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, der das erkennende Gericht folgt, endet der Versicherungsschutz auf dem Hinweg zur Arbeit oder zur Nahrungsaufnahme und beginnt auf dem Rückweg jeweils mit dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem z.B. die Wohnung, die Gaststätte oder - wie hier - die Kantine liegt. Der Versicherungsschutz erstreckt sich damit nicht auf Unfälle auf Wegen in dem Gebäude, in dem z.B. die Kantine selbst liegt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15 und BSG vom 24.06.2003 - B 2 U 24/02 R - (Juris)). Bei einer Gaststätte, die sich in dem Obergeschoss eines Einkaufszentrums befindet, hat das BSG insoweit auf die Außentür des Einkaufszentrums und nicht der Gaststätte selbst abgestellt (vgl. BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 15). An dieser Rechtsprechung hat das BSG in seinem weiteren Urteil vom 24.06.2003 (B 2 U 24/02 R (Juris)) ausdrücklich festgehalten und zu Recht darauf hingewiesen, dass bei dieser auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Weg und dem unversicherten Bereich maßgebend der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und das Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung waren und insoweit keine Ausnahmen zugelassen sind. Die Grenze "Außentür des Gebäudes" trennt auch für den Versicherten klar und eindeutig den öffentlichen Verkehrsraum von dem übrigen Bereich ab, z.B. dem Gebäude, in dem die von ihm zur Nahrungsaufnahme ausgewählte Gaststätte oder - wie vorliegend - die Kantine liegt (vgl. Bay. LSG v. 28.09.2011 - L 18 U 354/09 - und vom 03.02.2009 - L 15 U 93/08 - (jeweils Juris)).
Nach diesen Grundsätzen hat die Klägerin am 22.06.2012 keinen Arbeitsunfall erlitten, denn der Unfall ereignete sich - unstreitig - nach Verlassen der Kantine auf einer Treppe im Innern und noch vor dem Durchschreiten der Außentür des Gebäudes der Sparkasse P ... Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin damit den "öffentlichen Verkehrsraum", auf den entscheidungserheblich abzustellen ist, noch nicht wieder erreicht. Dass es sich bei der Sparkasse P., in deren Gebäude die Kantine lag, um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handelt, rechtfertigt - entgegen der Ansicht der Klägerin - keine andere Entscheidung. Denn "öffentlicher Verkehrsraum" ist nicht gleichzusetzen mit jeder Verkehrsfläche, die einer unbestimmten Anzahl von Nutzern offensteht; gemeint ist vielmehr, wie sich aus Sinn und Zweck und dem Gesamtzusammenhang der Rechtsprechung des BSG ergibt, allein der öffentliche "Straßen"Verkehrsraum. Denn auch das Betreten eines an die Straße auf dem Weg zur oder von der Arbeit angrenzenden Geschäfts, z.B. einer Bäckerei, um dort für das Abendessen einzukaufen, führt infolge Verlassens des öffentlichen Verkehrsraums zur Unterbrechung des versicherten Weges (vgl. hierzu BSGE 20,219, 221 f. und BSG SozR 3-2200 § 550 Nr. 14). Dabei steht auch das Ladenlokal einer Bäckerei, ebenso wie die Schalterhalle einer Bank oder Sparkasse, von vornherein einer unbestimmten Anzahl von Kunden zum Betreten offen, ohne dass das Ladenlokal deshalb als öffentlicher Verkehrsraum wie eine Straße oder Einkaufsstraße anzusehen ist.
Die von der Klägerin gegen die Rechtsprechung des BSG, insbesondere im Urteil vom 24.06.2003 (B 2 U 24/02 R), zuletzt im Schriftsatz vom 21.02.2013 vorgebrachten Einwände greifen nicht durch. Insbesondere ist die vom BSG in ständiger Rechtsprechung gezogene Grenze für den Beginn oder das Ende des Versicherungsschutzes mit dem Durchschreiten der Außentür eines Einkaufszentrums weder "nicht nachvollziehbar" noch "willkürlich". Vielmehr trennt diese Grenze auch für den Versicherten klar und eindeutig den öffentlichen Verkehrsraum von dem übrigen - unversicherten - Bereich ab.
Anders ist schließlich auch nicht aufgrund der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Bay. VGH vom 10.05.1999 - 3 ZB 98.2893 - (= NVwZ-RR 2000, 99 f.) zu entscheiden. Denn dieser Entscheidung, die zum beamtenrechtlichen Dienstunfallrecht ergangen ist, lag ein anders gearteter Sachverhalt zugrunde, weil die dortige Klägerin auf dem Hinweg zum Kauf einer Flasche Mineralwasser nach dem Verlassen ihres Dienstgebäudes auf einer vereisten öffentlichen Straße ausrutschte und sich dabei eine Schnittverletzung zuzog. Vorliegend befand sich die Klägerin indes gerade (noch) nicht (wieder) innerhalb des öffentlichen Verkehrsraums. Sie stand daher im Unfallzeitpunkt nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig und musste das Begehren der Klägerin erfolglos bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 und 4 SGG.
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