Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 16 AS 581/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 337/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 AS 369/13 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine stillende Mutter hat wegen des Stillens keinen Anspruch auf einen Mehrbedarf nach dem SGB II.
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), insbesondere über die Gewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter für die Klägerin zu 1).
Die Beklagte bewilligte der 1979 geborenen Klägerin zu 1) und ihrem 2008 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2), mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 für den Zeitraum Juli 2008 bis Dezember 2008 Leistungen nach dem SGB II. Für den Monat Juli 2008 wurde auch noch Herr D. C. als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geführt.
Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 24. November 2008 Widerspruch ein, der sich gegen die Berücksichtigung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Herrn C., die Berechnung von berufsbedingten Fahrtkosten, die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung sowie die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs der Klägerin zu 1) als stillende Mutter richtet. Stillende Mütter hätten auf der Grundlage der Daten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in den ersten vier Monaten nach der Geburt des Kindes einen um 635 kcal erhöhten Energiebedarf, ab dem fünften Monat etwa 525 kcal. Dagegen ergebe sich in der Schwangerschaft lediglich ein Mehrbedarf von 255 kcal. Es stelle eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung dar, dass schwangere Frauen einen Mehrbedarf erhielten, stillende Mütter dagegen nicht.
Die Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 dem Widerspruch wegen des Nichtvorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft ab und verwies hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Nachzahlung auf einen gesonderten Bescheid, der am 22. Juli 2011 erging. Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung stellte die Beklagte den Widerspruch auf Antrag des Bevollmächtigten der Kläger ruhend. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Einen Mehrbedarf für stillende Mütter sehe das Gesetz nicht vor. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden zu 1/3 von der Beklagten übernommen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig erachtet.
Mit ihrer am 10. August 2011 bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage haben die Kläger weiterhin die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Klägerin zu 1) als stillende Mutter sowie eine weitergehende Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens durch die Beklagte begehrt. Nach einer Einigung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens haben die Beteiligten die Klage mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 (Beklagte) und vom 3. Februar 2012 (Kläger) insoweit für erledigt erklärt.
Die Kläger haben geltend gemacht, die Nichtgewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter verstoße wegen einer Ungleichbehandlung gegenüber schwangeren Frauen gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie). Der Klägerin zu 1) sei im Wege verfassungskonformer Auslegung entweder über § 21 Abs. 5 oder über § 21 Abs. 6 SGB II ein entsprechender Mehrbedarf zuzugestehen. Sollte sich das Gericht nicht in der Lage sehen, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 5 SGB II oder des § 21 Abs. 6 SGB II einen Mehrbedarf für stillende Mütter zuzugestehen, haben die Kläger beantragt, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26. April 2012 hat die Klägerin zu 1) erklärt, dass ihr während der Stillzeit auf jeden Fall zusätzliche Kosten entstanden seien für Stillhütchen, Stillbüstenhalter etc. und auch für das Einfrieren der Milch im Gefrierfach, die speziellen Aufbewahrungsbecher für die Milch und die Handmilchpumpe, die angeschafft werden musste. Sie hätte auch gerne eine elektrische Milchpumpe gehabt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2012 als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin zu 1) stehe kein Mehrbedarf wegen erhöhter Kosten durch das Stillen ihres Sohnes zu. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger erfüllten im streitgegenständlichen Zeitraum (dieser wird versehentlich mit 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 bezeichnet, gemeint ist aber der Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2008) unstreitig die Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 und 2, § 9 SGB II. Die Klägerin zu 1) sei älter als 15 Jahre ohne die Altersgrenze des § 7a SGB II zu erreichen und sie sei erwerbsfähig. Der Kläger zu 2) erhalte Leistungen nach § 7 Abs. 2 SGB II, weil er mit der erwerbsfähigen Klägerin zu 1) in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Im maßgeblichen Zeitraum habe die Bedarfsgemeinschaft ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern können und sei damit hilfebedürftig gewesen.
Der Kläger zu 2) sei hinsichtlich der zunächst geltend gemachten Kosten des Widerspruchsverfahrens in eigenen Rechten betroffen gewesen. Zudem wirke sich eine Erhöhung des Bedarfs der Klägerin zu 1) wegen der Verteilung ihres Einkommens auch auf den Kläger zu 2) aus. Allerdings stünden den Klägern keine über die von der Beklagten gewährten Kosten hinausgehende Leistungen zu. Insbesondere sehe das Gesetz keinen Mehrbedarf für Mütter während der Stillzeit vor.
Der nach § 21 Abs. 2 SGB II für werdende Mütter vorgesehene Mehrbedarf werde nur bis zur Entbindung gewährt. Es handele sich um einen schwangerschaftsbedingten Mehrbedarf, mit dem die besonderen Kosten der Schwangerschaft, wie Ernährung, Reinigung der Wäsche, vermehrte Kosten für Körperpflege, Fahrtkosten und Informationsbedarf abgedeckt werden sollen (Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 16 m.w.N). Eine analoge Anwendung für die Dauer der Stillzeit scheide aus, denn es liege weder eine Regelungslücke vor, noch ein vergleichbarer Sachverhalt.
Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II betreffe nur Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften. Es würden nur krankheitsbedingte Gründe erfasst (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 14 AS 100/10 R; Behrend in: juris-PK, 3. Aufl. 2011, § 21 SGB II Rn. 43). Vorausgesetzt werde der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Krankheit und der Notwendigkeit einer kostenaufwendigeren Ernährung bzw. einem höheren Kalorienbedarf. Andere, in der Person des Hilfebedürftigen liegende Gründe für einen erhöhten Kalorienbedarf, seien nicht zu berücksichtigen.
Schließlich werde auch ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II nicht gesehen. Denn nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II sei ein Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Das Stillen eines Kindes stelle gegenüber der Ernährung mit Anfangsmilch und Brei die kostengünstigere Ernährung des Babys dar. Die entstehenden Kosten durch einen erhöhten Kalorienbedarf und Wäschebedarf der Mutter würden durch eine Einsparung bei der Ernährung des Kindes gedeckt.
Eine Ungleichbehandlung der Klägerin zu übrigen Hilfebedürftigen oder eine sonstige Verletzung von Grundrechten liege nicht vor. Es sei zu berücksichtigen, dass der Regelbedarf als Pauschale ausgestaltet sei, die der Höhe nach für alle SGB Il-Empfänger gleich sei. Individuelle Besonderheiten würden, abgesehen von den in § 21 SGB II genannten Fällen, nicht berücksichtigt. So hätten beispielsweise körperlich schwer arbeitende Menschen einen höheren Kalorienbedarf als Menschen, die nur einer leichten körperlichen Tätigkeit nachgingen, und Männer einen deutlich höheren Kalorienbedarf als Frauen. Auch Größe und Gewicht der Personen spielten für den täglichen Bedarf an Kalorien eine erhebliche Rolle, die keine Berücksichtigung im pauschalierten Regelbedarf fände.
Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Die Kläger haben gegen das ihnen am 25. Mai 2012 zugestellte Urteil am 5. Juni 2012 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie haben vorgetragen, der Vortrag der Beklagten, dass ein erhöhter Kalorienverbrauch durch die Einnahme von hochkalorischen (gesunden) Lebensmitteln kompensiert werden könne, sei unzutreffend. Eine stillende Mutter, die ihr Kind auch in der Öffentlichkeit stillen wolle, benötige neben Still-Büstenhaltern auch spezielle Still-Shirts. Allein für die zwingend erforderlichen Stilleinlagen fielen monatliche Kosten in Höhe von ca. 12,00 EUR an. In der Regel werde auch eine Milchpumpe benötigt, die nicht unter 100,00 EUR koste. Von Einsparungen könne allenfalls die Rede sein, soweit es um die Kosten für den Kauf von Fertig-Babynahrung gehe. Insoweit handele es sich allerdings um den Bedarf des Kindes. Es entstünden auch Kosten durch die Aufbewahrung abgepumpter Milch. Auch durch die Brustpflege entstünden Mehrkosten. Auch bei Stillkomplikationen entstünden Mehrkosten (Stillberatung, Medikamente und Pflegeprodukte).
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2011 und des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2011 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter für die Klägerin zu 1) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die aus ihrer Sicht überzeugenden Ausführungen des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 20. Juni 2013 (Beklagte) und 28. Juni 2013 (Kläger) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 124 Abs. 2, § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Ein eigener Anspruch des im Jahr 2008 geborenen Klägers zu 2) wegen eines Mehrbedarfs für stillende Mütter kommt von vornherein nicht in Betracht, weil ein Mehrbedarf einen höchstpersönlichen Anspruch begründet. Allerdings würde sich nach der horizontalen Berechnungsmethode, wonach innerhalb der Bedarfsgemeinschaft der individuelle Anspruch des einzelnen Mitglieds nach dem Verhältnis seines Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berechnen ist (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R, juris), ein wegen eines Mehrbedarfs erhöhter Bedarf der Klägerin zu 1) bei der Verteilung des Erwerbseinkommens auswirken. Stünde der Klägerin zu 1) wegen eines Mehrbedarfs ein höherer Anteil des zu verteilenden Einkommens zu, wirkte sich dies erhöhend auf den individuellen Anspruch des Klägers zu 2) aus.
Wie das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, sieht das SGB II keinen Mehrbedarf für stillende Mütter vor. Die gilt sowohl für die aktuell geltende Fassung wie auch für die hier anwendbare Fassung vom 20. Juli 2006. Eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 SGB II scheidet schon mangels planwidriger Regelungslücke aus. Der Klägerin zu 1) steht auch kein den gesetzlichen Leistungsanspruch erhöhender Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (§ 21 Abs. 5 SGB II) zu, weil etwaige Mehraufwendungen nicht krankheitsbedingt waren. Auf die insoweit überzeugenden Rechtsausführungen des erstinstanzlichen Urteils zur einfachgesetzlichen Rechtslage, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu Eigen macht, wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Schließlich hat die Klägerin zu 1) auch keinen Anspruch wegen eines im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Mehrbedarfs. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, bis spätestens zum 31. Dezember 2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstelle, dass ein im Einzelfall unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Mehrbedarf gedeckt werde. Die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger besonderer Bedarf vorliege, müssten aber auch vor der Neuregelung die erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten. Zwar blieben die mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbaren Vorschriften über die Höhe der gesetzlichen Regelleistung weiterhin anwendbar und müssten nicht rückwirkend ersetzt werden. Hinsichtlich der im SGB II gegenwärtig fehlenden Härtefallklausel zur Deckung dieses besonderen Bedarfs sei jedoch eine andere verfassungsrechtliche Bewertung geboten. Die geltenden gesetzlichen Regelleistungsbeträge seien zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwar im Allgemeinen nicht evident unzureichend; demgegenüber führe die gegenwärtige Rechtslage bei besonderem Bedarf dazu, dass ein solcher auch dann ungedeckt bleibe, wenn er von der verfassungsrechtlichen Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst sei. Um die Gefahr einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel zu vermeiden, müsse die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung des Bundesverfassungsgerichts geschlossen werden.
Da vorliegend der streitgegenständliche Zeitraum Juli bis Dezember 2008 vor der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts liegt, gibt es weder eine gesetzliche noch eine auf der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts beruhende Rechtsgrundlage zur Gewährung eines im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Mehrbedarfs (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010 – 1 BvR 395/09, juris).
Auch der Sache nach liegt ein solcher Mehrbedarf nicht vor, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Denn erhöhte Kosten durch das Stillen des Babys sind nicht nur im Einzelfall, sondern typischerweise nach der Entbindung auftretende Kosten, denen die Ersparnis des nicht notwendigen Kaufs von Milchnahrung für das Baby gegenüber steht.
Zur Rüge einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Regelleistung grundsätzlich als Festbetrag gewährt werden kann, da der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und pauschalierende Regelungen treffen darf (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, juris Rn. 205). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Anteil für Ernährung im Regelsatz nicht den (wechselnden) Körpermaßen und dem individuellen Metabolismus der Leistungsberechtigten, bedingt etwa durch einen erhöhten Energieumsatz in der Stillzeit, besonders harte körperliche Arbeit u.a. individuell anzupassen versucht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 3. April 2013, L 6 AS 389/10). Aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG lässt sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten, für den Tatbestand der Stillzeit einen Anspruch auf Mehrbedarf gesetzlich vorzusehen.
Auch hat die Klägerin zu 1) hinsichtlich bestimmter Bedarfsposten (z.B. Kosten für den Kauf spezieller Still-Shirts, Kauf einer elektrischen Milchpumpe, Kosten bei Stillkomplikationen) nicht einmal behauptet, dass diese bei ihr angefallen seien. Es fehlt an konkreten Darlegungen, inwieweit das menschenwürdige Existenzminimum der Klägerin zu 1) während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht gesichert war.
Soweit die Klägerin zu 1) eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG rügt, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe als Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zu setzen vermag (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1083/09, juris Rn. 15). Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich daher ein grundsicherungsrechtlicher Anspruch nicht herleiten.
Auch aus Art. 6 Abs. 1 GG kann die Klägerin zu 1) nichts herleiten. Aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip, die insoweit als Wertentscheidungen der Verfassung die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers begrenzen, lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidungen darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Ebensowenig lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1991 – 1 BvR 1159/91, juris Rn. 10).
Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG sieht der Senat daher keinen Anlass.
Für eine Rechtsfehlerhaftigkeit der angegriffenen Bescheide in anderer Hinsicht – der Mehrbedarf ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein isolierter Streitgegenstand (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R, juris) – ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der den Klägern zustehenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), insbesondere über die Gewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter für die Klägerin zu 1).
Die Beklagte bewilligte der 1979 geborenen Klägerin zu 1) und ihrem 2008 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2), mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 für den Zeitraum Juli 2008 bis Dezember 2008 Leistungen nach dem SGB II. Für den Monat Juli 2008 wurde auch noch Herr D. C. als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft geführt.
Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 24. November 2008 Widerspruch ein, der sich gegen die Berücksichtigung einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft mit Herrn C., die Berechnung von berufsbedingten Fahrtkosten, die Verfassungswidrigkeit der Höhe der Regelleistung sowie die Nichtberücksichtigung eines Mehrbedarfs der Klägerin zu 1) als stillende Mutter richtet. Stillende Mütter hätten auf der Grundlage der Daten der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in den ersten vier Monaten nach der Geburt des Kindes einen um 635 kcal erhöhten Energiebedarf, ab dem fünften Monat etwa 525 kcal. Dagegen ergebe sich in der Schwangerschaft lediglich ein Mehrbedarf von 255 kcal. Es stelle eine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Ungleichbehandlung dar, dass schwangere Frauen einen Mehrbedarf erhielten, stillende Mütter dagegen nicht.
Die Beklagte half mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2011 dem Widerspruch wegen des Nichtvorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft ab und verwies hinsichtlich der sich hieraus ergebenden Nachzahlung auf einen gesonderten Bescheid, der am 22. Juli 2011 erging. Im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung stellte die Beklagte den Widerspruch auf Antrag des Bevollmächtigten der Kläger ruhend. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Einen Mehrbedarf für stillende Mütter sehe das Gesetz nicht vor. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens wurden zu 1/3 von der Beklagten übernommen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten als notwendig erachtet.
Mit ihrer am 10. August 2011 bei dem Sozialgericht Wiesbaden erhobenen Klage haben die Kläger weiterhin die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Klägerin zu 1) als stillende Mutter sowie eine weitergehende Übernahme der Kosten des Widerspruchsverfahrens durch die Beklagte begehrt. Nach einer Einigung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens haben die Beteiligten die Klage mit Schriftsatz vom 23. Januar 2012 (Beklagte) und vom 3. Februar 2012 (Kläger) insoweit für erledigt erklärt.
Die Kläger haben geltend gemacht, die Nichtgewährung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter verstoße wegen einer Ungleichbehandlung gegenüber schwangeren Frauen gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und gegen Art. 6 Abs. 1 GG (Schutz der Familie). Der Klägerin zu 1) sei im Wege verfassungskonformer Auslegung entweder über § 21 Abs. 5 oder über § 21 Abs. 6 SGB II ein entsprechender Mehrbedarf zuzugestehen. Sollte sich das Gericht nicht in der Lage sehen, im Wege einer verfassungskonformen Auslegung des § 21 Abs. 5 SGB II oder des § 21 Abs. 6 SGB II einen Mehrbedarf für stillende Mütter zuzugestehen, haben die Kläger beantragt, das Verfahren dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 26. April 2012 hat die Klägerin zu 1) erklärt, dass ihr während der Stillzeit auf jeden Fall zusätzliche Kosten entstanden seien für Stillhütchen, Stillbüstenhalter etc. und auch für das Einfrieren der Milch im Gefrierfach, die speziellen Aufbewahrungsbecher für die Milch und die Handmilchpumpe, die angeschafft werden musste. Sie hätte auch gerne eine elektrische Milchpumpe gehabt.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. April 2012 als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin zu 1) stehe kein Mehrbedarf wegen erhöhter Kosten durch das Stillen ihres Sohnes zu. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kläger erfüllten im streitgegenständlichen Zeitraum (dieser wird versehentlich mit 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2011 bezeichnet, gemeint ist aber der Zeitraum 1. Juli bis 31. Dezember 2008) unstreitig die Voraussetzungen der §§ 7 Abs. 1 und 2, § 9 SGB II. Die Klägerin zu 1) sei älter als 15 Jahre ohne die Altersgrenze des § 7a SGB II zu erreichen und sie sei erwerbsfähig. Der Kläger zu 2) erhalte Leistungen nach § 7 Abs. 2 SGB II, weil er mit der erwerbsfähigen Klägerin zu 1) in einer Bedarfsgemeinschaft lebe. Im maßgeblichen Zeitraum habe die Bedarfsgemeinschaft ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern können und sei damit hilfebedürftig gewesen.
Der Kläger zu 2) sei hinsichtlich der zunächst geltend gemachten Kosten des Widerspruchsverfahrens in eigenen Rechten betroffen gewesen. Zudem wirke sich eine Erhöhung des Bedarfs der Klägerin zu 1) wegen der Verteilung ihres Einkommens auch auf den Kläger zu 2) aus. Allerdings stünden den Klägern keine über die von der Beklagten gewährten Kosten hinausgehende Leistungen zu. Insbesondere sehe das Gesetz keinen Mehrbedarf für Mütter während der Stillzeit vor.
Der nach § 21 Abs. 2 SGB II für werdende Mütter vorgesehene Mehrbedarf werde nur bis zur Entbindung gewährt. Es handele sich um einen schwangerschaftsbedingten Mehrbedarf, mit dem die besonderen Kosten der Schwangerschaft, wie Ernährung, Reinigung der Wäsche, vermehrte Kosten für Körperpflege, Fahrtkosten und Informationsbedarf abgedeckt werden sollen (Lang/Knickrehm in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 16 m.w.N). Eine analoge Anwendung für die Dauer der Stillzeit scheide aus, denn es liege weder eine Regelungslücke vor, noch ein vergleichbarer Sachverhalt.
Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II betreffe nur Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften. Es würden nur krankheitsbedingte Gründe erfasst (BSG, Urteil vom 10. Mai 2011, B 14 AS 100/10 R; Behrend in: juris-PK, 3. Aufl. 2011, § 21 SGB II Rn. 43). Vorausgesetzt werde der ursächliche Zusammenhang zwischen einer Krankheit und der Notwendigkeit einer kostenaufwendigeren Ernährung bzw. einem höheren Kalorienbedarf. Andere, in der Person des Hilfebedürftigen liegende Gründe für einen erhöhten Kalorienbedarf, seien nicht zu berücksichtigen.
Schließlich werde auch ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf im Sinne von § 21 Abs. 6 SGB II nicht gesehen. Denn nach § 21 Abs. 6 Satz 2 SGB II sei ein Mehrbedarf unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Das Stillen eines Kindes stelle gegenüber der Ernährung mit Anfangsmilch und Brei die kostengünstigere Ernährung des Babys dar. Die entstehenden Kosten durch einen erhöhten Kalorienbedarf und Wäschebedarf der Mutter würden durch eine Einsparung bei der Ernährung des Kindes gedeckt.
Eine Ungleichbehandlung der Klägerin zu übrigen Hilfebedürftigen oder eine sonstige Verletzung von Grundrechten liege nicht vor. Es sei zu berücksichtigen, dass der Regelbedarf als Pauschale ausgestaltet sei, die der Höhe nach für alle SGB Il-Empfänger gleich sei. Individuelle Besonderheiten würden, abgesehen von den in § 21 SGB II genannten Fällen, nicht berücksichtigt. So hätten beispielsweise körperlich schwer arbeitende Menschen einen höheren Kalorienbedarf als Menschen, die nur einer leichten körperlichen Tätigkeit nachgingen, und Männer einen deutlich höheren Kalorienbedarf als Frauen. Auch Größe und Gewicht der Personen spielten für den täglichen Bedarf an Kalorien eine erhebliche Rolle, die keine Berücksichtigung im pauschalierten Regelbedarf fände.
Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Die Kläger haben gegen das ihnen am 25. Mai 2012 zugestellte Urteil am 5. Juni 2012 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie haben vorgetragen, der Vortrag der Beklagten, dass ein erhöhter Kalorienverbrauch durch die Einnahme von hochkalorischen (gesunden) Lebensmitteln kompensiert werden könne, sei unzutreffend. Eine stillende Mutter, die ihr Kind auch in der Öffentlichkeit stillen wolle, benötige neben Still-Büstenhaltern auch spezielle Still-Shirts. Allein für die zwingend erforderlichen Stilleinlagen fielen monatliche Kosten in Höhe von ca. 12,00 EUR an. In der Regel werde auch eine Milchpumpe benötigt, die nicht unter 100,00 EUR koste. Von Einsparungen könne allenfalls die Rede sein, soweit es um die Kosten für den Kauf von Fertig-Babynahrung gehe. Insoweit handele es sich allerdings um den Bedarf des Kindes. Es entstünden auch Kosten durch die Aufbewahrung abgepumpter Milch. Auch durch die Brustpflege entstünden Mehrkosten. Auch bei Stillkomplikationen entstünden Mehrkosten (Stillberatung, Medikamente und Pflegeprodukte).
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 26. April 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 20. Oktober 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juli 2011 und des Änderungsbescheides vom 22. Juli 2011 zu verurteilen, den Klägern für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis 31. Dezember 2008 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für stillende Mütter für die Klägerin zu 1) zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die aus ihrer Sicht überzeugenden Ausführungen des angefochtenen Urteils.
Die Beteiligten haben sich mit Schreiben vom 20. Juni 2013 (Beklagte) und 28. Juni 2013 (Kläger) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hiermit erklärt haben (§ 124 Abs. 2, § 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung ist aber nicht begründet.
Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden.
Ein eigener Anspruch des im Jahr 2008 geborenen Klägers zu 2) wegen eines Mehrbedarfs für stillende Mütter kommt von vornherein nicht in Betracht, weil ein Mehrbedarf einen höchstpersönlichen Anspruch begründet. Allerdings würde sich nach der horizontalen Berechnungsmethode, wonach innerhalb der Bedarfsgemeinschaft der individuelle Anspruch des einzelnen Mitglieds nach dem Verhältnis seines Bedarfs zum Gesamtbedarf zu berechnen ist (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 - B 14 AS 55/07 R, juris), ein wegen eines Mehrbedarfs erhöhter Bedarf der Klägerin zu 1) bei der Verteilung des Erwerbseinkommens auswirken. Stünde der Klägerin zu 1) wegen eines Mehrbedarfs ein höherer Anteil des zu verteilenden Einkommens zu, wirkte sich dies erhöhend auf den individuellen Anspruch des Klägers zu 2) aus.
Wie das Sozialgericht in der angegriffenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, sieht das SGB II keinen Mehrbedarf für stillende Mütter vor. Die gilt sowohl für die aktuell geltende Fassung wie auch für die hier anwendbare Fassung vom 20. Juli 2006. Eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 SGB II scheidet schon mangels planwidriger Regelungslücke aus. Der Klägerin zu 1) steht auch kein den gesetzlichen Leistungsanspruch erhöhender Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (§ 21 Abs. 5 SGB II) zu, weil etwaige Mehraufwendungen nicht krankheitsbedingt waren. Auf die insoweit überzeugenden Rechtsausführungen des erstinstanzlichen Urteils zur einfachgesetzlichen Rechtslage, die sich der Senat nach eigener Prüfung zu Eigen macht, wird verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Schließlich hat die Klägerin zu 1) auch keinen Anspruch wegen eines im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Mehrbedarfs. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 festgestellt, dass der Gesetzgeber verpflichtet sei, bis spätestens zum 31. Dezember 2010 eine Regelung im SGB II zu schaffen, die sicherstelle, dass ein im Einzelfall unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Mehrbedarf gedeckt werde. Die nach § 7 SGB II Leistungsberechtigten, bei denen ein derartiger besonderer Bedarf vorliege, müssten aber auch vor der Neuregelung die erforderlichen Sach- oder Geldleistungen erhalten. Zwar blieben die mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbaren Vorschriften über die Höhe der gesetzlichen Regelleistung weiterhin anwendbar und müssten nicht rückwirkend ersetzt werden. Hinsichtlich der im SGB II gegenwärtig fehlenden Härtefallklausel zur Deckung dieses besonderen Bedarfs sei jedoch eine andere verfassungsrechtliche Bewertung geboten. Die geltenden gesetzlichen Regelleistungsbeträge seien zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums zwar im Allgemeinen nicht evident unzureichend; demgegenüber führe die gegenwärtige Rechtslage bei besonderem Bedarf dazu, dass ein solcher auch dann ungedeckt bleibe, wenn er von der verfassungsrechtlichen Garantie eines menschenwürdigen Existenzminimums umfasst sei. Um die Gefahr einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG in der Übergangszeit bis zur Einführung einer entsprechenden Härtefallklausel zu vermeiden, müsse die verfassungswidrige Lücke für die Zeit ab der Verkündung des Urteils durch eine entsprechende Anordnung des Bundesverfassungsgerichts geschlossen werden.
Da vorliegend der streitgegenständliche Zeitraum Juli bis Dezember 2008 vor der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts liegt, gibt es weder eine gesetzliche noch eine auf der Anordnung des Bundesverfassungsgerichts beruhende Rechtsgrundlage zur Gewährung eines im Einzelfall unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Mehrbedarfs (BVerfG, Beschluss vom 24. März 2010 – 1 BvR 395/09, juris).
Auch der Sache nach liegt ein solcher Mehrbedarf nicht vor, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Denn erhöhte Kosten durch das Stillen des Babys sind nicht nur im Einzelfall, sondern typischerweise nach der Entbindung auftretende Kosten, denen die Ersparnis des nicht notwendigen Kaufs von Milchnahrung für das Baby gegenüber steht.
Zur Rüge einer Verletzung von Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Regelleistung grundsätzlich als Festbetrag gewährt werden kann, da der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen typisierende und pauschalierende Regelungen treffen darf (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, juris Rn. 205). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den Anteil für Ernährung im Regelsatz nicht den (wechselnden) Körpermaßen und dem individuellen Metabolismus der Leistungsberechtigten, bedingt etwa durch einen erhöhten Energieumsatz in der Stillzeit, besonders harte körperliche Arbeit u.a. individuell anzupassen versucht (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 3. April 2013, L 6 AS 389/10). Aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG lässt sich keine Verpflichtung des Gesetzgebers ableiten, für den Tatbestand der Stillzeit einen Anspruch auf Mehrbedarf gesetzlich vorzusehen.
Auch hat die Klägerin zu 1) hinsichtlich bestimmter Bedarfsposten (z.B. Kosten für den Kauf spezieller Still-Shirts, Kauf einer elektrischen Milchpumpe, Kosten bei Stillkomplikationen) nicht einmal behauptet, dass diese bei ihr angefallen seien. Es fehlt an konkreten Darlegungen, inwieweit das menschenwürdige Existenzminimum der Klägerin zu 1) während des streitgegenständlichen Zeitraums nicht gesichert war.
Soweit die Klägerin zu 1) eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG rügt, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 3 Abs. 1 GG für die Bemessung des Existenzminimums keine weiteren Maßstäbe als Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG zu setzen vermag (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 2013 - 1 BvR 1083/09, juris Rn. 15). Aus Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich daher ein grundsicherungsrechtlicher Anspruch nicht herleiten.
Auch aus Art. 6 Abs. 1 GG kann die Klägerin zu 1) nichts herleiten. Aus Art. 6 Abs. 1 i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip, die insoweit als Wertentscheidungen der Verfassung die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers begrenzen, lässt sich zwar die allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich entnehmen, nicht aber die Entscheidungen darüber, in welchem Umfang und in welcher Weise ein solcher sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. Ebensowenig lassen sich aus dem Förderungsgebot des Art. 6 Abs. 1 GG konkrete Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen herleiten (BVerfG, Beschluss vom 24. Oktober 1991 – 1 BvR 1159/91, juris Rn. 10).
Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG sieht der Senat daher keinen Anlass.
Für eine Rechtsfehlerhaftigkeit der angegriffenen Bescheide in anderer Hinsicht – der Mehrbedarf ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein isolierter Streitgegenstand (BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R, juris) – ist nichts vorgetragen und auch nichts ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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