Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
22
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 22 SO 319/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig, beginnend ab dem 25.10.2013, bzw. ab Umzug der Antragstellerin nach I, die Kosten zur Sicherung der ambulanten Pflege sowie der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf der Grundlage der vorgelegten Kalkulation der "Hilfe im Haus e.V." vom 26.04.2013 in einem Umfang von 24 Stunden täglich als persönliches Budget zunächst für die Dauer von einem halben Jahr ab Zahlungsaufnahme zu bewilligen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu tragen.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für eine 24 Stunden Assistenz in einer von ihr selbst angemieteten Wohnung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin erlitt am 14.11.2004 einen Verkehrsunfall, bei dem sie sich ein Schädelhirntrauma sowie multiple Wirbelkörperfrakturen zuzog. Daraus verbleibt eine hohe Querschnittslähmung mit spastischer Tetraparese sowie Blasen- und Darmlähmung. Vor dem Unfall lebte die Antragstellerin im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen. Bei der Antragstellerin wurde Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI der Pflegestufe III anerkannt. Zurzeit lebt die Antragstellerin in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft in E. Sie ist beinahe zu allen Verrichtungen im Alltag auf Hilfestellungen angewiesen.
Die Antragstellerin beantragte im September 2009 die Übernahme der Kosten einer 24-Stunden-Assistenz in eigener Wohnung im Wege des Arbeitgebermodells im Rahmen eines trägerübergeifenden persönlichen Budgets. Dem Antrag beigefügt war die Berechnung der durchschnittlichen Lohnkosten, die sich monatlich auf 10.499,50 EUR belaufen sollen. Dem Antrag ebenfalls beigefügt war ein Schreiben der Landeshauptstadt Düsseldorf. Diese wies darauf hin, dass die Antragstellerin nach ihrer Zeit in der Wohngemeinschaft nun in einer eigenen Wohnung leben wolle und dies unter Hinzuziehung einer Assistenz gut machbar sei. Der Umzug nach I könne aufgrund der Nähe zur Familie und der Möglichkeit, dort einer stundenweisen Tätigkeit nachzugehen, nur unterstützt werden.
Durch Schreiben vom 05.11.2009 leitete der Beigeladene den Antrag an die Antragsgegnerin unter Hinweis auf § 14 SGB IX weiter. Durch Schreiben vom 23.11.2009 teilte der Beigeladene mit, eine frühere Weiterleitung des Antrages sei nicht möglich gewesen, da vorher nicht habe abschließend geklärt werden können, wo die Antragstellerin letztendlich wohnen werde. Von ihr sei auch angedacht gewesen, nach Lüneburg zu ziehen. Erst Anfang November habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie definitiv nach I ziehen wolle. Durch Schreiben vom 26.01.2010 (Bl. 16 ff der Leistungsakte) übersandte die Antragstellerin die Aufstellung ihres Hilfebedarfs. Durch Bescheid vom 24.02.2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf ambulante Versorgung im Rahmen des sogenannten Arbeitgebermodels ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 13 SGB XII sei bei einem Antragsvolumen von ca. 10.500 EUR für monatliche Pflegekosten gegeben. Alternativ werde eine Versorgung durch eine Einrichtung in I, z. B. durch "Pflegen und Wohnen, Haus am B" mit Maximalkosten in Höhe von 3767,21 EUR angeboten. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides (Bl. 27 – 29 der Leistungsakte) wird Bezug genommen. Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 04.03.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung führte ihr Prozessbevollmächtigter aus, ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für selbst eingestellte Pflegekräfte ergebe sich aus § 66 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Die Ablehnung allein aufgrund des Mehrkostenvorbehaltes in § 13 SGB XII sei rechtswidrig. Der Vorrang der ambulanten Pflege könne nur dann durchbrochen werden, wenn eine stationäre Unterbringung der Antragstellerin zuzumuten und die ambulante Pflege verglichen mit der stationären Unterbringung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Werde aber bereits die Zumutbarkeit der stationären Unterbringung verneint, sei für einen Kostenvergleich zwischen ambulanter und stationärer Pflege kein Raum mehr. Vor allem müsse die Vorschrift des § 13 SGB XII vor dem Hintergrund der Konvention der vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenrechtskonvention, BRK) interpretiert werden. Art. 19 UN-BRK gebe Menschen mit Behinderung uneingeschränkt das Recht zu bestimmen, wo und mit wem sie leben möchten. Sie könnten nicht gezwungen werden, in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung zu leben. Daraus folge, dass eine Unterbringung gegen den Willen des Menschen mit Behinderung unter keinen Umständen als zumutbar angesehen werden könne. Auf den weiteren Inhalt der Begründung (Bl. 34 ff der Leistungsakte) wird Bezug genommen. Durch Widerspruchsbescheid vom 18.08.2010 wies die Antragsgegnerin den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 13 Abs. 1 SGB XII gelte der Vorrang ambulanter Leistungen nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und die ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, da der Antragstellerin eine zumutbare stationäre Einrichtung genannt worden sei und die Kosten der ambulanten Leistungen mit unverhältnismäßigen Mehrkosten seien. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides (Bl. 49 ff der Leistungsakte) wird Bezug genommen.
Hiergegen hat die Klägerin unter dem 07.09.2010 Klage erhoben. Wegen des Klagebegehrens und des Inhalts des Verfahrens wird auf das noch nicht abgeschlossene Hauptsachverfahren S 22 SO 420/10 Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat am 24.06.2013 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Diesem Verfahren ging ein erneut beim Sozialamt des Landkreises Uelzen gestellter Antrag auf Bewilligung eines persönlichen Budgets voraus. Dieser war unter Verweis auf § 14 SGB IX ebenfalls an die Antragsgegnerin weitergeleitet worden. Dem Antrag lag ein Kostenvoranschlag für persönliche Assistenz und Pflege im Umfang von 24 Stunden des ambulanten Pflegedienstes "Hilfe im Haus eV" bei. Dieser bemaß den erforderlichen Kostenaufwand mit monatlich 14.955,46 Euro. Durch Bescheid vom 10.06.2013 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag erneut unter Verweis auf die Einrichtung Haus B ab. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides (Blatt 14/15 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Auch hiergegen hatte die Antragstellerin am 21.06.2013 Widerspruch eingelegt. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 17 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.
Im Rahmen des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutzes wurde durch Beschluss vom 08.07.2013 der Landkreis Uelzen als möglicherweise gemäß § 98 Absatz 5 SGB XII zuständiger Leistungsträger beigeladen.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, ihr stehe durch die Antragsgegnerin oder hilfsweise auch Beigeladene, die Kostenübernahme für eine ambulante Versorgung als persönliches Budget zum Zwecke der Sicherung der ambulanten Pflege sowie der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf der Grundlage der vorgelegten Kalkulation in einem Umfang von 24 Stunden täglich zu. Dabei seien die vom Verein Hilfe im Haus veranschlagten Kosten von knapp 15.000 Euro nur für eine Übergangszeit von ca. einem halben Jahr erforderlich, in dem sie sich in I in ihrer neuen Wohnung einrichten und die von ihr gewünschte Assistenz im Rahmen eines Arbeitgebermodels selbst organisieren könne. Es werde von ihr ausdrücklich nicht der Einsatz von Fachkräften, sondern vielmehr von ungelernten und von ihr selbst zu unterweisenden Hilfskräften gewünscht. Die Antragstellerin ist der Ansicht, sie könne nicht auf eine von der Antragsgegnerin genannte Einrichtungen verwiesen werden. Im Haus B stehe kein Platz zur Verfügung, so dass diese Einrichtung von vorne herein ausscheide. Aber auch die mit Schriftsatz vom 16.09.2013 benannte Hausgemeinschaft "Selbst und Sicher" sei keine für die Antragstellerin in Frage kommende Alternative. Unter Berufung auf Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) ist die Antragstellerin der Ansicht, ihrem Wunsch, selbstbestimmt in einer von ihr angemieteten Wohnung zu leben, sei ohne Rücksicht auf eventuell entstehende Kosten zu entsprechen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die Kostenübernahme für eine ambulante Versorgung als persönliches Budget zum Zwecke der Sicherung der ambulanten Pflege sowie der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf der Grundlage der vorgelegten Kalkulation in einem Umfang von 24 Stunden täglich zu bewilligen, 2. der Antragstellerin ab dem Zeitpunkt der Kostenübernahme für die ambulante Versorgung ein anteiliges Pflegegeld in Höhe von mindestens einem Drittel des maßgeblichen Pflegegeldtagessatzes gemäß § 64 SGB XII zu gewähren.
Die Antragsgegenerin hat schriftlich formell keinen Antrag gestellt.
Mit Schriftsatz vom 02.07.2013 hat sie zunächst die Ansicht vertreten, sie stimme mit der Antragstellerin überein, dass diese nicht auf eine stationäre Leistung verwiesen werden könne, wenn ein entsprechender Platz nicht vorhanden sei. Im übrigen ist sie der Ansicht, der für die Klägerin bisher zuständige Landkreis Uelzen, die Beigeladene, sei gemäß § 98 Absatz 5 SGB XII für die Bewilligung der begehrten ambulanten Leistungen örtlich zuständig. In späteren Schriftsätzen vertritt die Antragsgegnerin die Auffassung, es müssten hier Verhältnismäßigkeitserwägungen bezüglich der von der Antragstellerin beantragten Kosten angestellt werden. Jedenfalls sei die Antragstellerin auf den zwischenzeitlich frei gewordenen Platz in der ambulanten Hausgemeinschaft "Selbst und Sicher" des Trägervereins "Leben mit Behinderung" zu verweisen. Insoweit wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 16.09.2013 (Blatt 155 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Die Beigeladene hat ebenfalls keinen eigenen Sachantrag gestellt.
Sie ist der Auffassung, die von der Antragstellerin begehrte Kostenübernahme zur Inanspruchnahme von Assistenzleistungen in der selbst angemieteten Wohnung sei keine Form des ambulant betreuten Wohnens, so dass § 98 Absatz 5 SGB XII nicht einschlägig sei. Sie sieht ihre Auffassung bestätigt durch eine Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 04.05.2011 (Aktenzeichen L 2 SO 5815/09). Darin werde ausgeführt, dass nach dem Wortlaut des § 98 Absatz 5 Satz 1 SGB XII eine "Wohnform" vorliegen müsse. Aus diesem Terminus werde deutlich, dass es in Abgrenzung zur Nutzung eines ambulanten Pflegedienstes durch Behinderte, Gebrechliche und/oder ältere Menschen in der eigenen Wohnung, des Erfordernisses einer konzeptionellen Einbettung im Sinne einer Verknüpfung von Wohnung und ambulant erbrachter Leistungen durch ein betreuerisches Konzept erfordere. Im Übrigen schließt sie sich dem Vorbringen der Antragsgegnerin an, dass die von der Antragstellerin veranschlagten monatlichen Kosten von mehr als 15.000 Euro als unverhältnismäßig zu bezeichnen seien. Dabei werde der Wunsch der Antragstellerin sich wieder zur verselbständigen und ihr Leben eigenverantwortlich zu entscheiden nicht verkannt. Dies allein rechtfertige aber nicht die, durch die von der Antragstellerin gewählte Wohnform und dazu benötigte Assistenzleistung, verursachten Kosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der die Antragstellerin betreffenden Leistungsakte der Antragsgegnerin sowie der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist überwiegend begründet.
Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch), sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2 ZPO). Aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz) sind dabei, die insoweit zu stellenden Anforderungen mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz zu modifizieren (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.02.2013, Aktenzeichen 1 BvR 2366/12). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Aktenzeichen 1 BvR 745/88). Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedarf -, kann die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgen (Bundesverfassungsgericht vom 06.02.2013 a.a.O).
Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin für einen Zeitraum von zunächst einem halben Jahr ein Anspruch auf Übernahme der vom Verein "Hilfe im Haus" unter dem 26.04.2013 veranschlagten Kosten für eine 24-stündige persönliche Assistenz in Höhe von 14.955 Euro zu. Die Kostenübernahme erfolgt nach Rechnungslegung durch den Verein "Hilfe im Haus eV" für die monatlich erbrachte Leistung. Als Leistungsbeginn ist frühestens der 25.10.2013 vermerkt, da die Kammer davon ausgeht, dass ein früherer Umzug für die Antragstellerin nicht möglich sein wird. Erfolgt der Umzug später, ist auch eine spätere Leistungsaufnahme möglich. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die entsprechende Kostengewährung in dieser Höhe auf ca. ein halbes Jahr begrenzt ist. In dieser Zeit ist die Antragstellerin in der Lage, wie von ihr gewünscht, die benötigten Assistenzleistungen durch von ihr selbst eingestellte Hilfskräfte im Rahmen des Arbeitgebermodels auszuwählen. Der Antragsgegnerin wird in dieser Zeit die Möglichkeit eingeräumt, die von ihr selbst für nötig befundene Bedarfsfeststellung bei der Antragstellerin durchzuführen. Außerdem besteht in dieser Zeit die Möglichkeit, die zur Bewilligung des begehrten persönlichen Budgets nach § 57 SGB XII und § 61 Abs. 2 S.3 SGB XII i.V.m. § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX erforderliche Zielvereinbarung zu treffen. Der fehlende Abschluss derselben steht insbesondere der Zulässigkeit des hier angestrengten Eilverfahrens nicht entgegen, da entsprechende Verhandlungen aufgrund der grundsätzlichen Weigerung der Antragsgegenerin zur Bewilligung eines persönlichen Budgets zur Gewährung von Assistenzleistungen bei selbst angemieteter Wohnung nicht durchgeführt werden konnten ( ähnlich HessLSG Beschl. v.22.06.2012, L 4 SO 121/12 B ER, L 4 SO 122/12).
Bei dieser Regelung geht die Kammer von folgenden tatbestandlichen Voraussetzungen aus. Die Antragstellerin gehört, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, zum Personenkreis nach § 53 ff SGB XII und § 61 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Die Antragstellerin ist aufgrund ihrer schwerwiegenden Behinderungen in Pflegestufe III nach dem SGB XI eingestuft. Aufgrund dessen benötigt sie sowohl Hilfe für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 61 ff SGB XII) als auch im Sinne der Eingliederungshilfe Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 54 SGB XII in Verbindung mit § 55 f SGB IX). Es muss davon ausgegangen werden, dass die von der Klägerin benötigten Leistungen, sinnvollerweise im Rahmen der Abstimmung zwischen der Antragsgegnerin als Trägerin der Eingliederungshilfe sowie dem Träger der Pflegeversicherung gegebenenfalls auch der Krankenversicherung, als trägerübergreifendes persönliches Budget ausgestaltet sein sollten. Die dazu von Seiten der Antragsgegnerin, als dem nach § 14 SGB IX zuständigen Leistungsträger, erforderlichen Absprachen und Koordinierungsmaßnahmen, die auch zum Abschluss der notwendigen Zielvereinbarung erforderlich sind, können ebenfalls in diesem ersten halben Jahr getätigt werden. Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX besteht, wie offenbar auch von der Antragsgegnerin selbst angenommen, da diese den Antrag nicht an einen anderen, nach ihrer Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Weiterleitung durch die Beigeladene, die sich allein aufgrund der nach Ansicht der Beigeladenen fehlenden örtlichen Zuständigkeit ergab, ebenfalls an § 14 SGB IX zu messen ist. (vgl. Bay LSG Urteil v. 16.05.2013, Az. L 18 SO 220/11). Die 14-Tages Frist des § 14 SGB IX ist von der Beigeladenen eingehalten worden, da diese, nachdem die Antragstellerin Anfang November 2009 endgültig mitgeteilt hatte nach I ziehen zu wollen, den Antrag binnen weniger Tage an die Antragsgegnerin weitergeleitet hat. Die Frage, ob die Antragsgegnerin auch der nach § 98 Absatz 5 SGB XII zuständige örtliche Träger ist, oder ob sich in Zukunft ein Erstattungsanspruch gegen die Beigeladene ergeben könnte, muss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend entschieden werden. Der Beigeladenen ist darin zuzustimmen, dass bei der von der Antragstellerin gewünschten Wohnform in einer privat angemieteten Wohnung, unterstützt durch die Assistenzleistungen von der Antragstellerin selbst eingestellter – ungeschulter – Personen, jedenfalls keine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnen und Betreuung erkennbar ist (dies voraussetzend LSG Baden-Württemberg Urteil vom 04.05.2011 Aktenzeichen L 2 SO 5815/09 in Juris Randziffer 32). Der im Gesetz verwendete Begriff der "Wohnform" lässt schlussfolgern, dass eben nicht jede Form von Betreuungs- bzw. Assistenzleistung im privaten Wohnbereich unter § 98 Absatz 5 SGB XII zu fassen ist. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage erfordert das Hauptsacheverfahren.
Die Antragstellerin ist auch nicht, wie von Antragsgegnerin und wohl auch Beigeladener vertreten, auf eine Einrichtung zu verweisen. Dieser Schluss kann aus § 13 SGB XII, der im Lichte der seit 2009 geltenden UN-Behindertenrechtskonvention auszulegen ist, nicht gefolgert werden. Nach § 13 Absatz 1 SGB XII können Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles ambulant, also außerhalb einer Einrichtung, teilstationär oder stationär erbracht werden. Ambulante Leistungen haben nach Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift grundsätzlich Vorrang. Dieser Vorrang soll nach Absatz 1 Satz 3 nur dann nicht gelten, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Der Gesetzeswortlaut gibt hier ein Stufenverhältnis in der Prüfung vor. Nur eine an sich zumutbare stationäre Einrichtung ist auf ihre Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die durch eine ambulante Leistung entstehenden Kosten hin zu prüfen. Denn Satz 4 sagt ausdrücklich, das bei der Entscheidung zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen ist, bei der nach Satz 5 die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen sind. Satz 6 stellt ausdrücklich fest, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit Kosten keine Rolle spielen. Eine Zumutbarkeitsprüfung ist aber nur möglich, wenn in einer konkret benannten Einrichtung ein konkreter und damit freier Wohnplatz auf seine Zumutbarkeit hin überprüft werden kann. Wie aus dem ersten Erwiderungsschriftsatz der Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ersichtlich, ist sie offenbar derselben Auffassung, so dass sich jegliche Ausführungen zum Haus B, in dem nach wie vor kein freier Platz zur Verfügung steht, erübrigen. Ob die Antragstellerin langfristig auf einen konkreten Wohnplatz in einer Einrichtung oder auf die zur Zeit speziell benannte ambulante Hausgemeinschaft "Selbst und Sicher" des Vereins "Leben mit Behinderung" verwiesen werden kann, ist, da die Antragstellerin den Wunsch hat in einer eigenen Wohnung zu leben, zweifelhaft. Der Begriff der Zumutbarkeit in § 13 SGB XII ist als unbestimmter Rechtsbegriff jedenfalls seit 2009 im Lichte der von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Behindertenrechtskonvention zu sehen. In deren Artikel 19 überschrieben mit "Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft" ist folgendes geregelt:
"Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wohnmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, in dem sie u. a. gewährleisten, dass
a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben; "
Die Formulierung dieser Norm legt den Schluss nahe, dass aus dieser Regelung dem Menschen mit Behinderung ein gerichtlich einklagbares und durchsetzbares subjektives Recht folgert, wenn auch Artikel 4 und Artikel 33 BRK zunächst nähere Bestimmungen im Sinne eines umfassenden, konkreten Programms von vertraglichen Pflichten, mittels derer die Ziele und Grundsätze der BRK innerstaatlich umzusetzen sind, enthalten (so Peter Masuch, Die UN-Behindertenrechtskonvention anwenden", in Diskussionsforum - Forum D – Rehabilitations- und Teilhaberecht, Ziffer 3). Die im Dezember 2006 von der UN-Generalversammlung verabschiedete am 30.03.2007 von Deutschland unterzeichnete und durch das Ratifizierungsgesetz vom 21.12.2008 als innerstaatliches deutsches Recht ab dem 26.03.2009 in Kraft gesetzte BRK bietet neben einem Handlungsauftrag für Regierung und Gesetzgebung aber auch bereits unmittelbar einzufordernde subjektive Rechte für Menschen mit Behinderungen. Die BRK richtet sich an die Vertragsstaaten mit der Verpflichtung, Rahmenbedingungen zur Rechtsverwirklichung der in der Konvention niedergelegten Rechte zu schaffen; aber aus bestimmten Artikeln sind individuelle Ansprüche ohne vorherigen staatlichen Umsetzungsakt ableitbar. Artikel 4 Absatz 2 BRK erklärt ausdrücklich, dass bestimmte Verpflichtungen aus dem Übereinkommen nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind. So heißt es: " unbeschadet derjenigen Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind" (so Masuch a.a.O. I Ziffer 2). Welche Vorschriften der BRK nach Umsetzung derselben in innerstaatliches deutsches Recht unmittelbar anwendbar sind, ist anhand der BRK selbst zu entscheiden (Masuch a.a.O. I Ziffer 3). Maßgeblich muss sein, ob die Norm so bestimmt ist, dass sie sich ohne einen weiteren innerstaatlichen Normsetzungsakt anwenden lässt (Masuch a.a.O. I Ziffer 3). Die in Artikel 19 a ausgesprochene Gewährleistung der freien Wahl des Aufenthaltsorts sowie der Wohnform begründet ein sofortiges und uneingeschränktes Recht der Bestimmung der persönlichen Lebensumstände durch den Menschen mit Behinderung selbst. Diese Auslegung lässt der klar formulierte Wortlaut der Norm, der ausdrücklich keinerlei anderweitig umzusetzenden Vorgaben normiert, zu Selbst wenn man diese Auslegung des Artikel 19 a nicht gelten lassen wollte muss sie aber in jedem Fall bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Zumutbarkeit" in § 13 SGB XII angewandt werden. Aus besagtem Artikel ist, nach Auffassung der Kammer, zu entnehmen, dass die vom Menschen mit Behinderung gewählte Wohn- und Lebensform uneingeschränkt zu akzeptieren ist und Zumutbarkeitskriterien allenfalls bei verschiedenen Möglichkeiten ein und derselben Wohn- und Lebensform Berücksichtigung finden können. Nach der klaren und eindeutigen Formulierung des Artikel 19 erscheint es jedenfalls ausgeschlossen, das freie Wahlrecht und die Zumutbarkeit einer bestimmten Wohnform letztendlich an der Finanzierbarkeit scheitern zu lassen. Vielmehr ist aus Artikel 19, über das dort verbriefte Wahlrecht hinaus, ein Auftrag an die Vertragsstaaten abzuleiten, Betreuungsmodelle auch außerhalb von stationären Einrichtungen zu schaffen, die die Versorgung eines Menschen mit Behinderung in den eigenen, von ihm selbst gewählten 4 Wänden möglich machen. Art. 19 b) gibt den Vertragsstaaten auf zu gewährleisten, dass "b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung der Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist; b) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen."
Der Wunsch der Klägerin, ihr Leben mit von ihr ausgesuchten Hilfskräften selbst bestimmt zu führen, ohne sich an die Regeln und Vorgaben einer Einrichtung halten zu müssen, ist zu respektieren. Dabei verzichtet die Klägerin auf die sicheren und zu jeder Zeit – ohne ihr Zutun – abrufbaren Hilfestellungen, für deren Gewährleistung in den eigenen 4 Wänden sie selbst verantwortlich ist. Aber auch die sich hier möglicherweise ergebenden Probleme sind von ihr in Kauf zu nehmen und aufgrund des freien Willensentschlusses der Wahl der Wohnform auch zu tragen. Die Antragstellerin hat den ersten Schritt zur Verwirklichung der von ihr getroffenen Entscheidung durch die Anmietung der Wohnung in I bereits getätigt. Es ist ihr nach der langen Verfahrensdauer sowohl des Verwaltungs- und vor allem Klageverfahrens angesichts ihrer vorangehend geschilderten Rechte nicht zumutbar, die Wohnung zunächst wieder aufkündigen zu müssen, um in der von der Antragsgegnerin jüngst benannten Einrichtung zu leben. Vielmehr gebietet es der in der BRK verbriefte Schutz des freien Wahlrechts in Artikel 19, der Antragstellerin die gewünschte Wohnform zunächst zu ermöglichen und die noch offenen Fragen zur Bedarfsermittlung und genauen Umsetzung der getroffenen Wahl vor Ort zu prüfen und zu konkretisieren. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin in I ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, dessen Ausbau im zeitlichen Umfang die Antragstellerin im Rahmen ihrer Möglichkeiten beabsichtigt. Auch diese durch Artikel 12 Grundgesetz geschützte Rechtsposition muss bei der gewählten Wohnform berücksichtigt werden. Von Seiten der Antragsgegnerin konnte bislang nicht nachvollziehbar dargelegt werden, dass insbesondere die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit auch im Rahmen der Betreuung durch die genannten Einrichtungen ermöglicht wird. Nähere Angaben liegen hier nur zum Haus B vor, in dem allerdings nach Angaben der Antragsgegnerin niemand einer beruflichen Tätigkeit nachgeht. Auch dies stellt einen im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 13 SGB XII wichtigen, für die Wahl der Antragstellerin sprechenden Aspekt dar. Ungeachtet des bestehenden Wahlrechts ist der Antragstellerin, als einer eine möglichst umfangreiche Berufstätigkeit anstrebenden jungen Frau, nicht zumutbar, in einer Pflegeeinrichtung untergebracht zu sein, in der ausschließlich Menschen leben, deren Behinderung dies gerade nicht zulässt. Berührungspunkte sind an dieser Stelle nicht gegeben, Interessenlagen für Beruf und Freizeit kaum vereinbar ( so VG Köln, Beschl. v. 28.04.2004, Az. 21 L 518/0,.zur Unzumutbarkeit der Unterbringung einer ein Hochschulstudium und eine anschließende Berufstätigkeit anstrebende 24-Jährige mit Behinderung in einer Pflegeeinrichtung)
Vor dem Hintergrund der durch eine andere Entscheidung drohenden gravierenden Rechtsbeeinträchtigungen für die Antragstellerin sind an den Anordnungsgrund im vorliegenden Fall geringste Anforderungen zu stellen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Antragstellerin seit 2009 aufgrund ihrer Behinderung in eine von ihr nicht mehr gewünschte Wohnform gezwungen wird, aus der sie sich, ohne Inanspruchnahme der Antragsgegnerin und auch des gerichtlichen Eilrechtschutzes nicht zu befreien in der Lage ist. Ihrem Antrag war deshalb in der genannten Höhe stattzugeben. Für die Zusprache eines Pflegegeldes wird kein Eilrechtsbedürfnis gesehen. Zum einen haben die Beteiligten sich darüber nie auseinandergesetzt. Zum anderen geht die Kammer davon aus, dass eine entsprechende Regelung in Verbindung mit der in I durchzuführenden Bedarfsprüfung und Zielvereinbarung getroffen werden kann. Der Antrag wurde aus diesem Grunde insoweit abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Gründe:
Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der Kosten für eine 24 Stunden Assistenz in einer von ihr selbst angemieteten Wohnung im Stadtgebiet der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin erlitt am 14.11.2004 einen Verkehrsunfall, bei dem sie sich ein Schädelhirntrauma sowie multiple Wirbelkörperfrakturen zuzog. Daraus verbleibt eine hohe Querschnittslähmung mit spastischer Tetraparese sowie Blasen- und Darmlähmung. Vor dem Unfall lebte die Antragstellerin im Zuständigkeitsbereich der Beigeladenen. Bei der Antragstellerin wurde Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI der Pflegestufe III anerkannt. Zurzeit lebt die Antragstellerin in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft in E. Sie ist beinahe zu allen Verrichtungen im Alltag auf Hilfestellungen angewiesen.
Die Antragstellerin beantragte im September 2009 die Übernahme der Kosten einer 24-Stunden-Assistenz in eigener Wohnung im Wege des Arbeitgebermodells im Rahmen eines trägerübergeifenden persönlichen Budgets. Dem Antrag beigefügt war die Berechnung der durchschnittlichen Lohnkosten, die sich monatlich auf 10.499,50 EUR belaufen sollen. Dem Antrag ebenfalls beigefügt war ein Schreiben der Landeshauptstadt Düsseldorf. Diese wies darauf hin, dass die Antragstellerin nach ihrer Zeit in der Wohngemeinschaft nun in einer eigenen Wohnung leben wolle und dies unter Hinzuziehung einer Assistenz gut machbar sei. Der Umzug nach I könne aufgrund der Nähe zur Familie und der Möglichkeit, dort einer stundenweisen Tätigkeit nachzugehen, nur unterstützt werden.
Durch Schreiben vom 05.11.2009 leitete der Beigeladene den Antrag an die Antragsgegnerin unter Hinweis auf § 14 SGB IX weiter. Durch Schreiben vom 23.11.2009 teilte der Beigeladene mit, eine frühere Weiterleitung des Antrages sei nicht möglich gewesen, da vorher nicht habe abschließend geklärt werden können, wo die Antragstellerin letztendlich wohnen werde. Von ihr sei auch angedacht gewesen, nach Lüneburg zu ziehen. Erst Anfang November habe die Antragstellerin mitgeteilt, dass sie definitiv nach I ziehen wolle. Durch Schreiben vom 26.01.2010 (Bl. 16 ff der Leistungsakte) übersandte die Antragstellerin die Aufstellung ihres Hilfebedarfs. Durch Bescheid vom 24.02.2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf ambulante Versorgung im Rahmen des sogenannten Arbeitgebermodels ab. Zur Begründung führte sie aus, eine Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 13 SGB XII sei bei einem Antragsvolumen von ca. 10.500 EUR für monatliche Pflegekosten gegeben. Alternativ werde eine Versorgung durch eine Einrichtung in I, z. B. durch "Pflegen und Wohnen, Haus am B" mit Maximalkosten in Höhe von 3767,21 EUR angeboten. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides (Bl. 27 – 29 der Leistungsakte) wird Bezug genommen. Hiergegen legte die Antragstellerin unter dem 04.03.2010 Widerspruch ein. Zur Begründung führte ihr Prozessbevollmächtigter aus, ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für selbst eingestellte Pflegekräfte ergebe sich aus § 66 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 65 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Die Ablehnung allein aufgrund des Mehrkostenvorbehaltes in § 13 SGB XII sei rechtswidrig. Der Vorrang der ambulanten Pflege könne nur dann durchbrochen werden, wenn eine stationäre Unterbringung der Antragstellerin zuzumuten und die ambulante Pflege verglichen mit der stationären Unterbringung mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden sei. Werde aber bereits die Zumutbarkeit der stationären Unterbringung verneint, sei für einen Kostenvergleich zwischen ambulanter und stationärer Pflege kein Raum mehr. Vor allem müsse die Vorschrift des § 13 SGB XII vor dem Hintergrund der Konvention der vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenrechtskonvention, BRK) interpretiert werden. Art. 19 UN-BRK gebe Menschen mit Behinderung uneingeschränkt das Recht zu bestimmen, wo und mit wem sie leben möchten. Sie könnten nicht gezwungen werden, in besonderen Wohnformen für Menschen mit Behinderung zu leben. Daraus folge, dass eine Unterbringung gegen den Willen des Menschen mit Behinderung unter keinen Umständen als zumutbar angesehen werden könne. Auf den weiteren Inhalt der Begründung (Bl. 34 ff der Leistungsakte) wird Bezug genommen. Durch Widerspruchsbescheid vom 18.08.2010 wies die Antragsgegnerin den eingelegten Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 13 Abs. 1 SGB XII gelte der Vorrang ambulanter Leistungen nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und die ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden sei. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, da der Antragstellerin eine zumutbare stationäre Einrichtung genannt worden sei und die Kosten der ambulanten Leistungen mit unverhältnismäßigen Mehrkosten seien. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides (Bl. 49 ff der Leistungsakte) wird Bezug genommen.
Hiergegen hat die Klägerin unter dem 07.09.2010 Klage erhoben. Wegen des Klagebegehrens und des Inhalts des Verfahrens wird auf das noch nicht abgeschlossene Hauptsachverfahren S 22 SO 420/10 Bezug genommen.
Die Antragstellerin hat am 24.06.2013 Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Diesem Verfahren ging ein erneut beim Sozialamt des Landkreises Uelzen gestellter Antrag auf Bewilligung eines persönlichen Budgets voraus. Dieser war unter Verweis auf § 14 SGB IX ebenfalls an die Antragsgegnerin weitergeleitet worden. Dem Antrag lag ein Kostenvoranschlag für persönliche Assistenz und Pflege im Umfang von 24 Stunden des ambulanten Pflegedienstes "Hilfe im Haus eV" bei. Dieser bemaß den erforderlichen Kostenaufwand mit monatlich 14.955,46 Euro. Durch Bescheid vom 10.06.2013 lehnte die Antragsgegnerin diesen Antrag erneut unter Verweis auf die Einrichtung Haus B ab. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides (Blatt 14/15 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen. Auch hiergegen hatte die Antragstellerin am 21.06.2013 Widerspruch eingelegt. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 17 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.
Im Rahmen des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutzes wurde durch Beschluss vom 08.07.2013 der Landkreis Uelzen als möglicherweise gemäß § 98 Absatz 5 SGB XII zuständiger Leistungsträger beigeladen.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, ihr stehe durch die Antragsgegnerin oder hilfsweise auch Beigeladene, die Kostenübernahme für eine ambulante Versorgung als persönliches Budget zum Zwecke der Sicherung der ambulanten Pflege sowie der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf der Grundlage der vorgelegten Kalkulation in einem Umfang von 24 Stunden täglich zu. Dabei seien die vom Verein Hilfe im Haus veranschlagten Kosten von knapp 15.000 Euro nur für eine Übergangszeit von ca. einem halben Jahr erforderlich, in dem sie sich in I in ihrer neuen Wohnung einrichten und die von ihr gewünschte Assistenz im Rahmen eines Arbeitgebermodels selbst organisieren könne. Es werde von ihr ausdrücklich nicht der Einsatz von Fachkräften, sondern vielmehr von ungelernten und von ihr selbst zu unterweisenden Hilfskräften gewünscht. Die Antragstellerin ist der Ansicht, sie könne nicht auf eine von der Antragsgegnerin genannte Einrichtungen verwiesen werden. Im Haus B stehe kein Platz zur Verfügung, so dass diese Einrichtung von vorne herein ausscheide. Aber auch die mit Schriftsatz vom 16.09.2013 benannte Hausgemeinschaft "Selbst und Sicher" sei keine für die Antragstellerin in Frage kommende Alternative. Unter Berufung auf Artikel 19 der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) ist die Antragstellerin der Ansicht, ihrem Wunsch, selbstbestimmt in einer von ihr angemieteten Wohnung zu leben, sei ohne Rücksicht auf eventuell entstehende Kosten zu entsprechen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
1. die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die Kostenübernahme für eine ambulante Versorgung als persönliches Budget zum Zwecke der Sicherung der ambulanten Pflege sowie der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auf der Grundlage der vorgelegten Kalkulation in einem Umfang von 24 Stunden täglich zu bewilligen, 2. der Antragstellerin ab dem Zeitpunkt der Kostenübernahme für die ambulante Versorgung ein anteiliges Pflegegeld in Höhe von mindestens einem Drittel des maßgeblichen Pflegegeldtagessatzes gemäß § 64 SGB XII zu gewähren.
Die Antragsgegenerin hat schriftlich formell keinen Antrag gestellt.
Mit Schriftsatz vom 02.07.2013 hat sie zunächst die Ansicht vertreten, sie stimme mit der Antragstellerin überein, dass diese nicht auf eine stationäre Leistung verwiesen werden könne, wenn ein entsprechender Platz nicht vorhanden sei. Im übrigen ist sie der Ansicht, der für die Klägerin bisher zuständige Landkreis Uelzen, die Beigeladene, sei gemäß § 98 Absatz 5 SGB XII für die Bewilligung der begehrten ambulanten Leistungen örtlich zuständig. In späteren Schriftsätzen vertritt die Antragsgegnerin die Auffassung, es müssten hier Verhältnismäßigkeitserwägungen bezüglich der von der Antragstellerin beantragten Kosten angestellt werden. Jedenfalls sei die Antragstellerin auf den zwischenzeitlich frei gewordenen Platz in der ambulanten Hausgemeinschaft "Selbst und Sicher" des Trägervereins "Leben mit Behinderung" zu verweisen. Insoweit wird auf den Inhalt des Schriftsatzes vom 16.09.2013 (Blatt 155 der Leistungsakte) Bezug genommen.
Die Beigeladene hat ebenfalls keinen eigenen Sachantrag gestellt.
Sie ist der Auffassung, die von der Antragstellerin begehrte Kostenübernahme zur Inanspruchnahme von Assistenzleistungen in der selbst angemieteten Wohnung sei keine Form des ambulant betreuten Wohnens, so dass § 98 Absatz 5 SGB XII nicht einschlägig sei. Sie sieht ihre Auffassung bestätigt durch eine Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 04.05.2011 (Aktenzeichen L 2 SO 5815/09). Darin werde ausgeführt, dass nach dem Wortlaut des § 98 Absatz 5 Satz 1 SGB XII eine "Wohnform" vorliegen müsse. Aus diesem Terminus werde deutlich, dass es in Abgrenzung zur Nutzung eines ambulanten Pflegedienstes durch Behinderte, Gebrechliche und/oder ältere Menschen in der eigenen Wohnung, des Erfordernisses einer konzeptionellen Einbettung im Sinne einer Verknüpfung von Wohnung und ambulant erbrachter Leistungen durch ein betreuerisches Konzept erfordere. Im Übrigen schließt sie sich dem Vorbringen der Antragsgegnerin an, dass die von der Antragstellerin veranschlagten monatlichen Kosten von mehr als 15.000 Euro als unverhältnismäßig zu bezeichnen seien. Dabei werde der Wunsch der Antragstellerin sich wieder zur verselbständigen und ihr Leben eigenverantwortlich zu entscheiden nicht verkannt. Dies allein rechtfertige aber nicht die, durch die von der Antragstellerin gewählte Wohnform und dazu benötigte Assistenzleistung, verursachten Kosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, der die Antragstellerin betreffenden Leistungsakte der Antragsgegnerin sowie der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist überwiegend begründet.
Gemäß § 86 b Absatz 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die – summarische – Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch), sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung aufgrund Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund). Sowohl der Anordnungsanspruch als auch die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Absatz 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Absatz 2 ZPO). Aus Gründen effektiven Rechtsschutzes (Artikel 19 Absatz 4 Grundgesetz) sind dabei, die insoweit zu stellenden Anforderungen mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz zu modifizieren (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.02.2013, Aktenzeichen 1 BvR 2366/12). Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25.10.1988, Aktenzeichen 1 BvR 745/88). Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich – etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedarf -, kann die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgen (Bundesverfassungsgericht vom 06.02.2013 a.a.O).
Der Antragstellerin steht gegen die Antragsgegnerin für einen Zeitraum von zunächst einem halben Jahr ein Anspruch auf Übernahme der vom Verein "Hilfe im Haus" unter dem 26.04.2013 veranschlagten Kosten für eine 24-stündige persönliche Assistenz in Höhe von 14.955 Euro zu. Die Kostenübernahme erfolgt nach Rechnungslegung durch den Verein "Hilfe im Haus eV" für die monatlich erbrachte Leistung. Als Leistungsbeginn ist frühestens der 25.10.2013 vermerkt, da die Kammer davon ausgeht, dass ein früherer Umzug für die Antragstellerin nicht möglich sein wird. Erfolgt der Umzug später, ist auch eine spätere Leistungsaufnahme möglich. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die entsprechende Kostengewährung in dieser Höhe auf ca. ein halbes Jahr begrenzt ist. In dieser Zeit ist die Antragstellerin in der Lage, wie von ihr gewünscht, die benötigten Assistenzleistungen durch von ihr selbst eingestellte Hilfskräfte im Rahmen des Arbeitgebermodels auszuwählen. Der Antragsgegnerin wird in dieser Zeit die Möglichkeit eingeräumt, die von ihr selbst für nötig befundene Bedarfsfeststellung bei der Antragstellerin durchzuführen. Außerdem besteht in dieser Zeit die Möglichkeit, die zur Bewilligung des begehrten persönlichen Budgets nach § 57 SGB XII und § 61 Abs. 2 S.3 SGB XII i.V.m. § 17 Abs. 2 bis 4 SGB IX erforderliche Zielvereinbarung zu treffen. Der fehlende Abschluss derselben steht insbesondere der Zulässigkeit des hier angestrengten Eilverfahrens nicht entgegen, da entsprechende Verhandlungen aufgrund der grundsätzlichen Weigerung der Antragsgegenerin zur Bewilligung eines persönlichen Budgets zur Gewährung von Assistenzleistungen bei selbst angemieteter Wohnung nicht durchgeführt werden konnten ( ähnlich HessLSG Beschl. v.22.06.2012, L 4 SO 121/12 B ER, L 4 SO 122/12).
Bei dieser Regelung geht die Kammer von folgenden tatbestandlichen Voraussetzungen aus. Die Antragstellerin gehört, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, zum Personenkreis nach § 53 ff SGB XII und § 61 Abs. 1 S. 1 SGB XII. Die Antragstellerin ist aufgrund ihrer schwerwiegenden Behinderungen in Pflegestufe III nach dem SGB XI eingestuft. Aufgrund dessen benötigt sie sowohl Hilfe für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens (§ 61 ff SGB XII) als auch im Sinne der Eingliederungshilfe Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 54 SGB XII in Verbindung mit § 55 f SGB IX). Es muss davon ausgegangen werden, dass die von der Klägerin benötigten Leistungen, sinnvollerweise im Rahmen der Abstimmung zwischen der Antragsgegnerin als Trägerin der Eingliederungshilfe sowie dem Träger der Pflegeversicherung gegebenenfalls auch der Krankenversicherung, als trägerübergreifendes persönliches Budget ausgestaltet sein sollten. Die dazu von Seiten der Antragsgegnerin, als dem nach § 14 SGB IX zuständigen Leistungsträger, erforderlichen Absprachen und Koordinierungsmaßnahmen, die auch zum Abschluss der notwendigen Zielvereinbarung erforderlich sind, können ebenfalls in diesem ersten halben Jahr getätigt werden. Die Zuständigkeit nach § 14 SGB IX besteht, wie offenbar auch von der Antragsgegnerin selbst angenommen, da diese den Antrag nicht an einen anderen, nach ihrer Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Weiterleitung durch die Beigeladene, die sich allein aufgrund der nach Ansicht der Beigeladenen fehlenden örtlichen Zuständigkeit ergab, ebenfalls an § 14 SGB IX zu messen ist. (vgl. Bay LSG Urteil v. 16.05.2013, Az. L 18 SO 220/11). Die 14-Tages Frist des § 14 SGB IX ist von der Beigeladenen eingehalten worden, da diese, nachdem die Antragstellerin Anfang November 2009 endgültig mitgeteilt hatte nach I ziehen zu wollen, den Antrag binnen weniger Tage an die Antragsgegnerin weitergeleitet hat. Die Frage, ob die Antragsgegnerin auch der nach § 98 Absatz 5 SGB XII zuständige örtliche Träger ist, oder ob sich in Zukunft ein Erstattungsanspruch gegen die Beigeladene ergeben könnte, muss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend entschieden werden. Der Beigeladenen ist darin zuzustimmen, dass bei der von der Antragstellerin gewünschten Wohnform in einer privat angemieteten Wohnung, unterstützt durch die Assistenzleistungen von der Antragstellerin selbst eingestellter – ungeschulter – Personen, jedenfalls keine konzeptionelle Verknüpfung von Wohnen und Betreuung erkennbar ist (dies voraussetzend LSG Baden-Württemberg Urteil vom 04.05.2011 Aktenzeichen L 2 SO 5815/09 in Juris Randziffer 32). Der im Gesetz verwendete Begriff der "Wohnform" lässt schlussfolgern, dass eben nicht jede Form von Betreuungs- bzw. Assistenzleistung im privaten Wohnbereich unter § 98 Absatz 5 SGB XII zu fassen ist. Eine nähere Auseinandersetzung mit dieser Frage erfordert das Hauptsacheverfahren.
Die Antragstellerin ist auch nicht, wie von Antragsgegnerin und wohl auch Beigeladener vertreten, auf eine Einrichtung zu verweisen. Dieser Schluss kann aus § 13 SGB XII, der im Lichte der seit 2009 geltenden UN-Behindertenrechtskonvention auszulegen ist, nicht gefolgert werden. Nach § 13 Absatz 1 SGB XII können Leistungen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles ambulant, also außerhalb einer Einrichtung, teilstationär oder stationär erbracht werden. Ambulante Leistungen haben nach Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift grundsätzlich Vorrang. Dieser Vorrang soll nach Absatz 1 Satz 3 nur dann nicht gelten, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Der Gesetzeswortlaut gibt hier ein Stufenverhältnis in der Prüfung vor. Nur eine an sich zumutbare stationäre Einrichtung ist auf ihre Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die durch eine ambulante Leistung entstehenden Kosten hin zu prüfen. Denn Satz 4 sagt ausdrücklich, das bei der Entscheidung zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen ist, bei der nach Satz 5 die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen sind. Satz 6 stellt ausdrücklich fest, dass bei der Beurteilung der Zumutbarkeit Kosten keine Rolle spielen. Eine Zumutbarkeitsprüfung ist aber nur möglich, wenn in einer konkret benannten Einrichtung ein konkreter und damit freier Wohnplatz auf seine Zumutbarkeit hin überprüft werden kann. Wie aus dem ersten Erwiderungsschriftsatz der Antragsgegnerin im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ersichtlich, ist sie offenbar derselben Auffassung, so dass sich jegliche Ausführungen zum Haus B, in dem nach wie vor kein freier Platz zur Verfügung steht, erübrigen. Ob die Antragstellerin langfristig auf einen konkreten Wohnplatz in einer Einrichtung oder auf die zur Zeit speziell benannte ambulante Hausgemeinschaft "Selbst und Sicher" des Vereins "Leben mit Behinderung" verwiesen werden kann, ist, da die Antragstellerin den Wunsch hat in einer eigenen Wohnung zu leben, zweifelhaft. Der Begriff der Zumutbarkeit in § 13 SGB XII ist als unbestimmter Rechtsbegriff jedenfalls seit 2009 im Lichte der von der UN-Generalversammlung verabschiedeten Behindertenrechtskonvention zu sehen. In deren Artikel 19 überschrieben mit "Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft" ist folgendes geregelt:
"Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wohnmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, in dem sie u. a. gewährleisten, dass
a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben; "
Die Formulierung dieser Norm legt den Schluss nahe, dass aus dieser Regelung dem Menschen mit Behinderung ein gerichtlich einklagbares und durchsetzbares subjektives Recht folgert, wenn auch Artikel 4 und Artikel 33 BRK zunächst nähere Bestimmungen im Sinne eines umfassenden, konkreten Programms von vertraglichen Pflichten, mittels derer die Ziele und Grundsätze der BRK innerstaatlich umzusetzen sind, enthalten (so Peter Masuch, Die UN-Behindertenrechtskonvention anwenden", in Diskussionsforum - Forum D – Rehabilitations- und Teilhaberecht, Ziffer 3). Die im Dezember 2006 von der UN-Generalversammlung verabschiedete am 30.03.2007 von Deutschland unterzeichnete und durch das Ratifizierungsgesetz vom 21.12.2008 als innerstaatliches deutsches Recht ab dem 26.03.2009 in Kraft gesetzte BRK bietet neben einem Handlungsauftrag für Regierung und Gesetzgebung aber auch bereits unmittelbar einzufordernde subjektive Rechte für Menschen mit Behinderungen. Die BRK richtet sich an die Vertragsstaaten mit der Verpflichtung, Rahmenbedingungen zur Rechtsverwirklichung der in der Konvention niedergelegten Rechte zu schaffen; aber aus bestimmten Artikeln sind individuelle Ansprüche ohne vorherigen staatlichen Umsetzungsakt ableitbar. Artikel 4 Absatz 2 BRK erklärt ausdrücklich, dass bestimmte Verpflichtungen aus dem Übereinkommen nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind. So heißt es: " unbeschadet derjenigen Verpflichtungen aus diesem Übereinkommen, die nach dem Völkerrecht sofort anwendbar sind" (so Masuch a.a.O. I Ziffer 2). Welche Vorschriften der BRK nach Umsetzung derselben in innerstaatliches deutsches Recht unmittelbar anwendbar sind, ist anhand der BRK selbst zu entscheiden (Masuch a.a.O. I Ziffer 3). Maßgeblich muss sein, ob die Norm so bestimmt ist, dass sie sich ohne einen weiteren innerstaatlichen Normsetzungsakt anwenden lässt (Masuch a.a.O. I Ziffer 3). Die in Artikel 19 a ausgesprochene Gewährleistung der freien Wahl des Aufenthaltsorts sowie der Wohnform begründet ein sofortiges und uneingeschränktes Recht der Bestimmung der persönlichen Lebensumstände durch den Menschen mit Behinderung selbst. Diese Auslegung lässt der klar formulierte Wortlaut der Norm, der ausdrücklich keinerlei anderweitig umzusetzenden Vorgaben normiert, zu Selbst wenn man diese Auslegung des Artikel 19 a nicht gelten lassen wollte muss sie aber in jedem Fall bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "Zumutbarkeit" in § 13 SGB XII angewandt werden. Aus besagtem Artikel ist, nach Auffassung der Kammer, zu entnehmen, dass die vom Menschen mit Behinderung gewählte Wohn- und Lebensform uneingeschränkt zu akzeptieren ist und Zumutbarkeitskriterien allenfalls bei verschiedenen Möglichkeiten ein und derselben Wohn- und Lebensform Berücksichtigung finden können. Nach der klaren und eindeutigen Formulierung des Artikel 19 erscheint es jedenfalls ausgeschlossen, das freie Wahlrecht und die Zumutbarkeit einer bestimmten Wohnform letztendlich an der Finanzierbarkeit scheitern zu lassen. Vielmehr ist aus Artikel 19, über das dort verbriefte Wahlrecht hinaus, ein Auftrag an die Vertragsstaaten abzuleiten, Betreuungsmodelle auch außerhalb von stationären Einrichtungen zu schaffen, die die Versorgung eines Menschen mit Behinderung in den eigenen, von ihm selbst gewählten 4 Wänden möglich machen. Art. 19 b) gibt den Vertragsstaaten auf zu gewährleisten, dass "b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz, die zur Unterstützung des Lebens in der Gemeinschaft und der Einbeziehung in die Gemeinschaft sowie zur Verhinderung der Isolation und Absonderung von der Gemeinschaft notwendig ist; b) gemeindenahe Dienstleistungen und Einrichtungen für die Allgemeinheit Menschen mit Behinderungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung zur Verfügung stehen und ihren Bedürfnissen Rechnung tragen."
Der Wunsch der Klägerin, ihr Leben mit von ihr ausgesuchten Hilfskräften selbst bestimmt zu führen, ohne sich an die Regeln und Vorgaben einer Einrichtung halten zu müssen, ist zu respektieren. Dabei verzichtet die Klägerin auf die sicheren und zu jeder Zeit – ohne ihr Zutun – abrufbaren Hilfestellungen, für deren Gewährleistung in den eigenen 4 Wänden sie selbst verantwortlich ist. Aber auch die sich hier möglicherweise ergebenden Probleme sind von ihr in Kauf zu nehmen und aufgrund des freien Willensentschlusses der Wahl der Wohnform auch zu tragen. Die Antragstellerin hat den ersten Schritt zur Verwirklichung der von ihr getroffenen Entscheidung durch die Anmietung der Wohnung in I bereits getätigt. Es ist ihr nach der langen Verfahrensdauer sowohl des Verwaltungs- und vor allem Klageverfahrens angesichts ihrer vorangehend geschilderten Rechte nicht zumutbar, die Wohnung zunächst wieder aufkündigen zu müssen, um in der von der Antragsgegnerin jüngst benannten Einrichtung zu leben. Vielmehr gebietet es der in der BRK verbriefte Schutz des freien Wahlrechts in Artikel 19, der Antragstellerin die gewünschte Wohnform zunächst zu ermöglichen und die noch offenen Fragen zur Bedarfsermittlung und genauen Umsetzung der getroffenen Wahl vor Ort zu prüfen und zu konkretisieren. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragstellerin in I ein Arbeitsplatz zur Verfügung steht, dessen Ausbau im zeitlichen Umfang die Antragstellerin im Rahmen ihrer Möglichkeiten beabsichtigt. Auch diese durch Artikel 12 Grundgesetz geschützte Rechtsposition muss bei der gewählten Wohnform berücksichtigt werden. Von Seiten der Antragsgegnerin konnte bislang nicht nachvollziehbar dargelegt werden, dass insbesondere die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit auch im Rahmen der Betreuung durch die genannten Einrichtungen ermöglicht wird. Nähere Angaben liegen hier nur zum Haus B vor, in dem allerdings nach Angaben der Antragsgegnerin niemand einer beruflichen Tätigkeit nachgeht. Auch dies stellt einen im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 13 SGB XII wichtigen, für die Wahl der Antragstellerin sprechenden Aspekt dar. Ungeachtet des bestehenden Wahlrechts ist der Antragstellerin, als einer eine möglichst umfangreiche Berufstätigkeit anstrebenden jungen Frau, nicht zumutbar, in einer Pflegeeinrichtung untergebracht zu sein, in der ausschließlich Menschen leben, deren Behinderung dies gerade nicht zulässt. Berührungspunkte sind an dieser Stelle nicht gegeben, Interessenlagen für Beruf und Freizeit kaum vereinbar ( so VG Köln, Beschl. v. 28.04.2004, Az. 21 L 518/0,.zur Unzumutbarkeit der Unterbringung einer ein Hochschulstudium und eine anschließende Berufstätigkeit anstrebende 24-Jährige mit Behinderung in einer Pflegeeinrichtung)
Vor dem Hintergrund der durch eine andere Entscheidung drohenden gravierenden Rechtsbeeinträchtigungen für die Antragstellerin sind an den Anordnungsgrund im vorliegenden Fall geringste Anforderungen zu stellen. Dabei ist auch zu beachten, dass die Antragstellerin seit 2009 aufgrund ihrer Behinderung in eine von ihr nicht mehr gewünschte Wohnform gezwungen wird, aus der sie sich, ohne Inanspruchnahme der Antragsgegnerin und auch des gerichtlichen Eilrechtschutzes nicht zu befreien in der Lage ist. Ihrem Antrag war deshalb in der genannten Höhe stattzugeben. Für die Zusprache eines Pflegegeldes wird kein Eilrechtsbedürfnis gesehen. Zum einen haben die Beteiligten sich darüber nie auseinandergesetzt. Zum anderen geht die Kammer davon aus, dass eine entsprechende Regelung in Verbindung mit der in I durchzuführenden Bedarfsprüfung und Zielvereinbarung getroffen werden kann. Der Antrag wurde aus diesem Grunde insoweit abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Rechtskraft
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