Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 5 SB 178/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 23/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Die 1959 geborene Klägerin beantragte im Juni 1999 beim Beklagten die Feststellung eines GdB aufgrund der Erkrankung an Diabetes mellitus. Nach Beiziehung eines Befundscheins der Fachärztin für Innere Medizin Dr. L., die über eine intensivierte Insulintherapie des Diabetes mellitus Typ I (Erstmanifestation 1998) ohne Komplikationen berichtet hatte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. September 1999 wegen dieser Erkrankung einen GdB 40 fest.
Am 6. Oktober 2011 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB und legte ihre Blutzuckertagebücher vor. Der Beklagte holte erneut einen Befundschein von Dr. L. ein, die über sechs bis sieben Mal täglich notwendige Blutzuckermessungen berichtete und im Übrigen auf die beigelegte Krankenhausepikrise (St. E. und St. B. H.) vom 11. Oktober 2011 verwies. Danach sei dort die Behandlung zur Einstellung auf CSII (Continuous Subcutaneous Insulin Infusion) bei entgleistem Diabetes mellitus erfolgt. Unter der CSII-Therapie hätten deutlich normalere Blutzuckerwerte (HbA1c-Wert 8,53) erzielt werden können. Der Klägerin seien die notwendigen Kenntnisse zur Handhabung der Insulinpumpe, der Blutzuckerselbstkontrolle und Themen wie Hypoglykämien und Spätfolgen vermittelt worden. Den Umgang mit der Insulinpumpe habe die Klägerin zum Entlassungszeitpunkt sicher beherrscht. In Auswertung dieser Befunde führte der ärztliche Gutachter des Beklagten OMR Dr. J. am 22. November 2011 aus: Der Diabetes mellitus sei bei fehlenden Komplikationen weiterhin mit einem GdB von 40 zu bewerten. Aufgrund der angegebenen HbA1c-Werte sei nicht von einer schlechten Einstellung des Diabetes mellitus auszugehen. Wesentliche schwere Hypoglykämien seien nicht dokumentiert. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 die Neufeststellung des Behinderungsgrades ab.
Dagegen legte die Klägerin am 14. Dezember 2011 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Sie sei seit Oktober 2011 Insulinpumpenträgerin und müsse das Infusionsset aller zwei Tage legen. Vor jeder Mahlzeit müsse sie die richtige Insulindosis einstellen und überprüfen. Beim täglichen Tragen während ihrer Berufstätigkeit als Schlosserin in einer Werkstatt müsse sie achtgeben, dass die Pumpe nicht abgerissen oder beschädigt werde (insbesondere bei betrieblich notwendigen Umlagerungen des Materials an einen anderen Arbeitsplatz). Sie übersandte nochmals auf Anforderung des Beklagten ihre Blutzuckertagebücher und trug ergänzend vor: Sie könne erst mit dem Auto zur Arbeit fahren, wenn die Blutzuckerwerte in Ordnung seien und müsse beim Arbeitsalltag immer darauf achten, dass die Werte stimmten und die Pumpe nicht in Mitleidenschaft gezogen werde. Sie verrichte als Schlosserin schwere körperliche Arbeit. Beim Duschen und Baden müsse sie die Pumpe ablegen. Auch bei sportlicher Betätigung und Familienaktivitäten müsse ständig eine Kontrolle erfolgen. Sie könne nichts mehr spontan erledigen und müsse alles genau planen. Dies beeinträchtige auch nachhaltig das Familienleben. Stressfaktoren spiegelten sich sofort in den Blutzuckerwerten wider, sodass sie insgesamt gravierende Einschnitte in ihrem Leben sehe, da alles auf die Pumpentherapie ausgerichtet sei.
Der Beklagte holte eine Stellungnahme seines ärztlichen Gutachters Dr. B. vom 28. Juni 2012 ein, der ausführte: Nach der diabetologischen Epikrise, den Blutzuckertagebüchern der Klägerin und den Laborparametern (HbA1c-Werte) lägen keine Hinweise auf anhaltende erhebliche Stoffwechselschwankungen und/oder ausgeprägte Unterzuckerungen vor. Auch eine durch erhebliche Einschnitte gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung mit ausgeprägter Teilhabebeeinträchtigung sei den Befunden nicht zu entnehmen. Die von der Klägerin geschilderten Beeinträchtigungen seien im GdB von 40 ausreichend berücksichtigt. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2012 den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 30. August 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben und vorgetragen: Sie leide an einem schwer einstellbaren insulinpflichtigen Diabetes mellitus und einer äußerst instabilen Stoffwechsellage. Die Behandlung erfolge mit einer äußerst aufwendigen Insulinpumpentherapie. Sie müsse durchschnittlich mehr als vier Mal täglich Insulin im Wege einer sog. Bolusgabe zuführen, wobei sie die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung jeweils selbständig variiere. Zusätzlich seien weitere kontinuierliche Insulinausschüttungen (sog. Basalraten) erforderlich, welche situations- und tageszeitabhängig individuell angepasst werden müssten. Der Blutzucker schwanke teilweise erheblich und es komme nahezu täglich zu Unterzuckerungen. Die damit verbundenen Symptome gingen mit erheblichen und schwerwiegenden Belastungen im Tagesablauf einher. Sie müsse immer damit rechnen, dass es durch Blutzuckerschwankungen zu Konzentrationsstörungen komme. Mehrtägige Ausflüge, längere und ausdauernde Wanderungen oder intensiver Sport seien ihr nur eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich. Sie leide nicht nur an Hypoglykämien, sondern auch an neurologischen Beschwerden sowie Allergien. Die hiermit verbundenen erheblichen Stoffwechselschwankungen sowie weiteren Komplikationen seien in ihrer Auswirkung entsprechend zusätzlich zu bewerten. Trotz zahlreicher verschiedener Therapieansätze habe keine stabile Stoffwechseleinstellung erzielt werden können. Aufgrund der Blutzuckerschwankungen leide sie an Unwohlsein, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Auch sei die gravierende psychische Belastung zu berücksichtigen, insbesondere die Angst vor überraschenden Unterzuckerungen sowie vor Folgeschäden. In Anlage hat sie ihre Blutzuckertagebücher übersandt und dazu ergänzend ausgeführt: Wenn sie den Blutzucker noch morgens korrigiere, verschiebe sich die Abfahrtszeit zur Arbeit. Sie müsse in diesem Fall Bescheid geben, dass sie erst später komme. Dies sei sehr unangenehm. Sie könne ohne Messgerät das Haus nicht verlassen. Wenn sie eine Zwischenmahlzeit einnehmen oder etwas trinken wolle, wie zum Beispiel eine Tasse Cappuccino, müsse sie das erforderliche Insulin berechnen, dann spritzen und eventuell korrigieren. Während der beruflichen Tätigkeit müsse sie sich immer einen Ort suchen, wo sie den Blutzucker messen könne (meistens auf der Toilette), da es manchen Leuten unangenehm sei. Um eventuellen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, ziehe sie sich zurück. Das sei nicht sehr angenehm und zehre manchmal ganz schön an den Nerven. Bei Stress während ihrer Arbeit, z. B. mit Kollegen und Vorgesetzten, rege sie sich innerlich auf, sodass der Blutzucker ansteige. Ab und zu werde sie nachts wach, weil sie Herzrasen und Schweißausbrüche habe. Dann müsse sie sofort reagieren und Orangensaft oder Traubenzucker zu sich nehmen. Danach habe sie wieder Probleme mit dem Einschlafen. Am nächsten Morgen habe sie immer starke Kopfschmerzen. Sie sei dann unausgeglichen, sodass es bei der Arbeit und in der Familie zu Streitereien komme. Die Spontanität sei in vielen Dingen eingeschränkt. Wenn sie in das Schwimmbad gehe, müsse sie das Infusionsset neu setzen. Auch bei Fahrradausflügen müsse sie messen. Ihr Sexualleben sei ebenfalls beeinträchtigt, da sie im Hinterkopf immer die Angst einer Unterzuckerung habe. Das stoße beim Partner oft auf Unverständnis und belaste sie persönlich auch sehr.
Die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. hat daraufhin am 23. Oktober 2012 ausgeführt: Die von der Klägerin beschriebenen Tagesabläufe seien typisch für das Krankheitsbild bzw. die Therapie, stellten jedoch keine gravierenden Einschnitte in den Tagesablauf dar. Die Klägerin könne offensichtlich sogar als Schlosser arbeiten. Die Unannehmlichkeiten des Therapieaufwandes seien in dem GdB von 40 berücksichtigt.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Der Facharzt für Neurologie Dipl.-Med. B. hat am 6. November 2012 ein zervikulär-muskuläres Schmerzsyndrom bei Dysbalancen und eine Zervikalneurologie diagnostiziert. Ein Karpaltunnelsyndrom habe ausgeschlossen werden können. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. hat am 9. November 2012 eine Epicondylitis rechts, ein zervikocephales Syndrom, einen schnellenden Daumen, eine Gastroenteritis und einen akuten Infekt der oberen Luftwege festgestellt. Die Epicondylitis sei rezidivierend, alle anderen Konsultationen erfolgten ohne längeren Behandlungsbedarf. In Anlage zum Befundbericht hat sich der Arztbrief des Facharztes für Chirurgie Dr. S. vom 6. September 2012 über die operative Behandlung einer digitalen Tenosynovialitis (Sehnenscheidenentzündung) im Bereich der linken Hand befunden. Nach dem ebenfalls beigelegten Arztbrief des Facharztes für Orthopädie Dr. B. vom 22. Januar 2013 sei von ihm eine Hallux valgus Korrektur-Operation durchgeführt worden. Außerdem hat Dr. T. auf den Arztbrief der Dr. L. vom 30. September 2011 verwiesen, wonach die Klägerin sich für die Einstellung auf eine Insulinpumpe entschieden habe, weil der Stoffwechsel schlecht zu führen sei. Mit Befundbericht vom 7. November 2012 hat Dr. B. mitgeteilt, er habe die Klägerin zuletzt im Januar 2011 behandelt. Sie sei mit dem Operationsergebnis zufrieden gewesen. Die Röntgenuntersuchung vom 21. Dezember 2010 habe einen Zustand nach Korrekturosteotomie mit sehr gutem Stellungsergebnis bei korrekt liegenden Schrauben gezeigt. Mit Befundbericht vom 13. November 2012 hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. Z. mitgeteilt, er habe die Klägerin einmalig am 21. November 2000 wegen Missempfindungen an beiden Händen untersucht. Der klinisch-neurologische Befund sei unauffällig gewesen, insbesondere habe ein Karpaltunnelsyndrom ausgeschlossen werden können. Schließlich hat Dr. L. mit Befundbericht vom 14. November 2012 ausgeführt: Wegen schwankender Blutzuckerwerte sei am 5. Oktober 2011 die Einstellung auf die Insulinpumpentherapie erfolgt. Darunter sei eine Verbesserung des HbA1c-Wertes von 8,3 % (4. Mai 2011) auf 7,6 % (20. August 2012) erfolgt, doch sei durch die Insulinpumpentherapie die Stoffwechseleinstellung mit einem größeren Therapieaufwand verbunden. Im Dezember 2012 hätten eine Neuropathie und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit ausgeschlossen werden können. Das EKG sei unauffällig gewesen und der Blutdruck liege im Normbereich.
In Auswertung der Befunde hat die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. am 6. Dezember 2012 auf die Verbesserung der Lebensqualität durch die Insulinpumpentherapie hingewiesen. Die in den Befundberichten angegebenen weiteren Erkrankungen seien Behandlungsleiden mit den dazugehörigen bildgebenden Befunden und Therapien. Aus dem orthopädischen Befundbericht des Dr. B. gingen neben den Eingriffen und Behandlungen keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen hervor.
Mit Urteil vom 6. Februar 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Unannehmlichkeiten des Therapieaufwandes seien in dem GdB von 40 bereits berücksichtigt. Gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung, wie dies ein GdB von 50 voraussetze, lägen bei der Klägerin nicht vor. Folgeerscheinungen des Diabetes mellitus seien nicht dokumentiert. Eine Polyneuropathie habe Dipl.-Med. B. ausgeschlossen.
Gegen das ihr am 12. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Das SG habe ihre Beeinträchtigungen weder zur Kenntnis genommen noch in der Entscheidung berücksichtigt. Im Übrigen seien ihr körperlicher und seelischer Zustand bei der Schilderung der Beeinträchtigungen bislang zu kurz gekommen. Sie sei stets bemüht, die Blutzuckerwerte stabil zu halten. Aber jede Aufregung und jeder kleine Infekt bringe ihren Kreislauf komplett durcheinander. Dann seien Kopfschmerzen, Blutdruckschwankungen, Übelkeit, Verdauungsstörungen, Müdigkeit und Schlafstörungen die Folge. Auch sei sie über lange Zeiträume arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Dies zeige ihren instabilen Zustand. Dass ihre Arbeit als Schlosser zum Nachteil werde, sehe sie als Diskriminierung an.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Februar 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 6. Oktober 2011 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch nach der weiteren Sachaufklärung lägen die Voraussetzungen für einen GdB von 50 nicht vor.
Der Senat hat weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Dr. S. hat am 3. Februar 2014 über die letztmalige Behandlung der Klägerin im September 2013 berichtet. Im Rahmen von ambulanten Operationen seien chronische Beugesehnenscheideentzündungen der Finger der rechten Hand und des linken Daumens behandelt worden. Die durch ihn operierten Finger zeigten nach den Eingriffen eine gute Beweglichkeit ohne wesentliche Einschränkung. Dr. L. hat mit Befundbericht vom 11. Februar 2014 einen Diabetes mellitus Typ 1 mit Hyper- und Hypoglykämien diagnostiziert und über eine Magengeschwürerkrankung im August 2013 berichtet. Darüber hinaus bestehe im linken Bein eine verminderte Tiefensensibilität. Die Gastroskopie vom Dezember 2013 habe einen abgeheilten Ulcus bei chronischer Gastritis gezeigt. Die Befunde seitens des Stoffwechsels hätten sich nach Ausheilung des Magengeschwürs verbessert. Organkomplikationen hinsichtlich des Diabetes mellitus lägen bisher nicht vor. Doch sei die Klägerin in ihrer Lebensgestaltung nicht so frei wie Patienten, die noch eine Eigenproduktion an Insulin hätten. Insgesamt habe sich die Stoffwechseleinstellung seit der Umstellung auf die Insulinpumpe verbessert. Die Hypoglykämien seien bisher immer gut von der Klägerin erkannt und behandelt worden. Mit Befundbericht vom 4. Februar 2014 hat Dipl.-Med. B. über die letztmalige Vorstellung der Klägerin am 11. November 2013 berichtet. Hinweise auf eine Polyneuropathie hätten sich nicht ergeben. Klinisch beschreibe die Klägerin nicht zu objektivierende Missempfindungen an Händen und Füßen. Es sei von überlagerten zervikal-muskulären Schmerzen bei muskulären Dysbalancen und Inkoordination im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Schließlich hat Dr. T. mit Befundbericht vom 17. Februar 2014 mitgeteilt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in den Jahren 2011, 2012 und 2013 seien aufgrund der Epicondylitis, akuter Infekte und einer akuten Gastritis erfolgt. Eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung bestehe bei der Klägerin nicht.
In Auswertung der Befunde hat der Beklagte auf eine ärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 20. März 2014 verwiesen. Danach sei die Verbesserung der Stoffwechsellage durch Dr. L. dokumentiert. Trotz der schweren körperlichen Tätigkeit, bei der ausgeprägte Unterzuckerungen denkbar wären, habe die Klägerin die Blutzuckerwerte immer rechtzeitig und gut ausgleichen können. Unter der Pumpentherapie sei die beabsichtigte Vereinfachung der Stoffwechselführung eingetreten und nach Abklingen des akuten Magengeschwürs habe sich die Stoffwechsellage erwartungsgemäß auch wieder stabilisiert. Die Hautärztin habe keine Probleme hinsichtlich des Diabetes mellitus erwähnt, was nochmals gegen eine schwere Stoffwechselschwankung spreche, die gravierende Einschnitte in den Tagesablauf bewirken könne. Im neurologischen Befundbericht werde eine Polyneuropathie ausdrücklich verneint. Andere Bewertungen ließen sich nicht begründen, da auch Beschwerden an den Fingern nach den entsprechenden Eingriffen erheblich gebessert seien.
Die Klägerin hat vorgetragen, durch den Befundbericht von Dr. S. sei von Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 10 bis 20 auszugehen, sodass spätestens jetzt ein Gesamt-GdB von 50 anzunehmen sei.
Am 12. Juni 2014 hat eine Nichtöffentliche Sitzung des LSG stattgefunden in der die Klägerin erklärt hat: Sie arbeite in Gleitzeit bei der B. als Schlosser in einer Werkstatt und fahre jeden Tag ca. eine halbe Stunde zur Arbeit. Sie montiere Teile und prüfe Lager dahingehend, ob sie noch benutzt werden könnten. Dabei müsse sie Lasten von 15 bis 17 kg heben. Umgefallen sei sie noch nie. Sie habe aber schon einmal einen Schwindelanfall gehabt und sich gerade noch zum Sanitäter schleppen können. Dort habe sie sich dann hingelegt. Ansonsten merke sie sofort, wenn es ihr nicht gut gehe. Dies passiere insbesondere, wenn sie negativen Stress habe. Über einen beruflichen Wechsel habe sie schon deshalb nicht nachgedacht, weil ihr die Tätigkeit Spaß mache. Längere Strecken fahre sie nicht mit dem Auto, da sie dann den Zucker nicht im Griff habe. Im Sommer sei es schon passiert, dass sich durch die Hitze und den Schweiß das Infusionsset der Insulinpumpe gelöst habe. Beim Schwimmen wäre es dasselbe. Rad fahren sei kein Problem, doch müsse sie immer ihren Blutzucker messen. Bei der Arbeit müsse sie ständig aufpassen, dass sie nicht an der Pumpe hängen bleibe. Dies empfinde sie als belastend. Seit der Umstellung auf die Insulinpumpe sei der Stoffwechsel viel besser geworden. Sie müsse zwar immer noch darauf achten, dass alles in Ordnung sei, doch seien die Schwankungen nicht mehr so krass.
Der Beklagte hat sich am 12. Juni 2014 und die Klägerin mit Schreiben vom 21. Juli 2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.
Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 die Neufeststellung des Behinderungsgrades ab 6. Oktober 2011 abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft liegen weiterhin nicht vor.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 6. Oktober 2011. Hierbei handelt es sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, für die bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Entscheidungszeitpunkt maßgeblich ist.
Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 30. September 1999 einen GdB von 40 festgestellt und damit über den Behinderungsgrad der Klägerin entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 30. September 1999 vorgelegen haben, ist keine Änderung eingetreten. Die Funktionsstörungen der Klägerin rechtfertigen auch weiterhin nur die Feststellung eines GdB von 40.
Nach § 69 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiell-rechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden. Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt.
Soweit der streitigen Bemessung des GdB die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A) zugrunde zu legen ist, gilt Folgendes: Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B 1) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).
Nach diesem Maßstab ist bei der Klägerin weiterhin ein GdB von 40 ab dem 6. Oktober 2011 gerechtfertigt. Dabei stützt sich der Senat auf die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen, die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die Arztbriefe sowie die vorgelegten Diabetikertagebücher der Klägerin und ihre eigenen Angaben.
Das zentrale Leiden der Klägerin betrifft das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und wird durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010 gilt nach Teil B, Nr. 15.1:
"Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen."
Das BSG hat mit Urteil vom 2. Dezember 2010 (B 9 SB/09 R, juris) diese Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für rechtmäßig erklärt (vgl. BSG a.a.O. Rdn. 26) und für die Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung unter Hinweis auf das Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a SB 10/06) bei der Bewertung des Einzel-GdB eines insulineingestellten Diabetes mellitus neben der Einstellungsqualität insbesondere den jeweiligen Therapieaufwand hervorgehoben, soweit sich dieser auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirkt. Hierbei ist der GdB eher niedrig anzusetzen, wenn bei geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden kann. Bei einem beeinträchtigenden, wachsenden Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilere Stoffwechsellage) wird der GdB entsprechend höher zu bewerten sein. Dabei sind – im Vergleich zu anderen Behinderungen – die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu prüfen (BSG a.a.O. Rdn. 33). Bei therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung können z.B. die Planung des Tagesablaufs, die Gestaltung der Freizeit, die Zubereitung der Mahlzeiten, die Berufsausübung und die Mobilität beachtet werden (vgl. Begründung zur Verordnungsänderung, BR-Drucksache 285/10 S. 3 zu Nr. 2).
Durch die Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Diabetes mellitus erfordert die Feststellung eines GdB von 50 nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbständiges Anpassen der Insulindosis. Zusätzlich muss es - sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand, die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Folgeerkrankungen) - zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012, B 9 SB 2/12 R, juris). Die Formulierung in Teil B, Nr. 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze "und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" ist daher nicht nur therapiebezogen gemeint, sondern dahingehend zu verstehen, dass neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die selbständige jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung notwendig ist, um die Schwerbehinderung zu rechtfertigen. Der am insulinpflichtigen Diabetes mellitus Erkrankte muss daher wegen des reinen Therapieaufwandes und/oder den durch die Erkrankung eingetretenen weiteren Begleitfolgen generell gravierende Einschritte in der Lebensführung erleiden. Dass zusätzlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensführung festgestellt werden muss, ergibt sich aus den vorhergehenden Formulierungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für einen GdB von 30 bis 40. Hiernach sind für die Bewertung der Teilhabeeinschränkung der konkrete Therapieaufwand und die jeweilige Stoffwechselqualität von wertungserheblicher Bedeutung. Diese beiden Kriterien müssen entsprechend auch bei der höheren Bewertungsstufe eines GdB von 50 noch bedeutsam sein. Für die besondere Bedeutung der Stoffwechsellage spricht auch, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen allein bereits eine Erhöhung des GdB rechtfertigen können.
Ein GdB von 50 setzt damit mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbständiges Anpassen der Insulindosis und durch erhebliche Einschnitte gravierende Beeinträchtigungen in der Lebensführung voraus. Diese Anforderungen für einen GdB von 50 erreicht die Klägerin unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht. Der Senat folgt insoweit den Einschätzungen der Versorgungsärzte des Beklagten, die im Einklang mit den Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin stehen.
Zwar führt die Klägerin als Insulinpumpenträgerin nach den Angaben von Dr. L. und ausweislich ihres Diabetikertagebuchs die Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen und selbständigen Dosisanpassungen der Insulingabe durch. Neben der täglichen Injektion mit einem Langzeitinsulin muss sie zu jeder Mahlzeit das kurz wirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Insulindosis variieren. Hinzu kommen Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit, sodass bis zu sechs Mal täglich Messungen erfolgen. Allerdings fehlt es bei der Klägerin an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirken, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden kann. Aufgrund der therapie- und erkrankungsbedingten Einschränkungen in der konkreten Lebensführung der Klägerin lässt sich eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft aufgrund der Erkrankung an Diabetes mellitus nicht erkennen.
Unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilbereiche, in denen sich therapie- und krankheitsbedingte Einschränkungen in der Lebensführung auswirken können, lässt sich feststellen, dass gravierende Auswirkungen bei der Klägerin nicht in den Bereichen der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten und der Mobilität vorliegen. Die von ihr angegebenen Nachteile durch ihre Stoffwechselerkrankung sind insgesamt zwar einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. So ist die Klägerin in ihrer Mobilität nicht eingeschränkt. Sie kann einen PKW führen und Fahrradfahren, geht Schwimmen und unternimmt Reisen. Die von ihr angegebenen Aktivitäten sind, wenn auch mit einem erhöhten planerischen Aufwand verbunden und unter erschwerten Bedingungen (weitere Blutzuckermessungen; beim Schwimmen erneutes Anlegen der Pumpe), letztlich aber nicht ausgeschlossen. Allein der Umstand, dass die Klägerin intensiven Sport - der also über Radfahren und Schwimmen hinausgeht - nicht mehr ausüben kann, lässt keinen Rückschluss auf gravierende Teilhabeeinschränkungen zu, zumal die Klägerin dies nur pauschal behauptet und selbst nicht angegeben hat, welchen Sport sie tatsächlich nicht mehr ausführen kann. Der Umstand, dass die Insulindosis auf die Mahlzeiten abgestimmt werden muss, ist Teil der Therapie und nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Doch selbst die Zwischenmahlzeiten (wie z. B. die von der Klägerin angeführte Tasse Cappuccino) sind nicht krankheitsbedingt ausgeschlossen, sondern ebenfalls unter Beachtung eines Mehraufwandes möglich.
Auch gravierende Beeinträchtigungen im Bereich der Berufsausübung liegen nicht vor. Ihre berufliche Tätigkeit als Schlosserin bei der B. ist durch die Auswirkungen des Diabetes mellitus nicht erheblich eingeschränkt. Eine krankheitsbedingte Aufgabe der beruflichen Tätigkeit bzw. eine Veränderung des Arbeitsbereichs ist von ihr weder angestrebt noch notwendig. Trotz der ganz erheblichen Belastungen durch die körperlich schwere Arbeit in der Schlosserwerkstatt kann sie den beruflichen Anforderungen nachkommen. Die wegen der Tätigkeit in der Schlosserwerkstatt erhöhten Vorsichtsmaßnahmen, wie z.B. das Aufpassen, dass die Pumpe nicht abgerissen wird, reichen nicht für die Annahme einer gravierenden Beeinträchtigung. Die Klägerin hat auch selbst nicht behauptet, dass dies tatsächlich mehrfach passiert und dadurch ihre berufliche Tätigkeit gravierend beeinträchtigt sei. Die von der Klägerin geschilderten weiteren Umstände bei den erforderlichen Blutzuckermessungen und beim Spritzen (separater Raum bzw. Toilette) sind der Krankheit immanent und können nicht als gesondert zu berücksichtigende Teilhabeeinschränkungen bewertet werden. Auch der Umstand, dass die Klägerin ggf. den morgendlichen Beginn ihrer Tätigkeit aufgrund von Blutzuckerschwankungen verändern muss, führt nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit, da die Klägerin in Gleitzeit arbeitet. Ein Abbruch der körperlich schweren Arbeit ist in der langjährigen Tätigkeit als Schlosser lediglich einmal erfolgt. Ansonsten kann die Klägerin nach dem Bericht von Dr. L. rechtzeitig und gut wirksam auf Blutzuckerschwankungen reagieren.
Die Klägerin wird über den einschränkenden Therapieaufwand hinaus nicht auch noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Durch die Umstellung auf die Insulinpumpentherapie im Oktober 2011 hat sich, wie Dr. L. mitgeteilt und die Klägerin auch selbst bestätigt hat, die Stoffwechselqualität wesentlich verbessert. Die vor der Umstellung auf die Insulinpumpe noch instabile Stoffwechsellage bestand zeitlich vor dem Neufeststellungantrag der Klägerin und war in diesem Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen. Seit der Umstellung der Therapie auf die Insulinpumpe ist für einen schwer einstellbaren insulinpflichtigen Diabetes mellitus und eine hierunter einer äußerst instabile Stoffwechsellage kein medizinischer Nachweis vorhanden. Nach dem Bericht des Krankenhauses St. E. und B. H. vom 11. Oktober 2011 hat die Klägerin den Umgang mit der Insulinpumpe zum Entlassungszeitpunkt sicher beherrscht. Dies zeigen auch die Berichte von Dr. L. in der Folgezeit. Der HbA1c-Wert liegt, abgesehen von der zwischenzeitlichen Verschlechterung aufgrund der Magenschleimhauterkrankung, weitgehend im Normalbereich. Schwere Hypoglykämien und solche, die auch Fremdhilfe erfordert haben, sind nicht aufgetreten. Die mit der Erkrankung üblicherweise einhergehenden Blutzuckerschwankungen und die damit verbundenen Symptome wie Konzentrationsschwankungen, Schwindel und Müdigkeit, insbesondere bei körperlichen und seelischen Belastungen (wie z. B. Sport und Stress während der Arbeit) sind Teil der Erkrankung und damit auch bei der Höhe des GdB nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bereits berücksichtigt. Darüber hinausgehende erhebliche Blutzuckerschwankungen sowie damit verbundenen Symptome lassen sich den Befunden von Dr. L. nicht entnehmen. Auch nächtliche Blutzuckermessungen sind nicht dauerhaft notwendig und Schlafunterbrechungen wegen der Erkrankung treten ebenfalls nicht regelmäßig, sondern nach Angaben der Klägerin nur "ab und zu" auf. Dr. L. hat diese Einschränkungen auch nicht erwähnt. Im Übrigen musste sich die Klägerin seit dem Neufeststellungsantrag bis zum heutigen Zeitpunkt keinen weiteren stationären Behandlungen wegen des Diabetes mellitus unterziehen. Auch eine wiederholte, auf den Diabetes mellitus zurückzuführende Arbeitsunfähigkeit, hat in den letzten Jahren nicht bestanden. Die angegeben Krankheitstage bezogen sich auf von der Erkrankung an Diabetes mellitus unabhängige Behandlungsleiden (Epicondylitis, Gastritis, Effekt oberer Atemwege). Schließlich kann der von der Klägerin geschilderte Umstand, dass es im Sommer schon passiert sei, dass sich durch die Hitze und den Schweiß das Infusionsset der Insulinpumpe gelöst habe, nicht zur Annahme führten, dass die Insulinversorgung mit der Pumpe nicht funktioniert. Denn diese punktuellen Ereignisse stehen nicht der im Wesentlichen guten Versorgung mit der Pumpe entgegen.
Die weiteren von den behandelnden Ärzten der Klägerin mitgeteilten Erkrankungen sind entweder als Behandlungsleiden bereits auskuriert oder rechtfertigen keinen Einzel-GdB. Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus liegen nach dem Befundbericht von Dr. L. nicht vor. Insbesondere hat Dipl.-Med. B. eine diabetische Polyneuropathie ausdrücklich ausgeschlossen. Auch hat er die von Dr. L. mitgeteilte verminderte Tiefensensibilität nicht objektvieren können. Die mit dem Diabetes mellitus verbundene psychische Belastung, also der Umstand, dass der Tagesablauf der Klägerin im Wesentlichen von der Krankheit geprägt wird, dass Angst vor Unterzuckerungen insbesondere bei Stress und körperlichen Aktivitäten und schließlich auch die Angst vor Folgeerkrankungen besteht, geht typischerweise mit der Krankheit einher und ist in der GdB–Bewertung für den Diabetes mellitus bereits berücksichtigt (dazu Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A, Nr. 2 i). Es erfolgt auch keine fachärztliche psychiatrische Behandlung, die eine über die typischen Belastungen hinausgehende seelische Funktionsstörung zeigen würde. Auch die von Dipl.-Med. B. diagnostizierte Somatisierungsstörung mit einem muskulär-cervikalen Schmerzempfinden lässt keine Erhöhung des GdB auf 50 zu. Damit verbundene Funktionseinschränkungen hat er nicht angegeben und sind auch aus dem weiteren Akteninhalt nicht ersichtlich. Im Übrigen hat die Hausärztin Dipl.-Med. T. ausdrücklich eine eigenständige psychische Erkrankung ausgeschlossen. Schließlich erfolgt auch keine Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden durch einen Orthopäden, wie dies bei erheblichen Funktionsstörungen zu erwarten wäre. Die von den Orthopäden Dr. B. und Dr. S. mitgeteilten Einschränkungen im Bereich der Hände (Finger und Daumen) und der Füße waren ausschließlich Behandlungsleiden. In den eingeholten Befundberichten haben diese mitgeteilt, dass nach den Operationen keine relevanten Bewegungseinschränkungen verblieben seien, sodass auch dafür kein Einzel-GdB festgestellt werden kann.
Letztlich widerspräche die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bei der zwar krankheitsbedingt eingeschränkten, aber voll im beruflichen und gesellschaftlichen Leben integrierten Klägerin dem nach Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigenden Vergleichsmaßstab. So spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Eine derartig schwere Funktionsstörung liegt bei der Klägerin nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor. Die Frage, ob gravierende Auswirkungen im beruflichen Lebensbereich ausreichen, um eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung annehmen zu können, ist zwar beim BSG noch anhängig (B 9 SB 2/13 R). Bei der Klägerin konnten solche gravierenden beruflichen Auswirkungen aber nicht festgestellt werden.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.
Die 1959 geborene Klägerin beantragte im Juni 1999 beim Beklagten die Feststellung eines GdB aufgrund der Erkrankung an Diabetes mellitus. Nach Beiziehung eines Befundscheins der Fachärztin für Innere Medizin Dr. L., die über eine intensivierte Insulintherapie des Diabetes mellitus Typ I (Erstmanifestation 1998) ohne Komplikationen berichtet hatte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. September 1999 wegen dieser Erkrankung einen GdB 40 fest.
Am 6. Oktober 2011 beantragte die Klägerin die Neufeststellung des GdB und legte ihre Blutzuckertagebücher vor. Der Beklagte holte erneut einen Befundschein von Dr. L. ein, die über sechs bis sieben Mal täglich notwendige Blutzuckermessungen berichtete und im Übrigen auf die beigelegte Krankenhausepikrise (St. E. und St. B. H.) vom 11. Oktober 2011 verwies. Danach sei dort die Behandlung zur Einstellung auf CSII (Continuous Subcutaneous Insulin Infusion) bei entgleistem Diabetes mellitus erfolgt. Unter der CSII-Therapie hätten deutlich normalere Blutzuckerwerte (HbA1c-Wert 8,53) erzielt werden können. Der Klägerin seien die notwendigen Kenntnisse zur Handhabung der Insulinpumpe, der Blutzuckerselbstkontrolle und Themen wie Hypoglykämien und Spätfolgen vermittelt worden. Den Umgang mit der Insulinpumpe habe die Klägerin zum Entlassungszeitpunkt sicher beherrscht. In Auswertung dieser Befunde führte der ärztliche Gutachter des Beklagten OMR Dr. J. am 22. November 2011 aus: Der Diabetes mellitus sei bei fehlenden Komplikationen weiterhin mit einem GdB von 40 zu bewerten. Aufgrund der angegebenen HbA1c-Werte sei nicht von einer schlechten Einstellung des Diabetes mellitus auszugehen. Wesentliche schwere Hypoglykämien seien nicht dokumentiert. Dem folgend lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 die Neufeststellung des Behinderungsgrades ab.
Dagegen legte die Klägerin am 14. Dezember 2011 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Sie sei seit Oktober 2011 Insulinpumpenträgerin und müsse das Infusionsset aller zwei Tage legen. Vor jeder Mahlzeit müsse sie die richtige Insulindosis einstellen und überprüfen. Beim täglichen Tragen während ihrer Berufstätigkeit als Schlosserin in einer Werkstatt müsse sie achtgeben, dass die Pumpe nicht abgerissen oder beschädigt werde (insbesondere bei betrieblich notwendigen Umlagerungen des Materials an einen anderen Arbeitsplatz). Sie übersandte nochmals auf Anforderung des Beklagten ihre Blutzuckertagebücher und trug ergänzend vor: Sie könne erst mit dem Auto zur Arbeit fahren, wenn die Blutzuckerwerte in Ordnung seien und müsse beim Arbeitsalltag immer darauf achten, dass die Werte stimmten und die Pumpe nicht in Mitleidenschaft gezogen werde. Sie verrichte als Schlosserin schwere körperliche Arbeit. Beim Duschen und Baden müsse sie die Pumpe ablegen. Auch bei sportlicher Betätigung und Familienaktivitäten müsse ständig eine Kontrolle erfolgen. Sie könne nichts mehr spontan erledigen und müsse alles genau planen. Dies beeinträchtige auch nachhaltig das Familienleben. Stressfaktoren spiegelten sich sofort in den Blutzuckerwerten wider, sodass sie insgesamt gravierende Einschnitte in ihrem Leben sehe, da alles auf die Pumpentherapie ausgerichtet sei.
Der Beklagte holte eine Stellungnahme seines ärztlichen Gutachters Dr. B. vom 28. Juni 2012 ein, der ausführte: Nach der diabetologischen Epikrise, den Blutzuckertagebüchern der Klägerin und den Laborparametern (HbA1c-Werte) lägen keine Hinweise auf anhaltende erhebliche Stoffwechselschwankungen und/oder ausgeprägte Unterzuckerungen vor. Auch eine durch erhebliche Einschnitte gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung mit ausgeprägter Teilhabebeeinträchtigung sei den Befunden nicht zu entnehmen. Die von der Klägerin geschilderten Beeinträchtigungen seien im GdB von 40 ausreichend berücksichtigt. Dem folgend wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2012 den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 30. August 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Dessau-Roßlau erhoben und vorgetragen: Sie leide an einem schwer einstellbaren insulinpflichtigen Diabetes mellitus und einer äußerst instabilen Stoffwechsellage. Die Behandlung erfolge mit einer äußerst aufwendigen Insulinpumpentherapie. Sie müsse durchschnittlich mehr als vier Mal täglich Insulin im Wege einer sog. Bolusgabe zuführen, wobei sie die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung jeweils selbständig variiere. Zusätzlich seien weitere kontinuierliche Insulinausschüttungen (sog. Basalraten) erforderlich, welche situations- und tageszeitabhängig individuell angepasst werden müssten. Der Blutzucker schwanke teilweise erheblich und es komme nahezu täglich zu Unterzuckerungen. Die damit verbundenen Symptome gingen mit erheblichen und schwerwiegenden Belastungen im Tagesablauf einher. Sie müsse immer damit rechnen, dass es durch Blutzuckerschwankungen zu Konzentrationsstörungen komme. Mehrtägige Ausflüge, längere und ausdauernde Wanderungen oder intensiver Sport seien ihr nur eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich. Sie leide nicht nur an Hypoglykämien, sondern auch an neurologischen Beschwerden sowie Allergien. Die hiermit verbundenen erheblichen Stoffwechselschwankungen sowie weiteren Komplikationen seien in ihrer Auswirkung entsprechend zusätzlich zu bewerten. Trotz zahlreicher verschiedener Therapieansätze habe keine stabile Stoffwechseleinstellung erzielt werden können. Aufgrund der Blutzuckerschwankungen leide sie an Unwohlsein, Müdigkeit und Kopfschmerzen. Auch sei die gravierende psychische Belastung zu berücksichtigen, insbesondere die Angst vor überraschenden Unterzuckerungen sowie vor Folgeschäden. In Anlage hat sie ihre Blutzuckertagebücher übersandt und dazu ergänzend ausgeführt: Wenn sie den Blutzucker noch morgens korrigiere, verschiebe sich die Abfahrtszeit zur Arbeit. Sie müsse in diesem Fall Bescheid geben, dass sie erst später komme. Dies sei sehr unangenehm. Sie könne ohne Messgerät das Haus nicht verlassen. Wenn sie eine Zwischenmahlzeit einnehmen oder etwas trinken wolle, wie zum Beispiel eine Tasse Cappuccino, müsse sie das erforderliche Insulin berechnen, dann spritzen und eventuell korrigieren. Während der beruflichen Tätigkeit müsse sie sich immer einen Ort suchen, wo sie den Blutzucker messen könne (meistens auf der Toilette), da es manchen Leuten unangenehm sei. Um eventuellen Diskussionen aus dem Weg zu gehen, ziehe sie sich zurück. Das sei nicht sehr angenehm und zehre manchmal ganz schön an den Nerven. Bei Stress während ihrer Arbeit, z. B. mit Kollegen und Vorgesetzten, rege sie sich innerlich auf, sodass der Blutzucker ansteige. Ab und zu werde sie nachts wach, weil sie Herzrasen und Schweißausbrüche habe. Dann müsse sie sofort reagieren und Orangensaft oder Traubenzucker zu sich nehmen. Danach habe sie wieder Probleme mit dem Einschlafen. Am nächsten Morgen habe sie immer starke Kopfschmerzen. Sie sei dann unausgeglichen, sodass es bei der Arbeit und in der Familie zu Streitereien komme. Die Spontanität sei in vielen Dingen eingeschränkt. Wenn sie in das Schwimmbad gehe, müsse sie das Infusionsset neu setzen. Auch bei Fahrradausflügen müsse sie messen. Ihr Sexualleben sei ebenfalls beeinträchtigt, da sie im Hinterkopf immer die Angst einer Unterzuckerung habe. Das stoße beim Partner oft auf Unverständnis und belaste sie persönlich auch sehr.
Die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. hat daraufhin am 23. Oktober 2012 ausgeführt: Die von der Klägerin beschriebenen Tagesabläufe seien typisch für das Krankheitsbild bzw. die Therapie, stellten jedoch keine gravierenden Einschnitte in den Tagesablauf dar. Die Klägerin könne offensichtlich sogar als Schlosser arbeiten. Die Unannehmlichkeiten des Therapieaufwandes seien in dem GdB von 40 berücksichtigt.
Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Der Facharzt für Neurologie Dipl.-Med. B. hat am 6. November 2012 ein zervikulär-muskuläres Schmerzsyndrom bei Dysbalancen und eine Zervikalneurologie diagnostiziert. Ein Karpaltunnelsyndrom habe ausgeschlossen werden können. Die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. hat am 9. November 2012 eine Epicondylitis rechts, ein zervikocephales Syndrom, einen schnellenden Daumen, eine Gastroenteritis und einen akuten Infekt der oberen Luftwege festgestellt. Die Epicondylitis sei rezidivierend, alle anderen Konsultationen erfolgten ohne längeren Behandlungsbedarf. In Anlage zum Befundbericht hat sich der Arztbrief des Facharztes für Chirurgie Dr. S. vom 6. September 2012 über die operative Behandlung einer digitalen Tenosynovialitis (Sehnenscheidenentzündung) im Bereich der linken Hand befunden. Nach dem ebenfalls beigelegten Arztbrief des Facharztes für Orthopädie Dr. B. vom 22. Januar 2013 sei von ihm eine Hallux valgus Korrektur-Operation durchgeführt worden. Außerdem hat Dr. T. auf den Arztbrief der Dr. L. vom 30. September 2011 verwiesen, wonach die Klägerin sich für die Einstellung auf eine Insulinpumpe entschieden habe, weil der Stoffwechsel schlecht zu führen sei. Mit Befundbericht vom 7. November 2012 hat Dr. B. mitgeteilt, er habe die Klägerin zuletzt im Januar 2011 behandelt. Sie sei mit dem Operationsergebnis zufrieden gewesen. Die Röntgenuntersuchung vom 21. Dezember 2010 habe einen Zustand nach Korrekturosteotomie mit sehr gutem Stellungsergebnis bei korrekt liegenden Schrauben gezeigt. Mit Befundbericht vom 13. November 2012 hat der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dipl.-Med. Z. mitgeteilt, er habe die Klägerin einmalig am 21. November 2000 wegen Missempfindungen an beiden Händen untersucht. Der klinisch-neurologische Befund sei unauffällig gewesen, insbesondere habe ein Karpaltunnelsyndrom ausgeschlossen werden können. Schließlich hat Dr. L. mit Befundbericht vom 14. November 2012 ausgeführt: Wegen schwankender Blutzuckerwerte sei am 5. Oktober 2011 die Einstellung auf die Insulinpumpentherapie erfolgt. Darunter sei eine Verbesserung des HbA1c-Wertes von 8,3 % (4. Mai 2011) auf 7,6 % (20. August 2012) erfolgt, doch sei durch die Insulinpumpentherapie die Stoffwechseleinstellung mit einem größeren Therapieaufwand verbunden. Im Dezember 2012 hätten eine Neuropathie und eine periphere arterielle Verschlusskrankheit ausgeschlossen werden können. Das EKG sei unauffällig gewesen und der Blutdruck liege im Normbereich.
In Auswertung der Befunde hat die ärztliche Gutachterin des Beklagten Dr. W. am 6. Dezember 2012 auf die Verbesserung der Lebensqualität durch die Insulinpumpentherapie hingewiesen. Die in den Befundberichten angegebenen weiteren Erkrankungen seien Behandlungsleiden mit den dazugehörigen bildgebenden Befunden und Therapien. Aus dem orthopädischen Befundbericht des Dr. B. gingen neben den Eingriffen und Behandlungen keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen hervor.
Mit Urteil vom 6. Februar 2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Unannehmlichkeiten des Therapieaufwandes seien in dem GdB von 40 bereits berücksichtigt. Gravierende und erhebliche Einschnitte in der Lebensführung, wie dies ein GdB von 50 voraussetze, lägen bei der Klägerin nicht vor. Folgeerscheinungen des Diabetes mellitus seien nicht dokumentiert. Eine Polyneuropathie habe Dipl.-Med. B. ausgeschlossen.
Gegen das ihr am 12. Februar 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Februar 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt und vorgetragen: Das SG habe ihre Beeinträchtigungen weder zur Kenntnis genommen noch in der Entscheidung berücksichtigt. Im Übrigen seien ihr körperlicher und seelischer Zustand bei der Schilderung der Beeinträchtigungen bislang zu kurz gekommen. Sie sei stets bemüht, die Blutzuckerwerte stabil zu halten. Aber jede Aufregung und jeder kleine Infekt bringe ihren Kreislauf komplett durcheinander. Dann seien Kopfschmerzen, Blutdruckschwankungen, Übelkeit, Verdauungsstörungen, Müdigkeit und Schlafstörungen die Folge. Auch sei sie über lange Zeiträume arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Dies zeige ihren instabilen Zustand. Dass ihre Arbeit als Schlosser zum Nachteil werde, sehe sie als Diskriminierung an.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 6. Februar 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 5. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihr ab 6. Oktober 2011 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Auch nach der weiteren Sachaufklärung lägen die Voraussetzungen für einen GdB von 50 nicht vor.
Der Senat hat weitere Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt. Dr. S. hat am 3. Februar 2014 über die letztmalige Behandlung der Klägerin im September 2013 berichtet. Im Rahmen von ambulanten Operationen seien chronische Beugesehnenscheideentzündungen der Finger der rechten Hand und des linken Daumens behandelt worden. Die durch ihn operierten Finger zeigten nach den Eingriffen eine gute Beweglichkeit ohne wesentliche Einschränkung. Dr. L. hat mit Befundbericht vom 11. Februar 2014 einen Diabetes mellitus Typ 1 mit Hyper- und Hypoglykämien diagnostiziert und über eine Magengeschwürerkrankung im August 2013 berichtet. Darüber hinaus bestehe im linken Bein eine verminderte Tiefensensibilität. Die Gastroskopie vom Dezember 2013 habe einen abgeheilten Ulcus bei chronischer Gastritis gezeigt. Die Befunde seitens des Stoffwechsels hätten sich nach Ausheilung des Magengeschwürs verbessert. Organkomplikationen hinsichtlich des Diabetes mellitus lägen bisher nicht vor. Doch sei die Klägerin in ihrer Lebensgestaltung nicht so frei wie Patienten, die noch eine Eigenproduktion an Insulin hätten. Insgesamt habe sich die Stoffwechseleinstellung seit der Umstellung auf die Insulinpumpe verbessert. Die Hypoglykämien seien bisher immer gut von der Klägerin erkannt und behandelt worden. Mit Befundbericht vom 4. Februar 2014 hat Dipl.-Med. B. über die letztmalige Vorstellung der Klägerin am 11. November 2013 berichtet. Hinweise auf eine Polyneuropathie hätten sich nicht ergeben. Klinisch beschreibe die Klägerin nicht zu objektivierende Missempfindungen an Händen und Füßen. Es sei von überlagerten zervikal-muskulären Schmerzen bei muskulären Dysbalancen und Inkoordination im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung auszugehen. Schließlich hat Dr. T. mit Befundbericht vom 17. Februar 2014 mitgeteilt, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen in den Jahren 2011, 2012 und 2013 seien aufgrund der Epicondylitis, akuter Infekte und einer akuten Gastritis erfolgt. Eine behandlungsbedürftige psychische Erkrankung bestehe bei der Klägerin nicht.
In Auswertung der Befunde hat der Beklagte auf eine ärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 20. März 2014 verwiesen. Danach sei die Verbesserung der Stoffwechsellage durch Dr. L. dokumentiert. Trotz der schweren körperlichen Tätigkeit, bei der ausgeprägte Unterzuckerungen denkbar wären, habe die Klägerin die Blutzuckerwerte immer rechtzeitig und gut ausgleichen können. Unter der Pumpentherapie sei die beabsichtigte Vereinfachung der Stoffwechselführung eingetreten und nach Abklingen des akuten Magengeschwürs habe sich die Stoffwechsellage erwartungsgemäß auch wieder stabilisiert. Die Hautärztin habe keine Probleme hinsichtlich des Diabetes mellitus erwähnt, was nochmals gegen eine schwere Stoffwechselschwankung spreche, die gravierende Einschnitte in den Tagesablauf bewirken könne. Im neurologischen Befundbericht werde eine Polyneuropathie ausdrücklich verneint. Andere Bewertungen ließen sich nicht begründen, da auch Beschwerden an den Fingern nach den entsprechenden Eingriffen erheblich gebessert seien.
Die Klägerin hat vorgetragen, durch den Befundbericht von Dr. S. sei von Funktionsbeeinträchtigungen mit einem Einzel-GdB von 10 bis 20 auszugehen, sodass spätestens jetzt ein Gesamt-GdB von 50 anzunehmen sei.
Am 12. Juni 2014 hat eine Nichtöffentliche Sitzung des LSG stattgefunden in der die Klägerin erklärt hat: Sie arbeite in Gleitzeit bei der B. als Schlosser in einer Werkstatt und fahre jeden Tag ca. eine halbe Stunde zur Arbeit. Sie montiere Teile und prüfe Lager dahingehend, ob sie noch benutzt werden könnten. Dabei müsse sie Lasten von 15 bis 17 kg heben. Umgefallen sei sie noch nie. Sie habe aber schon einmal einen Schwindelanfall gehabt und sich gerade noch zum Sanitäter schleppen können. Dort habe sie sich dann hingelegt. Ansonsten merke sie sofort, wenn es ihr nicht gut gehe. Dies passiere insbesondere, wenn sie negativen Stress habe. Über einen beruflichen Wechsel habe sie schon deshalb nicht nachgedacht, weil ihr die Tätigkeit Spaß mache. Längere Strecken fahre sie nicht mit dem Auto, da sie dann den Zucker nicht im Griff habe. Im Sommer sei es schon passiert, dass sich durch die Hitze und den Schweiß das Infusionsset der Insulinpumpe gelöst habe. Beim Schwimmen wäre es dasselbe. Rad fahren sei kein Problem, doch müsse sie immer ihren Blutzucker messen. Bei der Arbeit müsse sie ständig aufpassen, dass sie nicht an der Pumpe hängen bleibe. Dies empfinde sie als belastend. Seit der Umstellung auf die Insulinpumpe sei der Stoffwechsel viel besser geworden. Sie müsse zwar immer noch darauf achten, dass alles in Ordnung sei, doch seien die Schwankungen nicht mehr so krass.
Der Beklagte hat sich am 12. Juni 2014 und die Klägerin mit Schreiben vom 21. Juli 2014 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte den Rechtsstreit nach §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.
Die form- und fristgemäß eingelegte und gemäß § 143 SGG auch statthafte Berufung der Klägerin ist unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte mit Bescheid vom 5. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 die Neufeststellung des Behinderungsgrades ab 6. Oktober 2011 abgelehnt. Die Voraussetzungen für die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft liegen weiterhin nicht vor.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 6. Oktober 2011. Hierbei handelt es sich um eine Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, für die bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Entscheidungszeitpunkt maßgeblich ist.
Da der Beklagte bereits mit Bescheid vom 30. September 1999 einen GdB von 40 festgestellt und damit über den Behinderungsgrad der Klägerin entschieden hat, richten sich die Voraussetzungen für die Neufeststellung nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung oder Verschlechterung eine Herabsetzung oder Erhöhung des Gesamtbehinderungsgrades um wenigstens 10 ergibt. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheids vom 30. September 1999 vorgelegen haben, ist keine Änderung eingetreten. Die Funktionsstörungen der Klägerin rechtfertigen auch weiterhin nur die Feststellung eines GdB von 40.
Nach § 69 Abs. 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX) stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag des behinderten Menschen das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Diese Regelung knüpft materiell-rechtlich an den in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX bestimmten Begriff der Behinderung an. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten für den GdB die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Nach der damit in Bezug genommenen Fassung des § 30 Abs. 1 BVG richtet sich die Beurteilung des Schweregrades – dort des "Grades der Schädigungsfolgen" (GdS) – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen in allen Lebensbereichen. Die hierfür maßgebenden Grundsätze sind in der am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) aufgestellt worden. Nach § 2 VersMedV sind die auch für die Beurteilung des Schweregrades nach § 30 Abs. 1 BVG maßgebenden Grundsätze in der Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlageband zu BGBl. I Nr. 57 vom 15. Dezember 2008, G 5702) als deren Bestandteil festgelegt.
Soweit der streitigen Bemessung des GdB die GdS-Tabelle der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (Teil A) zugrunde zu legen ist, gilt Folgendes: Nach den allgemeinen Hinweisen zu der Tabelle (Teil B 1) sind die dort genannten GdS-Sätze Anhaltswerte. In jedem Einzelfall sind alle leistungsmindernden Störungen auf körperlichem, geistigem und seelischem Gebiet zu berücksichtigen und in der Regel innerhalb der in Nr. 2 e (Teil A) genannten Funktionssysteme (Gehirn einschließlich Psyche; Augen; Ohren; Atmung; Herz-Kreislauf; Verdauung; Harnorgane; Geschlechtsapparat; Haut; Blut und Immunsystem; innere Sektion und Stoffwechsel; Arme; Beine; Rumpf) zusammenfassend zu beurteilen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung (Teil B, Nr. 1 a).
Nach diesem Maßstab ist bei der Klägerin weiterhin ein GdB von 40 ab dem 6. Oktober 2011 gerechtfertigt. Dabei stützt sich der Senat auf die eingeholten Befundberichte nebst Anlagen, die versorgungsärztlichen Stellungnahmen, die Arztbriefe sowie die vorgelegten Diabetikertagebücher der Klägerin und ihre eigenen Angaben.
Das zentrale Leiden der Klägerin betrifft das Funktionssystem "Innere Sekretion und Stoffwechsel" und wird durch den insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ I geprägt. Auf der Grundlage der Zweiten Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14. Juli 2010 gilt nach Teil B, Nr. 15.1:
"Die an Diabetes erkrankten Menschen, deren Therapie eine Hypoglykämie auslösen kann, die mindestens einmal täglich eine dokumentierte Überprüfung des Blutzuckers selbst durchführen müssen und durch weitere Einschnitte in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden je nach Ausmaß des Therapieaufwands und der Güte der Stoffwechseleinstellung eine stärkere Teilhabebeeinträchtigung. Der GdS beträgt 30 bis 40.
Die an Diabetes erkrankten Menschen, die eine Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen durchführen, wobei die Insulindosis in Abhängigkeit vom aktuellen Blutzucker, der folgenden Mahlzeit und der körperlichen Belastung selbständig variiert werden muss, und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind, erleiden auf Grund dieses Therapieaufwands eine ausgeprägte Teilhabebeeinträchtigung. Die Blutzuckerselbstmessungen und Insulindosen (beziehungsweise Insulingaben über die Insulinpumpe) müssen dokumentiert sein. Der GdS beträgt 50.
Außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen können jeweils höhere GdS-Werte bedingen."
Das BSG hat mit Urteil vom 2. Dezember 2010 (B 9 SB/09 R, juris) diese Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für rechtmäßig erklärt (vgl. BSG a.a.O. Rdn. 26) und für die Zeit vor Inkrafttreten der Verordnung unter Hinweis auf das Urteil vom 24. April 2008 (B 9/9a SB 10/06) bei der Bewertung des Einzel-GdB eines insulineingestellten Diabetes mellitus neben der Einstellungsqualität insbesondere den jeweiligen Therapieaufwand hervorgehoben, soweit sich dieser auf die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft nachteilig auswirkt. Hierbei ist der GdB eher niedrig anzusetzen, wenn bei geringem Therapieaufwand eine ausgeglichene Stoffwechsellage erreicht werden kann. Bei einem beeinträchtigenden, wachsenden Therapieaufwand und/oder abnehmendem Therapieerfolg (instabilere Stoffwechsellage) wird der GdB entsprechend höher zu bewerten sein. Dabei sind – im Vergleich zu anderen Behinderungen – die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu prüfen (BSG a.a.O. Rdn. 33). Bei therapiebedingten Einschränkungen in der Lebensführung können z.B. die Planung des Tagesablaufs, die Gestaltung der Freizeit, die Zubereitung der Mahlzeiten, die Berufsausübung und die Mobilität beachtet werden (vgl. Begründung zur Verordnungsänderung, BR-Drucksache 285/10 S. 3 zu Nr. 2).
Durch die Neufassung der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zum Diabetes mellitus erfordert die Feststellung eines GdB von 50 nicht nur mindestens vier Insulininjektionen pro Tag und ein selbständiges Anpassen der Insulindosis. Zusätzlich muss es - sei es bedingt durch den konkreten Therapieaufwand, die jeweilige Stoffwechselqualität oder wegen sonstiger Auswirkungen der Erkrankung (z.B. Folgeerkrankungen) - zu einer krankheitsbedingten erheblichen Beeinträchtigung in der Lebensführung kommen (BSG, Urteil vom 25. Oktober 2012, B 9 SB 2/12 R, juris). Die Formulierung in Teil B, Nr. 15.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze "und durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt sind" ist daher nicht nur therapiebezogen gemeint, sondern dahingehend zu verstehen, dass neben dem eigentlichen Therapieaufwand durch die notwendigen Insulininjektionen und die selbständige jeweilige Dosisanpassung eine zusätzliche Wertung notwendig ist, um die Schwerbehinderung zu rechtfertigen. Der am insulinpflichtigen Diabetes mellitus Erkrankte muss daher wegen des reinen Therapieaufwandes und/oder den durch die Erkrankung eingetretenen weiteren Begleitfolgen generell gravierende Einschritte in der Lebensführung erleiden. Dass zusätzlich ein gravierender Einschnitt in die Lebensführung festgestellt werden muss, ergibt sich aus den vorhergehenden Formulierungen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze für einen GdB von 30 bis 40. Hiernach sind für die Bewertung der Teilhabeeinschränkung der konkrete Therapieaufwand und die jeweilige Stoffwechselqualität von wertungserheblicher Bedeutung. Diese beiden Kriterien müssen entsprechend auch bei der höheren Bewertungsstufe eines GdB von 50 noch bedeutsam sein. Für die besondere Bedeutung der Stoffwechsellage spricht auch, dass nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen außergewöhnlich schwer regulierbare Stoffwechsellagen allein bereits eine Erhöhung des GdB rechtfertigen können.
Ein GdB von 50 setzt damit mindestens vier Insulininjektionen pro Tag, ein selbständiges Anpassen der Insulindosis und durch erhebliche Einschnitte gravierende Beeinträchtigungen in der Lebensführung voraus. Diese Anforderungen für einen GdB von 50 erreicht die Klägerin unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht. Der Senat folgt insoweit den Einschätzungen der Versorgungsärzte des Beklagten, die im Einklang mit den Angaben der behandelnden Ärzte der Klägerin stehen.
Zwar führt die Klägerin als Insulinpumpenträgerin nach den Angaben von Dr. L. und ausweislich ihres Diabetikertagebuchs die Insulintherapie mit täglich mindestens vier Insulininjektionen und selbständigen Dosisanpassungen der Insulingabe durch. Neben der täglichen Injektion mit einem Langzeitinsulin muss sie zu jeder Mahlzeit das kurz wirkende Insulin einsetzen und dabei auch die jeweilige Insulindosis variieren. Hinzu kommen Blutzuckermessungen zu jeder Mahlzeit, sodass bis zu sechs Mal täglich Messungen erfolgen. Allerdings fehlt es bei der Klägerin an erheblichen Einschnitten, die sich so gravierend auf ihre Lebensführung auswirken, dass die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft gerechtfertigt werden kann. Aufgrund der therapie- und erkrankungsbedingten Einschränkungen in der konkreten Lebensführung der Klägerin lässt sich eine gravierende Einschränkung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft aufgrund der Erkrankung an Diabetes mellitus nicht erkennen.
Unter Berücksichtigung der verschiedenen Teilbereiche, in denen sich therapie- und krankheitsbedingte Einschränkungen in der Lebensführung auswirken können, lässt sich feststellen, dass gravierende Auswirkungen bei der Klägerin nicht in den Bereichen der Planung des Tagesablaufs, der Gestaltung der Freizeit, der Zubereitung der Mahlzeiten und der Mobilität vorliegen. Die von ihr angegebenen Nachteile durch ihre Stoffwechselerkrankung sind insgesamt zwar einschränkend und belastend, jedoch nicht gravierend im Sinne der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. So ist die Klägerin in ihrer Mobilität nicht eingeschränkt. Sie kann einen PKW führen und Fahrradfahren, geht Schwimmen und unternimmt Reisen. Die von ihr angegebenen Aktivitäten sind, wenn auch mit einem erhöhten planerischen Aufwand verbunden und unter erschwerten Bedingungen (weitere Blutzuckermessungen; beim Schwimmen erneutes Anlegen der Pumpe), letztlich aber nicht ausgeschlossen. Allein der Umstand, dass die Klägerin intensiven Sport - der also über Radfahren und Schwimmen hinausgeht - nicht mehr ausüben kann, lässt keinen Rückschluss auf gravierende Teilhabeeinschränkungen zu, zumal die Klägerin dies nur pauschal behauptet und selbst nicht angegeben hat, welchen Sport sie tatsächlich nicht mehr ausführen kann. Der Umstand, dass die Insulindosis auf die Mahlzeiten abgestimmt werden muss, ist Teil der Therapie und nicht zusätzlich zu berücksichtigen. Doch selbst die Zwischenmahlzeiten (wie z. B. die von der Klägerin angeführte Tasse Cappuccino) sind nicht krankheitsbedingt ausgeschlossen, sondern ebenfalls unter Beachtung eines Mehraufwandes möglich.
Auch gravierende Beeinträchtigungen im Bereich der Berufsausübung liegen nicht vor. Ihre berufliche Tätigkeit als Schlosserin bei der B. ist durch die Auswirkungen des Diabetes mellitus nicht erheblich eingeschränkt. Eine krankheitsbedingte Aufgabe der beruflichen Tätigkeit bzw. eine Veränderung des Arbeitsbereichs ist von ihr weder angestrebt noch notwendig. Trotz der ganz erheblichen Belastungen durch die körperlich schwere Arbeit in der Schlosserwerkstatt kann sie den beruflichen Anforderungen nachkommen. Die wegen der Tätigkeit in der Schlosserwerkstatt erhöhten Vorsichtsmaßnahmen, wie z.B. das Aufpassen, dass die Pumpe nicht abgerissen wird, reichen nicht für die Annahme einer gravierenden Beeinträchtigung. Die Klägerin hat auch selbst nicht behauptet, dass dies tatsächlich mehrfach passiert und dadurch ihre berufliche Tätigkeit gravierend beeinträchtigt sei. Die von der Klägerin geschilderten weiteren Umstände bei den erforderlichen Blutzuckermessungen und beim Spritzen (separater Raum bzw. Toilette) sind der Krankheit immanent und können nicht als gesondert zu berücksichtigende Teilhabeeinschränkungen bewertet werden. Auch der Umstand, dass die Klägerin ggf. den morgendlichen Beginn ihrer Tätigkeit aufgrund von Blutzuckerschwankungen verändern muss, führt nicht zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit, da die Klägerin in Gleitzeit arbeitet. Ein Abbruch der körperlich schweren Arbeit ist in der langjährigen Tätigkeit als Schlosser lediglich einmal erfolgt. Ansonsten kann die Klägerin nach dem Bericht von Dr. L. rechtzeitig und gut wirksam auf Blutzuckerschwankungen reagieren.
Die Klägerin wird über den einschränkenden Therapieaufwand hinaus nicht auch noch zusätzlich durch eine schlechte Einstellungsqualität in ihrer Leistungsfähigkeit und damit in ihrer Teilhabefähigkeit am Leben erheblich beeinträchtigt. Durch die Umstellung auf die Insulinpumpentherapie im Oktober 2011 hat sich, wie Dr. L. mitgeteilt und die Klägerin auch selbst bestätigt hat, die Stoffwechselqualität wesentlich verbessert. Die vor der Umstellung auf die Insulinpumpe noch instabile Stoffwechsellage bestand zeitlich vor dem Neufeststellungantrag der Klägerin und war in diesem Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen. Seit der Umstellung der Therapie auf die Insulinpumpe ist für einen schwer einstellbaren insulinpflichtigen Diabetes mellitus und eine hierunter einer äußerst instabile Stoffwechsellage kein medizinischer Nachweis vorhanden. Nach dem Bericht des Krankenhauses St. E. und B. H. vom 11. Oktober 2011 hat die Klägerin den Umgang mit der Insulinpumpe zum Entlassungszeitpunkt sicher beherrscht. Dies zeigen auch die Berichte von Dr. L. in der Folgezeit. Der HbA1c-Wert liegt, abgesehen von der zwischenzeitlichen Verschlechterung aufgrund der Magenschleimhauterkrankung, weitgehend im Normalbereich. Schwere Hypoglykämien und solche, die auch Fremdhilfe erfordert haben, sind nicht aufgetreten. Die mit der Erkrankung üblicherweise einhergehenden Blutzuckerschwankungen und die damit verbundenen Symptome wie Konzentrationsschwankungen, Schwindel und Müdigkeit, insbesondere bei körperlichen und seelischen Belastungen (wie z. B. Sport und Stress während der Arbeit) sind Teil der Erkrankung und damit auch bei der Höhe des GdB nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen bereits berücksichtigt. Darüber hinausgehende erhebliche Blutzuckerschwankungen sowie damit verbundenen Symptome lassen sich den Befunden von Dr. L. nicht entnehmen. Auch nächtliche Blutzuckermessungen sind nicht dauerhaft notwendig und Schlafunterbrechungen wegen der Erkrankung treten ebenfalls nicht regelmäßig, sondern nach Angaben der Klägerin nur "ab und zu" auf. Dr. L. hat diese Einschränkungen auch nicht erwähnt. Im Übrigen musste sich die Klägerin seit dem Neufeststellungsantrag bis zum heutigen Zeitpunkt keinen weiteren stationären Behandlungen wegen des Diabetes mellitus unterziehen. Auch eine wiederholte, auf den Diabetes mellitus zurückzuführende Arbeitsunfähigkeit, hat in den letzten Jahren nicht bestanden. Die angegeben Krankheitstage bezogen sich auf von der Erkrankung an Diabetes mellitus unabhängige Behandlungsleiden (Epicondylitis, Gastritis, Effekt oberer Atemwege). Schließlich kann der von der Klägerin geschilderte Umstand, dass es im Sommer schon passiert sei, dass sich durch die Hitze und den Schweiß das Infusionsset der Insulinpumpe gelöst habe, nicht zur Annahme führten, dass die Insulinversorgung mit der Pumpe nicht funktioniert. Denn diese punktuellen Ereignisse stehen nicht der im Wesentlichen guten Versorgung mit der Pumpe entgegen.
Die weiteren von den behandelnden Ärzten der Klägerin mitgeteilten Erkrankungen sind entweder als Behandlungsleiden bereits auskuriert oder rechtfertigen keinen Einzel-GdB. Folgeerkrankungen des Diabetes mellitus liegen nach dem Befundbericht von Dr. L. nicht vor. Insbesondere hat Dipl.-Med. B. eine diabetische Polyneuropathie ausdrücklich ausgeschlossen. Auch hat er die von Dr. L. mitgeteilte verminderte Tiefensensibilität nicht objektvieren können. Die mit dem Diabetes mellitus verbundene psychische Belastung, also der Umstand, dass der Tagesablauf der Klägerin im Wesentlichen von der Krankheit geprägt wird, dass Angst vor Unterzuckerungen insbesondere bei Stress und körperlichen Aktivitäten und schließlich auch die Angst vor Folgeerkrankungen besteht, geht typischerweise mit der Krankheit einher und ist in der GdB–Bewertung für den Diabetes mellitus bereits berücksichtigt (dazu Versorgungsmedizinische Grundsätze, Teil A, Nr. 2 i). Es erfolgt auch keine fachärztliche psychiatrische Behandlung, die eine über die typischen Belastungen hinausgehende seelische Funktionsstörung zeigen würde. Auch die von Dipl.-Med. B. diagnostizierte Somatisierungsstörung mit einem muskulär-cervikalen Schmerzempfinden lässt keine Erhöhung des GdB auf 50 zu. Damit verbundene Funktionseinschränkungen hat er nicht angegeben und sind auch aus dem weiteren Akteninhalt nicht ersichtlich. Im Übrigen hat die Hausärztin Dipl.-Med. T. ausdrücklich eine eigenständige psychische Erkrankung ausgeschlossen. Schließlich erfolgt auch keine Behandlung der Wirbelsäulenbeschwerden durch einen Orthopäden, wie dies bei erheblichen Funktionsstörungen zu erwarten wäre. Die von den Orthopäden Dr. B. und Dr. S. mitgeteilten Einschränkungen im Bereich der Hände (Finger und Daumen) und der Füße waren ausschließlich Behandlungsleiden. In den eingeholten Befundberichten haben diese mitgeteilt, dass nach den Operationen keine relevanten Bewegungseinschränkungen verblieben seien, sodass auch dafür kein Einzel-GdB festgestellt werden kann.
Letztlich widerspräche die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft bei der zwar krankheitsbedingt eingeschränkten, aber voll im beruflichen und gesellschaftlichen Leben integrierten Klägerin dem nach Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu berücksichtigenden Vergleichsmaßstab. So spricht gegen die Annahme einer Schwerbehinderung ein wertungsmäßiger Vergleich mit anderen Erkrankungsgruppen, für die ein Einzel-GdB von 50 festgestellt werden kann. Die Schwerbehinderteneigenschaft kann nur angenommen werden, wenn die zu berücksichtigende Gesamtauswirkung der verschiedenen Funktionsstörungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft so schwer wie etwa die vollständige Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, der Verlust eines Beins im Unterschenkel oder eine Aphasie (Sprachstörung) mit deutlicher Kommunikationsstörung beeinträchtigen. Eine derartig schwere Funktionsstörung liegt bei der Klägerin nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor. Die Frage, ob gravierende Auswirkungen im beruflichen Lebensbereich ausreichen, um eine gravierende Beeinträchtigung der Lebensführung annehmen zu können, ist zwar beim BSG noch anhängig (B 9 SB 2/13 R). Bei der Klägerin konnten solche gravierenden beruflichen Auswirkungen aber nicht festgestellt werden.
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