L 6 SF 1078/14 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 27 SF 892/12 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1078/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Mai 2014 wird zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen (SG) streitig (S 27 AS 9413/10). Dort hatten die von dem Be-schwerdegegner vertretenen sechs Kläger eine Verweigerung der Akteneinsicht durch die Beklagte gerügt und hinsichtlich des Überprüfungsbescheids vom 21. Juni 2010 zum Bescheid vom 17. März 2010 eine Verweigerung der Akteneinsicht gerügt und höhere Kosten der Unterkunft, eine unrichtige Anrechnung des Einkommens, einen Mehrbedarf bei Alleiner-ziehenden und eine Entscheidung zur Notwendigkeit der Hinzuziehung im Verwaltungsverfahren geltend gemacht. Im Erörterungstermin am 7. September 2011 erläuterte die Kammervorsitzende ihre Ansicht zu den Ansprüchen der Kläger und gewährte ihnen mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 Prozesskostenhilfe (PKH) ohne Raten unter Beiordnung des Beschwerdeführers. In der mündlichen Verhandlung am 22. Februar 2012 erkannte die Beklagte einen Anspruch der Kläger in Höhe von 317,56 Euro an. Der Beschwerdegegner nahm dies für die Kläger an, erklärte den Rechtsstreit für erledigt und beantragte eine Kostenentscheidung durch das Gericht. Nach dem Beschluss vom 14. März 2012 hat die Beklagte die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger zu erstatten.

In seinem Antrag vom 25. April 2012 beantragte der Beschwerdegegner die Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 1.326,48 Euro:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG 272,00 Euro 272,00 Euro erhöht für fünf weitere Kläger nach Nr. 1008 VV-RVG 408,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 Euro Erledigungsgebühr Nr. 1006 VV-RVG 190,00 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld am 7.09.2011 7,42 Euro Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld am 22.02.2012 17,27 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV-RVG 20,00 Euro Zwischensumme 1.114,69 Euro Umsatzsteuer 211,79 Euro Gesamtbetrag 1.326,48 Euro

Nach Einholung einer Stellungnahme der Beklagten vom 24. Juli 2012, die die Festsetzung der jeweiligen Mindestgebühren beantragte, setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) mit Beschluss vom 12. September 2012 die Vergütung auf 615,75 Euro fest. Die erhöhte Verfahrensgebühr sei auf 283,33 Euro und die Terminsgebühr auf 200,00 Euro festzusetzen. Eine Erledigungsgebühr sei nicht angefallen, weil nur ein Anerkenntnis angenommen worden sei.

Mit seiner Erinnerung hat der Beschwerdegegner eine weit überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, einen zumindest durchschnittlichen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit vorgetragen. Das Anerkenntnis der Beklagten sei durch seine Mitwirkung zustande gekommen, weshalb eine Erledigungsgebühr zu erstatten sei.

Mit Beschluss vom 23. Mai 2014 hat das Sozialgericht die dem Beschwerdegegner zu erstattende Vergütung auf 1.010,44 Euro festgesetzt und die weitergehende Erinnerung zurückgewiesen. Der Beschwerdegegner habe angesichts einer überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger, einem leicht unterdurchschnittlichen Umfang und einer leicht unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr (170,00 Euro) verdient, die für fünf weitere Mitglieder um 255,00 Euro zu erhöhen sei. Eine Erledigungsgebühr sei angefallen, weil das Verfahren durch ein angenommenes Teilanerkenntnis erledigt worden sei. Die Fahrtkosten seien auf 14,11 Euro, die Auslagenpauschale auf 20,00 Euro und die Umsatzsteuer auf 161,33 Euro festzusetzen. zurückgewiesen.

Gegen den am 6. Juni 2014 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 30. Juni 2014 Beschwerde beim SG eingelegt und die fehlende Gewährung rechtlichen Gehörs gerügt, weil ihm die Akte des Verfahrens S 27 AS 9413/10 im Erinnerungsverfahren trotz Anforderung nicht vorgelegt wurde. Für die Gebühr Nr. 3103 VV-RVG sei angesichts des nicht nur leicht unterdurchschnittlichen Umfangs der Tätigkeit und der geringen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger nur eine Gebühr in Höhe von zwei Dritteln der Mittelgebühr angemessen. Die Erledigungsgebühr komme nur in Höhe der hälftigen Mittelgebühr in Betracht, denn der Beschwerdegegner habe keine eigene Berechnung des Leistungsanspruchs vorgenommen sondern dies dem Gericht überlassen. Insofern sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit gering gewesen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. Mai 2014 aufzuheben und die Vergütung auf des Beschwerdegegners auf 728,80 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf den Beschluss der Vorinstanz. Tatsachlich sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit weit überdurchschnittlich gewesen. Er habe bereits in der Klageschrift auf die fehlerhaften Berechnungen hingewiesen. Zu berücksichtigen sei auch die unübersichtliche Bescheidhistorie. Zudem habe er sich auf zwei gerichtliche Termine vorbereiten müssen, was nach der ständigen Rechtsprechung des Thüringer Landessozialgerichts bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen sei. Eine Reduzierung der Erledigungsgebühr sei nicht angemessen. Er habe bereits im Erörterungstermin den Leistungsanspruch der Kläger berechnen, dies in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung überrechnen und dann das Teilanerkenntnis nochmals prüfen müssen.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 13. November 2014) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) statthaft (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B m.w.N.) und zulässig. Der Wert des Be-schwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro und die Beschwerde ist nicht verfristet. Zwar ist sie erst nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist der §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG beim SG eingegangen. Allerdings war die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 23. Mai 2014 fehlerhaft (Beschwerdefrist ein Monat); dann gilt die Jahresfrist. Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass - entgegen der Rechtsmittelbelehrung - nach §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 7 S. 3 RVG die Einlegung der Beschwerde beim Thüringer Landessozialgericht die Frist nicht wahrt (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2013 - L 6 SF 840/13 B) Im Übrigen hätte dem Beschwerdeführer unbedingt Akteneinsicht gewährt werden müssen.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Beitragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Das SG hatte den Klägern mit Beschluss vom 4. Oktober 2011 PKH gewährt; sie waren auch kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG).

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG in der Fassung bis 31. Juli 2013 (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG). Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auf-traggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschluss vom 26. November 2008 - L 6 B 130/08 SF). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurtei-lungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss 14. Februar 2011 - L 6 SF 1376/10 B); dann erfolgt - wie hier - eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Die Beschwerdeführerin hat Anspruch auf eine Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe der von der Vorinstanz zuerkannten Mittelgebühr. Hinsichtlich der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger und die leicht unterdurchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit verweist der Senat auf deren Ausführungen, die vom Beschwerdeführer nicht angegriffen werden. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit war im Vergleich mit den übrigen sozialgerichtlich Verfahren (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2011 - L 6 SF 872/11 B) allerdings durchschnittlich. Begründet ist dies allerdings nicht durch die Schriftsätze des Beschwerdegegners. Angesichts der weitgehenden Wortidentität mit entsprechenden Schriftsätzen aus anderen Verfahren war der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit durch erhebliche Synergieeffekte verringert (vgl. Senatsbeschluss vom 26. März 2013 - L 6 SF 654/13 B m.w.N.). Hier musste sich der Beschwerdegegner aber auf zwei Gerichtstermine vorbereiten. Der damit verbundene erhöhte Aufwand ist (allein) bei der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 17. April 2014 - L 6 SF 209/14 B und 5. September 2013 - L 6 SF 406/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.6.2013 - L 8 AS 45/12 B KO, nach juris) und begründet einen durchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger waren deutlich unterdurchschnittlich. Ein besonderes Haftungsrisiko ist nicht ersichtlich. Nach Nr. 1008 VV-RVG ist die Verfahrensgebühr für fünf weitere Personen zu erhöhen.

Hinsichtlich der Terminsgebühr in Höhe der Mittelgebühr hat die Beschwerdeführerin keine Bedenken geäußert. Sie sind auch nicht ersichtlich. Zuzustimmen ist der Vorinstanz, dass sich das Hauptsacheverfahren durch angenommenes Teilanerkenntnis und Erledigungserklärung erledigte und damit angesichts der qualifizierten anwaltlichen Mitwirkung eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV-RVG anfällt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Mai 2012 - L 6 SF 466/12 B). Entgegen der Ansicht der UdG handelte es sich nicht um ein volles Anerkenntnis. Dies ergibt sich aus dem Vergleich des ursprünglichen Klageantrags mit dem endgültigen Ergebnis und wird verdeutlicht durch den Beschluss des SG vom 14. März 2012, in dem der Beklagten die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu Hälfte auferlegt wurden. Keine Bedenken hat der Senat im Ergebnis gegen die Höhe der Erledigungsgebühr. Hinsichtlich der überdurchschnittlichen Bedeutung für die Auftraggeber, die leicht unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit und die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Auftraggeber wird auf obige Ausführungen verwiesen. Es gibt hier keinen Anhalt dafür, einen unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit anzunehmen. Dafür spricht auch nicht, dass die Berechnung des klägerischen Anspruchs dem Gericht überlassen wurde. Im Übrigen spricht für die Mittelgebühr die seit 1. August 2013 geltende Neufassung der Nr. 1006 VV-RVG, wonach sie in Höhe der Verfahrensgebühr anfällt.

Bedenken hinsichtlich der Fahrtkosten, der Auslagepauschale und der Umsatzsteuer sind nicht ersichtlich.

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG). Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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