Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 SO 151/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 22/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Besteht ein rechtliches Näheverhältnis in Form enger Verwandtschaft, so kommt eine Unzu-mutbarkeit der Tragung der Beerdigungskosten i.S.v. § 74 SGB XII allein aufgrund der nähe-ren Umstände der persönlichen Beziehung zwischen Pflichtigem und Verstorbenem, d.h. unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Pflichtigen, nur dann in Betracht, wenn diese Umstände der persönlichen Beziehung so schwer wiegen, dass die rechtliche Nä-hebeziehung dahinter vollständig zurücktritt. Das setzt voraus, dass ein schweres vorwerfba-res Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem Pflichtigen vorliegt.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme eines Teils der Kosten für die Bestattung ihrer Mutter aus Sozialhilfemitteln.
Die 1956 geborene Klägerin ist die nichteheliche Tochter der 1927 geborenen und am xxxxx 2009 verstorbenen Frau I.S ... Die Verstorbene war durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 wegen Geistesschwäche entmündigt worden; später bestand für sie eine gesetzliche Betreuung. Seit 2001 befand die Verstorbene sich in stationärer Pflege im Psychiatrischen Zentrum für Rehabilitation und Pflege in R ... Neben der Klägerin hatte die Verstorbene ein weiteres Kind, den 1959 geborenen P.S., für den ebenfalls eine gesetzliche Betreuung bestand.
Die Klägerin sprach am 9. Dezember 2009 persönlich bei der Beklagten vor und beantragte die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihrer Mutter aufgrund einer persönlichen Härte. Sie legte einen Lebenslauf sowie den Entmündigungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 vor und gab an, sie sei direkt nach ihrer Geburt in ein Heim gekommen und bis zu ihrem 15. Lebensjahr in Heimen groß geworden. Sie habe keine soziale Bindung zu ihrer Mutter aufgebaut und keinerlei Kontakt zu ihr. Ihre finanziellen Verhältnisse wollte die Klägerin nicht offenlegen.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Bestattungskosten ab. Auch nach den dargebrachten Erläuterungen und den eingereichten Unterlagen könne dem Antrag nicht aus Härtegesichtspunkten stattgegeben werden. Eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse sei angeboten, von der Klägerin aber abgelehnt worden.
Ebenfalls am 9. Dezember 2009 beantragte die gesetzliche Betreuerin von Herrn P.S. bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Bestattung der Verstorbenen und fügte Unterlagen zum Nachweis der Mittellosigkeit des Herrn S. bei. Die Beklagte teilte mit Bescheid vom gleichen Tag mit, sie werde Herrn S. Anteil (d.h. die Hälfte) der Bestattungskosten übernehmen, wenn die Rechnung vorliege. Die Kosten müssten im sozialhilferechtlichen Rahmen liegen und der vorhandene Nachlass sei zuvor abzuziehen.
Die Klägerin und die Betreuerin von Herrn S. erteilten daraufhin dem G. Bestattungsinstitut den Auftrag zur Bestattung. Das G. führte die Bestattung durch und stellte der Klägerin hierfür 3.322,20 Euro in Rechnung, außerdem 77,73 Euro für einen Kissenstein. Hiervon wurden 1.532,47 Euro aus dem Vermögen der Verstorbenen von deren Betreuerin gezahlt. Von dem Rest übernahm die Beklagte nach Kürzung auf den für sozialhilferechtlich angemessen erachteten Betrag als hälftigen Anteil des Herrn P.S. 440,45 Euro. Die Klägerin zahlte insgesamt 1.431,02 Euro (inklusive 4,- Euro Mahngebühren) an das G ...
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme. Sie wies erneut darauf hin, dass infolge ihrer Heimaufenthalte keinerlei Bindung zu ihrer Mutter habe entstehen können.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2010 zurück. Die Klägerin sei als Tochter der Verstorbenen nach § 10 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 4 Satz 1 lit b Hamburgisches Bestattungsgesetz (HmbBestattG) verpflichtet, für die Bestattung zu sorgen. Der Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten durch die Beklagte aus persönlichen Härtegründen sei zu Recht abgelehnt worden. Ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe nach § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), soweit es dem zur Bestattung Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Das Kriterium der Zumutbarkeit beziehe sich in erster Linie auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kostentragung. Eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sei aber nicht möglich gewesen, da sie eine Offenlegung ihrer finanziellen Verhältnisse abgelehnt habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe rechtfertigten es nicht, sie von der Kostentragung zulasten des Sozialhilfeträgers freizustellen. Das Fehlen einer Bindung zwischen Mutter und Tochter führe nicht zur Unzumutbarkeit der Übernahme der Bestattungskosten. Die Verstorbene sei ausweislich der Ausführungen in dem Entmündigungsbeschluss nicht in der Lage gewesen, ihre Kinder selbst zu versorgen. Die Heimunterbringung der Klägerin stelle sich daher als notwendige Maßnahme zu ihrem Schutz dar, aber nicht als ein vorwerfbares, schuldhaftes Verhalten der Mutter gegenüber ihrer Tochter.
Am 7. April 2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, sie habe bis auf ihre Geburt nie etwas von ihrer Mutter erhalten. Es habe von Seiten der Heimleitungen nie einen Versuch gegeben, einen Kontakt zur ihrer Mutter herzustellen. Sie lebe ein sparsames Leben, wolle ihre Finanzen gegenüber der Beklagten aber nicht offenlegen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. März 2012 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII. Die Frage der Zumutbarkeit der Kostentragung sei zunächst anhand der wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen. Nur bei fehlender Bedürftigkeit komme es auf sonstige Zumutbarkeitsgesichtspunkte an. Im Falle der Klägerin sei davon auszugehen, dass sich die Unzumutbarkeit der Kostentragung nicht mit deren wirtschaftlichen Verhältnissen begründen lasse. Die Klägerin habe ihre Verhältnisse nicht offen gelegt, sie sei aber offensichtlich in der Lage gewesen, die Rechnung des Bestattungsunternehmens zu begleichen. Der Heimaufenthalt und das Fehlen einer Bindung der Klägerin zu ihrer Mutter führten für sich genommen nicht zur Unzumutbarkeit der Kostentragung. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Verstorbene aufgrund ihrer Krankheit bzw. geistigen Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, für ihre Kinder zu sorgen. Darin liege kein vorwerfbares Verhalten der Mutter gegenüber der Tochter. Die fehlende Bindung sei eine damit einhergehende unvermeidbare Folge, ohne dass damit von zerrütteten Verwandtschaftsverhältnissen auszugehen sei.
Das Urteil ist der Klägerin am 3. April 2012 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 16. April 2012, beim Landessozialgericht eingegangen am 23. April 2012, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, nachdem die Beklagte die Übernahme der hälftigen sozialhilferechtlich angemessenen Bestattungskosten zugesagt habe, habe sie gemeinsam mit der Betreuerin ihres Bruders mit dem Bestattungsunternehmen gesprochen. Die Beklagte habe sich geweigert, die nötigen Formulare für eine Sozialbestattung zu schicken, da es keine halbe Sozialbestattung geben könne, und auf die Möglichkeit eines nachträglichen Antrags auf Übernahme höherer Kosten verwiesen. Da die Zeit gedrängt habe, habe sie dann den Auftrag zur Durchführung der Bestattung erteilt. Der Bestattungsunternehmer habe dabei zugesichert, dass sich diese im sozialhilferechtlich angemessenen Rahmen bewegen werde und angegeben, diesbezüglich Rücksprache mit der Beklagten gehalten zu haben. Sie beantrage die Übernahme ihrer Kosten durch die Beklagte, da sie nicht Angehörige ihrer sogenannten Mutter sei. Ihre Mutter habe sich nie um sich gekümmert und sei auch nie ihr Vormund gewesen. Ihre Mutter sei erst im Oktober 1962 entmündigt worden, auch davor habe sie sich aber nicht um sie, die Klägerin gekümmert. Kinder, die in den ersten Lebensjahren in Heimen aufwüchsen, seien in ihren sozialen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt, fast immer komme es zu intellektuellen und emotionalen Entwicklungsverzögerungen. Sie habe aufgrund des Fehlens einer Bindung zu ihrer Mutter oder ihrem Vater erhebliche psychische Probleme, u.a. sei sie drogenabhängig gewesen, habe Zwangsstörungen, Depressionen und permanente Todesangst. Sie könne nicht verantwortlich gemacht werden für einen Menschen, der nicht eine Stunde in ihrem Leben Verantwortung für sie übernommen habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2010 zu verurteilen, Kosten für die Bestattung ihrer Mutter in Höhe von 1.431,02 Euro zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Die Darlegungen der Klägerin über die Auswirkungen eines Heimaufenthaltes auf ein Kind und die fehlende Bindung zu ihrer verstorbenen Mutter führten nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Klägerin bleibe Angehörige im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 1 lit b HmbBestattG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten betreffend Frau I.S., Band III, verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und bei der Beratung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme von Bestattungskosten.
1. Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt hier allein § 74 SGB XII in Betracht. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfeträger übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
2. Die Klägerin ist Verpflichtete im Sinne von § 74 SGB XII, da sie ordnungsrechtlich zur Bestattung ihrer Mutter und zur Tragung der hierfür entstehenden Kosten verpflichtet ist.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 HmbBestattG muss jede Leiche bestattet werden. Für die Bestattung haben gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 HmbBestattG die Angehörigen zu sorgen, zu denen die ehelichen und nichtehelichen Kinder gehören, § 22 Abs. 4 Satz 1 lit b HmbBestattG. Die Klägerin ist Angehörige der Verstorbenen im Sinne dieser Vorschriften. Die Angehörigeneigenschaft wird allein durch das Kindschaftsverhältnis begründet; dass die Mutter der Klägerin sich nicht um diese gekümmert hat und für die Klägerin (wie für nichteheliche Kinder nach den §§ 1707, 1773 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – in der bis zur Reform durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969 geltenden Fassung üblich) eine Amtsvormundschaft bestanden hat, ist insoweit ohne Bedeutung.
Die genannten bestattungsrechtlichen Vorschriften regeln zwar unmittelbar nur die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und genügen damit dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die zeitnahe Durchführung der Bestattung zu gewährleisten; eine explizite Regelung über die Tragung der Bestattungskosten treffen sie nicht. Dennoch ist derjenige, dem in Erfüllung seiner ordnungsrechtlichen Bestattungspflicht Kosten entstehen, auch im Sinne des § 74 SGB XII zur Kostentragung verpflichtet. Denn mit der Bestattungspflicht werden dem in die Pflicht Genommenen auch die damit verbundenen Kosten zugewiesen (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 29.9.2006, Az.: L 4 B 390/06 ER und BVerwG, Urteile vom 22.2.2001, Az.: 5 C 14/01 und Az.: 5 C 8/00 zu der nahezu wortgleichen Vorgängervorschrift § 15 BSHG).
3. Die Tragung der Bestattungskosten ist der Klägerin jedoch zuzumuten.
Der Begriff der Zumutbarkeit in § 74 SGB XII ist ein der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegender unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Sozialhilfeträger kein Ermessen eröffnet (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.2.2004, Az.: 16 A 1160/02; Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 74 Rn. 36). Die Frage der (Un)zumutbarkeit entscheidet darüber, ob die Bestattungskosten den Pflichtigen aufzubürden sind oder aber die Allgemeinheit hierfür aufkommen muss.
Eine Unzumutbarkeit der Kostentragung kann sich insbesondere aus den finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Pflichtigen ergeben. Die Klägerin hat keine Angaben zu ihren Verhältnissen gemacht; sie hat die Bestattungskosten aber tatsächlich gezahlt. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass ihr die Kostentragung nicht bereits aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit kommt es jedoch nicht allein auf die finanziellen Verhältnisse des Pflichtigen an. § 74 SGB XII ist insoweit ein Sonderfall im Sozialhilferecht. Anders als die sonstigen sozialhilferechtlichen Anspruchsgrundlagen stellt diese Norm nicht entscheidend auf eine wirtschaftliche Notlage bzw. eine besondere Bedürftigkeit ab, sondern allein auf die Zumutbarkeit. Der Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten ist damit ein eigenständiger sozialhilferechtlicher Anspruch, der sich in seiner Bedarfsstruktur wesentlich von den Ansprüchen auf Leistungen zum Lebensunterhalt unterscheidet (vgl. BSG, Urteil vom 25.8.2011, Az.: B 8 SO 20/10 R und Urteil vom 29.9.2009, Az.: B 8 SO 23/08 R; zur Vorgängernorm in § 15 BSHG BVerwG, Urteil vom 29.1.2004, Az.: 5 C 2/03 und Urteil vom 5.6.1997, Az.: 5 C 13/96). Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es vor allem auf die rechtlichen und persönlichen Beziehungen sowie die zwischenmenschliche Nähe zum Verstorbenen an. Eine besondere Rolle spielen dabei verwandtschaftliche Beziehungen. Grundsätzlich führt bereits das Bestehen einer verwandtschaftlichen Beziehung dazu, dass der Pflichtige dem Verstorbenen näher steht als die Allgemeinheit. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis, desto höher ist in der Regel der Einkommens- und Vermögenseinsatz, der dem Verpflichteten zugemutet werden kann. Umgekehrt können etwa zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009, Az.: B 8 SO 23/08 R).
Vorliegend ist die Klägerin die Tochter der Verstorbenen, das verwandtschaftliche Verhältnis ist daher besonders eng. Das Verwandtschaftsverhältnis ist auch weder durch die Amtsvormundschaft für die Klägerin noch durch deren Heimunterbringung aufgelöst worden. Besteht ein rechtliches Näheverhältnis in Form enger Verwandtschaft, so kommt eine Unzumutbarkeit allein aufgrund der näheren Umstände der persönlichen Beziehung zwischen Pflichtigem und Verstorbenem, d.h. unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Pflichtigen, nur dann in Betracht, wenn diese Umstände der persönlichen Beziehung so schwer wiegen, dass die rechtliche Nähebeziehung dahinter vollständig zurücktritt. Dafür reicht es nicht aus, dass zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtigen keinerlei Kontakt bestanden hat und von einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht gesprochen werden kann (vgl. für den Fall von Geschwistern, zwischen denen nahezu von Geburt an kein bzw. kaum Kontakt bestand, Hessisches LSG, Urteil vom 6.10.2011, Az.: L 9 SO 226/10). Dass eine Bestattungs- und Kostentragungspflicht auch ohne eine tatsächlich gelebte persönlich Beziehung bestehen kann, ergibt sich im Übrigen auch aus §§ 10, 22 Abs. 4 HmbBestattG, nach dem auch weit entfernte Angehörige – wie z.B. Stiefkinder und deren Ehegatten/Lebenspartner, Enkel und deren Ehegatten/Lebenspartner, die Kinder der Geschwister oder die Kinder der Geschwister der Eltern – bestattungspflichtig sind. Die Unzumutbarkeit der Kostentragung setzt daher voraus, dass weitere gravierende Umstände hinzutreten. Eine derartige Konstellation ist in der Rechtsprechung z.B. für den Fall einer Frau angenommen worden, die von ihrem Ehemann vor dessen Tod in so brutaler Weise misshandelt worden war, dass sie lebensgefährliche Verletzungen erlitt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.1.2005, Az: 12 A 11605/04 zu § 15 BSHG); ebenso im Falle sexuellen Missbrauchs des Verpflichteten durch den Verstorbenen (SG Hamburg, Urteil vom 25.6.2007, Az.: S 56 SO 596/05; VG Karlsruhe, Urteil vom 16.1.2007, Az.: 11 K 1326/06 – in Bezug auf die Kostentragungspflicht für eine von der Behörde veranlasste Bestattung nach dem Bestattungsgesetz) oder wenn der Verpflichtete von seiner verstorbenen Mutter geschlagen und vernachlässigt wurde (SG Gotha, Gerichtsbescheid vom 12.11.2012, Az.: S 14 SO 1019/11). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung. Insbesondere die Annahme einer Unzumutbarkeit der Kostentragung völlig unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen mit dem Ergebnis, dass auch bei erheblichem Vermögen oder hohem Einkommen die Bestattungskosten nicht von dem Angehörigen, sondern von der Allgemeinheit zu tragen wären, lässt sich nur rechtfertigen, wenn ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem Pflichtigen vorliegt.
Ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten der Verstorbenen gegenüber der Klägerin lässt sich jedoch nicht feststellen. Aus dem Entmündigungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 ergibt sich zwar nicht eindeutig, warum genau die Klägerin in einem Heim untergebracht wurde. Es heißt insoweit allerdings, nach der Entbindung habe sich gezeigt, dass die Verstorbene nicht in der Lage gewesen sei, ihr Kind selbst zu versorgen. Die Entmündigung selbst wird im Wesentlichen damit begründet, der mit der Begutachtung der Verstorbenen beauftragte Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, "dass die bei der Antragsgegnerin vorliegenden ausgeprägten charakterlichen Mängel und Schwächen, insbesondere ihre abnorme Kritikschwäche, Gleichgültigkeit und Antriebsarmut, einer Geistesschwäche im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 1 BGB gleichzusetzen sind, eine Geistesschwäche, die, wie die bisherige Lebensgestaltung der Antragsgegnerin gezeigt hat, sie unfähig macht, ihre Angelegenheiten selbständig zu besorgen". Auch wenn die Hintergründe der Heimaufnahme der Klägerin damit in gewissem Maße unklar bleiben, so ergibt sich aus dem Beschluss doch, dass die Verstorbene aufgrund ihrer geistigen Verfassung offensichtlich nicht in der Lage war, sich um die Erziehung und Pflege ihrer Kinder zu kümmern. Ein vorwerfbares Fehlverhalten der Verstorbenen gegenüber der Klägerin lässt sich daraus hingegen nicht ablesen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Heimaufenthalt für die Klägerin ein schweres Schicksal bedeutete. Dies allein vermag jedoch nicht die Unzumutbarkeit der Kostentragung zu begründen.
4. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe sich geweigert, dem Bestattungsunternehmer die Formulare für eine Sozialbestattung zu schicken, hat dies keine Auswirkungen auf die Frage der Zumutbarkeit der Kostentragung. Entsprechendes gilt für den Vortrag, der Bestattungsunternehmer habe zugesichert, die Kosten der Bestattung würden sich im Rahmen des sozialhilferechtlich Angemessenen bewegen. Eine solche Zusicherung könnte Auswirkungen allenfalls in dem – zivilrechtlichen – Verhältnis zwischen Klägerin und Bestattungsunternehmer haben; Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten können sich daraus nicht ergeben. Auch aus dem Umstand, dass der Bestattungsauftrag nicht von ihr allein, sondern gemeinsam mit der Betreuerin ihres Bruders erteilt wurde, folgt kein Anspruch gegen die Beklagte. Dem kann Bedeutung allenfalls im Verhältnis zu dem Bruder der Klägerin bzw. dessen Betreuerin zukommen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Übernahme eines Teils der Kosten für die Bestattung ihrer Mutter aus Sozialhilfemitteln.
Die 1956 geborene Klägerin ist die nichteheliche Tochter der 1927 geborenen und am xxxxx 2009 verstorbenen Frau I.S ... Die Verstorbene war durch Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 wegen Geistesschwäche entmündigt worden; später bestand für sie eine gesetzliche Betreuung. Seit 2001 befand die Verstorbene sich in stationärer Pflege im Psychiatrischen Zentrum für Rehabilitation und Pflege in R ... Neben der Klägerin hatte die Verstorbene ein weiteres Kind, den 1959 geborenen P.S., für den ebenfalls eine gesetzliche Betreuung bestand.
Die Klägerin sprach am 9. Dezember 2009 persönlich bei der Beklagten vor und beantragte die Übernahme der Kosten für die Bestattung ihrer Mutter aufgrund einer persönlichen Härte. Sie legte einen Lebenslauf sowie den Entmündigungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 vor und gab an, sie sei direkt nach ihrer Geburt in ein Heim gekommen und bis zu ihrem 15. Lebensjahr in Heimen groß geworden. Sie habe keine soziale Bindung zu ihrer Mutter aufgebaut und keinerlei Kontakt zu ihr. Ihre finanziellen Verhältnisse wollte die Klägerin nicht offenlegen.
Mit Bescheid vom 9. Dezember 2009 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Bestattungskosten ab. Auch nach den dargebrachten Erläuterungen und den eingereichten Unterlagen könne dem Antrag nicht aus Härtegesichtspunkten stattgegeben werden. Eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse sei angeboten, von der Klägerin aber abgelehnt worden.
Ebenfalls am 9. Dezember 2009 beantragte die gesetzliche Betreuerin von Herrn P.S. bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für die Bestattung der Verstorbenen und fügte Unterlagen zum Nachweis der Mittellosigkeit des Herrn S. bei. Die Beklagte teilte mit Bescheid vom gleichen Tag mit, sie werde Herrn S. Anteil (d.h. die Hälfte) der Bestattungskosten übernehmen, wenn die Rechnung vorliege. Die Kosten müssten im sozialhilferechtlichen Rahmen liegen und der vorhandene Nachlass sei zuvor abzuziehen.
Die Klägerin und die Betreuerin von Herrn S. erteilten daraufhin dem G. Bestattungsinstitut den Auftrag zur Bestattung. Das G. führte die Bestattung durch und stellte der Klägerin hierfür 3.322,20 Euro in Rechnung, außerdem 77,73 Euro für einen Kissenstein. Hiervon wurden 1.532,47 Euro aus dem Vermögen der Verstorbenen von deren Betreuerin gezahlt. Von dem Rest übernahm die Beklagte nach Kürzung auf den für sozialhilferechtlich angemessen erachteten Betrag als hälftigen Anteil des Herrn P.S. 440,45 Euro. Die Klägerin zahlte insgesamt 1.431,02 Euro (inklusive 4,- Euro Mahngebühren) an das G ...
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme. Sie wies erneut darauf hin, dass infolge ihrer Heimaufenthalte keinerlei Bindung zu ihrer Mutter habe entstehen können.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. März 2010 zurück. Die Klägerin sei als Tochter der Verstorbenen nach § 10 Abs. 1 Satz 3, § 22 Abs. 4 Satz 1 lit b Hamburgisches Bestattungsgesetz (HmbBestattG) verpflichtet, für die Bestattung zu sorgen. Der Antrag auf Übernahme der Bestattungskosten durch die Beklagte aus persönlichen Härtegründen sei zu Recht abgelehnt worden. Ein Anspruch auf Kostenübernahme bestehe nach § 74 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), soweit es dem zur Bestattung Verpflichteten nicht zugemutet werden könne, die Kosten zu tragen. Das Kriterium der Zumutbarkeit beziehe sich in erster Linie auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Kostentragung. Eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin sei aber nicht möglich gewesen, da sie eine Offenlegung ihrer finanziellen Verhältnisse abgelehnt habe. Die von der Klägerin vorgetragenen Gründe rechtfertigten es nicht, sie von der Kostentragung zulasten des Sozialhilfeträgers freizustellen. Das Fehlen einer Bindung zwischen Mutter und Tochter führe nicht zur Unzumutbarkeit der Übernahme der Bestattungskosten. Die Verstorbene sei ausweislich der Ausführungen in dem Entmündigungsbeschluss nicht in der Lage gewesen, ihre Kinder selbst zu versorgen. Die Heimunterbringung der Klägerin stelle sich daher als notwendige Maßnahme zu ihrem Schutz dar, aber nicht als ein vorwerfbares, schuldhaftes Verhalten der Mutter gegenüber ihrer Tochter.
Am 7. April 2010 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht erhoben. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt, sie habe bis auf ihre Geburt nie etwas von ihrer Mutter erhalten. Es habe von Seiten der Heimleitungen nie einen Versuch gegeben, einen Kontakt zur ihrer Mutter herzustellen. Sie lebe ein sparsames Leben, wolle ihre Finanzen gegenüber der Beklagten aber nicht offenlegen.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. März 2012 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten nach § 74 SGB XII. Die Frage der Zumutbarkeit der Kostentragung sei zunächst anhand der wirtschaftlichen Verhältnisse zu prüfen. Nur bei fehlender Bedürftigkeit komme es auf sonstige Zumutbarkeitsgesichtspunkte an. Im Falle der Klägerin sei davon auszugehen, dass sich die Unzumutbarkeit der Kostentragung nicht mit deren wirtschaftlichen Verhältnissen begründen lasse. Die Klägerin habe ihre Verhältnisse nicht offen gelegt, sie sei aber offensichtlich in der Lage gewesen, die Rechnung des Bestattungsunternehmens zu begleichen. Der Heimaufenthalt und das Fehlen einer Bindung der Klägerin zu ihrer Mutter führten für sich genommen nicht zur Unzumutbarkeit der Kostentragung. Zu berücksichtigen sei dabei, dass die Verstorbene aufgrund ihrer Krankheit bzw. geistigen Behinderung nicht in der Lage gewesen sei, für ihre Kinder zu sorgen. Darin liege kein vorwerfbares Verhalten der Mutter gegenüber der Tochter. Die fehlende Bindung sei eine damit einhergehende unvermeidbare Folge, ohne dass damit von zerrütteten Verwandtschaftsverhältnissen auszugehen sei.
Das Urteil ist der Klägerin am 3. April 2012 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 16. April 2012, beim Landessozialgericht eingegangen am 23. April 2012, hat die Klägerin Berufung eingelegt. Zur Begründung der Berufung führt die Klägerin aus, nachdem die Beklagte die Übernahme der hälftigen sozialhilferechtlich angemessenen Bestattungskosten zugesagt habe, habe sie gemeinsam mit der Betreuerin ihres Bruders mit dem Bestattungsunternehmen gesprochen. Die Beklagte habe sich geweigert, die nötigen Formulare für eine Sozialbestattung zu schicken, da es keine halbe Sozialbestattung geben könne, und auf die Möglichkeit eines nachträglichen Antrags auf Übernahme höherer Kosten verwiesen. Da die Zeit gedrängt habe, habe sie dann den Auftrag zur Durchführung der Bestattung erteilt. Der Bestattungsunternehmer habe dabei zugesichert, dass sich diese im sozialhilferechtlich angemessenen Rahmen bewegen werde und angegeben, diesbezüglich Rücksprache mit der Beklagten gehalten zu haben. Sie beantrage die Übernahme ihrer Kosten durch die Beklagte, da sie nicht Angehörige ihrer sogenannten Mutter sei. Ihre Mutter habe sich nie um sich gekümmert und sei auch nie ihr Vormund gewesen. Ihre Mutter sei erst im Oktober 1962 entmündigt worden, auch davor habe sie sich aber nicht um sie, die Klägerin gekümmert. Kinder, die in den ersten Lebensjahren in Heimen aufwüchsen, seien in ihren sozialen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt, fast immer komme es zu intellektuellen und emotionalen Entwicklungsverzögerungen. Sie habe aufgrund des Fehlens einer Bindung zu ihrer Mutter oder ihrem Vater erhebliche psychische Probleme, u.a. sei sie drogenabhängig gewesen, habe Zwangsstörungen, Depressionen und permanente Todesangst. Sie könne nicht verantwortlich gemacht werden für einen Menschen, der nicht eine Stunde in ihrem Leben Verantwortung für sie übernommen habe.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 20. März 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. März 2010 zu verurteilen, Kosten für die Bestattung ihrer Mutter in Höhe von 1.431,02 Euro zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Die Darlegungen der Klägerin über die Auswirkungen eines Heimaufenthaltes auf ein Kind und die fehlende Bindung zu ihrer verstorbenen Mutter führten nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Klägerin bleibe Angehörige im Sinne des § 10 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 22 Abs. 4 Satz 1 lit b HmbBestattG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten betreffend Frau I.S., Band III, verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind und bei der Beratung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist jedoch unbegründet.
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme von Bestattungskosten.
1. Als mögliche Anspruchsgrundlage kommt hier allein § 74 SGB XII in Betracht. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung vom Sozialhilfeträger übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.
2. Die Klägerin ist Verpflichtete im Sinne von § 74 SGB XII, da sie ordnungsrechtlich zur Bestattung ihrer Mutter und zur Tragung der hierfür entstehenden Kosten verpflichtet ist.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 HmbBestattG muss jede Leiche bestattet werden. Für die Bestattung haben gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 HmbBestattG die Angehörigen zu sorgen, zu denen die ehelichen und nichtehelichen Kinder gehören, § 22 Abs. 4 Satz 1 lit b HmbBestattG. Die Klägerin ist Angehörige der Verstorbenen im Sinne dieser Vorschriften. Die Angehörigeneigenschaft wird allein durch das Kindschaftsverhältnis begründet; dass die Mutter der Klägerin sich nicht um diese gekümmert hat und für die Klägerin (wie für nichteheliche Kinder nach den §§ 1707, 1773 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – in der bis zur Reform durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der nichtehelichen Kinder vom 19.8.1969 geltenden Fassung üblich) eine Amtsvormundschaft bestanden hat, ist insoweit ohne Bedeutung.
Die genannten bestattungsrechtlichen Vorschriften regeln zwar unmittelbar nur die öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht und genügen damit dem ordnungsrechtlichen Zweck, im öffentlichen Interesse die zeitnahe Durchführung der Bestattung zu gewährleisten; eine explizite Regelung über die Tragung der Bestattungskosten treffen sie nicht. Dennoch ist derjenige, dem in Erfüllung seiner ordnungsrechtlichen Bestattungspflicht Kosten entstehen, auch im Sinne des § 74 SGB XII zur Kostentragung verpflichtet. Denn mit der Bestattungspflicht werden dem in die Pflicht Genommenen auch die damit verbundenen Kosten zugewiesen (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 29.9.2006, Az.: L 4 B 390/06 ER und BVerwG, Urteile vom 22.2.2001, Az.: 5 C 14/01 und Az.: 5 C 8/00 zu der nahezu wortgleichen Vorgängervorschrift § 15 BSHG).
3. Die Tragung der Bestattungskosten ist der Klägerin jedoch zuzumuten.
Der Begriff der Zumutbarkeit in § 74 SGB XII ist ein der vollen gerichtlichen Prüfung unterliegender unbestimmter Rechtsbegriff, der dem Sozialhilfeträger kein Ermessen eröffnet (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.2.2004, Az.: 16 A 1160/02; Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 74 Rn. 36). Die Frage der (Un)zumutbarkeit entscheidet darüber, ob die Bestattungskosten den Pflichtigen aufzubürden sind oder aber die Allgemeinheit hierfür aufkommen muss.
Eine Unzumutbarkeit der Kostentragung kann sich insbesondere aus den finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Pflichtigen ergeben. Die Klägerin hat keine Angaben zu ihren Verhältnissen gemacht; sie hat die Bestattungskosten aber tatsächlich gezahlt. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass ihr die Kostentragung nicht bereits aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar ist.
Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit kommt es jedoch nicht allein auf die finanziellen Verhältnisse des Pflichtigen an. § 74 SGB XII ist insoweit ein Sonderfall im Sozialhilferecht. Anders als die sonstigen sozialhilferechtlichen Anspruchsgrundlagen stellt diese Norm nicht entscheidend auf eine wirtschaftliche Notlage bzw. eine besondere Bedürftigkeit ab, sondern allein auf die Zumutbarkeit. Der Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten ist damit ein eigenständiger sozialhilferechtlicher Anspruch, der sich in seiner Bedarfsstruktur wesentlich von den Ansprüchen auf Leistungen zum Lebensunterhalt unterscheidet (vgl. BSG, Urteil vom 25.8.2011, Az.: B 8 SO 20/10 R und Urteil vom 29.9.2009, Az.: B 8 SO 23/08 R; zur Vorgängernorm in § 15 BSHG BVerwG, Urteil vom 29.1.2004, Az.: 5 C 2/03 und Urteil vom 5.6.1997, Az.: 5 C 13/96). Für die Frage der Zumutbarkeit kommt es vor allem auf die rechtlichen und persönlichen Beziehungen sowie die zwischenmenschliche Nähe zum Verstorbenen an. Eine besondere Rolle spielen dabei verwandtschaftliche Beziehungen. Grundsätzlich führt bereits das Bestehen einer verwandtschaftlichen Beziehung dazu, dass der Pflichtige dem Verstorbenen näher steht als die Allgemeinheit. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis, desto höher ist in der Regel der Einkommens- und Vermögenseinsatz, der dem Verpflichteten zugemutet werden kann. Umgekehrt können etwa zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen (vgl. BSG, Urteil vom 29.9.2009, Az.: B 8 SO 23/08 R).
Vorliegend ist die Klägerin die Tochter der Verstorbenen, das verwandtschaftliche Verhältnis ist daher besonders eng. Das Verwandtschaftsverhältnis ist auch weder durch die Amtsvormundschaft für die Klägerin noch durch deren Heimunterbringung aufgelöst worden. Besteht ein rechtliches Näheverhältnis in Form enger Verwandtschaft, so kommt eine Unzumutbarkeit allein aufgrund der näheren Umstände der persönlichen Beziehung zwischen Pflichtigem und Verstorbenem, d.h. unabhängig von den finanziellen Verhältnissen des Pflichtigen, nur dann in Betracht, wenn diese Umstände der persönlichen Beziehung so schwer wiegen, dass die rechtliche Nähebeziehung dahinter vollständig zurücktritt. Dafür reicht es nicht aus, dass zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtigen keinerlei Kontakt bestanden hat und von einer zwischenmenschlichen Beziehung nicht gesprochen werden kann (vgl. für den Fall von Geschwistern, zwischen denen nahezu von Geburt an kein bzw. kaum Kontakt bestand, Hessisches LSG, Urteil vom 6.10.2011, Az.: L 9 SO 226/10). Dass eine Bestattungs- und Kostentragungspflicht auch ohne eine tatsächlich gelebte persönlich Beziehung bestehen kann, ergibt sich im Übrigen auch aus §§ 10, 22 Abs. 4 HmbBestattG, nach dem auch weit entfernte Angehörige – wie z.B. Stiefkinder und deren Ehegatten/Lebenspartner, Enkel und deren Ehegatten/Lebenspartner, die Kinder der Geschwister oder die Kinder der Geschwister der Eltern – bestattungspflichtig sind. Die Unzumutbarkeit der Kostentragung setzt daher voraus, dass weitere gravierende Umstände hinzutreten. Eine derartige Konstellation ist in der Rechtsprechung z.B. für den Fall einer Frau angenommen worden, die von ihrem Ehemann vor dessen Tod in so brutaler Weise misshandelt worden war, dass sie lebensgefährliche Verletzungen erlitt (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10.1.2005, Az: 12 A 11605/04 zu § 15 BSHG); ebenso im Falle sexuellen Missbrauchs des Verpflichteten durch den Verstorbenen (SG Hamburg, Urteil vom 25.6.2007, Az.: S 56 SO 596/05; VG Karlsruhe, Urteil vom 16.1.2007, Az.: 11 K 1326/06 – in Bezug auf die Kostentragungspflicht für eine von der Behörde veranlasste Bestattung nach dem Bestattungsgesetz) oder wenn der Verpflichtete von seiner verstorbenen Mutter geschlagen und vernachlässigt wurde (SG Gotha, Gerichtsbescheid vom 12.11.2012, Az.: S 14 SO 1019/11). Der Senat folgt dieser Rechtsprechung. Insbesondere die Annahme einer Unzumutbarkeit der Kostentragung völlig unabhängig von den wirtschaftlichen Verhältnissen mit dem Ergebnis, dass auch bei erheblichem Vermögen oder hohem Einkommen die Bestattungskosten nicht von dem Angehörigen, sondern von der Allgemeinheit zu tragen wären, lässt sich nur rechtfertigen, wenn ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten des Verstorbenen gegenüber dem Pflichtigen vorliegt.
Ein schweres vorwerfbares Fehlverhalten der Verstorbenen gegenüber der Klägerin lässt sich jedoch nicht feststellen. Aus dem Entmündigungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 4. Oktober 1962 ergibt sich zwar nicht eindeutig, warum genau die Klägerin in einem Heim untergebracht wurde. Es heißt insoweit allerdings, nach der Entbindung habe sich gezeigt, dass die Verstorbene nicht in der Lage gewesen sei, ihr Kind selbst zu versorgen. Die Entmündigung selbst wird im Wesentlichen damit begründet, der mit der Begutachtung der Verstorbenen beauftragte Sachverständige sei zu dem Ergebnis gekommen, "dass die bei der Antragsgegnerin vorliegenden ausgeprägten charakterlichen Mängel und Schwächen, insbesondere ihre abnorme Kritikschwäche, Gleichgültigkeit und Antriebsarmut, einer Geistesschwäche im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 1 BGB gleichzusetzen sind, eine Geistesschwäche, die, wie die bisherige Lebensgestaltung der Antragsgegnerin gezeigt hat, sie unfähig macht, ihre Angelegenheiten selbständig zu besorgen". Auch wenn die Hintergründe der Heimaufnahme der Klägerin damit in gewissem Maße unklar bleiben, so ergibt sich aus dem Beschluss doch, dass die Verstorbene aufgrund ihrer geistigen Verfassung offensichtlich nicht in der Lage war, sich um die Erziehung und Pflege ihrer Kinder zu kümmern. Ein vorwerfbares Fehlverhalten der Verstorbenen gegenüber der Klägerin lässt sich daraus hingegen nicht ablesen. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Heimaufenthalt für die Klägerin ein schweres Schicksal bedeutete. Dies allein vermag jedoch nicht die Unzumutbarkeit der Kostentragung zu begründen.
4. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe sich geweigert, dem Bestattungsunternehmer die Formulare für eine Sozialbestattung zu schicken, hat dies keine Auswirkungen auf die Frage der Zumutbarkeit der Kostentragung. Entsprechendes gilt für den Vortrag, der Bestattungsunternehmer habe zugesichert, die Kosten der Bestattung würden sich im Rahmen des sozialhilferechtlich Angemessenen bewegen. Eine solche Zusicherung könnte Auswirkungen allenfalls in dem – zivilrechtlichen – Verhältnis zwischen Klägerin und Bestattungsunternehmer haben; Ansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten können sich daraus nicht ergeben. Auch aus dem Umstand, dass der Bestattungsauftrag nicht von ihr allein, sondern gemeinsam mit der Betreuerin ihres Bruders erteilt wurde, folgt kein Anspruch gegen die Beklagte. Dem kann Bedeutung allenfalls im Verhältnis zu dem Bruder der Klägerin bzw. dessen Betreuerin zukommen.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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