Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 18 U 113/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2012 wird festgestellt, dass die bei dem Kläger vorliegende Kniegelenksarthrose rechts Folge einer Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ist, und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der BK-Folgen ab dem 31.01.2013 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. zu leisten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Kniegelenksarthrose rechts als Folge einer Berufskrankheit (BK) nach Nummer 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) i.V.m. dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).
Der am 17.03.1948 geborene Kläger war von 1962 bis 2003 überwiegend in seinem Lehrberuf als Gas- und Wasserinstallateur bzw. Bauklempner mehr als 20.000 Stunden kniebelastend tätig. Auf die Ausführungen in den Stellungnahmen der Abteilung Prävention der Beklagten vom 19.02.2008 sowie vom 31.05.2012 wird Bezug genommen.
Am 05.10.1981 erlitt der Kläger einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Radiusköpfchenfraktur links mit Anbruch am Kronenfortsatz der Elle sowie eine distale Radiusmeißelfraktur zuzog, die eine dauerhaft bestehende Minderbelastbarkeit und –beweglichkeit der linken Hand und des Unterarms verursachte.
Am 02.12.2008 schlossen die Beteiligten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dortmund aufgrund eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens von dem Chirurgen XXX Chefarzt i.R. der Chirurgischen Abteilung XXX, vom 09.07.2007 einen Vergleich über die Anerkennung einer BK nach Nummer 2105 der Anlage 1 zur BKV (S 36 U 326/06) aufgrund einer Schleimbeutelerkrankung an den Knien mit einer rechtsseitigen Entfernung des Schleimbeutels. Wegen einer etwaigen Wiedererkrankung am rechten Knie ist ein weiteres Klageverfahren bei dem Sozialgericht Dortmund anhängig (S 18 U 984/10), in welchem der Kläger durch den Chirurgen und Orthopäden XXX, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie des XXX, am 28.09.2011 untersuchen und begutachten. Dieser beurteilte, dass es zu einer Wiedererkrankung im Rahmen der BK gekommen sei.
Als Ausfluss des Verfahrens in Bezug auf die Anerkennung der Schleimbeutelerkrankung als Berufskrankheit ermittelte die Beklagte in Bezug auf die hier streitige Berufskrankheit. Ursprünglich ging die Beklagte allerdings von nichterfüllten arbeitstechnischen Voraussetzungen aus, so dass sie den Anspruch mit Bescheid vom 20.10.2009 ablehnte.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass weitere Tätigkeitsanteile, wie Klempnerei-, Blech- und Falzarbeiten auf dem Dach zusätzlich zu berücksichtigen seien. Ohne weitere Ermittlungen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2010 den Widerspruch weiterhin mangels erfüllter arbeitstechnischer Voraussetzungen zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18.02.2010 Klage erhoben.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen der begehrten BK nach Nr. 2112 bei ihm einseitig vorliegen, da er tätigkeits- und kräftebedingt überwiegend in einer Fechterstellung gekniet habe, und er aufgrund der bildgebenden Befunde ab 2009 einen Anspruch auf die Leistung einer Verletztenrente hat.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2010 festzustellen, dass die bei ihm vorliegenden Kniegelenksarthrose rechts die Folge einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der BK-Folgen ab dem 02.12.2008 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezweifelt unter Bezugnahme auf die Begründungen der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sowie die Darstellung der von ihr beteiligten Mediziner im Wesentlichen eine hinreichende Exposition und die Verursachungswahrscheinlichkeit wegen der Einseitigkeit der Gonarthrose.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Durchführung eines Erörterungstermins, in dem der Kläger zu seinen beruflichen Belastungen gehört wurde und der Beklagten aufgegeben wurde, weitere Ermittlungen zu den beruflichen Belastungen anzustellen. Nachdem die Beklagte die Stellungnahme der Abteilung Prävention vom 31.05.2012 vorgelegt hat, nach der die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, hat das Gericht weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens sowie ergänzenden Stellungnahmen von Amts wegen von dem Orthopäden XXX; niedergelassen in Stadthagen.
XXX hat ausgeführt, dass der röntgenologische Vergleich mit der Altersgruppe, das Krankheitsbild und das Verteilungsmuster für eine berufsbedingte Kniegelenksschädigung sprächen. Die Einseitigkeit der Veränderung lasse sich mit der vom Kläger angegebenen überwiegend rechtsseitig eingenommenen Fechterstellung begründen. Die körperlichen Veränderungen begründeten auch eine MdE i.H.v. 20 v.H.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachs- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Akten in Bezug auf die BK nach Nummer 2105 der Beklagten und des Gerichts (S 36 U 326/06 und S 18 U 984/10) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs- sowie (unechte) Leistungsklage ist im tenorierten Umfang begründet.
Der Kläger ist im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG (SGG) beschwert, denn der angefochtene Bescheid vom 20.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die bei dem Kläger vorliegende rechtsseitige Kniegelenksarthrose ist Folge einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV. Der Kläger hat daraus einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 31.01.2013.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art, Dauer und Stärke der tätigkeitsbezogenen schädigenden Einwirkung und das Vorliegen der (Listen-)Erkrankung voll beweisen sein – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Für die Kausalität zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung reicht die Wahrscheinlichkeit (Bereiter-Hahn/Mehrtens in "Gesetzliche Unfallversicherung", § 9 Rdnr. 3.2). Für eine wahrscheinliche Kausalität sind in der Regel eine hinreichende Exposition sowie ein kongruenter Krankheitsverlauf bei zurücktretenden außerberuflichen Einflussfaktoren nachzuweisen.
Für das Vorliegen der BK nach Nummer 2112 muss bei dem Versicherten eine Gonarthrose infolge seiner versicherten Tätigkeit im Knien oder vergleichbaren Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht vorliegen.
Von der Erfüllung der Voraussetzungen für die begehrte BK geht das Gericht beim Kläger aus.
Der Kläger hat mehr als 13.000 Stunden kniebelastende Tätigkeiten mit einer Mindesteinwirkungsdauer von einer Stunde pro Schicht im Rahmen seines Berufslebens geleistet. Das Gericht folgt damit den Ausführungen der Abteilung Prävention in der Stellungnahme vom 31.05.2012 der Beklagten, die sich umfassend und nachvollziehbar mit der Erwerbsbiographie sowie den Arbeitsbedingungen des Klägers unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse (z.B. in GonKatast) auseinander gesetzt hat. Den Ausführungen des Beratungsarztes der Beklagten, Dr. Schröter, ist die Kammer ausdrücklich nicht gefolgt. Es ist von diesem nicht hinreichend begründet, warum den letzten Ausführungen der Abteilung Prävention nicht zu folgen ist. Der Beratungsarzt stellt darauf ab, dass die früheren – für den Kläger negativen – Stellungnahmen überzeugender seien, weil diese nicht im Wesentlichen auf den Angaben des Klägers und seiner Arbeitskollegen beruhten, sondern auf den "tatsächlichen" Ermittlungen der Beklagten. Es ist für die Kammer aber nicht zu erkennen, dass in der Stellungnahme der Abteilung Prävention unreflektiert nur den Angaben des Klägers gefolgt wurde oder sachfremde Erwägungen eine Rolle spielten. Die Beklagte ist vielmehr nach den Anweisungen des Gerichts der konkreten Ermittlung der Belastungen des Klägers nachgekommen und hat nicht überwiegend auf allgemeine Werte abgestellt. Es ist anerkannt, dass die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung die konkrete Belastung des Betroffenen nach einer eingehenden Befragung der Versicherten besser einschätzen können. Warum diese Vorgehensweise im vorliegenden Fall keine Anwendung finden soll, ist nicht nachvollziehbar.
Die Kammer kommt allerdings zu der Auffassung, dass die hinreichende Belastung der zu prüfenden BK (13.000 Stunden bei einer Belastung von mindestens einer Stunde pro Arbeitsschicht) nur im rechten Kniegelenk vorliegt. Nach Anhörung des Klägers hält es die Kammer für sehr nachvollziehbar, dass ein Knien im erforderlichen Umfang nur auf der rechten Seite erfolgt ist, da der Kläger überwiegend in einer sog. Fechterstellung mit Knien auf dem händigen, rechten Knie und Beugestellung im linken Knie bearbeitet hat. Bei der Einschätzung der regelmäßigen Körperhaltung bei der beruflichen Tätigkeit lässt sich die Kammer auch von eigenen Erkenntnissen leiten, die die Mitglieder bei selbst vorgenommenen handwerklichen Arbeiten gewonnen haben. Aber auch aus der Beobachtung von handwerklich tätigen Personen schöpft die Kammer ihre Erkenntnisse. Es ist überzeugend, dass jeder handwerklich Tätige eine bestimmte Haltung überwiegend einnimmt. Zum einen sind hierbei Automatismen von Bedeutung, die ständig wiederkehrende und unbeachtliche Handlungen des täglichen Lebens wesentlich bestimmen. Diese Handlungen werden ohne besondere Vorüberlegung und Planung in überwiegend gleicher Form vorgenommen – so auch das Hinknien. Zum anderen sind die tätigkeitsbedingten Notwendigkeiten zu beachten. So sind regelmäßig die Händigkeit und die auszuführende Tätigkeit zu beachten – immerhin kommt es für die Verrichtung der Arbeit auf die notwendigen physikalischen Kräfte an. Schon aufgrund der vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten ist ein Knien auf dem rechten Knie nachvollziehbar. Der Kläger ist Rechtshänder und kann daher mit der rechten Hand mehr Kraft aufbringen. Beachtlich ist im konkreten Fall des Klägers aber auch, dass er anerkannte Schäden eines Arbeitsunfalls hat, die zu einer Minderbelastbarkeit der linken Hand bzw. des linken Arms geführt haben. Wissenschaftliche Erkenntnisse stehen der Auffassung der Kammer nicht entgegen. Insbesondere dem Forschungswerk GonKatast ist keine differenzierte Betrachtung der Kniebelastungen nach Ein- und Beidseitigkeit zu entnehmen. Die Einwendungen des Beratungsarztes der Beklagten gegen die einseitige Belastung überzeugen die Kammer nicht. Dieser ist der Auffassung, dass einseitige Kniebelastungen von den Betroffenen nicht toleriert würden. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, woraus der Mediziner seine Erkenntnisse zieht. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass für eine dieser BKV entsprechenden beruflichen Belastung kein dauerhaftes Knien am Stück erforderlich ist. Die Zeiten der kniebelastenden Tätigkeiten in einer Arbeitsschicht müssen sich nur auf eine Stunde aufaddieren. Es ist nicht erkennbar, warum eine überwiegend einseitige Belastung mit Unterbrechungen nicht toleriert werden sollte. Letztlich sprechen auch die Befunde aus 2007 in dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. XXX zur BK 2105 in Form von vor beiden Kniegelenken bestehender derber, quergefälteter, vernarbter Haut, die etwas schuppt, einer im wesentlichen einseitigen Belastung nicht entgegen. Zum einen lässt sich dieser Befund aufgrund seiner Einmaligkeit nicht zwingend verallgemeinern. Zum anderen hat der Kläger ein Knien auf beiden Knien (wechselseitig oder gleichzeitig) nicht ausgeschlossen. Es ist vielmehr so, dass der Kläger eine weit überwiegende Belastung rechts angab. Dies lässt sich mit dem angegeben Befund vereinbaren. Ein seitengleicher identischer Beschwielungsbefund ist bei einer unterschiedlichen Belastung nicht zwingend erforderlich. Immerhin ist nur bei einer grundsätzlichen Belastung auch eine grundsätzliche Beschwielung zu erwarten. Diese liegt vor. Zudem ist der Befund von dem damals Untersuchenden nicht ausdrücklich als seitengleich beschreiben worden. In dem Gutachten von Prof. Dr. XXX aus dem Jahr 2011 werden die Beschwielungen an den Knien dann auch nicht als seitengleich beschrieben. Prof. Dr. XXX führt ausdrücklich auf, dass die derberen Hautareale auf der linken Seite nicht so ausgeprägt sind, wie auf der rechten Seite. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Befunde zu einem Zeitpunkt erhoben wurden, als die konkreten Belastungen schon lange geendet hatten – und dies für beide Seiten (Belastungsende 2003 und Befund aus 2007 bzw. 2011).
Es liegt bei dem Kläger auch die für die BK erforderliche Erkrankung in Form einer Gonarthrose dritten Grades nach Kellgren vor.
Diese ist auch rechtlich wesentlich auf die berufliche Belastung zurückzuführen.
Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen nach § 106 SGG, Dr.XXX, an. Die Darstellungen des gerichtlichen Gutachters lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Sie sind erkennbar auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft erstattet worden und haben sich mit den erhobenen Befunden, den aktenkundigen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten differenziert auseinander gesetzt.
Für einen kausalen Zusammenhang sprechen dem gerichtlichen Sachverständigen folgend der Vergleich mit der Altersgruppe (dazu unter 1.), der belastungskonforme Verlauf (dazu unter 2.) und das Verteilungsmuster der bildtechnischen Veränderungen (dazu unter 3.).
1. Es liegt nach der Einschätzung von Dr. XXX ein zweifelsfrei altersvorauseilender Befund im rechten Kniegelenk in Form einer drittgradigen Umformung des Gelenks nach Kellgren vor. Der Befund ergibt sich aus den bildgebenden Befunden und dem Arthroskopiebericht. Dieser Befund ist auch altersvorauseilend, da eine mindestens zweitgradige röntgenologische Umformung in der Einteilung nach Kellgren vor dem 60. Lebensjahr gesichert wird.
2. Der (krankhafte) Befund entstand auch erst nach der erforderlichen beruflichen Exposition. Die Gonarthrose konnte erst am 06.01.2004 gesichert werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger die kniebelastenden Tätigkeiten nach Erreichen des Grenzwertes aber bereits aufgegeben. Der Annahme dieses Beurteilungskriteriums steht – anders als von Beratungsarzt der Beklagten PD Dr. XXX beurteilt – nicht entgegen, dass der Kläger in 2004 bereits über 20.000 Stunden kniebelastende Tätigkeiten im Sinne der BK 2112 verrichtet hatte. Es entspricht keiner Kommentierung, dass eine BK bereits mit Überschreiten des erforderlichen Expositionsgrenzwertes entstehen muss, um anerkannt werden zu können. Eine solche Sichtweise besteht weder bei der BK 2112 noch bei älteren Berufskrankheiten mit einem erforderlichen Belastungsgrenzwert. Bei der BK 2108 der Anlage 1 zu BKV (Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können), bei der nach dem von der Rechtsprechung anerkannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell ein Orientierungswert besteht, existiert kein anerkannter Erfahrungswert, nach dem bei einer weitergehenden Überschreitung des Orientierungswertes die BK nicht mehr anerkannt werden kann.
3. Auch das Verteilungsmuster spricht nicht gegen, sondern eher für eine berufsbedingte Verursachung der Veränderungen im rechten Kniegelenk. Nach den aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen kann kein konkretes berufstypisches Verteilungsmuster im Sinne eines BK-typischen Schadensbildes beschrieben werden. Auch die jüngst von der Gesetzlichen Unfallversicherung herausgegebenen Begutachtungsempfehlungen für die BK 2112 (zitiert nach: http://www.dguv.de/medien/inhalt/versicherung/bk/empfehlungen/Begutachtung-BK2112-Stand-20140613.pdf) ist kein entsprechendes Verteilungsmuster zu entnehmen. Nach den Ausführungen von Dr. XXX kann den bisherigen Untersuchungen nur entnommen werden, dass bei einer beruflich verursachten Erkrankung einer Beteiligung aller Kniegelenkscompartimente zu fordern sei, so dass im Umkehrschluss eine lediglich ein Compartiment betreffende Arthrose keine BK-typische Verteilung darstelle. Bei dem Kläger liegt eine BK-typische Verteilung der Arthrose im rechten Kniegelenk in Form einer altersuntypischen Umformung sowohl der Kniescheibenrückfläche als auch des inneren Anteils des Kniegelenks vor.
Der BK-typischen Körperveränderung steht die Einseitigkeit der arthrotischen Veränderung in den Knien nicht entgegen. Die Einseitigkeit spricht im vorliegenden Fall sogar für einen hinreichenden kausalen Zusammenhang.
Nach der Begutachtungsempfehlung (a.a.O.) ist lediglich bei einer symmetrischen Belastung auch eine symmetrische Verteilung der Umbauschäden zu erwarten. Bei dem Kläger liegt aber keine symmetrische Belastung vor. Nach den obigen Ausführungen liegt bei dem Kläger eine stärkere Belastung auf der rechten Seite vor, da der Kläger oft in der sog. Fechterstellung gearbeitet hat. Bei einer solchen Belastung spricht die Einseitigkeit der krankhaften Veränderung nach Dr. XXX nicht gegen die Annahme einer Verursachungswahrscheinlichkeit. Dem schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung an.
Einer Anerkennung steht nach Auffassung der Kammer die Einseitigkeit auch deshalb nicht entgegen, weil bei der BK 2112 eine Mindestgesamtbelastung von 13.000 Stunden bei einer Schichtbelastung von mindestens einer Stunde erreicht werden muss, um Veränderungen als berufsbedingt anerkennen zu können. Damit ist es bei der oben dargestellten (einseitigen) Belastung nachvollziehbar oder sogar zwingend, dass das linke Knie keine arthrotischen Veränderungen aufweist: Wenn links zwar Belastungen vorliegen, diese aber die Mindestbelastungen nicht erreichen, dann darf auf dieser Seite keine Umformung vorliegen, auch wenn rechts eine Umformung bei hinreichender Exposition besteht.
Letztlich hat die Kammer als Hilfserwägung berücksichtigt, dass bei dem Kläger auch die Schleimbeutelerkrankung beachtlich ist. Diese Erkrankung ist zwar beidseitig anerkannt, hat aber nur rechtsseitig zu einer Entfernung des Schleimbeutels geführt. Damit entfiel die Pufferfunktion des Schleimbeutels in diesem Gelenk, was die Entstehung der BK 2112 kombinatorisch begünstigt hat, ohne den Schaden zu einer mittelbaren Folge der anerkannten BK 2105 zu machen.
Es liegen auch keine konkurrierenden Ursachen vor, die begründen könnten, dass in der beruflichen Belastung nicht eine zumindest wesentliche Mitursache gesehen werden kann. Die bei dem Kläger bestehende O-Bein-Stellung stellt keine bedeutsame Ursache im Rahmen dieser BK dar. Der Wissenschaftlichen Begründung der BK (in Mehrtens/Brandenburger "Die Berufskrankheitenverordnung (BKV)", Stand Februar 2015, M 2112, Rdnr. 4) ist mit Hinweis auf die aktuelleren Begutachtungsempfehlungen zur BK 2112 (a.a.O.) nicht zu folgen. Nach den Begutachtungsempfehlungen ist wissenschaftlich nicht zu belegen, dass die O-Bein-Stellung das Entstehen einer Gonarthrose – insbesondere mit einem spezifischen Verteilungsmuster – wesentlich begünstigt. Aber auch das Übergewicht des Klägers steht der Anerkennung nicht entgegen. Zum einen ist – worauf Dr. XXX schon zutreffend hinweist – ein dauerhaftes Übergewicht während langer Zeiten der beruflichen Belastung nicht belegt. Und zum anderen ist nach den Begutachtungsempfehlungen ein Übergewicht zwar geeignet, das Entstehen einer Kniegelenksarthrose zu beeinflussen, allerdings ist bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen und des geeigneten Krankheitsbildes auch bei adipösen Personen die BK anzuerkennen. Außerdem wäre bei einem (allein) wesentlich ursächlichen Übergewicht eine seitengleiche Schädigung an den Knien zu erwarten gewesen, die beim Kläger aber nicht besteht.
Andere Erkrankungen, wie z.B. ein Gichtleiden, die das Leiden wesentlich verursacht haben könnten, sind nicht hinreichend beweisen.
Der Kläger hat auch ab dem 31.01.2013 einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H.
Gemäß § 56 SGB VII wird eine Verletztenrente gewährt, wenn der Verletzte in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens 20 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Gemäß § 56 Abs. 3 SGB VII wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit eine Vollrente, ansonsten eine Rente nach dem Vomhundertsatz gewährt, der dem Grad der MdE entspricht. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus den Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Das Ausmaß der wegen der Folgen des Versicherungsfalls bestehenden verminderten Zugangsmöglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (MdE) bestimmt sich nach abstrakten Gesichtspunkten (Bereiter-Hahn/Mehrtens "Gesetzliche Unfallversicherung", Stand August 2011, § 56 Rdnr. 10.1). Die Beurteilung der Funktionseinschränkung und die Bemessung der MdE erfolgen dabei unter Berücksichtigung der medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte (Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. Rdnr. 10.2). Um die MdE einzuschätzen, sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Diese Erfahrungssätze binden das Gericht nicht. Sie bilden aber eine Basis für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (Bundessozialgericht, Urteile vom 26. Juni 1985, AZ: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23, vom 26. November 1987, AZ: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27 und vom 30. Juni 1998, AZ: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rdnr 10.3). Sie sind in MdE-Tabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Grundlage für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, AZ: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500ff.).
Auch hier folgt die Kammer den Darstellungen von Dr. XXX:
Als Folgen der BK bestehen bei dem Kläger eine Minderbelastbarkeit des rechten Knies, eine endgradige Bewegungseinschränkung (0-5-125 rechts zu 0-0-135 links) bei einer Konturverplumpung mit Ergussbildung im Kniegelenk (Umfang am Kniegelenk 41 cm rechts und 38 cm links), einer Muskelabmagering (Umfang 10 cm über dem med. Kniegelenkspalt 42 cm rechts und 43 cm links) und eine rechtsseitige Beschwielungsverminderung. Die Vergleichswerte, die regelmäßig im Wesentlichen auf die Bewegungsmaße abstellen, können hier nicht maßgeblich heran gezogen werden (so z.B. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin "Arbeitsunfall und Berufskrankheit", 8. Auflage, S. 655), da bei dem Kläger die Bewegungsmaße relativ gut sind. Aber insbesondere die Verplumpung des Gelenks mit Ergussbildung, die Muskelminderung und die Beschwielungsminderung an der rechten Ferse sprechen für eine deutlich verminderte Belastbarkeit, was der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. XXX, nicht beachtet und allein auf die Bewegungsmaße abstellt. Eine verminderte Belastbarkeit muss sich aber nicht zwingend in den Bewegungsmaßen widerspiegeln. Es sind daher weitere Vergleichswerte hinzuzuziehen. Nachvollziehbar verweist Dr. XXX auf die MdE von 20 v.H. für eine rezidivierende Synovialis (Reizknie) oder eine endoprothetische Versorgung bei einem guten Implantationsergebnis in Form einer freien Funktion. Insbesondere mit einer gelungenen endoprothetischen Versorgung ist der Kläger auch nach Auffassung der Kammer angemessen zu vergleichen. Es bestehen Belastungseinschränkungen, aber ein flüssiges Gangbild bei nur endgradiger Bewegungseinschränkung.
Die vorliegende Belastungseinschränkung ist aber erst ab der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen am 31.01.2013 belegt, so dass damit auch erst ab diesem Datum die MdE mit 20 v.H. angenommen werden kann.
Bei der Begutachtung durch Dr. XXX am 07.07.2007 lag noch eine deutlich günstigere Situation vor, da noch eine seitengleiche Beweglichkeit bestand. Zudem beschrieb Prof. Dr. XXX keinen Gelenkerguss.
Auch der Untersuchungsbefund von Prof. Dr. XXX vom 28.09.2011 spricht noch nicht für eine rentenberechtigende MdE zum damaligen Zeitpunkt. Prof. Dr. XXX beschrieb in dem Gutachten vom 08.11.2011, dass die Konturen des rechten Knies leicht verstrichen seien und eine leichte Kapselschwellung vorliege. Zudem lagen nach den Angaben in dem Gutachten ein leichter endgradiger Beugeschmerz bei einer Beweglichkeit von 0-0-120° und ein Beugerotationsschmerz über der Innenseite des Kniegelenks bei einem deutlichen Reiben hinter der Kniescheibe vor. Diese Befunde stellen sich noch deutlich günstiger als bei der Begutachtung durch Dr. XXX dar. Es lag weder die deutliche Verplumpung oder Ergussbildung vor, noch beschrieb Prof. Dr.XXX ein leichtes Streckdefizit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein geringes Streckdefizit funktionell eine bedeutsamere Einschränkung darstellt, als eine endgradige Beugehemmung.
Das klägerseitige Vorbringen, dass die rentenberechtigende MdE aufgrund der MRT-Befunde schon zumindest ab 2009 zu begründen sei, führt zu keiner anderen Sichtweise. Die Einschätzung der MdE hat aufgrund einer Funktionsbegutachtung zu erfolgen. Die Ergebnisse von apparativen und bildgebenden Untersuchungen dienen dabei der Validierung. Das konkrete Ausmaß der Funktionseinschränkungen ist aus den bildgebenden Befunden nicht abzuleiten. Es ist daher auf die Zeitpunkte der körperlichen Untersuchungen des Klägers abzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Es entsprach hier der Billigkeit, der Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen. Immerhin hatte sie die Anerkennung der BK vor dem gerichtlichen Verfahren abgelehnt, weil sie davon ausging, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen, was sich nicht halten ließ. Dass eine frühere Annahme der rentenberechtigenden MdE nicht möglich war, schließt eine vollständige Kostenübernahme der Beklagten nicht aus, da frühere Ermittlungen der Beklagten möglicherweise zu einem früheren Rentenanspruch geführt hätten. Zudem tritt der konkrete Leistungsanspruch in Bezug auf die (erst später gewährte) Verletztenrente im Verhältnis und in ihrer Bedeutung hinter die Gesamtleistungen der Beklagten bei Anerkennung eines Versicherungsfalls zurück.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung und Entschädigung seiner Kniegelenksarthrose rechts als Folge einer Berufskrankheit (BK) nach Nummer 2112 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) i.V.m. dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII).
Der am 17.03.1948 geborene Kläger war von 1962 bis 2003 überwiegend in seinem Lehrberuf als Gas- und Wasserinstallateur bzw. Bauklempner mehr als 20.000 Stunden kniebelastend tätig. Auf die Ausführungen in den Stellungnahmen der Abteilung Prävention der Beklagten vom 19.02.2008 sowie vom 31.05.2012 wird Bezug genommen.
Am 05.10.1981 erlitt der Kläger einen von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Radiusköpfchenfraktur links mit Anbruch am Kronenfortsatz der Elle sowie eine distale Radiusmeißelfraktur zuzog, die eine dauerhaft bestehende Minderbelastbarkeit und –beweglichkeit der linken Hand und des Unterarms verursachte.
Am 02.12.2008 schlossen die Beteiligten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Dortmund aufgrund eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens von dem Chirurgen XXX Chefarzt i.R. der Chirurgischen Abteilung XXX, vom 09.07.2007 einen Vergleich über die Anerkennung einer BK nach Nummer 2105 der Anlage 1 zur BKV (S 36 U 326/06) aufgrund einer Schleimbeutelerkrankung an den Knien mit einer rechtsseitigen Entfernung des Schleimbeutels. Wegen einer etwaigen Wiedererkrankung am rechten Knie ist ein weiteres Klageverfahren bei dem Sozialgericht Dortmund anhängig (S 18 U 984/10), in welchem der Kläger durch den Chirurgen und Orthopäden XXX, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie des XXX, am 28.09.2011 untersuchen und begutachten. Dieser beurteilte, dass es zu einer Wiedererkrankung im Rahmen der BK gekommen sei.
Als Ausfluss des Verfahrens in Bezug auf die Anerkennung der Schleimbeutelerkrankung als Berufskrankheit ermittelte die Beklagte in Bezug auf die hier streitige Berufskrankheit. Ursprünglich ging die Beklagte allerdings von nichterfüllten arbeitstechnischen Voraussetzungen aus, so dass sie den Anspruch mit Bescheid vom 20.10.2009 ablehnte.
Dagegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass weitere Tätigkeitsanteile, wie Klempnerei-, Blech- und Falzarbeiten auf dem Dach zusätzlich zu berücksichtigen seien. Ohne weitere Ermittlungen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2010 den Widerspruch weiterhin mangels erfüllter arbeitstechnischer Voraussetzungen zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 18.02.2010 Klage erhoben.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, dass die Voraussetzungen der begehrten BK nach Nr. 2112 bei ihm einseitig vorliegen, da er tätigkeits- und kräftebedingt überwiegend in einer Fechterstellung gekniet habe, und er aufgrund der bildgebenden Befunde ab 2009 einen Anspruch auf die Leistung einer Verletztenrente hat.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung des Bescheides vom 20.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.01.2010 festzustellen, dass die bei ihm vorliegenden Kniegelenksarthrose rechts die Folge einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV ist, und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der BK-Folgen ab dem 02.12.2008 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. zu leisten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezweifelt unter Bezugnahme auf die Begründungen der angefochtenen Verwaltungsentscheidungen sowie die Darstellung der von ihr beteiligten Mediziner im Wesentlichen eine hinreichende Exposition und die Verursachungswahrscheinlichkeit wegen der Einseitigkeit der Gonarthrose.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Durchführung eines Erörterungstermins, in dem der Kläger zu seinen beruflichen Belastungen gehört wurde und der Beklagten aufgegeben wurde, weitere Ermittlungen zu den beruflichen Belastungen anzustellen. Nachdem die Beklagte die Stellungnahme der Abteilung Prävention vom 31.05.2012 vorgelegt hat, nach der die arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliegen, hat das Gericht weiter Beweis erhoben durch die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens sowie ergänzenden Stellungnahmen von Amts wegen von dem Orthopäden XXX; niedergelassen in Stadthagen.
XXX hat ausgeführt, dass der röntgenologische Vergleich mit der Altersgruppe, das Krankheitsbild und das Verteilungsmuster für eine berufsbedingte Kniegelenksschädigung sprächen. Die Einseitigkeit der Veränderung lasse sich mit der vom Kläger angegebenen überwiegend rechtsseitig eingenommenen Fechterstellung begründen. Die körperlichen Veränderungen begründeten auch eine MdE i.H.v. 20 v.H.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachs- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogenen Akten in Bezug auf die BK nach Nummer 2105 der Beklagten und des Gerichts (S 36 U 326/06 und S 18 U 984/10) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Feststellungs- sowie (unechte) Leistungsklage ist im tenorierten Umfang begründet.
Der Kläger ist im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG (SGG) beschwert, denn der angefochtene Bescheid vom 20.10.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die bei dem Kläger vorliegende rechtsseitige Kniegelenksarthrose ist Folge einer BK nach Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV. Der Kläger hat daraus einen Anspruch auf Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. ab dem 31.01.2013.
BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet hat und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleidet (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).
Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art, Dauer und Stärke der tätigkeitsbezogenen schädigenden Einwirkung und das Vorliegen der (Listen-)Erkrankung voll beweisen sein – also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Für die Kausalität zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung reicht die Wahrscheinlichkeit (Bereiter-Hahn/Mehrtens in "Gesetzliche Unfallversicherung", § 9 Rdnr. 3.2). Für eine wahrscheinliche Kausalität sind in der Regel eine hinreichende Exposition sowie ein kongruenter Krankheitsverlauf bei zurücktretenden außerberuflichen Einflussfaktoren nachzuweisen.
Für das Vorliegen der BK nach Nummer 2112 muss bei dem Versicherten eine Gonarthrose infolge seiner versicherten Tätigkeit im Knien oder vergleichbaren Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht vorliegen.
Von der Erfüllung der Voraussetzungen für die begehrte BK geht das Gericht beim Kläger aus.
Der Kläger hat mehr als 13.000 Stunden kniebelastende Tätigkeiten mit einer Mindesteinwirkungsdauer von einer Stunde pro Schicht im Rahmen seines Berufslebens geleistet. Das Gericht folgt damit den Ausführungen der Abteilung Prävention in der Stellungnahme vom 31.05.2012 der Beklagten, die sich umfassend und nachvollziehbar mit der Erwerbsbiographie sowie den Arbeitsbedingungen des Klägers unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse (z.B. in GonKatast) auseinander gesetzt hat. Den Ausführungen des Beratungsarztes der Beklagten, Dr. Schröter, ist die Kammer ausdrücklich nicht gefolgt. Es ist von diesem nicht hinreichend begründet, warum den letzten Ausführungen der Abteilung Prävention nicht zu folgen ist. Der Beratungsarzt stellt darauf ab, dass die früheren – für den Kläger negativen – Stellungnahmen überzeugender seien, weil diese nicht im Wesentlichen auf den Angaben des Klägers und seiner Arbeitskollegen beruhten, sondern auf den "tatsächlichen" Ermittlungen der Beklagten. Es ist für die Kammer aber nicht zu erkennen, dass in der Stellungnahme der Abteilung Prävention unreflektiert nur den Angaben des Klägers gefolgt wurde oder sachfremde Erwägungen eine Rolle spielten. Die Beklagte ist vielmehr nach den Anweisungen des Gerichts der konkreten Ermittlung der Belastungen des Klägers nachgekommen und hat nicht überwiegend auf allgemeine Werte abgestellt. Es ist anerkannt, dass die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung die konkrete Belastung des Betroffenen nach einer eingehenden Befragung der Versicherten besser einschätzen können. Warum diese Vorgehensweise im vorliegenden Fall keine Anwendung finden soll, ist nicht nachvollziehbar.
Die Kammer kommt allerdings zu der Auffassung, dass die hinreichende Belastung der zu prüfenden BK (13.000 Stunden bei einer Belastung von mindestens einer Stunde pro Arbeitsschicht) nur im rechten Kniegelenk vorliegt. Nach Anhörung des Klägers hält es die Kammer für sehr nachvollziehbar, dass ein Knien im erforderlichen Umfang nur auf der rechten Seite erfolgt ist, da der Kläger überwiegend in einer sog. Fechterstellung mit Knien auf dem händigen, rechten Knie und Beugestellung im linken Knie bearbeitet hat. Bei der Einschätzung der regelmäßigen Körperhaltung bei der beruflichen Tätigkeit lässt sich die Kammer auch von eigenen Erkenntnissen leiten, die die Mitglieder bei selbst vorgenommenen handwerklichen Arbeiten gewonnen haben. Aber auch aus der Beobachtung von handwerklich tätigen Personen schöpft die Kammer ihre Erkenntnisse. Es ist überzeugend, dass jeder handwerklich Tätige eine bestimmte Haltung überwiegend einnimmt. Zum einen sind hierbei Automatismen von Bedeutung, die ständig wiederkehrende und unbeachtliche Handlungen des täglichen Lebens wesentlich bestimmen. Diese Handlungen werden ohne besondere Vorüberlegung und Planung in überwiegend gleicher Form vorgenommen – so auch das Hinknien. Zum anderen sind die tätigkeitsbedingten Notwendigkeiten zu beachten. So sind regelmäßig die Händigkeit und die auszuführende Tätigkeit zu beachten – immerhin kommt es für die Verrichtung der Arbeit auf die notwendigen physikalischen Kräfte an. Schon aufgrund der vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten ist ein Knien auf dem rechten Knie nachvollziehbar. Der Kläger ist Rechtshänder und kann daher mit der rechten Hand mehr Kraft aufbringen. Beachtlich ist im konkreten Fall des Klägers aber auch, dass er anerkannte Schäden eines Arbeitsunfalls hat, die zu einer Minderbelastbarkeit der linken Hand bzw. des linken Arms geführt haben. Wissenschaftliche Erkenntnisse stehen der Auffassung der Kammer nicht entgegen. Insbesondere dem Forschungswerk GonKatast ist keine differenzierte Betrachtung der Kniebelastungen nach Ein- und Beidseitigkeit zu entnehmen. Die Einwendungen des Beratungsarztes der Beklagten gegen die einseitige Belastung überzeugen die Kammer nicht. Dieser ist der Auffassung, dass einseitige Kniebelastungen von den Betroffenen nicht toleriert würden. Es ist nicht ansatzweise erkennbar, woraus der Mediziner seine Erkenntnisse zieht. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass für eine dieser BKV entsprechenden beruflichen Belastung kein dauerhaftes Knien am Stück erforderlich ist. Die Zeiten der kniebelastenden Tätigkeiten in einer Arbeitsschicht müssen sich nur auf eine Stunde aufaddieren. Es ist nicht erkennbar, warum eine überwiegend einseitige Belastung mit Unterbrechungen nicht toleriert werden sollte. Letztlich sprechen auch die Befunde aus 2007 in dem Sachverständigengutachten von Prof. Dr. XXX zur BK 2105 in Form von vor beiden Kniegelenken bestehender derber, quergefälteter, vernarbter Haut, die etwas schuppt, einer im wesentlichen einseitigen Belastung nicht entgegen. Zum einen lässt sich dieser Befund aufgrund seiner Einmaligkeit nicht zwingend verallgemeinern. Zum anderen hat der Kläger ein Knien auf beiden Knien (wechselseitig oder gleichzeitig) nicht ausgeschlossen. Es ist vielmehr so, dass der Kläger eine weit überwiegende Belastung rechts angab. Dies lässt sich mit dem angegeben Befund vereinbaren. Ein seitengleicher identischer Beschwielungsbefund ist bei einer unterschiedlichen Belastung nicht zwingend erforderlich. Immerhin ist nur bei einer grundsätzlichen Belastung auch eine grundsätzliche Beschwielung zu erwarten. Diese liegt vor. Zudem ist der Befund von dem damals Untersuchenden nicht ausdrücklich als seitengleich beschreiben worden. In dem Gutachten von Prof. Dr. XXX aus dem Jahr 2011 werden die Beschwielungen an den Knien dann auch nicht als seitengleich beschrieben. Prof. Dr. XXX führt ausdrücklich auf, dass die derberen Hautareale auf der linken Seite nicht so ausgeprägt sind, wie auf der rechten Seite. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Befunde zu einem Zeitpunkt erhoben wurden, als die konkreten Belastungen schon lange geendet hatten – und dies für beide Seiten (Belastungsende 2003 und Befund aus 2007 bzw. 2011).
Es liegt bei dem Kläger auch die für die BK erforderliche Erkrankung in Form einer Gonarthrose dritten Grades nach Kellgren vor.
Diese ist auch rechtlich wesentlich auf die berufliche Belastung zurückzuführen.
Die Kammer schließt sich insoweit nach eigener Prüfung den überzeugenden Ausführungen des erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen nach § 106 SGG, Dr.XXX, an. Die Darstellungen des gerichtlichen Gutachters lassen Unrichtigkeiten oder Fehlschlüsse nicht erkennen. Sie sind erkennbar auf der Grundlage der heutigen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft erstattet worden und haben sich mit den erhobenen Befunden, den aktenkundigen Befunden und dem Vorbringen der Beteiligten differenziert auseinander gesetzt.
Für einen kausalen Zusammenhang sprechen dem gerichtlichen Sachverständigen folgend der Vergleich mit der Altersgruppe (dazu unter 1.), der belastungskonforme Verlauf (dazu unter 2.) und das Verteilungsmuster der bildtechnischen Veränderungen (dazu unter 3.).
1. Es liegt nach der Einschätzung von Dr. XXX ein zweifelsfrei altersvorauseilender Befund im rechten Kniegelenk in Form einer drittgradigen Umformung des Gelenks nach Kellgren vor. Der Befund ergibt sich aus den bildgebenden Befunden und dem Arthroskopiebericht. Dieser Befund ist auch altersvorauseilend, da eine mindestens zweitgradige röntgenologische Umformung in der Einteilung nach Kellgren vor dem 60. Lebensjahr gesichert wird.
2. Der (krankhafte) Befund entstand auch erst nach der erforderlichen beruflichen Exposition. Die Gonarthrose konnte erst am 06.01.2004 gesichert werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger die kniebelastenden Tätigkeiten nach Erreichen des Grenzwertes aber bereits aufgegeben. Der Annahme dieses Beurteilungskriteriums steht – anders als von Beratungsarzt der Beklagten PD Dr. XXX beurteilt – nicht entgegen, dass der Kläger in 2004 bereits über 20.000 Stunden kniebelastende Tätigkeiten im Sinne der BK 2112 verrichtet hatte. Es entspricht keiner Kommentierung, dass eine BK bereits mit Überschreiten des erforderlichen Expositionsgrenzwertes entstehen muss, um anerkannt werden zu können. Eine solche Sichtweise besteht weder bei der BK 2112 noch bei älteren Berufskrankheiten mit einem erforderlichen Belastungsgrenzwert. Bei der BK 2108 der Anlage 1 zu BKV (Bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können), bei der nach dem von der Rechtsprechung anerkannten Mainz-Dortmunder-Dosismodell ein Orientierungswert besteht, existiert kein anerkannter Erfahrungswert, nach dem bei einer weitergehenden Überschreitung des Orientierungswertes die BK nicht mehr anerkannt werden kann.
3. Auch das Verteilungsmuster spricht nicht gegen, sondern eher für eine berufsbedingte Verursachung der Veränderungen im rechten Kniegelenk. Nach den aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen kann kein konkretes berufstypisches Verteilungsmuster im Sinne eines BK-typischen Schadensbildes beschrieben werden. Auch die jüngst von der Gesetzlichen Unfallversicherung herausgegebenen Begutachtungsempfehlungen für die BK 2112 (zitiert nach: http://www.dguv.de/medien/inhalt/versicherung/bk/empfehlungen/Begutachtung-BK2112-Stand-20140613.pdf) ist kein entsprechendes Verteilungsmuster zu entnehmen. Nach den Ausführungen von Dr. XXX kann den bisherigen Untersuchungen nur entnommen werden, dass bei einer beruflich verursachten Erkrankung einer Beteiligung aller Kniegelenkscompartimente zu fordern sei, so dass im Umkehrschluss eine lediglich ein Compartiment betreffende Arthrose keine BK-typische Verteilung darstelle. Bei dem Kläger liegt eine BK-typische Verteilung der Arthrose im rechten Kniegelenk in Form einer altersuntypischen Umformung sowohl der Kniescheibenrückfläche als auch des inneren Anteils des Kniegelenks vor.
Der BK-typischen Körperveränderung steht die Einseitigkeit der arthrotischen Veränderung in den Knien nicht entgegen. Die Einseitigkeit spricht im vorliegenden Fall sogar für einen hinreichenden kausalen Zusammenhang.
Nach der Begutachtungsempfehlung (a.a.O.) ist lediglich bei einer symmetrischen Belastung auch eine symmetrische Verteilung der Umbauschäden zu erwarten. Bei dem Kläger liegt aber keine symmetrische Belastung vor. Nach den obigen Ausführungen liegt bei dem Kläger eine stärkere Belastung auf der rechten Seite vor, da der Kläger oft in der sog. Fechterstellung gearbeitet hat. Bei einer solchen Belastung spricht die Einseitigkeit der krankhaften Veränderung nach Dr. XXX nicht gegen die Annahme einer Verursachungswahrscheinlichkeit. Dem schließt sich die Kammer nach eigener Überprüfung an.
Einer Anerkennung steht nach Auffassung der Kammer die Einseitigkeit auch deshalb nicht entgegen, weil bei der BK 2112 eine Mindestgesamtbelastung von 13.000 Stunden bei einer Schichtbelastung von mindestens einer Stunde erreicht werden muss, um Veränderungen als berufsbedingt anerkennen zu können. Damit ist es bei der oben dargestellten (einseitigen) Belastung nachvollziehbar oder sogar zwingend, dass das linke Knie keine arthrotischen Veränderungen aufweist: Wenn links zwar Belastungen vorliegen, diese aber die Mindestbelastungen nicht erreichen, dann darf auf dieser Seite keine Umformung vorliegen, auch wenn rechts eine Umformung bei hinreichender Exposition besteht.
Letztlich hat die Kammer als Hilfserwägung berücksichtigt, dass bei dem Kläger auch die Schleimbeutelerkrankung beachtlich ist. Diese Erkrankung ist zwar beidseitig anerkannt, hat aber nur rechtsseitig zu einer Entfernung des Schleimbeutels geführt. Damit entfiel die Pufferfunktion des Schleimbeutels in diesem Gelenk, was die Entstehung der BK 2112 kombinatorisch begünstigt hat, ohne den Schaden zu einer mittelbaren Folge der anerkannten BK 2105 zu machen.
Es liegen auch keine konkurrierenden Ursachen vor, die begründen könnten, dass in der beruflichen Belastung nicht eine zumindest wesentliche Mitursache gesehen werden kann. Die bei dem Kläger bestehende O-Bein-Stellung stellt keine bedeutsame Ursache im Rahmen dieser BK dar. Der Wissenschaftlichen Begründung der BK (in Mehrtens/Brandenburger "Die Berufskrankheitenverordnung (BKV)", Stand Februar 2015, M 2112, Rdnr. 4) ist mit Hinweis auf die aktuelleren Begutachtungsempfehlungen zur BK 2112 (a.a.O.) nicht zu folgen. Nach den Begutachtungsempfehlungen ist wissenschaftlich nicht zu belegen, dass die O-Bein-Stellung das Entstehen einer Gonarthrose – insbesondere mit einem spezifischen Verteilungsmuster – wesentlich begünstigt. Aber auch das Übergewicht des Klägers steht der Anerkennung nicht entgegen. Zum einen ist – worauf Dr. XXX schon zutreffend hinweist – ein dauerhaftes Übergewicht während langer Zeiten der beruflichen Belastung nicht belegt. Und zum anderen ist nach den Begutachtungsempfehlungen ein Übergewicht zwar geeignet, das Entstehen einer Kniegelenksarthrose zu beeinflussen, allerdings ist bei Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen und des geeigneten Krankheitsbildes auch bei adipösen Personen die BK anzuerkennen. Außerdem wäre bei einem (allein) wesentlich ursächlichen Übergewicht eine seitengleiche Schädigung an den Knien zu erwarten gewesen, die beim Kläger aber nicht besteht.
Andere Erkrankungen, wie z.B. ein Gichtleiden, die das Leiden wesentlich verursacht haben könnten, sind nicht hinreichend beweisen.
Der Kläger hat auch ab dem 31.01.2013 einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H.
Gemäß § 56 SGB VII wird eine Verletztenrente gewährt, wenn der Verletzte in Folge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus wenigstens 20 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Gemäß § 56 Abs. 3 SGB VII wird bei Verlust der Erwerbsfähigkeit eine Vollrente, ansonsten eine Rente nach dem Vomhundertsatz gewährt, der dem Grad der MdE entspricht. Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus den Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII).
Das Ausmaß der wegen der Folgen des Versicherungsfalls bestehenden verminderten Zugangsmöglichkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (MdE) bestimmt sich nach abstrakten Gesichtspunkten (Bereiter-Hahn/Mehrtens "Gesetzliche Unfallversicherung", Stand August 2011, § 56 Rdnr. 10.1). Die Beurteilung der Funktionseinschränkung und die Bemessung der MdE erfolgen dabei unter Berücksichtigung der medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte (Bereiter-Hahn/Mehrtens a.a.O. Rdnr. 10.2). Um die MdE einzuschätzen, sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Diese Erfahrungssätze binden das Gericht nicht. Sie bilden aber eine Basis für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (Bundessozialgericht, Urteile vom 26. Juni 1985, AZ: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23, vom 26. November 1987, AZ: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27 und vom 30. Juni 1998, AZ: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5; Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 SGB VII Rdnr 10.3). Sie sind in MdE-Tabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Grundlage für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, AZ: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500ff.).
Auch hier folgt die Kammer den Darstellungen von Dr. XXX:
Als Folgen der BK bestehen bei dem Kläger eine Minderbelastbarkeit des rechten Knies, eine endgradige Bewegungseinschränkung (0-5-125 rechts zu 0-0-135 links) bei einer Konturverplumpung mit Ergussbildung im Kniegelenk (Umfang am Kniegelenk 41 cm rechts und 38 cm links), einer Muskelabmagering (Umfang 10 cm über dem med. Kniegelenkspalt 42 cm rechts und 43 cm links) und eine rechtsseitige Beschwielungsverminderung. Die Vergleichswerte, die regelmäßig im Wesentlichen auf die Bewegungsmaße abstellen, können hier nicht maßgeblich heran gezogen werden (so z.B. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin "Arbeitsunfall und Berufskrankheit", 8. Auflage, S. 655), da bei dem Kläger die Bewegungsmaße relativ gut sind. Aber insbesondere die Verplumpung des Gelenks mit Ergussbildung, die Muskelminderung und die Beschwielungsminderung an der rechten Ferse sprechen für eine deutlich verminderte Belastbarkeit, was der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. XXX, nicht beachtet und allein auf die Bewegungsmaße abstellt. Eine verminderte Belastbarkeit muss sich aber nicht zwingend in den Bewegungsmaßen widerspiegeln. Es sind daher weitere Vergleichswerte hinzuzuziehen. Nachvollziehbar verweist Dr. XXX auf die MdE von 20 v.H. für eine rezidivierende Synovialis (Reizknie) oder eine endoprothetische Versorgung bei einem guten Implantationsergebnis in Form einer freien Funktion. Insbesondere mit einer gelungenen endoprothetischen Versorgung ist der Kläger auch nach Auffassung der Kammer angemessen zu vergleichen. Es bestehen Belastungseinschränkungen, aber ein flüssiges Gangbild bei nur endgradiger Bewegungseinschränkung.
Die vorliegende Belastungseinschränkung ist aber erst ab der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen am 31.01.2013 belegt, so dass damit auch erst ab diesem Datum die MdE mit 20 v.H. angenommen werden kann.
Bei der Begutachtung durch Dr. XXX am 07.07.2007 lag noch eine deutlich günstigere Situation vor, da noch eine seitengleiche Beweglichkeit bestand. Zudem beschrieb Prof. Dr. XXX keinen Gelenkerguss.
Auch der Untersuchungsbefund von Prof. Dr. XXX vom 28.09.2011 spricht noch nicht für eine rentenberechtigende MdE zum damaligen Zeitpunkt. Prof. Dr. XXX beschrieb in dem Gutachten vom 08.11.2011, dass die Konturen des rechten Knies leicht verstrichen seien und eine leichte Kapselschwellung vorliege. Zudem lagen nach den Angaben in dem Gutachten ein leichter endgradiger Beugeschmerz bei einer Beweglichkeit von 0-0-120° und ein Beugerotationsschmerz über der Innenseite des Kniegelenks bei einem deutlichen Reiben hinter der Kniescheibe vor. Diese Befunde stellen sich noch deutlich günstiger als bei der Begutachtung durch Dr. XXX dar. Es lag weder die deutliche Verplumpung oder Ergussbildung vor, noch beschrieb Prof. Dr.XXX ein leichtes Streckdefizit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein geringes Streckdefizit funktionell eine bedeutsamere Einschränkung darstellt, als eine endgradige Beugehemmung.
Das klägerseitige Vorbringen, dass die rentenberechtigende MdE aufgrund der MRT-Befunde schon zumindest ab 2009 zu begründen sei, führt zu keiner anderen Sichtweise. Die Einschätzung der MdE hat aufgrund einer Funktionsbegutachtung zu erfolgen. Die Ergebnisse von apparativen und bildgebenden Untersuchungen dienen dabei der Validierung. Das konkrete Ausmaß der Funktionseinschränkungen ist aus den bildgebenden Befunden nicht abzuleiten. Es ist daher auf die Zeitpunkte der körperlichen Untersuchungen des Klägers abzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Es entsprach hier der Billigkeit, der Beklagten die gesamten Kosten aufzuerlegen. Immerhin hatte sie die Anerkennung der BK vor dem gerichtlichen Verfahren abgelehnt, weil sie davon ausging, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht vorlägen, was sich nicht halten ließ. Dass eine frühere Annahme der rentenberechtigenden MdE nicht möglich war, schließt eine vollständige Kostenübernahme der Beklagten nicht aus, da frühere Ermittlungen der Beklagten möglicherweise zu einem früheren Rentenanspruch geführt hätten. Zudem tritt der konkrete Leistungsanspruch in Bezug auf die (erst später gewährte) Verletztenrente im Verhältnis und in ihrer Bedeutung hinter die Gesamtleistungen der Beklagten bei Anerkennung eines Versicherungsfalls zurück.
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