Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Halle (Saale) (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 32 AS 5010/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei temporären Bedarfsgemeinschaften gebietet eine verfassungsorientierte Auslegung ggfls. die taggenaue Berechnung für Monate mit 31 Tagen.
Der Beklagte wird verurteilt, unter Abänderung des Bescheides vom 02.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2012 für den Monat Mai 2012, an die Klägerin zu 1) weitere 1,50 Euro und an den Kläger zu 2) weitere 8,37 Euro zu leisten.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob in Fällen einer sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft auch für Kalendermonate, die 31 Tage haben, Leistungen nach dem SGB II für nur 30 Tage zu bewilligen sind.
Die Klägerin zu 1) ist die Mutter des Klägers zu 2). Nach der Trennung von dem Kindesvater lebt die Klägerin zu 1) allein. In der Unterhaltsvereinbarung, die sie mit dem Kindesvater geschlossen hat, ist geregelt, dass sich der Kläger zu 2) jeweils in der Zeit vom 19. eines Kalendermonats bis zum Ende des Monats bei der Kindesmutter, das heißt der Klägerin zu 1), aufhält.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1), welche grundsätzlich Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, Leistungen dergestalt, dass er Leistungen für die Zeiträume Monatserster bis 18. des Monats separat berechnete. Für die Zeit vom 19. bis zum 30. berechnete er sodann die Leistungen der Klägerin zu 1) nach dem SGB II sowie das Sozialgeld des Klägers zu 2). Dabei nahm der Kläger jeweils die Regelsätze, teilte diese durch 30, multiplizierte die sich hieraus ergebenen Werte mit 12, nämlich der Anzahl der Tage vom 19. bis 30. des Monats. In den Monaten, die 31 Tage haben, setzte der Kläger jeweils für den Monatsletzten, das heißt den 31. des Monats, den entsprechenden Anteil an Kosten der Unterkunft und Heizung fest.
In dem hier maßgeblichen Bescheid vom 02.07.2012 gewährte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.07.2012.
Wegen der Einzelheiten und der entsprechenden Zahlen wird auf den Änderungsbescheid vom 02.07.2012 verwiesen.
Der Bewilligungszeitraum umfasste zwei Monate, welche 31 Tage haben. Dabei handelte es sich um den Mai und den Juli 2012. Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Kläger zu 2) am Übergabetag im Juli, das heißt dem 19. Juli, in der Schule war, weshalb eine Übergabe an die Klägerin zu 1) erst in den Nachmittagsstunden stattfand. Der Kläger zu 2) hat sich deshalb am 19. Juli 2012 nicht 12 Stunden oder länger bei der Klägerin zu 1) aufgehalten.
Anders sähe dies aus für den Mai, da der 19.05.2012 ein Samstag war. Hier sei der Kläger zu 2) bereits nach dem Frühstück zur Klägerin zu 1) gekommen, weshalb er sich dort länger als 12 Stunden aufgehalten habe. Die Klägerin zu 1) habe deshalb im Mai 2012 den Kläger zu 2) nicht an 12, sondern an 13 Tagen bei sich aufgenommen.
Mit der gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 01.10.2012 erhobenen Klage, eingegangen am 22.10.2012 beim Sozialgericht Halle, begehren die Kläger deshalb Alleinerziehendenzuschlag für die Klägerin zu 1) für den 31.05.2012 sowie das anteilige Sozialgeld für den Kläger zu 2) für den 31.05.2012.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Bescheides vom 02.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2012 den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlich vorgeschriebener Höhe zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beruft sich darauf, dass gemäß § 41 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB II bei der Leistungsberechnung jeder Monat mit 30 Tagen anzusetzen sei. Folglich bestehe hinsichtlich der Regelleistung und des Mehrbedarfs Alleinerziehenden nur ein Anspruch für 30 Tage.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte und des Sitzungsprotokolls des Erörterungstermins vom 19.12.2013 verwiesen.
Die Parteien haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt, nämlich die Kläger mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.06.2014 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 18.07.2014.
Soweit die Klage sich ursprünglich auf die unterlassene Bewilligung für den 31. Juli 2012 bezog, ist eine Klagerücknahme erfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässig erhobene Klage ist auch begründet, denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist § 19 SGB II, dessen Voraussetzungen hier unstreitig vorliegen. Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich um eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB II, das heißt, eine Person, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat. Sie ist erwerbsfähig und hilfebedürftig und sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich des Klägers zu 2) handelt es sich um einen nicht erwerbsfähigen Angehörigen ihrer Bedarfsgemeinschaft, jedenfalls für die Zeiträume 19. des Monats bis Monatsende.
Die Leistungsbewilligung an die Kläger ist insgesamt nicht zu beanstanden, insbesondere ist auch die Einkommensanrechnung bei der Klägerin zu 1) zutreffend erfolgt.
Gegenstand des Rechtsstreits ist deshalb ausschließlich die Frage, ob auch in Fällen einer temporären Bedarfsgemeinschaft jeder Monat entsprechend § 41 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB II grundsätzlich mit 30 Tagen anzurechnen ist.
§ 41 Absatz 1 Satz 1 lautet: Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes besteht für jeden Kalendertag. Der Satz 2 lautet: Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Absatz 3, welcher dann die Berechnung ermöglicht, lautet: Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.
Der Wortlaut des § 41 Absatz 1 Satz 2 spricht dementsprechend für die Auffassung des Beklagten, Leistungen immer nur für 30 Tage zu gewähren. Bei einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung ist allerdings beachtlich, dass Satz 1 der genannten Vorschrift fordert, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für jeden Kalendertag zu gewähren sind.
Folgte man der Auffassung des Beklagten, müsste Satz 2 dementsprechend nicht im Widerspruch zu Satz 1 stehen, sondern diesen vielmehr abschließend ergänzen.
Diese Auslegung kann sich das Gericht nicht zu Eigen machen, da sie erhebliche Bedenken auch verfassungsgemäßer Art aufwerfen würde.
Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ergibt sich letztlich aus dem Sozialstaatsprinzip, wonach der Staat sicher zu stellen hat, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, seine grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen.
Die 30-Tage-Regel dient deshalb zur Vereinfachung und ist in den Normalfällen auch unproblematisch geeignet, sowohl das Verwaltungshandeln zu vereinfachen als auch die Sicherung der Bedürfnisse der Leistungsempfänger sicher zu stellen. Üblicherweise besteht kein großer Unterschied auf der Ausgabenseite in Monaten mit 30 oder 31 Tagen. So sind die Kosten der Unterkunft grundsätzlich gleich, lediglich im Rahmen der Heizkosten können an längeren Monaten mehr Aufwendungen entstehen. Selbst dabei ist aber zu berücksichtigen, dass ein Kälteeinbruch in der Mitte eines Monats in der Regel die Heizkosten höher steigen lässt als ein weiterer Kalendertag eines mittelmäßig kalten Winters.
Insgesamt ist deshalb im Regelfall davon auszugehen, dass eine Leistungsberechnung unter Zugrundelegung einer fiktiven Dauer des Monats mit immer 30 Tagen in Form des sogenannten "Ausmittelns" dazu führt, dass die Leistungsempfänger in 12 Monaten des Jahres ausreichend Leistungen zur Verfügung haben.
Anders sieht dies aber in Fällen temporärer Bedarfsgemeinschaften aus. Eine temporäre Bedarfsgemeinschaft liegt vor, wenn eine Person z. B. innerhalb eines Monats von einer Wohnung nebst Mitbewohner zu einer anderen Wohnung nebst Mitbewohner wechselt. Der typische Fall einer temporären Bedarfsgemeinschaft ist das geteilte Unterhaltsrecht, welches dergestalt ausgeübt wird, dass das Kind einen Teil des Monats bei dem ersten und den Rest des Monats bei dem zweiten Elternteil verbringt.
In diesen Fällen entspricht die taggenaue Abrechnung im Sinne des Satzes 1 von § 41 Absatz 1 SGB II für das erste Elternteil im Ergebnis auch der Beachtung der 30-Tage-Regel des Satzes 2 der genannten Vorschrift, da an den Kalendertagen 1 bis 28 eines Monats nie ein Unterschied auftreten kann, der sich aus einer unterschiedlichen Dauer der Kalendertage des Monats ergibt. Unterschiede treten aber zwangsläufig bei dem zweiten Elternteil auf, bei welchem sich das Kind den Rest des Monats aufhält. Diese Unterschiede lassen sich dann auch nicht mehr durch das "Ausmitteln" ausgleichen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zu 1) das Kind an 12 oder 13 Tagen im Monat bei sich. Sie ist deshalb im Gegensatz zum Kindesvater, der immer 18 Tage im Monat alleinerziehend ist, an 12 oder 13 Tagen alleinerziehend. Es ist nicht einzusehen, dass das erste Elternteil, hier der Kindesvater, grundsätzlich den identischen Anspruch hat, unabhängig davon, wie lange der Monat ist, während die Kindesmutter immer nur Ansprüche hat, die sich aus der fiktiven Dauer des Kalendermonats ergeben.
Aus dem genannten Grund ergibt eine verfassungskonforme Auslegung der Sätze 1 und 2 von § 41 Absatz 1, dass in Fällen temporärer Bedarfsgemeinschaften der Alleinerziehendenzuschlag für das Elternteil, welches in der zweiten Monatshälfte das Kind bei sich hat, taggenau abzurechnen ist, unter Beachtung der tatsächlichen Kalendertage des jeweiligen Monats.
Im vorliegenden Fall betrifft dies den Mai 2012, da das Kind hier bereits in den Vormittagsstunden zur Mutter kam und deshalb bei ihr bereits mehr als 12 Stunden verbrachte.
Für das jeweilige Kind, welches Anspruch nach dem SGB II auf das sogenannte Sozialgeld hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung im oben genannten Sinn schon aus dem Grundsatz des sogenannten "bereiten Mittels".
Es ist sicherlich wünschenswert und wird auch in vielen Fällen so praktiziert werden, dass Elternteile sich gegebenenfalls finanziellen Ausgleich leisten, soweit es um Kosten für das gemeinsame Kind geht. Das Jobcenter als maßgeblicher Leistungsträger kann sich aber nicht auf die Möglichkeit des internen Ausgleichs der Eltern verlassen. Das Jobcenter hat vielmehr zu bedenken, dass der Anspruch des Kindes hier tatsächlich für den ersten Teil des Monats in der ersten Bedarfsgemeinschaft und für den zweiten Teil des Monats in der zweiten Bedarfsgemeinschaft entsteht. Eine Verrechnung der Leistungen untereinander ist rechtlich nicht möglich, da die beiden Bedarfsgemeinschaften rechtlich unabhängig zu betrachten sind.
Die Folge davon ist, dass zu beachten ist, dass das Kind an entweder 12 oder 13 Tagen in der zweiten Bedarfsgemeinschaft ist. Handelt es sich um einen Monat, in dem das Kind an 13 Tagen in der zweiten Bedarfsgemeinschaft ist, so sind ihm auch Leistungen für 13 Tage im Rahmen der Bescheidung der zweiten Bedarfsgemeinschaft zu gewähren. Bei einer anderen Auslegung, welche die zweite Bedarfsgemeinschaft hinsichtlich der Anzahl der Tage fiktiv berechnet, wäre eine vollständige Bedarfsdeckung des Kindes nicht gewährleistet.
Aus den genannten Gründen war der Beklagte deshalb zu verpflichten unter Abänderung des Bescheides vom 02.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2012 an die Klägerin zu 1) für den 31.05.2012 einen Tagesanteil Alleinerziehendenzuschlages in Höhe von 1,50 Euro und an den Kläger zu 2) einen weiteren Tagesanteil Sozialgeld in Höhe von 8,37 Euro zu bewilligen.
Die Berufung war auf Antrag der Kläger gem. § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Soweit ersichtlich, ist weder von Obergerichten noch vom Bundessozialgericht die Frage der verfassungskonformen Auslegung der 30 Tage- Regel des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Fällen der temporären Bedarfsgemeinschaft entschieden worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Mit der Klage waren zunächst weitere Leistungen für die Monate Mai und Juli 2012 begehrt worden. Hinsichtlich des Monates Juli 2012 ist eine Klagerücknahme erfolgt, hinsichtlich des Mai 2012 haben die Kläger obsiegt.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob in Fällen einer sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft auch für Kalendermonate, die 31 Tage haben, Leistungen nach dem SGB II für nur 30 Tage zu bewilligen sind.
Die Klägerin zu 1) ist die Mutter des Klägers zu 2). Nach der Trennung von dem Kindesvater lebt die Klägerin zu 1) allein. In der Unterhaltsvereinbarung, die sie mit dem Kindesvater geschlossen hat, ist geregelt, dass sich der Kläger zu 2) jeweils in der Zeit vom 19. eines Kalendermonats bis zum Ende des Monats bei der Kindesmutter, das heißt der Klägerin zu 1), aufhält.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 1), welche grundsätzlich Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat, Leistungen dergestalt, dass er Leistungen für die Zeiträume Monatserster bis 18. des Monats separat berechnete. Für die Zeit vom 19. bis zum 30. berechnete er sodann die Leistungen der Klägerin zu 1) nach dem SGB II sowie das Sozialgeld des Klägers zu 2). Dabei nahm der Kläger jeweils die Regelsätze, teilte diese durch 30, multiplizierte die sich hieraus ergebenen Werte mit 12, nämlich der Anzahl der Tage vom 19. bis 30. des Monats. In den Monaten, die 31 Tage haben, setzte der Kläger jeweils für den Monatsletzten, das heißt den 31. des Monats, den entsprechenden Anteil an Kosten der Unterkunft und Heizung fest.
In dem hier maßgeblichen Bescheid vom 02.07.2012 gewährte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 01.04.2012 bis zum 31.07.2012.
Wegen der Einzelheiten und der entsprechenden Zahlen wird auf den Änderungsbescheid vom 02.07.2012 verwiesen.
Der Bewilligungszeitraum umfasste zwei Monate, welche 31 Tage haben. Dabei handelte es sich um den Mai und den Juli 2012. Die Klägerin hat vorgetragen, dass der Kläger zu 2) am Übergabetag im Juli, das heißt dem 19. Juli, in der Schule war, weshalb eine Übergabe an die Klägerin zu 1) erst in den Nachmittagsstunden stattfand. Der Kläger zu 2) hat sich deshalb am 19. Juli 2012 nicht 12 Stunden oder länger bei der Klägerin zu 1) aufgehalten.
Anders sähe dies aus für den Mai, da der 19.05.2012 ein Samstag war. Hier sei der Kläger zu 2) bereits nach dem Frühstück zur Klägerin zu 1) gekommen, weshalb er sich dort länger als 12 Stunden aufgehalten habe. Die Klägerin zu 1) habe deshalb im Mai 2012 den Kläger zu 2) nicht an 12, sondern an 13 Tagen bei sich aufgenommen.
Mit der gegen den ablehnenden Widerspruchsbescheid vom 01.10.2012 erhobenen Klage, eingegangen am 22.10.2012 beim Sozialgericht Halle, begehren die Kläger deshalb Alleinerziehendenzuschlag für die Klägerin zu 1) für den 31.05.2012 sowie das anteilige Sozialgeld für den Kläger zu 2) für den 31.05.2012.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung des Bescheides vom 02.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2012 den Beklagten zu verurteilen, den Klägern Leistungen nach dem SGB II in gesetzlich vorgeschriebener Höhe zu bewilligen und auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte beruft sich darauf, dass gemäß § 41 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB II bei der Leistungsberechnung jeder Monat mit 30 Tagen anzusetzen sei. Folglich bestehe hinsichtlich der Regelleistung und des Mehrbedarfs Alleinerziehenden nur ein Anspruch für 30 Tage.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte und des Sitzungsprotokolls des Erörterungstermins vom 19.12.2013 verwiesen.
Die Parteien haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt, nämlich die Kläger mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 19.06.2014 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 18.07.2014.
Soweit die Klage sich ursprünglich auf die unterlassene Bewilligung für den 31. Juli 2012 bezog, ist eine Klagerücknahme erfolgt.
Entscheidungsgründe:
Die zulässig erhobene Klage ist auch begründet, denn der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten.
Die maßgebliche Rechtsgrundlage für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ist § 19 SGB II, dessen Voraussetzungen hier unstreitig vorliegen. Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich um eine erwerbsfähige Leistungsberechtigte im Sinne des § 7 Absatz 1 SGB II, das heißt, eine Person, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat. Sie ist erwerbsfähig und hilfebedürftig und sie hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich des Klägers zu 2) handelt es sich um einen nicht erwerbsfähigen Angehörigen ihrer Bedarfsgemeinschaft, jedenfalls für die Zeiträume 19. des Monats bis Monatsende.
Die Leistungsbewilligung an die Kläger ist insgesamt nicht zu beanstanden, insbesondere ist auch die Einkommensanrechnung bei der Klägerin zu 1) zutreffend erfolgt.
Gegenstand des Rechtsstreits ist deshalb ausschließlich die Frage, ob auch in Fällen einer temporären Bedarfsgemeinschaft jeder Monat entsprechend § 41 Absatz 1 Satz 1 und 2 SGB II grundsätzlich mit 30 Tagen anzurechnen ist.
§ 41 Absatz 1 Satz 1 lautet: Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes besteht für jeden Kalendertag. Der Satz 2 lautet: Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet. Absatz 3, welcher dann die Berechnung ermöglicht, lautet: Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht.
Der Wortlaut des § 41 Absatz 1 Satz 2 spricht dementsprechend für die Auffassung des Beklagten, Leistungen immer nur für 30 Tage zu gewähren. Bei einer allein am Wortlaut orientierten Auslegung ist allerdings beachtlich, dass Satz 1 der genannten Vorschrift fordert, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für jeden Kalendertag zu gewähren sind.
Folgte man der Auffassung des Beklagten, müsste Satz 2 dementsprechend nicht im Widerspruch zu Satz 1 stehen, sondern diesen vielmehr abschließend ergänzen.
Diese Auslegung kann sich das Gericht nicht zu Eigen machen, da sie erhebliche Bedenken auch verfassungsgemäßer Art aufwerfen würde.
Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ergibt sich letztlich aus dem Sozialstaatsprinzip, wonach der Staat sicher zu stellen hat, dass jeder Bürger die Möglichkeit hat, seine grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen.
Die 30-Tage-Regel dient deshalb zur Vereinfachung und ist in den Normalfällen auch unproblematisch geeignet, sowohl das Verwaltungshandeln zu vereinfachen als auch die Sicherung der Bedürfnisse der Leistungsempfänger sicher zu stellen. Üblicherweise besteht kein großer Unterschied auf der Ausgabenseite in Monaten mit 30 oder 31 Tagen. So sind die Kosten der Unterkunft grundsätzlich gleich, lediglich im Rahmen der Heizkosten können an längeren Monaten mehr Aufwendungen entstehen. Selbst dabei ist aber zu berücksichtigen, dass ein Kälteeinbruch in der Mitte eines Monats in der Regel die Heizkosten höher steigen lässt als ein weiterer Kalendertag eines mittelmäßig kalten Winters.
Insgesamt ist deshalb im Regelfall davon auszugehen, dass eine Leistungsberechnung unter Zugrundelegung einer fiktiven Dauer des Monats mit immer 30 Tagen in Form des sogenannten "Ausmittelns" dazu führt, dass die Leistungsempfänger in 12 Monaten des Jahres ausreichend Leistungen zur Verfügung haben.
Anders sieht dies aber in Fällen temporärer Bedarfsgemeinschaften aus. Eine temporäre Bedarfsgemeinschaft liegt vor, wenn eine Person z. B. innerhalb eines Monats von einer Wohnung nebst Mitbewohner zu einer anderen Wohnung nebst Mitbewohner wechselt. Der typische Fall einer temporären Bedarfsgemeinschaft ist das geteilte Unterhaltsrecht, welches dergestalt ausgeübt wird, dass das Kind einen Teil des Monats bei dem ersten und den Rest des Monats bei dem zweiten Elternteil verbringt.
In diesen Fällen entspricht die taggenaue Abrechnung im Sinne des Satzes 1 von § 41 Absatz 1 SGB II für das erste Elternteil im Ergebnis auch der Beachtung der 30-Tage-Regel des Satzes 2 der genannten Vorschrift, da an den Kalendertagen 1 bis 28 eines Monats nie ein Unterschied auftreten kann, der sich aus einer unterschiedlichen Dauer der Kalendertage des Monats ergibt. Unterschiede treten aber zwangsläufig bei dem zweiten Elternteil auf, bei welchem sich das Kind den Rest des Monats aufhält. Diese Unterschiede lassen sich dann auch nicht mehr durch das "Ausmitteln" ausgleichen. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zu 1) das Kind an 12 oder 13 Tagen im Monat bei sich. Sie ist deshalb im Gegensatz zum Kindesvater, der immer 18 Tage im Monat alleinerziehend ist, an 12 oder 13 Tagen alleinerziehend. Es ist nicht einzusehen, dass das erste Elternteil, hier der Kindesvater, grundsätzlich den identischen Anspruch hat, unabhängig davon, wie lange der Monat ist, während die Kindesmutter immer nur Ansprüche hat, die sich aus der fiktiven Dauer des Kalendermonats ergeben.
Aus dem genannten Grund ergibt eine verfassungskonforme Auslegung der Sätze 1 und 2 von § 41 Absatz 1, dass in Fällen temporärer Bedarfsgemeinschaften der Alleinerziehendenzuschlag für das Elternteil, welches in der zweiten Monatshälfte das Kind bei sich hat, taggenau abzurechnen ist, unter Beachtung der tatsächlichen Kalendertage des jeweiligen Monats.
Im vorliegenden Fall betrifft dies den Mai 2012, da das Kind hier bereits in den Vormittagsstunden zur Mutter kam und deshalb bei ihr bereits mehr als 12 Stunden verbrachte.
Für das jeweilige Kind, welches Anspruch nach dem SGB II auf das sogenannte Sozialgeld hat, ergibt sich die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung im oben genannten Sinn schon aus dem Grundsatz des sogenannten "bereiten Mittels".
Es ist sicherlich wünschenswert und wird auch in vielen Fällen so praktiziert werden, dass Elternteile sich gegebenenfalls finanziellen Ausgleich leisten, soweit es um Kosten für das gemeinsame Kind geht. Das Jobcenter als maßgeblicher Leistungsträger kann sich aber nicht auf die Möglichkeit des internen Ausgleichs der Eltern verlassen. Das Jobcenter hat vielmehr zu bedenken, dass der Anspruch des Kindes hier tatsächlich für den ersten Teil des Monats in der ersten Bedarfsgemeinschaft und für den zweiten Teil des Monats in der zweiten Bedarfsgemeinschaft entsteht. Eine Verrechnung der Leistungen untereinander ist rechtlich nicht möglich, da die beiden Bedarfsgemeinschaften rechtlich unabhängig zu betrachten sind.
Die Folge davon ist, dass zu beachten ist, dass das Kind an entweder 12 oder 13 Tagen in der zweiten Bedarfsgemeinschaft ist. Handelt es sich um einen Monat, in dem das Kind an 13 Tagen in der zweiten Bedarfsgemeinschaft ist, so sind ihm auch Leistungen für 13 Tage im Rahmen der Bescheidung der zweiten Bedarfsgemeinschaft zu gewähren. Bei einer anderen Auslegung, welche die zweite Bedarfsgemeinschaft hinsichtlich der Anzahl der Tage fiktiv berechnet, wäre eine vollständige Bedarfsdeckung des Kindes nicht gewährleistet.
Aus den genannten Gründen war der Beklagte deshalb zu verpflichten unter Abänderung des Bescheides vom 02.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2012 an die Klägerin zu 1) für den 31.05.2012 einen Tagesanteil Alleinerziehendenzuschlages in Höhe von 1,50 Euro und an den Kläger zu 2) einen weiteren Tagesanteil Sozialgeld in Höhe von 8,37 Euro zu bewilligen.
Die Berufung war auf Antrag der Kläger gem. § 144 Abs. 2 Ziff. 1 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
Soweit ersichtlich, ist weder von Obergerichten noch vom Bundessozialgericht die Frage der verfassungskonformen Auslegung der 30 Tage- Regel des § 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II in Fällen der temporären Bedarfsgemeinschaft entschieden worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG. Mit der Klage waren zunächst weitere Leistungen für die Monate Mai und Juli 2012 begehrt worden. Hinsichtlich des Monates Juli 2012 ist eine Klagerücknahme erfolgt, hinsichtlich des Mai 2012 haben die Kläger obsiegt.
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