S 31 AS 818/14

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Nordhausen (FST)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
31
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 31 AS 818/14
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Anspruch auf Freistellung vom Vergütungsanspruch des Prozessbevollmächtigten nach § 63 SGB I ist ausgeschlossen, wenn der Mandant im Zeitpunkt des Kostenerstattungsantrages die Einrede der Verjährung erheben könnte.
2. Der Beklagte ist berechtigt, die Erstattung der Gebühren und Auslagen des Prozessbevollmächtigten unter Hinweis auf die Kostenminderungspflicht abzulehnen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe der für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten. Die Klägerin und ihre Kinder bezogen u.a. im Zeitraum März 2009 Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende vom Beklagten bzw. dessen Rechtsvorgängerin. Grundlage war zunächst der Bewilligungsbescheid vom 13. Januar 2009, der in der Folgezeit durch verschiedene Änderungsbescheide abgeändert wurde. Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. April 2009 hob der Beklagte die für März 2009 bewilligten Leistungen teilweise auf und forderte von der Klägerin und den Kindern 341,23 EUR zurück. Hiergegen legte die anwaltlich vertretene Klägerin mit den Kindern Widerspruch ein, der unter Aktenzeichen W 2482/09 vom Beklagten erfasst wurde. Der Beklagte hob den Bescheid auf und erklärte sich auf den separaten Antrag des Bevollmächtigten mit Bescheid vom 19. Oktober 2009 bereit, die notwendigen Aufwendungen im Widerspruchsverfahren dem Grunde nach zu erstatten. Am 13. Juni 2013 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin, die im Widerspruchsverfahren entstandenen Kosten auf 656,88 EUR festzusetzen. Dabei ging er von einer Geschäftsgebühr in Höhe von 280,00 EUR zuzüglich Gebührenerhöhung für die weiteren drei Widerspruchsführer aus. Der Beklagte forderte den Bevollmächtigten zunächst um Mitteilung auf, wann er den Betrag der Mandantschaft in Rechnung gestellt hat. Daraufhin legte der Prozessbevollmächtigte eine Gebührenrechnung vom 31. Dezember 2009 vor, die sich auf den Leistungszeitraum Mai bis Oktober 2009 Bezug und einen identischen Betrag auswies. Der Beklagte setzte daraufhin die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 0,00 EUR fest (Bescheid vom 3. Januar 2014). Die Gebührenforderung gegen die Mandanten sei zum Zeitpunkt des Kostenfestsetzungsantrages bereits verjährt. Hiergegen legte die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Widerspruch ein, der erfolglos blieb (Widerspruchsbescheid vom 5. März 2014). Hiergegen richtet sich die im April 2014 erhobene Klage. Die Klägerin hat die Festsetzung der beantragten Gebühr, mindestens jedoch 357,00 EUR begehrt. Die Vollmacht sei nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens nicht erlöschen. Die Verjährungsregelung im Verhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten sei nicht auf den Kostenerstattungsanspruch des Mandanten gegenüber dem Beklagten zu übertragen. Darüber hinaus hat sie die Auffassung vertreten, die Entscheidung im Widerspruchsverfahren betreffe nur sie persönlich. Eine abschließende Entscheidung hinsichtlich der Kostenerstattung für die Kinder liege noch nicht vor.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2014 zu verpflichten, sie von dem Vergütungsanspruch gegenüber ihrem Klägerbevollmächtigten in Höhe von 357,00 EUR freizustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheides Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in Form der Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft und zulässig, im Ergebnis aber unbegründet. Die Klägerin war wegen Zeitablaufs nicht berechtigt, weitere Gebühren von dem Beklagten zu fordern. Nach § 63 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen in diesem Sinne sind nur die ge-setzlichen Gebühren und Auslagen. Sie sind nach Maßgabe des RVG sowie des VV der Anlage 1 zum RVG zu bestimmen (vgl. Roos in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 7. Auflage, § 63 Rdnr. 29). Die Klägerin hatte zunächst grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der Gebühren und Auslagen ihres Bevollmächtigten, weil der Beklagte dies im Bescheid vom 19. Oktober 2009 anerkannte. Der Anspruch auf Erstattung von Kosten ist jedoch auf die notwendigen Aufwendungen be-schränkt. Notwendig ist dabei alles, was ein verständiger Beteiligter im Hinblick auf die Bedeutung sowie die sachliche oder rechtliche Schwierigkeit der Angelegenheit vernünftigerweise für erforderlich halten durfte (vgl. Roos ebenda, Rdnr. 13 m.w.N.). Grundsätzlich sind in Fällen mit anerkannt notwendiger rechtsanwaltlicher Bevollmächtigung die vom Rechtsanwalt nach dem RVG zu fordernden Gebühren und Auslagen als vernünftige Ausgabe in diesem Sinn zu verstehen. Im konkreten Fall steht dem Anspruch der Klägerin auf Erstattung von Kosten für die anwaltliche Beauftragung zunächst die Einrede der Verjährung nicht entgegen. Dabei kann dahingestellt belieben, ob im Verhältnis zwischen dem Beklagten und der Klägerin die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 52 Abs. 2 SGB X oder die vierjährige Verjährungsfrist nach § 45 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) gilt, wie der Bevollmächtigte der Klägerin vorgetragen hat. Auch die letztgenannte Frist ist noch nicht verstrichen, denn sie begann nach Bestandskraft der Kostengrundentscheidung erst mit Ablauf des Jahres 2009. Die Rechnung des Bevollmächtigten datiert auf den 13. Juni 2013. Das Gericht folgt der Klägerin auch insoweit, als die nach § 8 RVG und § 195 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geltende dreijährige Verjährungsfrist für die Rechtsanwaltsgebühren nur im Innenverhältnis zwischen dem Mandanten und dem Rechtsanwalt gilt. Dem Beklagten ist eine Berufung auf diese Frist verwehrt. Darüber hinaus ist eine Kostenerstattung gegenüber dem Beklagten auch nicht davon abhängig, dass der Bevollmächtigte eine Rechnung an die Klägerin versandt hat. Das Gericht sieht sich in seiner bisherigen Rechtsauffassung durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 2. Dezember 2014 (B 14 AS 60/13 R) bestätigt. Zur Wirksamkeit einer Gebührenforderung gegenüber dem Kostenschuldner ist eine Rechnungstellung an den Mandanten nicht erforderlich. Das Erfordernis einer detaillierten Rechnungslegung nach § 10 RVG dient ausschließlich dem Schutz des Mandanten. Im Übrigen resultiert der Anspruch des Mandanten auf Freistellung von den entstehenden Kosten der anwaltlichen Tätigkeit aus § 257 BGB. Danach kann derjenige, der berechtigt ist, Ersatz für Aufwendungen zu verlangen, die er für einen bestimmten Zweck macht, Befreiung von der Verbindlichkeit verlangen, wenn er für diesen Zweck eine Verbindlichkeit eingeht (vgl. hierzu auch Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 17. Oktober 2013, Az.: L 7 AS 1139/12, recherchiert bei Juris). Allerdings scheitert der Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten daran, dass sie nicht mehr verpflichtet ist, diese Kosten zu begleichen. Ihr gegenüber ist der Erstattungsanspruch mit dem Ende des Jahres 2012 verjährt. Wie bereits dargestellt, beginnt die Verjährung nach § 8 Abs. 1 RVG und § 199 BGB mit dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Auftrag abgeschlossen wurde (mithin Ende 2009). Die Klägerin kann nunmehr einer Inanspruchnahme durch ihren Bevollmächtigten die Einrede der Verjährung entgegen setzen. An dieser Stelle setzt aber wieder das Kriterium der notwendigen Aufwendungen an. Dieses Merkmal trägt nach Auffassung des Gerichts neben den individuellen Fähigkeiten und der konkreten Fallgestaltung auch die Pflicht jedes Verfahrensbeteiligten in sich, die Kosten im Rahmen des Verständigen nach Möglichkeit gering zu halten (vgl. Roos, ebenda Rdnr. 13 m.w.N.). Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass der Bevollmächtigte seine Rechte gegenüber der Mandantin nicht zeitnah durchgesetzt hat und auch nicht im Wege der Kostenfreistellung an den Beklagten herangetreten ist. Er muss grundsätzlich damit rechnen, dass ein verständiger Mandant die verjährte Forderung abwehrt. Wenn aber die Mandantin im vorliegenden Fall gar nicht mehr verpflichtet ist, die verspätet geltend gemachten Kosten zu erstatten, muss dies auch für den Drittschuldner - den Beklagten gelten. Diese Grundsätze gelten nach Auffassung des Gerichts auch im vorliegenden Fall. Zwar hat die Klägerin nicht ausdrücklich auf die Einrede der Verjährung verzichtet, auch hat keine Abtretung des Gebührenanspruchs stattgefunden. Vielmehr hat sie im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufe. Darauf kann es aber nach der Entscheidung des Beklagten nicht mehr ankommen. Vielmehr war im Zeitpunkt des erstmaligen Antrags auf Kostenerstattung keine Regelung zum Verjährungsrecht zwischen den Beteiligten getroffen worden. Die Klägerin und auch der Bevollmächtigter haben in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass regelmäßig nur die Beratungshilfe durch den Bevollmächtigten gegenüber der Klägerin geltend gemacht wurde. Eine Kostenerstattung für ein Widerspruchs- oder Klageverfahren ist trotz vielfacher Mandate zu keiner Zeit erfolgt. Das Gericht lässt im vorliegenden Fall dahinstehen, ob diese Vorgehensweise des Prozessbevollmächtigten standesgemäß ist. Der offenkundige Verzicht auf die Geltendmachung der Kosten der anwaltlichen Tätigkeit dürfte jedoch nicht unproblematisch sein. In jedem Fall hat die Äußerung der Klägerin, sie würde wegen des funktionierenden Anwalt/Mandantenverhältnis die Einrede der Verjährung nicht erheben, in Anbetracht dieser Vorgehensweise kein Gewicht. Das Gericht ist sich bewusst, dass damit der Erstattungsanspruch auch eine zeitliche Kompo-nente hat. Bis zum Ablauf der Verjährungsfrist hätte danach der Bevollmächtigte auf die gleiche Weise Erstattung seiner Gebühren und Auslagen verlangen können. Nach Ablauf der Frist ist er aber damit ausgeschlossen. Das Gericht sieht jedoch vorliegend keine Ungleichbehandlung, denn letztlich folgt aus der echten Verjährungseinrede keine andere Fallgestaltung. Nicht zuletzt sieht sich das Gericht in Einklang mit der Entscheidung des SG Berlin vom 20. August 2014, S 2 104 AS 14829/13, recherchiert bei Juris). Das Gericht käme im Übrigen zur gleichen Entscheidung, wenn der Kostenerstattungsanspruch als Schadensersatzanspruch des Widerspruchsführers eingeordnet werden würde (vgl. Urteil des LSG Nordrhein-Westfahlen vom 17. Oktober 2013 ebenda m.w.N.). Ein Schaden in diesem Sinne würde nicht mehr vorliegen, wenn der Widerspruchsführer seine Kostenerstattungspflicht problemlos abwenden könnte. Ihn trifft nach § 254 Abs. 2 BGB eine Pflicht zur Schadensminderung. Hierbei hat der Betroffene ggf. auch Rechtsmittel zur Abwehr des Eingriffs zu ergreifen (vgl. Urteil des BGH vom 26. Januar 1984, Az.: III ZR 216/82, Rüßmann in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 254 BGB, Rdnr. 21). Mit diesem Rechtsgedanken wäre es nach Auffassung des Gerichts nicht vereinbar, wenn der Mandant eine Zahlung vom Beklagten verlangen könnte, die er selbst nicht mehr erbringen müsste. Diese Herangehensweise trifft letztlich allein den Bevollmächtigten. In Anbetracht der in seinem Interesse liegenden Möglichkeit, die Kosten innerhalb von mindestens drei Jahren geltend zu machen, erscheint dies nicht unsachgemäß. Ihn trifft diese Frist im Übrigen auch bei der Abrechnung über die Prozesskostenhilfe (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 21. Auflage, § 8 RVG Rdnr. 34 m.w.N.). Die Kostenentscheidung ergeht in Anwendung des § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). In Anbetracht der streitgegenständlichen Rechnung des Bevollmächtigten ist der Berufungs-streitwert nicht erreicht. Die Zulassung der Berufung hat das Gericht nicht vorgenommen, weil in einem parallelen Verfahren im Verlaufe des Berufungsverfahrens die Klage vom Bevollmächtigten zurückgenommen wurde. Die in der mündlichen Verhandlung hierzu abgegebene Begründung überzeugt das Gericht nicht. Das Gericht hält die Rechtsfrage insofern für geklärt.
Rechtskraft
Aus
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