Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 AS 543/16 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 203/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Auch im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes ist die Zurückverweisung entsprechend § 159 SGG zulässig.
2. Entscheidet das Sozialgericht auf einen unbestimmten Antrag, mit dem auf "Anträge des vergangenen Jahres" Bezug genommen wurde, ohne weitere Ermittlungen oder Nachfragen, dass die Angelegenheit offensichtlich nicht eilbedürftig sei und Anhaltspunkte für einen den erforderlichen Beschwerdewert von 750 € übersteigenden Streitgegenstand, nicht vorliegen, liegt darin ein Verstoß gegen die in § 106 SGG verankerte Verpflichtung, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken und gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG), der die Zurückverweisung rechtfertigen kann.
2. Entscheidet das Sozialgericht auf einen unbestimmten Antrag, mit dem auf "Anträge des vergangenen Jahres" Bezug genommen wurde, ohne weitere Ermittlungen oder Nachfragen, dass die Angelegenheit offensichtlich nicht eilbedürftig sei und Anhaltspunkte für einen den erforderlichen Beschwerdewert von 750 € übersteigenden Streitgegenstand, nicht vorliegen, liegt darin ein Verstoß gegen die in § 106 SGG verankerte Verpflichtung, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken und gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG), der die Zurückverweisung rechtfertigen kann.
Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 8. März 2016 wird aufgehoben und die Rechtssache an das Sozialgericht München zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Mit seinem am 07.03.2016 beim Sozialgericht München eingegangenen Antrag erhob der Antragsteller unter Bezugnahme auf verschiedene "Anträge des vergangenen Jahres" Untätigkeitsklage und machte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die (vorläufige) Gewährung der beantragten Leistungen geltend, da er die Mittel habe vorstrecken müssen. Beigefügt war eine E-Mail vom 03.05.2015, mit der der Antragsteller beim Antragsgegner formlos "Übergangs-, Ausrüstungs-, Reisekosten-, Fahrtkosten-, Trennungskostenbeihilfe", alle sonstigen in Betracht kommenden Leistungen und Leistungen nach § 16 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beantragte.
Mit Beschluss vom 08.03.2016 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab, weil die Sache nicht eilbedürftig sei. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes diene nicht dazu, einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen. Unabhängig davon könne der Antragsteller sein Begehren mit der zeitgleich erhobenen Untätigkeitsklage verfolgen. Die Entscheidung sei gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unanfechtbar, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die "Berufungssumme" (750 EUR) erreicht werde.
Am 23.03.2016 hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das Gericht habe den Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens durch Auslegung zu ermitteln. Es obliege nicht ihm als rechtsunkundigen Antragsteller, eine juristisch exakte Formulierung zu tätigen. Die hier getroffene Auslegung verkenne den erkennbaren Gegenstand des Eilrechtsschutzbegehrens. Im Zweifel hätte mit einer Anforderung von Unterlagen weitere und auch abschließende Klarheit geschaffen werden können. Ohne diese Anforderung bzw. abschließende Klärung zur Wahrung des Rechtsschutzes sei die Entscheidung rechtswidrig. Auch die Berufungssumme von 750 EUR werde offensichtlich erreicht. Dies ergebe sich aus der Vielzahl der beantragten Leistungen und daraus, dass die geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen würden, die in 500 km Entfernung stattgefunden habe.
Er beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 08.03.2016 aufzuheben und ihm die beantragten Leistungen vorläufig zu bezahlen.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 24.03.2016 zur Beschwerde Stellung genommen und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig. Sie ist insbesondere nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da sich aufgrund der vollständig fehlenden Sachverhaltsermittlung durch das Sozialgericht keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es dem Antragsteller um Leistungen im Umfang von nicht mehr als 750 EUR geht. Wie das Sozialgericht zu dieser Feststellung gelangt ist, erschließt sich dem Senat nicht. Bei einem unbezifferten Antrag ist es Aufgabe des Gerichts, den Wert zu ermitteln. Lässt sich nicht endgültig nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine fehlende Anfechtbarkeit erfüllt sind, ist grundsätzlich von einer Statthaftigkeit auszugehen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rn. 15b zu Statthaftigkeit der Berufung).
Die Beschwerde ist auch im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet.
Das Landessozialgericht kann die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Nach § 159 Abs. 1 SGG steht die Zurückverweisung im Ermessen des Senats, wobei die Vorschrift des § 159 SGG auf das Beschwerdeverfahren und das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend jedenfalls mit der Maßgabe anwendbar ist, dass zu prüfen ist, ob die Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit sachgerecht ist (Bayerisches LSG, Beschluss vom 29.04.2014, L 7 AS 260/14 B ER; Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, a.a.O., § 159 Rn. 1a).
Nach Abwägung aller Umstände ist der Senat im Rahmen des ihm nach § 159 SGG zustehenden Ermessens zum Ergebnis gelangt, den Rechtsstreit gemäß § 159 Abs. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 159 SGG liegen vor. Die Entscheidung des Sozialgericht leidet unter wesentlichen Verfahrensmängeln, was eine Zurückverweisung in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG im Rahmen des Ermessens des Senats ermöglicht. Das Sozialgericht hat über den Antrag entschieden, ohne zuvor den Streitgegenstand zu bestimmen. Es hat in diesem Zusammenhang die erforderlichen Maßnahmen unterlassen. Dazu gehört gemäß § 106 SGG die Verpflichtung, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Dem Antragsteller hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen unbestimmten Antrag zu konkretisieren, zu beziffern und erforderlichenfalls zu ändern (vgl. hierzu Bayer. LSG, Urteil vom 08.11.2013, L 11 AS 1040/11). Darin liegt auch ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG).
Bevor das Sozialgericht über einen Antrag in der Sache entscheidet, was das Sozialgericht vorliegend unterlassen hat, ist zunächst die Feststellung eines Streitgegenstandes erforderlich. Dieser wird im Leistungsrecht des SGB II in der Regel durch ein bestimmtes Begehren (Antrag) und eine hierauf ergangene Entscheidung bestimmt. Wird geltend gemacht, dass über einen bestimmten Antrag noch nicht entschieden worden sei, ist festzustellen, welche Anträge wann gestellt wurden und ob dies zutrifft bzw. ob diese entscheidungsreif sind. Gegebenenfalls ist auf einen sachdienlichen Antrag hinzuwirken (vgl. zur Anwendbarkeit des sog. Meistbegünstigungsgrundsatzes gemäß § 123 SGG auch im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes, Keller, a.a.O., § 86b Rn. 9b). Anspruch und prozessuale Durchsetzung stehen immer in einem engen Zusammenhang und dürfen nicht isoliert voneinander gesehen werden. Hierauf beruht auch § 106 SGG. Die Vorschrift statuiert u.a. ein Pflicht des Vorsitzenden, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken (vgl. § 106 Abs. 1 3. Alt. SGG und BSG, Urteil vom 15.11.2012, B 8 SO 23/11). Zwar trifft dabei den Antragsteller eine Mitwirkungspflicht. Es ist aber auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten, was bedeutet, dass sich das Gericht, wenn es seine Entscheidung nicht allein auf der Grundlage der tatsächlichen Angaben der Beschwerdeführerin treffen kann, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet ist (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn. 16a; BVerfG, Beschluss vom 25.02.2009, 1 BvR 120/09, Rn. 18, juris).
Vorliegend war der Streitgegenstand aufgrund des unbestimmten Antrags völlig unklar. Der Antragsteller hat auch keinen Sachverhalt mitgeteilt, der geeignet wäre, seine Anträge zu konkretisieren. Darauf wäre er vor einer ablehnenden Entscheidung über den Antrag hinzuweisen gewesen. Ihm hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Antrag zu konkretisieren und zu beziffern. Um einen sachdienlichen Antrag festzustellen und darauf hinzuwirken, ist auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Regel erforderlich, die Verwaltungsakten anzufordern und dem Antragsgegner, der unter Umständen aufgrund vorgerichtlicher Korrespondenz qualifiziert dazu Stellung nehmen kann, Gelegenheit zu geben, sich zum Antrag in der Sache zu äußern. Allenfalls im Ausnahmefall kann es angezeigt sein, aufgrund der Dringlichkeit über einen Antrag ohne weiteres Zuwarten zu entscheiden. Ein solcher Fall liegt aber ganz offensichtlich nicht vor. Weder der Vortrag des Antragstellers noch der "mitgelieferte" Sachverhalt in Form der E-Mail aus dem Jahr 2015 gaben Anlass zu der Annahme, es sei eine sofortige Entscheidung ohne weitere Ermittlungen erforderlich.
Indem das Sozialgericht aus diesem Grund von vornherein angenommen hat, dass es sich damit auch um einen rechtlich unbeachtlichen Antrag handelt, sind auch die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG erfüllt. Denn das Sozialgericht hat im Ergebnis den Antrag abgelehnt, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Das bedeutet, dass dem Antragsteller die gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wesentliche erste Instanz vollständig verloren gegangen ist, zumal das Sozialgericht ohne weitere Prüfung von einer fehlenden Beschwerdefähigkeit ausgegangen ist. Im Rahmen der vom Senat anzustellenden Ermessensabwägung wird ferner berücksichtigt, dass auch der Antragsgegner bisher keine Angaben gemacht oder Unterlagen vorgelegt hat, die eine rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ermöglichen würden. Anhaltspunkte dafür, dass das Gebot der effektiven Rechtsschutzgewährung vorliegend einer Zurückverweisung entgegenstehen würde, liegen nicht vor. Der Antragsteller hat selbst die fehlende Auseinandersetzung des Sozialgerichts mit seinem Antrag gerügt und die Durchführung weiterer Ermittlungen beantragt.
Der Senat macht daher von der Möglichkeit der analogen Anwendung des § 159 Abs. 1 SGG Gebrauch und verweist den Rechtsstreit entsprechend dem Antrag des Antragstellers an das Sozialgericht zurück, das nunmehr die Aufgabe haben wird, den Sachverhalt zu ermitteln, einen Streitgegenstand herauszuarbeiten und hierüber zu entscheiden.
Das Sozialgericht wird bei seiner Entscheidung über die Kosten des Verfahrens insgesamt zu befinden haben (Bayer. LSG, Beschluss vom 29.04.2014, a.a.O.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Gründe:
I.
Mit seinem am 07.03.2016 beim Sozialgericht München eingegangenen Antrag erhob der Antragsteller unter Bezugnahme auf verschiedene "Anträge des vergangenen Jahres" Untätigkeitsklage und machte im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die (vorläufige) Gewährung der beantragten Leistungen geltend, da er die Mittel habe vorstrecken müssen. Beigefügt war eine E-Mail vom 03.05.2015, mit der der Antragsteller beim Antragsgegner formlos "Übergangs-, Ausrüstungs-, Reisekosten-, Fahrtkosten-, Trennungskostenbeihilfe", alle sonstigen in Betracht kommenden Leistungen und Leistungen nach § 16 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) beantragte.
Mit Beschluss vom 08.03.2016 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ab, weil die Sache nicht eilbedürftig sei. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes diene nicht dazu, einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen. Unabhängig davon könne der Antragsteller sein Begehren mit der zeitgleich erhobenen Untätigkeitsklage verfolgen. Die Entscheidung sei gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG unanfechtbar, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen würden, dass die "Berufungssumme" (750 EUR) erreicht werde.
Am 23.03.2016 hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Das Gericht habe den Gegenstand des Rechtsschutzbegehrens durch Auslegung zu ermitteln. Es obliege nicht ihm als rechtsunkundigen Antragsteller, eine juristisch exakte Formulierung zu tätigen. Die hier getroffene Auslegung verkenne den erkennbaren Gegenstand des Eilrechtsschutzbegehrens. Im Zweifel hätte mit einer Anforderung von Unterlagen weitere und auch abschließende Klarheit geschaffen werden können. Ohne diese Anforderung bzw. abschließende Klärung zur Wahrung des Rechtsschutzes sei die Entscheidung rechtswidrig. Auch die Berufungssumme von 750 EUR werde offensichtlich erreicht. Dies ergebe sich aus der Vielzahl der beantragten Leistungen und daraus, dass die geltend gemachten Kosten im Zusammenhang mit einer Tätigkeit stehen würden, die in 500 km Entfernung stattgefunden habe.
Er beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 08.03.2016 aufzuheben und ihm die beantragten Leistungen vorläufig zu bezahlen.
Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 24.03.2016 zur Beschwerde Stellung genommen und beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakte des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 SGG) ist zulässig. Sie ist insbesondere nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft, da sich aufgrund der vollständig fehlenden Sachverhaltsermittlung durch das Sozialgericht keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es dem Antragsteller um Leistungen im Umfang von nicht mehr als 750 EUR geht. Wie das Sozialgericht zu dieser Feststellung gelangt ist, erschließt sich dem Senat nicht. Bei einem unbezifferten Antrag ist es Aufgabe des Gerichts, den Wert zu ermitteln. Lässt sich nicht endgültig nachweisen, dass die Voraussetzungen für eine fehlende Anfechtbarkeit erfüllt sind, ist grundsätzlich von einer Statthaftigkeit auszugehen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 144 Rn. 15b zu Statthaftigkeit der Berufung).
Die Beschwerde ist auch im Sinne der Zurückverweisung an das Sozialgericht begründet.
Das Landessozialgericht kann die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn 1. dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, 2. das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Nach § 159 Abs. 1 SGG steht die Zurückverweisung im Ermessen des Senats, wobei die Vorschrift des § 159 SGG auf das Beschwerdeverfahren und das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entsprechend jedenfalls mit der Maßgabe anwendbar ist, dass zu prüfen ist, ob die Zurückverweisung unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit sachgerecht ist (Bayerisches LSG, Beschluss vom 29.04.2014, L 7 AS 260/14 B ER; Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, a.a.O., § 159 Rn. 1a).
Nach Abwägung aller Umstände ist der Senat im Rahmen des ihm nach § 159 SGG zustehenden Ermessens zum Ergebnis gelangt, den Rechtsstreit gemäß § 159 Abs. 1 SGG an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung nach § 159 SGG liegen vor. Die Entscheidung des Sozialgericht leidet unter wesentlichen Verfahrensmängeln, was eine Zurückverweisung in analoger Anwendung von § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG im Rahmen des Ermessens des Senats ermöglicht. Das Sozialgericht hat über den Antrag entschieden, ohne zuvor den Streitgegenstand zu bestimmen. Es hat in diesem Zusammenhang die erforderlichen Maßnahmen unterlassen. Dazu gehört gemäß § 106 SGG die Verpflichtung, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken. Dem Antragsteller hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen unbestimmten Antrag zu konkretisieren, zu beziffern und erforderlichenfalls zu ändern (vgl. hierzu Bayer. LSG, Urteil vom 08.11.2013, L 11 AS 1040/11). Darin liegt auch ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG).
Bevor das Sozialgericht über einen Antrag in der Sache entscheidet, was das Sozialgericht vorliegend unterlassen hat, ist zunächst die Feststellung eines Streitgegenstandes erforderlich. Dieser wird im Leistungsrecht des SGB II in der Regel durch ein bestimmtes Begehren (Antrag) und eine hierauf ergangene Entscheidung bestimmt. Wird geltend gemacht, dass über einen bestimmten Antrag noch nicht entschieden worden sei, ist festzustellen, welche Anträge wann gestellt wurden und ob dies zutrifft bzw. ob diese entscheidungsreif sind. Gegebenenfalls ist auf einen sachdienlichen Antrag hinzuwirken (vgl. zur Anwendbarkeit des sog. Meistbegünstigungsgrundsatzes gemäß § 123 SGG auch im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes, Keller, a.a.O., § 86b Rn. 9b). Anspruch und prozessuale Durchsetzung stehen immer in einem engen Zusammenhang und dürfen nicht isoliert voneinander gesehen werden. Hierauf beruht auch § 106 SGG. Die Vorschrift statuiert u.a. ein Pflicht des Vorsitzenden, auf eine sachgerechte Antragstellung hinzuwirken (vgl. § 106 Abs. 1 3. Alt. SGG und BSG, Urteil vom 15.11.2012, B 8 SO 23/11). Zwar trifft dabei den Antragsteller eine Mitwirkungspflicht. Es ist aber auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes der Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten, was bedeutet, dass sich das Gericht, wenn es seine Entscheidung nicht allein auf der Grundlage der tatsächlichen Angaben der Beschwerdeführerin treffen kann, zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet ist (vgl. Keller, a.a.O., § 86b Rn. 16a; BVerfG, Beschluss vom 25.02.2009, 1 BvR 120/09, Rn. 18, juris).
Vorliegend war der Streitgegenstand aufgrund des unbestimmten Antrags völlig unklar. Der Antragsteller hat auch keinen Sachverhalt mitgeteilt, der geeignet wäre, seine Anträge zu konkretisieren. Darauf wäre er vor einer ablehnenden Entscheidung über den Antrag hinzuweisen gewesen. Ihm hätte Gelegenheit gegeben werden müssen, seinen Antrag zu konkretisieren und zu beziffern. Um einen sachdienlichen Antrag festzustellen und darauf hinzuwirken, ist auch im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes in der Regel erforderlich, die Verwaltungsakten anzufordern und dem Antragsgegner, der unter Umständen aufgrund vorgerichtlicher Korrespondenz qualifiziert dazu Stellung nehmen kann, Gelegenheit zu geben, sich zum Antrag in der Sache zu äußern. Allenfalls im Ausnahmefall kann es angezeigt sein, aufgrund der Dringlichkeit über einen Antrag ohne weiteres Zuwarten zu entscheiden. Ein solcher Fall liegt aber ganz offensichtlich nicht vor. Weder der Vortrag des Antragstellers noch der "mitgelieferte" Sachverhalt in Form der E-Mail aus dem Jahr 2015 gaben Anlass zu der Annahme, es sei eine sofortige Entscheidung ohne weitere Ermittlungen erforderlich.
Indem das Sozialgericht aus diesem Grund von vornherein angenommen hat, dass es sich damit auch um einen rechtlich unbeachtlichen Antrag handelt, sind auch die Voraussetzungen des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG erfüllt. Denn das Sozialgericht hat im Ergebnis den Antrag abgelehnt, ohne in der Sache selbst zu entscheiden.
Das bedeutet, dass dem Antragsteller die gerade im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wesentliche erste Instanz vollständig verloren gegangen ist, zumal das Sozialgericht ohne weitere Prüfung von einer fehlenden Beschwerdefähigkeit ausgegangen ist. Im Rahmen der vom Senat anzustellenden Ermessensabwägung wird ferner berücksichtigt, dass auch der Antragsgegner bisher keine Angaben gemacht oder Unterlagen vorgelegt hat, die eine rechtliche Beurteilung des Sachverhalts ermöglichen würden. Anhaltspunkte dafür, dass das Gebot der effektiven Rechtsschutzgewährung vorliegend einer Zurückverweisung entgegenstehen würde, liegen nicht vor. Der Antragsteller hat selbst die fehlende Auseinandersetzung des Sozialgerichts mit seinem Antrag gerügt und die Durchführung weiterer Ermittlungen beantragt.
Der Senat macht daher von der Möglichkeit der analogen Anwendung des § 159 Abs. 1 SGG Gebrauch und verweist den Rechtsstreit entsprechend dem Antrag des Antragstellers an das Sozialgericht zurück, das nunmehr die Aufgabe haben wird, den Sachverhalt zu ermitteln, einen Streitgegenstand herauszuarbeiten und hierüber zu entscheiden.
Das Sozialgericht wird bei seiner Entscheidung über die Kosten des Verfahrens insgesamt zu befinden haben (Bayer. LSG, Beschluss vom 29.04.2014, a.a.O.).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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