Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 1791/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch ein Zuverdienstbereich für seelisch behinderte Menschen mit besonders niedrigem Arbeitsleistungsvermögen kann eine Maßnahme der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB XII sein und die Gewährleistungsverantwortung des Sozialhilfeträgers auslösen.
2. Der Abschluss von Leistungsvereinbarungen für solche Maßnahmen unterliegt grundsätzlich dem pflichtgemäß auszuübenden Entschließungs- und Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers, welche im Einzelfall reduziert sein können. Darüber hinaus besteht zugunsten des Sozialhilfeträgers keine Vertragsfreiheit.
2. Der Abschluss von Leistungsvereinbarungen für solche Maßnahmen unterliegt grundsätzlich dem pflichtgemäß auszuübenden Entschließungs- und Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers, welche im Einzelfall reduziert sein können. Darüber hinaus besteht zugunsten des Sozialhilfeträgers keine Vertragsfreiheit.
1. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Leistungsvereinbarung für sein integriertes Zuverdienstprojekt als ambulante tagesstrukturierende Maßnahme für erwachsene Menschen im Erwerbsalter mit einer seelischen Behinderung anzubieten.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Leistungsvereinbarung nach § 76 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) über ein Zuverdienstprojekt für Menschen mit seelischer Behinderung.
Der Kläger ist ein 1970 gegründeter Verein, der in F. seit Jahrzehnten soziale Angebote für Menschen mit psychischen Krankheiten oder Behinderungen anbietet. 1974 startete ein Vorläufer des hier streitgegenständlichen Zuverdienstprojektes, das in dieser Form seit 1990 besteht (vgl. im Einzelnen Anlage 4 zum Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 14.01.2008, Blatt 78 Gerichtsakte).
Er betreibt eine Begegnungsstätte (" "), ambulant betreutes Wohnen, Selbsthilfegruppen und eine Tagesstätte. In der Tagesstätte wird ein gemeinsames Mittagessen angeboten, es gibt Gelegenheit zu duschen, Wäsche zu waschen und zu trocknen, im Internet zu surfen oder am Computer zu arbeiten. Daneben bestehen verschiedene unverbindliche Angebote zur Freizeitgestaltung (Mithilfe beim Mittagessen, Kreativgruppe, Theater-, Bewegungs- oder Gesprächsgruppe). Das vorliegend streitgegenständliche Zuverdienstprojekt startete als Beschäftigungsbereich dieser Tagesstätte (vgl. Beschreibung des Klägers in der Anlage 1 seines Schreibens vom 14.01.2008, Gerichtsakte Blatt 68 ff.). Nach dieser Beschreibung richtet sich dieses Angebot in erster Linie an chronisch psychisch kranke Menschen mit einer Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII, die einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nicht mehr oder noch nicht nachgehen können, aber dennoch eine sinnvolle Beschäftigung mit einem kleinen Zuverdienst für ihre persönliche Stabilität benötigen. Es gebe Teilnehmer, die über die unverbindlichen Angebote der Tagesstätte nicht zu erreichen seien und die ausschließlich das Beschäftigungsangebot wahrnehmen. Ziel des Angebotes sei es, den Teilnehmern Selbstbewusstsein zu vermitteln, durch die klare Tagesstruktur Tendenzen von Orientierungslosigkeit und Rückzug entgegen zu wirken, Sozialverhalten zu fördern und die Lebenssituation zu stabilisieren. Zugleich würden Schlüsselqualifikationen trainiert. Das Entgelt für den Arbeitseinsatz solle ein Gefühl von gesellschaftlicher Normalität vermitteln und der Empfindung von Aussonderung und Wertlosigkeit entgegenwirken.
Die Finanzierung der Begegnungsstätte läuft über eine Objektförderung durch die Beklagte (hier nicht streitig). Das ambulant betreute Wohnen (ebenfalls hier nicht streitig) ist über Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen finanziert. Die Finanzierung der Tagesstätte einschließlich des Zuverdienstbereichs gestaltete sich im bisherigen Verlauf sehr heterogen. Ein zunächst gegründetes Druckereiunternehmen musste wegen des Strukturwandels in der Druckindustrie bereits 1989 wieder aufgegeben werden. Ab 1990 wurde das Angebot auf der Grundlage privater Spenden fortgeführt. Zeitweise gab es auch einen Zuschuss von der Landesversicherungsanstalt Baden. Ab 2000 trat eine Objektförderung durch den Landeswohlfahrtsverband Baden (LWB) hinzu, die nach Auflösung des LWB seit 2008 von der Beklagten laufend fortgeführt wird. Erstmals schlossen die Beteiligten am 05.05.2008 einen "Vertrag über das in die Tagesstätte der H. integrierte Zuverdienstprojekt für seelisch behinderte Menschen in der Stadt F." (Gerichtsakte Blatt 17 ff.). Die finanzielle Unterstützung belief sich nach Ziff. 7 des Vertrags auf monatlich 300,- Euro Regiekosten für maximal 10 - ggf. mehrfach belegte - Plätze. Der Vertrag wurde mehrfach verlängert und über das letzte Ablaufdatum 31.12.2012 hinaus faktisch fortgeführt. Seit dem Abschluss einer Folgevereinbarung vom 27.06.2014 (Gerichtsakte Blatt 101 ff.) beläuft sich die Förderung durch die Beklagte auf monatlich 350,- Euro für maximal 15 Plätze. Von den tatsächlichen Kosten sind auf diese Weise nach Angaben des Klägers lediglich die Hälfte (Klageschrift vom 09.04.2014, Seite 4) bzw. ein Drittel (Klägerschriftsatz vom 22.09.2014, Seite 9) gedeckt. Aktuell sind diese 15 Plätze jeweils von zwei bis drei Personen mehrfach belegt. Im Jahr 2014 gab es insgesamt 29 Nutzer. Die individuelle Nutzungsdauer ist sehr unterschiedlich. Eine Person ist bereits seit 20 Jahren dabei. Die kürzeste Nutzungsdauer liegt bei vier Wochen. Jüngere Personen verweilen im Allgemeinen kürzer in dem Angebot als Personen, die altersbedingt schon aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind (vgl. Darstellung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016). Nach § 1 des geltenden Zuwendungsvertrags richtet sich der Zuverdienstbereich nur an Personen mit seelischer Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII, die 1. in Freiburg wohnhaft sind, die 2. das Angebot mindestens drei Stunden täglich an drei bis fünf Tagen wöchentlich und höchstens 20 Stunden wöchentlich nutzen können und 3. deren eingeschränktes Leistungsvermögen einer Beschäftigung sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in einer WfbM entgegensteht. § 2 sieht eine Verweildauer von bis zu 2 Jahren vor. § 5 macht die Aufnahme einer Person von einer individuellen "vereinfachten" Antragstellung nach § 53 SGB XII u.a. mit einem Nachweis einer "wesentlichen Behinderung" abhängig. § 6 Sätze 1 und 2 erklären die Bestimmungen des 11. Kapitels des SGB XII hinsichtlich Einkommen und Vermögen für anwendbar. Satz 3 sieht eine Einzelfallprüfung "hinsichtlich des Einkommens" (nicht Vermögens) nur bei einer Verlängerung über die Regelverweildauer von 2 Jahren hinaus vor. Nach abweichenden Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016 findet dagegen bereits im 2. Jahr sowohl eine Einkommens- als auch Vermögensprüfung statt.
Im November 2012 legte Kläger der Beklagten den Entwurf einer Leistungsvereinbarung nach § 76 SGB XII über sein integriertes Zuverdienstprojekt als niedrigschwelliges Angebot einer tagesstrukturierenden Maßnahme für erwachsene Menschen im Erwerbsalter mit einer seelischen Behinderung vor (Anlage K4 zur Klageschrift vom 09.04.2014, Gerichtsakte Blatt 21 ff.).
Mit Schreiben vom 13.12.2012 lehnte die Beklagte eine Vereinbarung auf der Grundlage dieses Entwurfs ab und kündigte an, ihrerseits einen Entwurf auf der Grundlage der bisherigen Vereinbarungen zu unterbreiten. Dies geschah sodann am 27.05.2013 (Gerichtsakte Blatt 26). Es folgten Gespräche am 04.06.2013 und 15.07.2013 mit dem Zwischenergebnis, dass der Kläger seine Kostenkalkulation näher darlegt.
Am 10.04.2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte im Rahmen ihrer vom BSG so genannten Gewährleistungsverantwortung (BSG, Urt. v. 02.02.2010, Az. B 8 SO 20/08 R) verpflichtet sei, Teilhabeleistungen, die wie die vorliegende im räumlichen Zuständigkeitsgebiet der Beklagten tatsächlich benötigt würden, im Rahmen des Sachleistungsverschaffungsprinzips dergestalt zur Verfügung zu stellen, dass für diese Leistungen Leistungsvereinbarungen getroffen werden. Die im unterbreiteten Vertragsangebot beschriebene Leistung sei nach dem zwischen den Beteiligten geltenden Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII zulässig (wird weiter ausgeführt). Es enthalte alle nach § 76 SGB XII und § 21 SGB IX notwendigen Angaben (wird weiter ausgeführt). Die Leistung genüge dem aktuellen state oft the art der Wissenschaft der sozialen Arbeit und ihre Geeignetheit, Bedarfe der Eingliederungshilfe zu decken, sei aus wissenschaftlicher Perspektive mindestens vertretbar. Dies sei auch unstreitig, zumal der gemeindepsychiatrische Dienst der Beklagten in seiner Sitzung vom 04.12.2012 bestätigt habe, dass das Projekt wichtig und sinnvoll sei. Es entspreche vollständig der Arbeitshilfe des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge vom 17.06.2009 (DV 12/09 AF IV). Das Zuverdienstprojekt sei eine Leistung der Eingliederungshilfe. Der Kläger dürfe nicht gezwungen werden, die Leistung ohne eine seine Gestehungskosten refinanzierende und auf die hier eingeklagte Leistungsvereinbarung aufbauende Vergütungsvereinbarung anzubieten. Da die Beklagte bislang kein eigenes Angebot unterbreitet habe, stehe dem Kläger ein Vertragsabschluss gemäß seinem Angebot zu.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot einer Leistungsvereinbarung nach § 76 Abs. 1 SGB XII, das der Klageschrift vom 09.04.2014 als Anlage K 1 beigefügt ist, anzunehmen.
Hilfsweise beantragt er,
die Beklagte durch Zwischenurteil gemäß § 130 Abs. 2 SGG zu verurteilen, mit der Klägerin eine zunächst nicht näher bestimmte Leistungsvereinbarung nach § 76 Abs. 1 SGB XII über ein Zuverdienstprojekt zu schließen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, das streitgegenständliche Zuverdienstprojekt sei keine eigenständige Leistung der Eingliederungshilfe, sondern seit jeher untrennbar mit der Tagesstätte verbunden. Das Klagebegehren laufe auf eine unzulässige Doppelfinanzierung derselben einheitlichen Strukturen oder der überflüssigen Schaffung einer Doppelstruktur innerhalb derselben Einrichtung des Klägers hinaus. Angesichts der geringen Mindeststundenzahl von 1 Arbeitsstunde täglich und dem vergleichsweise hohen Maß psychosozialer Beratung von 90 Minuten wöchentlich dringe die Leistungsbeschreibung im Vertragsangebot des Klägers in Bereiche vor, die anderweitig bereits vorrangig abgedeckt seien. Aus Perspektive des Leistungsempfängers sei die Aufnahme im Zuverdienstbereich des Klägers ein Anspruch im Ermessen der Beklagten. Hinsichtlich Zuverdienstprojekten bestehe keine institutionelle Gewährleistungsverantwortung der Beklagten. Individuelle Notwendigkeiten und Bedürfnisse vorauszuahnen und deren Befriedigung institutionell vorab sicherzustellen obliege der Beklagten nicht. Ihre Rechtspflicht beschränke sich auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums. Mit anderen Worten führe die bloße Eignung einer Maßnahme, Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten, nicht dazu, dass der Sozialhilfeträger solche Leistungen auch tatsächlich (durch Abschluss von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen oder Schaffung in eigener Trägerschaft) vorhalten müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten über die Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist als Leistungsklage statthaft und zulässig.
Das Klagebegehren ist nicht auf die Erteilung eines Verwaltungsaktes gerichtet, sondern auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags und damit auf eine Willenserklärung der Beklagten. Hierfür ist die allgemeine Leistungsklage statthaft (Neumann in: Hauck/Noftz SGB XII § 75 Rn. 30). Die - nicht fristgebundene - Klage ist zulässig. Insbesondere liegt ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse vor, weil die Beklagte das Vertragsangebot des Klägers vom November 2012 nicht angenommen hat und weitere Verhandlungen zwar stattgefunden haben aber hinsichtlich der begehrten Leistungsvereinbarung nach § 76 SGB XII ohne Ergebnis verlaufen sind. Das Rechtsschutzinteresse ist nicht dadurch nachträglich entfallen, dass die Beteiligten am 27.06.2014 einen Zuwendungsvertrag abgeschlossen haben. Denn dieser Vertrag stellt weder ausdrücklich noch im Wege der Vertragsauslegung in Ermangelung der essentialia negotii eine Leistungsvereinbarung im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB XII dar. Die Klage ist ohne vorherige Anrufung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII zulässig, weil die Beteiligten nur über die einer Vergütungsvereinbarung vorgelagerte Leistungsvereinbarung streiten (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 ER-B, Rn. 20).
2. Die Klage ist mit ihrem Hilfsantrag begründet. Die darin begehrte Leistung ist dem Kläger durch ein Endurteil zuzusprechen. Ein Zwischenurteil ist entgegen der Anregung des Klägers hierfür nicht erforderlich. Denn sowohl Haupt- als auch Hilfsantrag sind entscheidungsreif. Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage dagegen unbegründet.
Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf den Abschluss einer Leistungsvereinbarung für sein Zuverdienstprojekt, weil alle Voraussetzungen für eine solche Vereinbarung erfüllt sind (a), der Kläger anderweitig keine gesicherte Finanzierungsgrundlage hat (b) und die Beklagte eine entsprechende Gewährleistungsverantwortung trifft (c). Das Auswahlermessen der Beklagten ist nicht eingeschränkt (d).
a) § 75 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sieht vor, dass Sozialhilfeträger mit den Trägern von Einrichtungen Leistungsvereinbarungen schließen, die Inhalt, Umfang und Qualität der Teilhabeleistung regeln. Als Leistung der Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 SGB XII kommen gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Nr. 6 und § 55 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX) unter anderem Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen sowie sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten in Betracht.
Das streitgegenständliche Zuverdienstprojekt des Klägers ist Hilfen dieser Art zuzurechnen und damit als Leistung der Eingliederungshilfe zu qualifizieren.
aa) Die der Beklagten vorschwebende Definition von vorhaltepflichtigen Leistungen der Eingliederungshilfe danach, ob sie zur Führung eines menschenwürdigen Existenzminimums unerlässlich sind, ist untauglich und findet im Gesetz keine Stütze. Zur Eingliederungshilfe zählen alle Maßnahmen, die zur Deckung eingliederungshilferechtlicher Bedarfe unter Beachtung der Aufgabe der Eingliederungshilfe (§ 53 Abs. 3 SGB XII) geeignet und erforderlich sind (vgl. zum weiten Maßstab BSG, Urt. v. 02.02.2012, Az. B 8 SO 9/10 R). Welche dieser Leistungen ein Sozialleistungsträger im Voraus vorzuhalten hat und welche er lediglich im Einzelfall über eine Vergütungsregelung nach § 75 Abs. 4 SGB XII ohne allgemeine Leistungsvereinbarung zu gewähren hat, ist keine Frage der in beiden Fällen zu bejahenden Zuordnung zum Eingliederungshilferecht, sondern ist im Rahmen des Entschließungsermessens (siehe unten c) zu prüfen.
bb) Mit den auf die Vorstellungen der Beklagten zurückgehenden Regelungen des geltenden Zuwendungsvertrags gibt auch die Beklagte zu erkennen, dass sie den Zuverdienstbereich des Klägers faktisch als eine Leistung der Eingliederungshilfe ansieht. Dies folgt aus den Regelungen in § 5 und § 6. Darin und mit ihren Erläuterungen dieser Regelungen in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016 bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, dass der Kläger mit der streitbefangenen Maßnahme Leistungen nach dem SGB XII (und nicht etwa losgelöst vom Sozialhilferecht) an Personen erbringt, die erstens eine wesentliche Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII aufweisen bzw. angeben müssen (von einer Überprüfung sieht die Beklagte bislang ab) und die zweitens finanziell bedürftig sein müssen (eine Überprüfung nimmt die Beklagte regelmäßig erst ab dem zweiten Jahr vor). Eine Rechtsgrundlage für dieses - zumal potentiell auch in Rechte Dritter eingreifende - Vorgehen der Beklagten besteht nicht, es sei denn die erbrachte Leistung wird einem Kapitel des SGB XII zugeordnet, für das § 19 SGB XII eine Einkommens- und Vermögensprüfung vorschreibt. In Betracht kommt wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf eine wesentliche Behinderung nur die Eingliederungshilfe. Ein anderer Weg zu einer Einkommens- und Vermögensprüfung besteht nicht. Diese faktische Bewertung durch die Beklagte trifft zu. Eine bloß faktische Zuordnung ins Recht der Eingliederungshilfe ohne gleichzeitige Anwendung aller dafür im SGB XII bestehenden Regelungen einschließlich der §§ 75 ff. SGB XII ist jedoch rechtlich nicht zulässig.
cc) Der zwischen den Beteiligten (unstreitig) geltende Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII steht einer Bewertung des Zuverdienstbereichs als eigenständige Leistung der Eingliederungshilfe nicht entgegen. Selbst wenn die dortigen Regelungen zu Leistungsarten als abschließend auszulegen sein sollten, was zweifelhaft erscheint, könnte dieser Vertrag eine unmittelbar aus dem Gesetz folgende Rechtspflicht der Beklagten zur Gewährung einer Leistung nicht wirksam derogieren (vgl. Klageschrift vom 09.04.2014 Seite 7). Überdies sieht § 3 des Rahmenvertrags ausdrücklich eine Öffnungsklausel für solche Leistungsarten vor, die – vor allem weil ein Bedarf an ihnen neu entsteht – nicht geregelt wurden. Die weiteren Regelungen in der Öffnungsklausel (Zulässigkeit individueller Leistungsvereinbarungen im ambulanten Bereich; Übergangsregelung bis zur Neuregelung durch die Vertragskommission) verdeutlichen, dass der Rahmenvertrag das Auftreten neuer Leistungsarten und die Notwendigkeit sie zu vergüten keineswegs ausschließt, sondern im Gegenteil voraussetzt (i.E. ebenso LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 ER-B). Die vom LSG Baden-Württemberg a.a.O., Rn. 33, geforderten weiteren Voraussetzungen für eine Einzelvereinbarung sind vorliegend erfüllt (vgl. Klagebegründung vom 09.04.2014, Seite 8).
b) Der Kläger hat keine anderweitige gesicherte Finanzierungsgrundlage, die eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung entbehrlich macht. Die seit 2008 von der Beklagten an den Kläger erbrachten Zuwendungen erfolgten freiwillig und jeweils für kurz befristete Zeiträume und waren und sind der Höhe nach ausdrücklich nicht als kostendeckend kalkuliert. Dass es dem Kläger bislang stets gelang, die Finanzierungslücke durch Spenden Dritter aufzufangen, ist jedenfalls für die die Zukunft, auf die es wegen § 77 Abs. 1 SGB XII allein ankommt, unerheblich, weil diese Mittel künftig nicht verlässlich zur Verfügung stehen und daher keine Planungssicherheit gewähren. Im Übrigen steht nicht der Kläger als Leistungserbringer in der Pflicht, Leistungen der Sozialhilfe durch Anwerben von Drittmitteln zu finanzieren, sondern die Beklagte als Leistungsträgerin der Sozialhilfe.
c) § 17 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) verpflichtet Leistungsträger, darauf hinzuwirken, dass die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Der Abschluss von Leistungsvereinbarungen zur Erfüllung dieser Gewährleistungsverantwortung unterliegt grundsätzlich dem pflichtgemäß auszuübenden Entschließungs- und Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers. Eine darüber hinaus gehende völlige Vertragsfreiheit, wie sie ohnehin nur Grundrechtsträger und nicht grundrechtsverpflichtete Hoheitsträgern in ihrer hoheitlichen Tätigkeit genießen können, besteht dagegen nicht (LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 Rn. 28 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 03.09.1993, BVerwGE 94, 202 und VG Hannover, Beschl. v. 29.12.2004, Az. 7 B 4953/04 sowie Hessisches LSG, Beschl. v. 20.06.2005, FEVS 57, 153).
Grundlegend hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 02.02.2010, Az. B 8 SO 20/08 R (unter Rn. 12 nach juris) dazu ausgeführt, dass "im Allgemein die Sozialhilfeträger die Verantwortung für die Versorgungsinfrastruktur tragen, die durch Abschluss der Verträge des dafür zuständigen Sozialhilfeträgers nach den §§ 75 ff SGB XII (bzw. bis 31.12.2004 der §§ 93 ff Bundessozialhilfegesetz) wahrgenommen wird; dem Hilfebedürftigen gegenüber aber besteht die Leistungsverpflichtung in der Übernahme der Heimkosten in Form eines Schuldbeitritts durch den für die Leistung zuständigen Sozialhilfeträger. Diese Konstruktion, die als Gewährleistungsverantwortungsmodell bezeichnet werden kann (vgl zu diesem Begriff Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, Vor §§ 84-87 RdNr 1, Stand Februar 2009) und nicht dem gesetzlichen Sicherstellungsauftrag des § 70 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) an die Krankenkassen gleichzusetzen ist (BSGE 102, 1 ff RdNr 15 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), entspricht nach wie vor dem normativen Leitbild."
Bereits zuvor hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 (Rn. 28 nach juris) in gleicher Weise vertreten, dass "den Sozialhilfeträger wegen seiner Verpflichtung zur Erfüllung der individuellen Ansprüche der Behinderten eine Gewährleistungspflicht dahingehend [trifft], dass notwendige Einrichtungen vorgehalten werden ( ), was ihn auch verpflichtet, die bestehenden Einrichtungen nicht zu gefährden."
Unter Fortführung dieser Entscheidungen ist das Entschließungsermessen der Beklagten vorliegend dahin reduziert, dass sie durch Abschluss einer Leistungsvereinbarung dafür Sorge tragen muss, dass das Zuverdienstprojekt des Klägers berechtigten Personen zur Verfügung steht. Hierfür ist von entscheidender Bedeutung, ob die Maßnahme für eine Vielzahl von Personen regelmäßig und dauerhaft geeignete Hilfen bereitstellt, um typische Bedarfe der Eingliederungshilfe auf eine Weise zu decken, die wissenschaftlich vertretbar ist. Das ist der Fall.
aa) Die streitgegenständliche Maßnahme ist grundsätzlich für eine Vielzahl von Personen mit einer wesentlichen seelischen Behinderung geeignet, die Aufgaben der Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 3 SGB XII zu erfüllen. Dafür sprechen die große Anzahl der in dem Projekt bislang betreuten Personen und die sehr große Zeitspanne, über die das Projekt bislang offenbar ohne Einbruch der Nachfrage läuft. Dass die den Nutzern in dem Projekt vermittelte Beschäftigung, Wertschätzung, Zuwendung, Tagesstruktur und Vergütung für diese sehr sinnvoll ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und nach den beiderseitigen Darlegungen auch für das Gericht nachvollziehbar. Die jahrzehntelange Dauer, über die das Projekt nicht nur unter Billigung sondern auch Förderung öffentlicher Träger (LVA Baden, Landeswohlfahrtsverband Baden, Beklagte) bereits läuft und die Vielzahl an Personen, die es seither genutzt haben und laufend nutzen, stellen die Eignung der Maßnahme entsprechend der schlüssigen und glaubhaften Schilderung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung unter Beweis. Das gilt umso deutlicher, als sich nach den Darlegungen des Klägers (Schriftsatz vom 22.09.2014, Seite 8 und Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016) die Zielgruppe des Zuverdienstprojektes gerade durch ein in zeitlicher und qualitativer Hinsicht besonders niedriges Arbeitsleistungsvermögen auszeichnet und die Angebotslandschaft für tagesstrukturierende Maßnahmen in Teilzeit gemessen am dargelegten und nachvollziehbaren Bedarf äußerst dürftig erscheint. Nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Klägers insbesondere in der mündlichen Verhandlung, aber auch im Schriftsatz vom 22.09.2014, Seite 8, besteht im Raum Freiburg ein wesentlich höherer Bedarf an tagesstrukturierenden Angeboten für seelisch behinderte Menschen in Teilzeit, als solche angeboten werden. Hier dürfte sich insoweit eine Fehlentwicklung abzeichnen, als tagesstrukturierende Teilzeitangebote etwa für Träger von Werkstätten für behinderte Menschen bei ähnlichem (Organisations-)Aufwand aber halber Vergütung tendenziell unattraktiv sind. Gleichzeitig gibt es, wie die eindrücklich dargelegten Nutzerzahlen im streitgegenständlichen Projekt zeigen, kontinuierlich eine hohe Zahl an Personen mit Anspruch auf Eingliederungshilfe, die einem ganztägigen Angebot physisch oder psychisch gar nicht oder noch nicht gewachsen sind und die deshalb durch derartige Angebote überhaupt nicht erreicht werden könnten, während Teilzeitangebote mit (ggf. sehr) niedriger und im Verlauf flexibler Stundenzahl ihnen Halt und eine höchst sinnvolle Unterstützung gewähren können. Auch die Beklagte hat keine ernsthaften Zweifel am therapeutischen Wert der Maßnahme dargelegt, wenngleich sie in ihrem letzten Schriftsatz vom 20.01.2016 losgelöst vom streitigen Fall verallgemeinernd kritisiert, dass eine andere Auffassung (als ihre) dazu führe, dass Sozialhilfeträger sämtliche Einrichtungen dauerhaft vorhalten müssten, "die auch nur im Ansatz geeignet sind, Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten, die aber im Übrigen mit Sozialleistung wenig zu tun haben müssten". Einen solchen Rechtssatz entnimmt die Kammer § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I allerdings nicht. Die Beklagte verkennt mit dieser im Ansatz durchaus nachvollziehbaren Kritik, die sie a.a.O. auf die These stützt, dass ein Sozialhilfeträger nicht verpflichtet sei, "individuelle Notwendigkeiten und Bedürfnisse vorauszuahnen und [ihre Deckung] institutionell sicherzustellen", allerdings, dass diese Beschreibung dem streitgegenständlichen Zuverdienstprojekt des Klägers und seiner Zielgruppe nicht gerecht wird. Hier gibt es nichts mehr vorauszuahnen. Inhalt und Sinn der Maßnahme sind aus der langjährigen Erfahrung beider Beteiligten hinlänglich bekannt und dokumentiert. Die Reichweite der Maßnahme übersteigt bei weitem lediglich individuelle Notwendigkeiten von Einzelfällen. Auf die Annahme des LSG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 30 mit Verweis auf BVerwG (BVerwGE 94, 202), der zufolge Bedarfsgesichtspunkte im Ermessen über das Ob einer Leistungsvereinbarung gar nicht zu berücksichtigen seien, kommt es damit nicht an, weil ein hinreichender Bedarf grundsätzlich besteht. Von entscheidender Bedeutung ist (LSG Baden-Württemberg, a.a.O) die wissenschaftliche Vertretbarkeit der Maßnahme. An ihr hat die Kammer ebenso wie die darin übereinstimmenden Beteiligten und entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Zweifel.
bb) Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit, die in § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII zum Ausdruck kommen, sind für die Weite des Entschließungs- und Auswahlermessens und anschließend bei der Ausübung des ggf. reduzierten Ermessens von großer Bedeutung (LSG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 30). Dies wirkt sich allerdings in erster Linie auf der nachgelagerten Ebene der Vergütungsvereinbarung aus. Zu Unrecht führt die Beklagte in diesem Zusammenhang ihre Sorge an, dass das Klagebegehren auf eine unzulässige Doppelfinanzierung hinauslaufe. Dies überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Zum einen macht eine Leistungs- mit sich anschließender Vergütungsvereinbarung ein Fortbestehen der laufenden freiwilligen Zuwendungen für den Zuverdienstbereich wohl ganz entbehrlich und für die Tagesstätte könnte die Beklagte ihre Förderung nötigenfalls reduzieren. Jedenfalls hätte es die Beklagte in der Hand, diese Förderlinie mit den (später erst noch auszuhandelnden) Vergütungsansprüchen des Klägers abzustimmen. Des Weiteren verkennt die Beklagte mit ihrer Sorge vor einer Doppelfinanzierung, dass sie es bei den Vergütungsverhandlungen selbst in der Hand hat, auf bereits anderweitig finanzierte personelle und/oder sachliche Infrastruktur der Tagesstätte durch eine entsprechend reduzierte Vergütung im Zuverdienstbereich zu reagieren. Wenn und soweit die Finanzierung einer Kostenart bereits ganz oder teilweise anderweitig berücksichtigt ist (wie vermutlich bei Gemeinkosten mit der Tagesstätte beim Winterdienst, bei der Treppenhausbeleuchtung, bei Wartungskosten der Heizungsanlage, etc.), sollte eine an der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausgerichtete Vergütungsregelung dies selbstverständlich aufgreifen. Der hier allein streitigen vorgelagerten Ebene einer Leistungsvereinbarung steht dies ersichtlich nicht entgegen. Im Übrigen ist die Darstellung der Beklagten, dass die (anderweitig finanzierte) Tagesstätte und der hier streitgegenständliche Zuverdienst eine sachlich und räumlich untrennbare Einheit bilden würden, angesichts der Angaben unter § 2 des Vertragsangebots des Klägers zu den tatsächlichen Begebenheiten vor Ort und der ergänzenden Erläuterung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung so nicht nachvollziehbar. Vielmehr dürfte es zwar – aus der Sorge vor oder aus der tatsächlichen Not permanenter Unterfinanzierung entstandene – punktuell räumliche Überschneidungen geben, eine getrennte Kostenrechnung erscheint jedoch nach den geschilderten Raumverhältnissen durchaus möglich. Möglicherweise kann der Kläger die Bedenken der Beklagten auch durch weitere Anpassungen seines Raumkonzepts, z.B. durch – dank gesicherter Finanzierung nun möglich werdender Erweiterungen – noch ausräumen. Die vom Kläger zitierte Arbeitshilfe des Deutschen Vereins, zu dessen rund 2000 Mitgliedern insbesondere Sozialhilfeträger zählen (Quelle: https://www.deutscher-verein.de/de/wir-ueber-uns-1162.html) über Zuverdienstmöglichkeiten im Bereich des SGB XII spricht sich unter Ziff. 3. auf Seite 11 ausdrücklich dafür aus, dass als Leistungsanbieter solcher Projekte neben zahlreichen anderen Anbietern etablierter Leistungsarten auch Tagesstätten in Betracht kommen. Allen genannten Anbietern ist naturgemäß gemein, dass sie über vorbestehende Strukturen verfügen, deren vorbestehende Finanzierung bei der Erweiterung des Angebotes um einen Zuverdienstbereich und der Erschließung neuer Finanzierungsgrundlagen u.a. durch eigene Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen (für die sich der Deutsche Verein a.a.O. unter Ziff. 4 ebenfalls ausspricht) zu berücksichtigen ist. Grundlegende Hindernisse sind dabei nicht ersichtlich.
cc) In diesem Zusammenhang ist es entgegen der Beklagtenauffassung unerheblich, dass aus der Perspektive der Leistungsempfänger die Aufnahme in den Zuverdienstbereich in der Regel eine Ermessensleistung ist. Der Begründungsansatz der Beklagten, dass nicht vorgehalten werden müsse, worauf kein gebundener Anspruch bestehe, ist ein Zirkelschluss. Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX sind einer zum berechtigten Personenkreis des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehörenden Person zu erbringen, wenn und soweit diese einen entsprechenden Bedarf aufweist. Das "Ob" der Leistung unterliegt dann keinem Ermessensspielraum (anders bei Personen mit einer Behinderung nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), sondern nur die Auswahl der geeigneten Leistung unter Berücksichtigung insbesondere des Wirtschaftlichkeitsgebotes einerseits und des Wunsch- und Wahlrechtes des Leistungsempfängers andererseits. Zu einer solchen Auswahlentscheidung könnte es gar nicht erst kommen, wenn eine Leistung, die – wie die vorliegende – für eine Vielzahl von teilhabeberechtigten Personen grundsätzlich in Betracht kommt, mangels Leistungsvereinbarung (und sich anschließender Vergütungsvereinbarung) gar nicht erst von Leistungserbringern angeboten wird.
dd) Das von der Beklagten vor allem hinsichtlich der Beratungsanteile des Zuverdienstprojektes beanstandete Fehlen eines Bedarfs an der angebotenen Leistung ist für den Anspruch des Klägers auf Abschluss einer Leistungsvereinbarung dem Grunde nach unbeachtlich. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass sich die Beklagte gegenüber mehreren Anbietern einer Leistungsart wettbewerbsneutral zu verhalten hat. Das Vorhandensein eines Anbieters für eine bestimmte Leistung ist für den Anspruch eines weiteren auf Abschluss einer Vereinbarung über dieselbe Leistung nicht nur nicht hinderlich, sondern im Gegenteil ist die in § 5 SGB XII geregelte Nachrangigkeit von Angeboten in hoheitlicher Trägerschaft und der dort verankerte Schutz der freien Wohlfahrtspflege gerade Ausdruck des gesetzgeberischen Ziels einer breiten Anbieterlandschaft (LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 ER-B Rn. 30). Der Verweis der Beklagten auf den Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie (Schriftsatz vom 18.06.2014, Seite 6) verfängt daher – an dieser Stelle – nicht. Von Bedeutung ist dieser Einwand allerdings bei der konkreten Ausgestaltung der Leistungsvereinbarung (s.u. d).
ee) Auch die übrigen Voraussetzungen für den Abschluss einer Leistungsvereinbarung sind erfüllt. Der Kläger ist gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und der Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Abs. 1 SGB XII in Ansehung seiner langjährigen Erfahrung und tatsächlichen Leistungserbringung unter rechtlich und wirtschaftlich schwierigeren Rahmenbedingungen zur Erbringung der Leistungen - unstreitig – geeignet.
ff) Die eher praxisbezogenen Bedenken der Beklagten gegen eine Überführung des Projektes in die förmliche enge Struktur der Eingliederungshilfe (Antragstellung, Klärung der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen, Bedarfsermittlung durch Hilfeplangespräch, Einkommens- und Vermögensprüfung) und die für die Betroffenen ohne Zweifel sinnvollen Vorteile einer Beibehaltung des bisherigen "niederschwelligen Zugangs" - letztere sieht auch der Kläger - skizzieren ein erhebliches Spannungsfeld, dessen sich die Kammer bewusst ist. Eine einfache Lösung drängt sich trotz der grundsätzlichen Verpflichtung der Beklagten aus § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I, das Verwaltungsverfahren einfach zu gestalten, nicht auf. Insbesondere ist die gesetzlich vorgeschriebene (§ 19 Abs. 3 SGB XII) Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Leistungsberechtigten (sowie der nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihrer Eltern) bei einer Leistungsgewährung im Rahmen der Eingliederungshilfe unausweichlich. Die vom Kläger in mündlicher Verhandlung anhand eines Beispiels dargelegte Gefahr, dass Personen, die von dem Zuverdienstprojekt eigentlich profitieren würden, die sich aber wegen einer anstehenden Einkommens-/Vermögensprüfung (im dortigen Beispiel des Ehegatten) abwenden, wird sich nach der Überführung in das Eingliederungshilferecht noch beträchtlich verschärfen, da hier bereits ab Beginn (und nicht erst im Folgejahr) systematisch Einkommen und Vermögen zu prüfen sein werden. Diesen Nachteil nimmt der Kläger jedoch offenbar unter Abwägung mit den Vorteilen besserer Planbarkeit und soliderer Finanzierung in Kauf. Diese Abwägung zu treffen obliegt allein ihm.
d) Das Auswahlermessen der Beklagten bei Abschluss einer Leistungsvereinbarung ist entgegen der Klägeransicht nicht eingeschränkt. Der Inhalt der nach diesem Urteil abzuschließenden Leistungsvereinbarung unterliegt noch der weiteren Ausgestaltung durch die Beteiligten. Inhaltliche Verhandlungen haben bislang nicht ernsthaft stattgefunden, weil die Beklagte auf dem Standpunkt steht, dass eine Leistungsvereinbarung gar nicht abzuschließen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers führt der Umstand, dass die Beklagte bislang nicht auf seine Angebote einer Leistungsvereinbarung (Entwurf aus November 2012 - Gerichtsakte Blatt 21 und Anlage K1 zur Klageschrift vom 10.04.2014 - Gerichtsakte Blatt7) eingegangen ist, für sich allein nicht zu einer Begrenzung der Gestaltungsfreiheit bzw. des Auswahlermessens der Beklagten. Ausgehend von ihrem - vertretbaren - Rechtsstandpunkt, dass eine Leistungsvereinbarung gar nicht abzuschließen ist, war die Beklagte bislang nicht verpflichtet, dem Kläger ihrerseits ein Vertragsangebot nach ihren Vorstellungen zu unterbreiten. Konstruktive Verhandlungen werden sich vielmehr erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Frage anschließen können, ob eine Leistungsvereinbarung überhaupt abzuschließen ist. Die Beklagte war und ist daher nicht verpflichtet, genau das ihr vom Kläger unterbreitete Vertragsangebot anzunehmen. Das Auswahlermessen der Beklagten ist auch nicht dadurch reduziert, dass die im letzten Vertragsangebot des Klägers enthaltenen Regelungen alternativlos wären. Im Gegenteil fallen insoweit zum einen eine Regelungslücke auf (keine Laufzeit gemäß § 77 SGB XII) und zumindest hinsichtlich folgender Punkte weiterer Klärungsbedarf über die genaue Ausgestaltung der Leistung:
&61485; Offener Dissens über (mind. teilweise) Erwerbsfähige als Zielgruppe (Gerichtsakte Blatt 95), &61485; Vorschlag zur regelmäßig abweichenden Freibetragsregelung in § 4c des Vertrags entgegen den Empfehlungen des Deutschen Vereins (a.a.O. Seite 10) und entgegen dem engen Wortlaut der Öffnungsklausel § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII, &61485; Art und Maß der auch aufsuchenden und begleitenden "Grundständigen Beratung" in § 4 a) des Vertrags angesichts möglicher Überschneidungen mit freiwilligen oder zwingenden Aufgaben Dritter (z.B. rechtliche Betreuer; Beratung im Rahmen ambulant betreuten Wohnens), &61485; Maß psychosozialer Betreuung (lt. § 4 a des Vertrags wöchentlich fix 90 Minuten) und deren Verhältnis (lt. § 4 a "unabhängig") zum Maß der Arbeitsstunden (lt. § 4 b des Vertrags wöchentlich flexibel mind. 1 Stunde) angesichts der kritischen Einschätzung der Beklagten (Gerichtsakte Blatt 41).
Etwaige Überschneidungen der grundständigen Beratung mit Angeboten anderer Leistungserbringer und anderer Leistungsarten (z.B. Betreutes Wohnen, rechtliche Betreuung) werfen bei der zeitlichen Gestaltung insbesondere die Frage nach einem hinreichenden Sachzusammenhang mit der im Schwerpunkt angebotenen Leistung (Zuverdienst) und nach der Leistungsfähigkeit des Angebotes – auch im Vergleich zu den Angeboten anderer Anbieter (§ 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) – auf. Erst wenn sich im weiteren Verlauf abzeichnet, dass über den Inhalt eines Vertrags abschließend keine Einigkeit zu erzielen ist, kommt auch insoweit gerichtlicher Rechtsschutz in Betracht.
3. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil der Hauptantrag des Klägers aus den vorstehenden Gründen (2. d) unbegründet ist. Er hat keinen Anspruch auf Abschluss genau seines Vertragsangebotes aus der Klageschrift.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 154 Abs. 1 VwGO).
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Leistungsvereinbarung nach § 76 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch (SGB XII) über ein Zuverdienstprojekt für Menschen mit seelischer Behinderung.
Der Kläger ist ein 1970 gegründeter Verein, der in F. seit Jahrzehnten soziale Angebote für Menschen mit psychischen Krankheiten oder Behinderungen anbietet. 1974 startete ein Vorläufer des hier streitgegenständlichen Zuverdienstprojektes, das in dieser Form seit 1990 besteht (vgl. im Einzelnen Anlage 4 zum Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 14.01.2008, Blatt 78 Gerichtsakte).
Er betreibt eine Begegnungsstätte (" "), ambulant betreutes Wohnen, Selbsthilfegruppen und eine Tagesstätte. In der Tagesstätte wird ein gemeinsames Mittagessen angeboten, es gibt Gelegenheit zu duschen, Wäsche zu waschen und zu trocknen, im Internet zu surfen oder am Computer zu arbeiten. Daneben bestehen verschiedene unverbindliche Angebote zur Freizeitgestaltung (Mithilfe beim Mittagessen, Kreativgruppe, Theater-, Bewegungs- oder Gesprächsgruppe). Das vorliegend streitgegenständliche Zuverdienstprojekt startete als Beschäftigungsbereich dieser Tagesstätte (vgl. Beschreibung des Klägers in der Anlage 1 seines Schreibens vom 14.01.2008, Gerichtsakte Blatt 68 ff.). Nach dieser Beschreibung richtet sich dieses Angebot in erster Linie an chronisch psychisch kranke Menschen mit einer Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII, die einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nicht mehr oder noch nicht nachgehen können, aber dennoch eine sinnvolle Beschäftigung mit einem kleinen Zuverdienst für ihre persönliche Stabilität benötigen. Es gebe Teilnehmer, die über die unverbindlichen Angebote der Tagesstätte nicht zu erreichen seien und die ausschließlich das Beschäftigungsangebot wahrnehmen. Ziel des Angebotes sei es, den Teilnehmern Selbstbewusstsein zu vermitteln, durch die klare Tagesstruktur Tendenzen von Orientierungslosigkeit und Rückzug entgegen zu wirken, Sozialverhalten zu fördern und die Lebenssituation zu stabilisieren. Zugleich würden Schlüsselqualifikationen trainiert. Das Entgelt für den Arbeitseinsatz solle ein Gefühl von gesellschaftlicher Normalität vermitteln und der Empfindung von Aussonderung und Wertlosigkeit entgegenwirken.
Die Finanzierung der Begegnungsstätte läuft über eine Objektförderung durch die Beklagte (hier nicht streitig). Das ambulant betreute Wohnen (ebenfalls hier nicht streitig) ist über Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen finanziert. Die Finanzierung der Tagesstätte einschließlich des Zuverdienstbereichs gestaltete sich im bisherigen Verlauf sehr heterogen. Ein zunächst gegründetes Druckereiunternehmen musste wegen des Strukturwandels in der Druckindustrie bereits 1989 wieder aufgegeben werden. Ab 1990 wurde das Angebot auf der Grundlage privater Spenden fortgeführt. Zeitweise gab es auch einen Zuschuss von der Landesversicherungsanstalt Baden. Ab 2000 trat eine Objektförderung durch den Landeswohlfahrtsverband Baden (LWB) hinzu, die nach Auflösung des LWB seit 2008 von der Beklagten laufend fortgeführt wird. Erstmals schlossen die Beteiligten am 05.05.2008 einen "Vertrag über das in die Tagesstätte der H. integrierte Zuverdienstprojekt für seelisch behinderte Menschen in der Stadt F." (Gerichtsakte Blatt 17 ff.). Die finanzielle Unterstützung belief sich nach Ziff. 7 des Vertrags auf monatlich 300,- Euro Regiekosten für maximal 10 - ggf. mehrfach belegte - Plätze. Der Vertrag wurde mehrfach verlängert und über das letzte Ablaufdatum 31.12.2012 hinaus faktisch fortgeführt. Seit dem Abschluss einer Folgevereinbarung vom 27.06.2014 (Gerichtsakte Blatt 101 ff.) beläuft sich die Förderung durch die Beklagte auf monatlich 350,- Euro für maximal 15 Plätze. Von den tatsächlichen Kosten sind auf diese Weise nach Angaben des Klägers lediglich die Hälfte (Klageschrift vom 09.04.2014, Seite 4) bzw. ein Drittel (Klägerschriftsatz vom 22.09.2014, Seite 9) gedeckt. Aktuell sind diese 15 Plätze jeweils von zwei bis drei Personen mehrfach belegt. Im Jahr 2014 gab es insgesamt 29 Nutzer. Die individuelle Nutzungsdauer ist sehr unterschiedlich. Eine Person ist bereits seit 20 Jahren dabei. Die kürzeste Nutzungsdauer liegt bei vier Wochen. Jüngere Personen verweilen im Allgemeinen kürzer in dem Angebot als Personen, die altersbedingt schon aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind (vgl. Darstellung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016). Nach § 1 des geltenden Zuwendungsvertrags richtet sich der Zuverdienstbereich nur an Personen mit seelischer Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII, die 1. in Freiburg wohnhaft sind, die 2. das Angebot mindestens drei Stunden täglich an drei bis fünf Tagen wöchentlich und höchstens 20 Stunden wöchentlich nutzen können und 3. deren eingeschränktes Leistungsvermögen einer Beschäftigung sowohl auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als auch in einer WfbM entgegensteht. § 2 sieht eine Verweildauer von bis zu 2 Jahren vor. § 5 macht die Aufnahme einer Person von einer individuellen "vereinfachten" Antragstellung nach § 53 SGB XII u.a. mit einem Nachweis einer "wesentlichen Behinderung" abhängig. § 6 Sätze 1 und 2 erklären die Bestimmungen des 11. Kapitels des SGB XII hinsichtlich Einkommen und Vermögen für anwendbar. Satz 3 sieht eine Einzelfallprüfung "hinsichtlich des Einkommens" (nicht Vermögens) nur bei einer Verlängerung über die Regelverweildauer von 2 Jahren hinaus vor. Nach abweichenden Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016 findet dagegen bereits im 2. Jahr sowohl eine Einkommens- als auch Vermögensprüfung statt.
Im November 2012 legte Kläger der Beklagten den Entwurf einer Leistungsvereinbarung nach § 76 SGB XII über sein integriertes Zuverdienstprojekt als niedrigschwelliges Angebot einer tagesstrukturierenden Maßnahme für erwachsene Menschen im Erwerbsalter mit einer seelischen Behinderung vor (Anlage K4 zur Klageschrift vom 09.04.2014, Gerichtsakte Blatt 21 ff.).
Mit Schreiben vom 13.12.2012 lehnte die Beklagte eine Vereinbarung auf der Grundlage dieses Entwurfs ab und kündigte an, ihrerseits einen Entwurf auf der Grundlage der bisherigen Vereinbarungen zu unterbreiten. Dies geschah sodann am 27.05.2013 (Gerichtsakte Blatt 26). Es folgten Gespräche am 04.06.2013 und 15.07.2013 mit dem Zwischenergebnis, dass der Kläger seine Kostenkalkulation näher darlegt.
Am 10.04.2014 hat der Kläger beim Sozialgericht Freiburg Klage erhoben.
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Beklagte im Rahmen ihrer vom BSG so genannten Gewährleistungsverantwortung (BSG, Urt. v. 02.02.2010, Az. B 8 SO 20/08 R) verpflichtet sei, Teilhabeleistungen, die wie die vorliegende im räumlichen Zuständigkeitsgebiet der Beklagten tatsächlich benötigt würden, im Rahmen des Sachleistungsverschaffungsprinzips dergestalt zur Verfügung zu stellen, dass für diese Leistungen Leistungsvereinbarungen getroffen werden. Die im unterbreiteten Vertragsangebot beschriebene Leistung sei nach dem zwischen den Beteiligten geltenden Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII zulässig (wird weiter ausgeführt). Es enthalte alle nach § 76 SGB XII und § 21 SGB IX notwendigen Angaben (wird weiter ausgeführt). Die Leistung genüge dem aktuellen state oft the art der Wissenschaft der sozialen Arbeit und ihre Geeignetheit, Bedarfe der Eingliederungshilfe zu decken, sei aus wissenschaftlicher Perspektive mindestens vertretbar. Dies sei auch unstreitig, zumal der gemeindepsychiatrische Dienst der Beklagten in seiner Sitzung vom 04.12.2012 bestätigt habe, dass das Projekt wichtig und sinnvoll sei. Es entspreche vollständig der Arbeitshilfe des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge vom 17.06.2009 (DV 12/09 AF IV). Das Zuverdienstprojekt sei eine Leistung der Eingliederungshilfe. Der Kläger dürfe nicht gezwungen werden, die Leistung ohne eine seine Gestehungskosten refinanzierende und auf die hier eingeklagte Leistungsvereinbarung aufbauende Vergütungsvereinbarung anzubieten. Da die Beklagte bislang kein eigenes Angebot unterbreitet habe, stehe dem Kläger ein Vertragsabschluss gemäß seinem Angebot zu.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, das Angebot einer Leistungsvereinbarung nach § 76 Abs. 1 SGB XII, das der Klageschrift vom 09.04.2014 als Anlage K 1 beigefügt ist, anzunehmen.
Hilfsweise beantragt er,
die Beklagte durch Zwischenurteil gemäß § 130 Abs. 2 SGG zu verurteilen, mit der Klägerin eine zunächst nicht näher bestimmte Leistungsvereinbarung nach § 76 Abs. 1 SGB XII über ein Zuverdienstprojekt zu schließen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, das streitgegenständliche Zuverdienstprojekt sei keine eigenständige Leistung der Eingliederungshilfe, sondern seit jeher untrennbar mit der Tagesstätte verbunden. Das Klagebegehren laufe auf eine unzulässige Doppelfinanzierung derselben einheitlichen Strukturen oder der überflüssigen Schaffung einer Doppelstruktur innerhalb derselben Einrichtung des Klägers hinaus. Angesichts der geringen Mindeststundenzahl von 1 Arbeitsstunde täglich und dem vergleichsweise hohen Maß psychosozialer Beratung von 90 Minuten wöchentlich dringe die Leistungsbeschreibung im Vertragsangebot des Klägers in Bereiche vor, die anderweitig bereits vorrangig abgedeckt seien. Aus Perspektive des Leistungsempfängers sei die Aufnahme im Zuverdienstbereich des Klägers ein Anspruch im Ermessen der Beklagten. Hinsichtlich Zuverdienstprojekten bestehe keine institutionelle Gewährleistungsverantwortung der Beklagten. Individuelle Notwendigkeiten und Bedürfnisse vorauszuahnen und deren Befriedigung institutionell vorab sicherzustellen obliege der Beklagten nicht. Ihre Rechtspflicht beschränke sich auf die Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums. Mit anderen Worten führe die bloße Eignung einer Maßnahme, Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten, nicht dazu, dass der Sozialhilfeträger solche Leistungen auch tatsächlich (durch Abschluss von Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen oder Schaffung in eigener Trägerschaft) vorhalten müsse.
Wegen der weiteren Einzelheiten und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten über die Klägerin verwiesen.
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist als Leistungsklage statthaft und zulässig.
Das Klagebegehren ist nicht auf die Erteilung eines Verwaltungsaktes gerichtet, sondern auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags und damit auf eine Willenserklärung der Beklagten. Hierfür ist die allgemeine Leistungsklage statthaft (Neumann in: Hauck/Noftz SGB XII § 75 Rn. 30). Die - nicht fristgebundene - Klage ist zulässig. Insbesondere liegt ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse vor, weil die Beklagte das Vertragsangebot des Klägers vom November 2012 nicht angenommen hat und weitere Verhandlungen zwar stattgefunden haben aber hinsichtlich der begehrten Leistungsvereinbarung nach § 76 SGB XII ohne Ergebnis verlaufen sind. Das Rechtsschutzinteresse ist nicht dadurch nachträglich entfallen, dass die Beteiligten am 27.06.2014 einen Zuwendungsvertrag abgeschlossen haben. Denn dieser Vertrag stellt weder ausdrücklich noch im Wege der Vertragsauslegung in Ermangelung der essentialia negotii eine Leistungsvereinbarung im Sinne des § 76 Abs. 1 SGB XII dar. Die Klage ist ohne vorherige Anrufung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII zulässig, weil die Beteiligten nur über die einer Vergütungsvereinbarung vorgelagerte Leistungsvereinbarung streiten (LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 ER-B, Rn. 20).
2. Die Klage ist mit ihrem Hilfsantrag begründet. Die darin begehrte Leistung ist dem Kläger durch ein Endurteil zuzusprechen. Ein Zwischenurteil ist entgegen der Anregung des Klägers hierfür nicht erforderlich. Denn sowohl Haupt- als auch Hilfsantrag sind entscheidungsreif. Mit ihrem Hauptantrag ist die Klage dagegen unbegründet.
Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf den Abschluss einer Leistungsvereinbarung für sein Zuverdienstprojekt, weil alle Voraussetzungen für eine solche Vereinbarung erfüllt sind (a), der Kläger anderweitig keine gesicherte Finanzierungsgrundlage hat (b) und die Beklagte eine entsprechende Gewährleistungsverantwortung trifft (c). Das Auswahlermessen der Beklagten ist nicht eingeschränkt (d).
a) § 75 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII sieht vor, dass Sozialhilfeträger mit den Trägern von Einrichtungen Leistungsvereinbarungen schließen, die Inhalt, Umfang und Qualität der Teilhabeleistung regeln. Als Leistung der Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 SGB XII kommen gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Nr. 6 und § 55 Abs. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch (SGB IX) unter anderem Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen sowie sonstige Hilfen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben, um behinderten Menschen eine angemessene und geeignete Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit zu ermöglichen und zu erhalten in Betracht.
Das streitgegenständliche Zuverdienstprojekt des Klägers ist Hilfen dieser Art zuzurechnen und damit als Leistung der Eingliederungshilfe zu qualifizieren.
aa) Die der Beklagten vorschwebende Definition von vorhaltepflichtigen Leistungen der Eingliederungshilfe danach, ob sie zur Führung eines menschenwürdigen Existenzminimums unerlässlich sind, ist untauglich und findet im Gesetz keine Stütze. Zur Eingliederungshilfe zählen alle Maßnahmen, die zur Deckung eingliederungshilferechtlicher Bedarfe unter Beachtung der Aufgabe der Eingliederungshilfe (§ 53 Abs. 3 SGB XII) geeignet und erforderlich sind (vgl. zum weiten Maßstab BSG, Urt. v. 02.02.2012, Az. B 8 SO 9/10 R). Welche dieser Leistungen ein Sozialleistungsträger im Voraus vorzuhalten hat und welche er lediglich im Einzelfall über eine Vergütungsregelung nach § 75 Abs. 4 SGB XII ohne allgemeine Leistungsvereinbarung zu gewähren hat, ist keine Frage der in beiden Fällen zu bejahenden Zuordnung zum Eingliederungshilferecht, sondern ist im Rahmen des Entschließungsermessens (siehe unten c) zu prüfen.
bb) Mit den auf die Vorstellungen der Beklagten zurückgehenden Regelungen des geltenden Zuwendungsvertrags gibt auch die Beklagte zu erkennen, dass sie den Zuverdienstbereich des Klägers faktisch als eine Leistung der Eingliederungshilfe ansieht. Dies folgt aus den Regelungen in § 5 und § 6. Darin und mit ihren Erläuterungen dieser Regelungen in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016 bringt die Beklagte zum Ausdruck, dass sie davon ausgeht, dass der Kläger mit der streitbefangenen Maßnahme Leistungen nach dem SGB XII (und nicht etwa losgelöst vom Sozialhilferecht) an Personen erbringt, die erstens eine wesentliche Behinderung im Sinne des § 53 SGB XII aufweisen bzw. angeben müssen (von einer Überprüfung sieht die Beklagte bislang ab) und die zweitens finanziell bedürftig sein müssen (eine Überprüfung nimmt die Beklagte regelmäßig erst ab dem zweiten Jahr vor). Eine Rechtsgrundlage für dieses - zumal potentiell auch in Rechte Dritter eingreifende - Vorgehen der Beklagten besteht nicht, es sei denn die erbrachte Leistung wird einem Kapitel des SGB XII zugeordnet, für das § 19 SGB XII eine Einkommens- und Vermögensprüfung vorschreibt. In Betracht kommt wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf eine wesentliche Behinderung nur die Eingliederungshilfe. Ein anderer Weg zu einer Einkommens- und Vermögensprüfung besteht nicht. Diese faktische Bewertung durch die Beklagte trifft zu. Eine bloß faktische Zuordnung ins Recht der Eingliederungshilfe ohne gleichzeitige Anwendung aller dafür im SGB XII bestehenden Regelungen einschließlich der §§ 75 ff. SGB XII ist jedoch rechtlich nicht zulässig.
cc) Der zwischen den Beteiligten (unstreitig) geltende Rahmenvertrag nach § 79 SGB XII steht einer Bewertung des Zuverdienstbereichs als eigenständige Leistung der Eingliederungshilfe nicht entgegen. Selbst wenn die dortigen Regelungen zu Leistungsarten als abschließend auszulegen sein sollten, was zweifelhaft erscheint, könnte dieser Vertrag eine unmittelbar aus dem Gesetz folgende Rechtspflicht der Beklagten zur Gewährung einer Leistung nicht wirksam derogieren (vgl. Klageschrift vom 09.04.2014 Seite 7). Überdies sieht § 3 des Rahmenvertrags ausdrücklich eine Öffnungsklausel für solche Leistungsarten vor, die – vor allem weil ein Bedarf an ihnen neu entsteht – nicht geregelt wurden. Die weiteren Regelungen in der Öffnungsklausel (Zulässigkeit individueller Leistungsvereinbarungen im ambulanten Bereich; Übergangsregelung bis zur Neuregelung durch die Vertragskommission) verdeutlichen, dass der Rahmenvertrag das Auftreten neuer Leistungsarten und die Notwendigkeit sie zu vergüten keineswegs ausschließt, sondern im Gegenteil voraussetzt (i.E. ebenso LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 ER-B). Die vom LSG Baden-Württemberg a.a.O., Rn. 33, geforderten weiteren Voraussetzungen für eine Einzelvereinbarung sind vorliegend erfüllt (vgl. Klagebegründung vom 09.04.2014, Seite 8).
b) Der Kläger hat keine anderweitige gesicherte Finanzierungsgrundlage, die eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung entbehrlich macht. Die seit 2008 von der Beklagten an den Kläger erbrachten Zuwendungen erfolgten freiwillig und jeweils für kurz befristete Zeiträume und waren und sind der Höhe nach ausdrücklich nicht als kostendeckend kalkuliert. Dass es dem Kläger bislang stets gelang, die Finanzierungslücke durch Spenden Dritter aufzufangen, ist jedenfalls für die die Zukunft, auf die es wegen § 77 Abs. 1 SGB XII allein ankommt, unerheblich, weil diese Mittel künftig nicht verlässlich zur Verfügung stehen und daher keine Planungssicherheit gewähren. Im Übrigen steht nicht der Kläger als Leistungserbringer in der Pflicht, Leistungen der Sozialhilfe durch Anwerben von Drittmitteln zu finanzieren, sondern die Beklagte als Leistungsträgerin der Sozialhilfe.
c) § 17 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch (SGB I) verpflichtet Leistungsträger, darauf hinzuwirken, dass die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Der Abschluss von Leistungsvereinbarungen zur Erfüllung dieser Gewährleistungsverantwortung unterliegt grundsätzlich dem pflichtgemäß auszuübenden Entschließungs- und Auswahlermessen des Sozialhilfeträgers. Eine darüber hinaus gehende völlige Vertragsfreiheit, wie sie ohnehin nur Grundrechtsträger und nicht grundrechtsverpflichtete Hoheitsträgern in ihrer hoheitlichen Tätigkeit genießen können, besteht dagegen nicht (LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 Rn. 28 mit Verweis auf BVerwG, Urt. v. 03.09.1993, BVerwGE 94, 202 und VG Hannover, Beschl. v. 29.12.2004, Az. 7 B 4953/04 sowie Hessisches LSG, Beschl. v. 20.06.2005, FEVS 57, 153).
Grundlegend hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 02.02.2010, Az. B 8 SO 20/08 R (unter Rn. 12 nach juris) dazu ausgeführt, dass "im Allgemein die Sozialhilfeträger die Verantwortung für die Versorgungsinfrastruktur tragen, die durch Abschluss der Verträge des dafür zuständigen Sozialhilfeträgers nach den §§ 75 ff SGB XII (bzw. bis 31.12.2004 der §§ 93 ff Bundessozialhilfegesetz) wahrgenommen wird; dem Hilfebedürftigen gegenüber aber besteht die Leistungsverpflichtung in der Übernahme der Heimkosten in Form eines Schuldbeitritts durch den für die Leistung zuständigen Sozialhilfeträger. Diese Konstruktion, die als Gewährleistungsverantwortungsmodell bezeichnet werden kann (vgl zu diesem Begriff Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, Vor §§ 84-87 RdNr 1, Stand Februar 2009) und nicht dem gesetzlichen Sicherstellungsauftrag des § 70 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) an die Krankenkassen gleichzusetzen ist (BSGE 102, 1 ff RdNr 15 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9), entspricht nach wie vor dem normativen Leitbild."
Bereits zuvor hatte das Landessozialgericht Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 (Rn. 28 nach juris) in gleicher Weise vertreten, dass "den Sozialhilfeträger wegen seiner Verpflichtung zur Erfüllung der individuellen Ansprüche der Behinderten eine Gewährleistungspflicht dahingehend [trifft], dass notwendige Einrichtungen vorgehalten werden ( ), was ihn auch verpflichtet, die bestehenden Einrichtungen nicht zu gefährden."
Unter Fortführung dieser Entscheidungen ist das Entschließungsermessen der Beklagten vorliegend dahin reduziert, dass sie durch Abschluss einer Leistungsvereinbarung dafür Sorge tragen muss, dass das Zuverdienstprojekt des Klägers berechtigten Personen zur Verfügung steht. Hierfür ist von entscheidender Bedeutung, ob die Maßnahme für eine Vielzahl von Personen regelmäßig und dauerhaft geeignete Hilfen bereitstellt, um typische Bedarfe der Eingliederungshilfe auf eine Weise zu decken, die wissenschaftlich vertretbar ist. Das ist der Fall.
aa) Die streitgegenständliche Maßnahme ist grundsätzlich für eine Vielzahl von Personen mit einer wesentlichen seelischen Behinderung geeignet, die Aufgaben der Eingliederungshilfe im Sinne des § 53 Abs. 3 SGB XII zu erfüllen. Dafür sprechen die große Anzahl der in dem Projekt bislang betreuten Personen und die sehr große Zeitspanne, über die das Projekt bislang offenbar ohne Einbruch der Nachfrage läuft. Dass die den Nutzern in dem Projekt vermittelte Beschäftigung, Wertschätzung, Zuwendung, Tagesstruktur und Vergütung für diese sehr sinnvoll ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und nach den beiderseitigen Darlegungen auch für das Gericht nachvollziehbar. Die jahrzehntelange Dauer, über die das Projekt nicht nur unter Billigung sondern auch Förderung öffentlicher Träger (LVA Baden, Landeswohlfahrtsverband Baden, Beklagte) bereits läuft und die Vielzahl an Personen, die es seither genutzt haben und laufend nutzen, stellen die Eignung der Maßnahme entsprechend der schlüssigen und glaubhaften Schilderung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung unter Beweis. Das gilt umso deutlicher, als sich nach den Darlegungen des Klägers (Schriftsatz vom 22.09.2014, Seite 8 und Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2016) die Zielgruppe des Zuverdienstprojektes gerade durch ein in zeitlicher und qualitativer Hinsicht besonders niedriges Arbeitsleistungsvermögen auszeichnet und die Angebotslandschaft für tagesstrukturierende Maßnahmen in Teilzeit gemessen am dargelegten und nachvollziehbaren Bedarf äußerst dürftig erscheint. Nach den unwidersprochen gebliebenen Darlegungen des Klägers insbesondere in der mündlichen Verhandlung, aber auch im Schriftsatz vom 22.09.2014, Seite 8, besteht im Raum Freiburg ein wesentlich höherer Bedarf an tagesstrukturierenden Angeboten für seelisch behinderte Menschen in Teilzeit, als solche angeboten werden. Hier dürfte sich insoweit eine Fehlentwicklung abzeichnen, als tagesstrukturierende Teilzeitangebote etwa für Träger von Werkstätten für behinderte Menschen bei ähnlichem (Organisations-)Aufwand aber halber Vergütung tendenziell unattraktiv sind. Gleichzeitig gibt es, wie die eindrücklich dargelegten Nutzerzahlen im streitgegenständlichen Projekt zeigen, kontinuierlich eine hohe Zahl an Personen mit Anspruch auf Eingliederungshilfe, die einem ganztägigen Angebot physisch oder psychisch gar nicht oder noch nicht gewachsen sind und die deshalb durch derartige Angebote überhaupt nicht erreicht werden könnten, während Teilzeitangebote mit (ggf. sehr) niedriger und im Verlauf flexibler Stundenzahl ihnen Halt und eine höchst sinnvolle Unterstützung gewähren können. Auch die Beklagte hat keine ernsthaften Zweifel am therapeutischen Wert der Maßnahme dargelegt, wenngleich sie in ihrem letzten Schriftsatz vom 20.01.2016 losgelöst vom streitigen Fall verallgemeinernd kritisiert, dass eine andere Auffassung (als ihre) dazu führe, dass Sozialhilfeträger sämtliche Einrichtungen dauerhaft vorhalten müssten, "die auch nur im Ansatz geeignet sind, Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten, die aber im Übrigen mit Sozialleistung wenig zu tun haben müssten". Einen solchen Rechtssatz entnimmt die Kammer § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I allerdings nicht. Die Beklagte verkennt mit dieser im Ansatz durchaus nachvollziehbaren Kritik, die sie a.a.O. auf die These stützt, dass ein Sozialhilfeträger nicht verpflichtet sei, "individuelle Notwendigkeiten und Bedürfnisse vorauszuahnen und [ihre Deckung] institutionell sicherzustellen", allerdings, dass diese Beschreibung dem streitgegenständlichen Zuverdienstprojekt des Klägers und seiner Zielgruppe nicht gerecht wird. Hier gibt es nichts mehr vorauszuahnen. Inhalt und Sinn der Maßnahme sind aus der langjährigen Erfahrung beider Beteiligten hinlänglich bekannt und dokumentiert. Die Reichweite der Maßnahme übersteigt bei weitem lediglich individuelle Notwendigkeiten von Einzelfällen. Auf die Annahme des LSG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 30 mit Verweis auf BVerwG (BVerwGE 94, 202), der zufolge Bedarfsgesichtspunkte im Ermessen über das Ob einer Leistungsvereinbarung gar nicht zu berücksichtigen seien, kommt es damit nicht an, weil ein hinreichender Bedarf grundsätzlich besteht. Von entscheidender Bedeutung ist (LSG Baden-Württemberg, a.a.O) die wissenschaftliche Vertretbarkeit der Maßnahme. An ihr hat die Kammer ebenso wie die darin übereinstimmenden Beteiligten und entsprechend den Empfehlungen des Deutschen Vereins keine Zweifel.
bb) Die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit, die in § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII zum Ausdruck kommen, sind für die Weite des Entschließungs- und Auswahlermessens und anschließend bei der Ausübung des ggf. reduzierten Ermessens von großer Bedeutung (LSG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 30). Dies wirkt sich allerdings in erster Linie auf der nachgelagerten Ebene der Vergütungsvereinbarung aus. Zu Unrecht führt die Beklagte in diesem Zusammenhang ihre Sorge an, dass das Klagebegehren auf eine unzulässige Doppelfinanzierung hinauslaufe. Dies überzeugt aus mehreren Gründen nicht. Zum einen macht eine Leistungs- mit sich anschließender Vergütungsvereinbarung ein Fortbestehen der laufenden freiwilligen Zuwendungen für den Zuverdienstbereich wohl ganz entbehrlich und für die Tagesstätte könnte die Beklagte ihre Förderung nötigenfalls reduzieren. Jedenfalls hätte es die Beklagte in der Hand, diese Förderlinie mit den (später erst noch auszuhandelnden) Vergütungsansprüchen des Klägers abzustimmen. Des Weiteren verkennt die Beklagte mit ihrer Sorge vor einer Doppelfinanzierung, dass sie es bei den Vergütungsverhandlungen selbst in der Hand hat, auf bereits anderweitig finanzierte personelle und/oder sachliche Infrastruktur der Tagesstätte durch eine entsprechend reduzierte Vergütung im Zuverdienstbereich zu reagieren. Wenn und soweit die Finanzierung einer Kostenart bereits ganz oder teilweise anderweitig berücksichtigt ist (wie vermutlich bei Gemeinkosten mit der Tagesstätte beim Winterdienst, bei der Treppenhausbeleuchtung, bei Wartungskosten der Heizungsanlage, etc.), sollte eine an der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ausgerichtete Vergütungsregelung dies selbstverständlich aufgreifen. Der hier allein streitigen vorgelagerten Ebene einer Leistungsvereinbarung steht dies ersichtlich nicht entgegen. Im Übrigen ist die Darstellung der Beklagten, dass die (anderweitig finanzierte) Tagesstätte und der hier streitgegenständliche Zuverdienst eine sachlich und räumlich untrennbare Einheit bilden würden, angesichts der Angaben unter § 2 des Vertragsangebots des Klägers zu den tatsächlichen Begebenheiten vor Ort und der ergänzenden Erläuterung der Klägervertreterin in der mündlichen Verhandlung so nicht nachvollziehbar. Vielmehr dürfte es zwar – aus der Sorge vor oder aus der tatsächlichen Not permanenter Unterfinanzierung entstandene – punktuell räumliche Überschneidungen geben, eine getrennte Kostenrechnung erscheint jedoch nach den geschilderten Raumverhältnissen durchaus möglich. Möglicherweise kann der Kläger die Bedenken der Beklagten auch durch weitere Anpassungen seines Raumkonzepts, z.B. durch – dank gesicherter Finanzierung nun möglich werdender Erweiterungen – noch ausräumen. Die vom Kläger zitierte Arbeitshilfe des Deutschen Vereins, zu dessen rund 2000 Mitgliedern insbesondere Sozialhilfeträger zählen (Quelle: https://www.deutscher-verein.de/de/wir-ueber-uns-1162.html) über Zuverdienstmöglichkeiten im Bereich des SGB XII spricht sich unter Ziff. 3. auf Seite 11 ausdrücklich dafür aus, dass als Leistungsanbieter solcher Projekte neben zahlreichen anderen Anbietern etablierter Leistungsarten auch Tagesstätten in Betracht kommen. Allen genannten Anbietern ist naturgemäß gemein, dass sie über vorbestehende Strukturen verfügen, deren vorbestehende Finanzierung bei der Erweiterung des Angebotes um einen Zuverdienstbereich und der Erschließung neuer Finanzierungsgrundlagen u.a. durch eigene Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen (für die sich der Deutsche Verein a.a.O. unter Ziff. 4 ebenfalls ausspricht) zu berücksichtigen ist. Grundlegende Hindernisse sind dabei nicht ersichtlich.
cc) In diesem Zusammenhang ist es entgegen der Beklagtenauffassung unerheblich, dass aus der Perspektive der Leistungsempfänger die Aufnahme in den Zuverdienstbereich in der Regel eine Ermessensleistung ist. Der Begründungsansatz der Beklagten, dass nicht vorgehalten werden müsse, worauf kein gebundener Anspruch bestehe, ist ein Zirkelschluss. Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX sind einer zum berechtigten Personenkreis des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehörenden Person zu erbringen, wenn und soweit diese einen entsprechenden Bedarf aufweist. Das "Ob" der Leistung unterliegt dann keinem Ermessensspielraum (anders bei Personen mit einer Behinderung nach § 53 Abs. 1 Satz 2 SGB XII), sondern nur die Auswahl der geeigneten Leistung unter Berücksichtigung insbesondere des Wirtschaftlichkeitsgebotes einerseits und des Wunsch- und Wahlrechtes des Leistungsempfängers andererseits. Zu einer solchen Auswahlentscheidung könnte es gar nicht erst kommen, wenn eine Leistung, die – wie die vorliegende – für eine Vielzahl von teilhabeberechtigten Personen grundsätzlich in Betracht kommt, mangels Leistungsvereinbarung (und sich anschließender Vergütungsvereinbarung) gar nicht erst von Leistungserbringern angeboten wird.
dd) Das von der Beklagten vor allem hinsichtlich der Beratungsanteile des Zuverdienstprojektes beanstandete Fehlen eines Bedarfs an der angebotenen Leistung ist für den Anspruch des Klägers auf Abschluss einer Leistungsvereinbarung dem Grunde nach unbeachtlich. In diesem Zusammenhang gilt es zu beachten, dass sich die Beklagte gegenüber mehreren Anbietern einer Leistungsart wettbewerbsneutral zu verhalten hat. Das Vorhandensein eines Anbieters für eine bestimmte Leistung ist für den Anspruch eines weiteren auf Abschluss einer Vereinbarung über dieselbe Leistung nicht nur nicht hinderlich, sondern im Gegenteil ist die in § 5 SGB XII geregelte Nachrangigkeit von Angeboten in hoheitlicher Trägerschaft und der dort verankerte Schutz der freien Wohlfahrtspflege gerade Ausdruck des gesetzgeberischen Ziels einer breiten Anbieterlandschaft (LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 13.07.2006, Az. L 7 SO 1902/06 ER-B Rn. 30). Der Verweis der Beklagten auf den Sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie (Schriftsatz vom 18.06.2014, Seite 6) verfängt daher – an dieser Stelle – nicht. Von Bedeutung ist dieser Einwand allerdings bei der konkreten Ausgestaltung der Leistungsvereinbarung (s.u. d).
ee) Auch die übrigen Voraussetzungen für den Abschluss einer Leistungsvereinbarung sind erfüllt. Der Kläger ist gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII unter Berücksichtigung seiner Leistungsfähigkeit und der Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Abs. 1 SGB XII in Ansehung seiner langjährigen Erfahrung und tatsächlichen Leistungserbringung unter rechtlich und wirtschaftlich schwierigeren Rahmenbedingungen zur Erbringung der Leistungen - unstreitig – geeignet.
ff) Die eher praxisbezogenen Bedenken der Beklagten gegen eine Überführung des Projektes in die förmliche enge Struktur der Eingliederungshilfe (Antragstellung, Klärung der medizinischen Anspruchsvoraussetzungen, Bedarfsermittlung durch Hilfeplangespräch, Einkommens- und Vermögensprüfung) und die für die Betroffenen ohne Zweifel sinnvollen Vorteile einer Beibehaltung des bisherigen "niederschwelligen Zugangs" - letztere sieht auch der Kläger - skizzieren ein erhebliches Spannungsfeld, dessen sich die Kammer bewusst ist. Eine einfache Lösung drängt sich trotz der grundsätzlichen Verpflichtung der Beklagten aus § 17 Abs. 1 Nr. 3 SGB I, das Verwaltungsverfahren einfach zu gestalten, nicht auf. Insbesondere ist die gesetzlich vorgeschriebene (§ 19 Abs. 3 SGB XII) Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Leistungsberechtigten (sowie der nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihrer Eltern) bei einer Leistungsgewährung im Rahmen der Eingliederungshilfe unausweichlich. Die vom Kläger in mündlicher Verhandlung anhand eines Beispiels dargelegte Gefahr, dass Personen, die von dem Zuverdienstprojekt eigentlich profitieren würden, die sich aber wegen einer anstehenden Einkommens-/Vermögensprüfung (im dortigen Beispiel des Ehegatten) abwenden, wird sich nach der Überführung in das Eingliederungshilferecht noch beträchtlich verschärfen, da hier bereits ab Beginn (und nicht erst im Folgejahr) systematisch Einkommen und Vermögen zu prüfen sein werden. Diesen Nachteil nimmt der Kläger jedoch offenbar unter Abwägung mit den Vorteilen besserer Planbarkeit und soliderer Finanzierung in Kauf. Diese Abwägung zu treffen obliegt allein ihm.
d) Das Auswahlermessen der Beklagten bei Abschluss einer Leistungsvereinbarung ist entgegen der Klägeransicht nicht eingeschränkt. Der Inhalt der nach diesem Urteil abzuschließenden Leistungsvereinbarung unterliegt noch der weiteren Ausgestaltung durch die Beteiligten. Inhaltliche Verhandlungen haben bislang nicht ernsthaft stattgefunden, weil die Beklagte auf dem Standpunkt steht, dass eine Leistungsvereinbarung gar nicht abzuschließen ist. Entgegen der Ansicht des Klägers führt der Umstand, dass die Beklagte bislang nicht auf seine Angebote einer Leistungsvereinbarung (Entwurf aus November 2012 - Gerichtsakte Blatt 21 und Anlage K1 zur Klageschrift vom 10.04.2014 - Gerichtsakte Blatt7) eingegangen ist, für sich allein nicht zu einer Begrenzung der Gestaltungsfreiheit bzw. des Auswahlermessens der Beklagten. Ausgehend von ihrem - vertretbaren - Rechtsstandpunkt, dass eine Leistungsvereinbarung gar nicht abzuschließen ist, war die Beklagte bislang nicht verpflichtet, dem Kläger ihrerseits ein Vertragsangebot nach ihren Vorstellungen zu unterbreiten. Konstruktive Verhandlungen werden sich vielmehr erst nach rechtskräftiger Entscheidung über die Frage anschließen können, ob eine Leistungsvereinbarung überhaupt abzuschließen ist. Die Beklagte war und ist daher nicht verpflichtet, genau das ihr vom Kläger unterbreitete Vertragsangebot anzunehmen. Das Auswahlermessen der Beklagten ist auch nicht dadurch reduziert, dass die im letzten Vertragsangebot des Klägers enthaltenen Regelungen alternativlos wären. Im Gegenteil fallen insoweit zum einen eine Regelungslücke auf (keine Laufzeit gemäß § 77 SGB XII) und zumindest hinsichtlich folgender Punkte weiterer Klärungsbedarf über die genaue Ausgestaltung der Leistung:
&61485; Offener Dissens über (mind. teilweise) Erwerbsfähige als Zielgruppe (Gerichtsakte Blatt 95), &61485; Vorschlag zur regelmäßig abweichenden Freibetragsregelung in § 4c des Vertrags entgegen den Empfehlungen des Deutschen Vereins (a.a.O. Seite 10) und entgegen dem engen Wortlaut der Öffnungsklausel § 82 Abs. 3 Satz 3 SGB XII, &61485; Art und Maß der auch aufsuchenden und begleitenden "Grundständigen Beratung" in § 4 a) des Vertrags angesichts möglicher Überschneidungen mit freiwilligen oder zwingenden Aufgaben Dritter (z.B. rechtliche Betreuer; Beratung im Rahmen ambulant betreuten Wohnens), &61485; Maß psychosozialer Betreuung (lt. § 4 a des Vertrags wöchentlich fix 90 Minuten) und deren Verhältnis (lt. § 4 a "unabhängig") zum Maß der Arbeitsstunden (lt. § 4 b des Vertrags wöchentlich flexibel mind. 1 Stunde) angesichts der kritischen Einschätzung der Beklagten (Gerichtsakte Blatt 41).
Etwaige Überschneidungen der grundständigen Beratung mit Angeboten anderer Leistungserbringer und anderer Leistungsarten (z.B. Betreutes Wohnen, rechtliche Betreuung) werfen bei der zeitlichen Gestaltung insbesondere die Frage nach einem hinreichenden Sachzusammenhang mit der im Schwerpunkt angebotenen Leistung (Zuverdienst) und nach der Leistungsfähigkeit des Angebotes – auch im Vergleich zu den Angeboten anderer Anbieter (§ 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII) – auf. Erst wenn sich im weiteren Verlauf abzeichnet, dass über den Inhalt eines Vertrags abschließend keine Einigkeit zu erzielen ist, kommt auch insoweit gerichtlicher Rechtsschutz in Betracht.
3. Im Übrigen ist die Klage abzuweisen, weil der Hauptantrag des Klägers aus den vorstehenden Gründen (2. d) unbegründet ist. Er hat keinen Anspruch auf Abschluss genau seines Vertragsangebotes aus der Klageschrift.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 161 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Sie entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG, § 154 Abs. 1 VwGO).
Rechtskraft
Aus
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BWB
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