Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 19 AS 204/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 182/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 15. März 2016 wird aufgehoben.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig SGB II-Leistungen für die Zeit vom 15. bis 28. Februar 2016 in Höhe von 607,63 EUR und für die Zeit vom 1. März bis 31. Juli 2016 in Höhe von 1.215,25 EUR monatlich zu bewilligen und zu zahlen.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2016.
Der ... geborene Antragsteller zu 1 ist rumänischer Staatsbürger. Er zog mit seiner ... geborenen Tochter P. S. im November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland und nahm vom 1. Februar bis 3. März 2015 eine Tätigkeit als Lagerhelfer für 11,5 Stunden wöchentlich und einem monatlichen Bruttoverdienst von 451,00 EUR auf. Beide bewohnten eine gemeinsame Wohnung. Am 17. Februar 2015 beantragte der Antragsteller zu 1. erstmals Leistungen nach dem SGB II, die mit Bescheid vom 19. März 2015 bewilligt wurden. Am 10. Juli 2015 zogen die Ehefrau des Antragstellers zu 1, die ... geborene Antragstellerin zu 2., und der gemeinsame Sohn, der im Jahr 2001 geborene Antragsteller zu 3., in die gemeinsame Wohnung. Mit einem Bescheid vom 16. Juli 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern und der Tochter des Antragstellers zu 1. Leistungen vom 1. Juli 2015 bis 31. Januar 2016.
Bei der Bedarfsberechnung der Kosten der Unterkunft (KdU) in Gesamthöhe von 495,00 EUR ging der Antragsgegner von einer tatsächlichen
Grundmiete: 300,00 EUR,
Heiz- und Warmwasserkosten: 75,00 EUR,
Nebenkosten: 120,00 EUR,
für die von der vierköpfigen Familie bewohnten 3-Zimmerwohnung aus.
Der Antragsgegner zu 3. erhält seit Februar 2016 190,00 EUR Kindergeld monatlich.
Den Weiterbewilligungsantrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Januar 2016 ab und führte zur Begründung aus: Das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1. habe am 3. März 2015 geendet, sodass er die Arbeitnehmereigenschaft für weitere sechs Monate behalten habe. Seit dem 1. Februar 2016 seien daher die gesetzlichen Voraussetzungen weggefallen.
Hiergegen legten die Antragsteller – anwaltlich vertreten – noch im Februar Widerspruch ein und machten geltend: Der Antragsgegner zu 3. sei der Sohn des Antragstellers zu 1. und besuche seit dem 27. August 2015 die Förderschule "A. H." in K. Nach einem Zeugnis vom 29. Januar 2016 habe er die zweite Klasse regelmäßig besucht. Der Antragsteller zu 3. habe ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung/EU Nr. 492/2011 vom 5. April 2011. Seine Eltern könnten daher ein Recht auf Aufenthalt geltend machen. Der Antragsteller zu 3. habe sein Aufenthaltsrecht aus der damals noch bestehenden Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 1. begründet.
Am 15. Februar 2016 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und ausgeführt: Nach der Begründung des Widerspruchs sei die Leistungsverweigerung rechtswidrig. Die Eilbedürftigkeit wegen einer wirtschaftlichen Notlage werde mit den vorgelegten Kontoauszügen belegt. Hiernach habe das Guthaben am 3. Februar 2016 nur noch 456,66 EUR betragen.
Für P. S. hat der Prozessbevollmächtigte nach Ablehnung des gesonderten Leistungsantrages durch den Beigeladenen einen eigenständigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, den das SG mit Beschluss vom 16. März 2016 abgelehnt hat (S 29 SO 8/16 ER). Das nachfolgende Beschwerdeverfahren ist beim 8. Senat des Landesozialgerichts Sachsen-Anhalt anhängig.
Der Antragsgegner hat seine Entscheidung verteidigt und geltend gemacht: Der Antragsteller zu 1. habe als Lagerhelfer bei der Fa. G. P. I. GmbH regelmäßig 11,5 Stunden wöchentlich gearbeitet und im Februar ein Nettoentgelt von 271,71 EUR erhalten. Weitere Beschäftigungen hätten weder der Antragsteller zu 1. noch die Antragstellerin zu 2. aufgenommen. Die Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft habe im September 2015 geendet. Aus dem Schulbesuch des Antragstellers zu 3. ergebe sich keine Freizügigkeitsberechtigung nach § 3 Abs. 4 FreizügigG/EU i.V.m. Art. 12 VO (EWG) 1612/68 bzw. Art 10 VO 492/2011. Der Antragsteller zu 1. sei nicht als Wanderarbeiter im Sinne der Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen vom 18. Dezember 1990 anzusehen. Daher sei für ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 1. und zu 2. kein Raum. Dieses werde nach dem Terminbericht des BSG vom 16. Dezember 2015 (B 14 AS 33/14 R) und vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 43/15) nur angenommen, wenn es sich um das Kind eines Wanderarbeiters handele, dessen Arbeitszeiten und Tätigkeiten als tatsächliche Beschäftigungen im Sinne des Art. 10 der VO (EG) 492/2011 anzusehen seien. Bei Aufnahme des Schulbesuchs durch den Antragssteller zu 3. sei der Antragsteller zu 1. nicht Wanderarbeiter, sondern nur noch freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger gewesen.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2016 hat das SG den Landkreis B. beigeladen.
Der Beigeladene hat ausgeführt: Nach seiner Auffassung hätten die Antragssteller zu 1. und 2. ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Einmal erworbene Aufenthaltsrechte eines Kindes endeten erst nach der Beendigung der Ausbildung. Solange die zuständige Ausländerbehörde den Verlust eines Aufenthaltsrechtes nicht festgestellt habe, sei von dessen Fortbestehen auszugehen. Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) seien nicht gegeben.
Die Antragsteller haben demgegenüber vorgetragen: Das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2015 (B 14 AS 33/14 R) sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Dort habe der alleinerziehende Elternteil nie in Deutschland gearbeitet. Vorliegend sei der Antragsgegner zunächst selbst davon ausgegangen, dass der Antragsteller zu 1. wegen seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt sei. Nach der EuGH-Rechtsprechung genüge es, wenn ein Elternteil zunächst das Aufenthaltsrecht als Wanderarbeiter gehabt habe. Es werde daher zwischen Aufenthaltsrecht und Tätigkeit als Wanderarbeiter unterschieden.
Mit Beschluss vom 15. März 2016 hat das SG den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Antragsteller zu 1. und zu 2. keiner Beschäftigung nachgingen und daher kein Aufenthaltsrecht hätten. Ein Aufenthaltsrecht ergebe sich auch nicht aus dem Schulbesuch des Antragsgegners zu 3. seit August 2015. Gemäß Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 könnten Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats beschäftigt sei, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen, wenn sie im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates wohnen. Die Voraussetzungen des Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 seien jedoch nicht gegeben, da der Antragsteller zu 1. bereits arbeitslos gewesen sei, als der Antragsteller zu 3. den regelmäßigen Schulbesuch aufgenommen habe. Das Aufenthaltsrecht aus der Ausbildung setze voraus, dass es sich um das Kind eines Arbeitnehmers handele. Die Auffassung der Antragsteller führe dazu, dass eine beendete frühere Beschäftigung genüge, um ein Aufenthaltsanspruch nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 zu begründen. Diese Rechtsfolge könne der EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht entnommen werden. Schulbesuch des Kindes und Arbeitnehmereigenschaft des Elternteils müssten daher zeitlich zusammenfallen. Auch die Voraussetzungen eines Existenzsicherungsanspruchs nach dem SGB XII seien nicht gegeben.
Die Antragsteller haben nach Zustellung des Beschlusses am 17. März 2016 am 6. April 2016 Beschwerde beim SG eingelegt und ergänzend ausgeführt: Die Forderung einer Gleichzeitigkeit von tatsächlicher Erwerbstätigkeit des Elternteils und Ausbildung des Kindes sei fragwürdig. Es genüge, wenn nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 ein Elternteil irgendwann einmal beschäftigt gewesen sei. So müsse auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 23. Februar 2010 (C-480/08) verstanden werden. Überdies habe der Antragsteller zu 1. seine Beschäftigung unfreiwillig verloren. Hilfsweise hätten die Antragsteller einen Leistungsanspruch nach dem SGB XII. Sie seien unstreitig hilfebedürftig.
Die Antragsteller beantragen nach ihren schriftlichen Ausführungen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 15. März 2016 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt schriftlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt: Den Antragsstellern stehe kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 zu, da zum Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung des Antragstellers zu 3. der Antragsteller zu 1. bereits arbeitslos gewesen sei. Die mögliche Fortwirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß § 2 Abs. 3 FreizügigG/EU genüge hierfür nicht. Diese Rechtsauffassung werde auch durch die Rechtsprechung LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 15. 1. 2016, L 15 AS 226/15 B ER [juris]) bestätigt.
Der Beigeladene, dessen schriftlichen Vorbringen kein sinngemäßer Antrag zu entnehmen ist, hat an seiner bisherigen Bewertung festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des SG vom 15. März 2016 ist zulässig, insbesondere nach den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Denn der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstands für eine Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR ist überschritten.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelungsabwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RN 16 b).
Dabei müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. 11. 2002, 1 BvR/02, juris), wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren – wie vorliegend – vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt. Dies gilt auch, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten ist. Zudem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. 11. 2002, a.a.O.). Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern.
Unter Anwendung dieser Grundsätze war vorliegend im Rahmen einer Folgenabwägung zu Gunsten der Antragsteller zu entscheiden. Derzeit spricht mehr für als gegen das Bestehen eines SGB II-Anspruchs der Antragsteller.
1. Ein Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruchs der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist glaubhaft gemacht.
Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB II sind gegeben.
Die Antragsteller bilden eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 4. SGB II. Sie haben mit Ausnahme des Antragstellers zu 3. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Sie sind erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 SGB II. Anhaltspunkte für eine fehlende (gesundheitliche) Erwerbsfähigkeit liegen nicht vor. Sie haben ferner ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte nicht zu Lasten der Antragsteller ein. Die Antragsteller verfügen voraussichtlich über ein materielles Aufenthaltsrecht (vgl. zum Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: BSG, Urteil vom 3. 12. 2015 - B 4 AS 44/15 R, juris). Hierfür sind folgende Überlegungen maßgeblich:
Der Antragsteller zu 1. hat von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht, ist in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, hat eine Wohnung genommen und in der Zeit vom 1. Februar bis 3. März 2015 eine berufliche Tätigkeit als Lagerhelfer aufgenommen. Mit dieser Tätigkeit hat er ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer erworben.
Der Arbeitnehmerbegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist ausschließlich im Lichte des Unionsrechts, hier speziell im Sinne des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts auszulegen und zu verstehen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. 11. 2015, L 6 AS 197/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. 01. 2016, L 19 AS 29/16 B ER, zitiert nach juris). Hierbei ist der unionsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Art. 45 AEUV zu prüfen. Die Arbeitnehmereigenschaft ist nach dem EuGH zu bejahen, wenn eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird. Dies ist gestützt auf objektive Kriterien und in einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen, festzustellen (EuGH, Urteile vom 6. 11. 2003 Ninni-Orasche - C-413/01 und vom 21. 2. 2013 - C-46/12; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Um Arbeitnehmer zu sein, muss die betreffende Person während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Auch bei "geringfügig Beschäftigten" ist zu prüfen, ob die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung &8722; trotz der geringen Arbeitszeiten &8722; als "tatsächlich und echt" angesehen werden kann (Arbeitnehmereigenschaft bejahend bei einer Arbeitsleistung von 5,5 Stunden wöchentlich und einem Verdienst von 175,00 EUR monatlich: EuGH, Urteil vom 4. 2. 2010 Genc C-14/09; zu einem Fall ohne vertragliche Mindestarbeitsleistung: EuGH, Urteil vom 26. 2. 1992 Raulin C-357/89; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses (EuGH, Urteil vom 4.2. 2010 a.a.O.; vgl. zusammenfassend: BSG, Urteil vom 3. 12. 2015 - B 4 AS 44/15 R).
Hier hat der Antragsteller zu 1. im genannten Zeitraum 11 Stunden wöchentlich gearbeitet und ein monatliches Bruttoeinkommen von 451,00 EUR erzielt. Der Umstand, dass das Beschäftigungsverhältnis nur fünf Wochen bestanden hat, spricht nicht gegen die Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 1. und das Fehlen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit. Schließlich wird seine Einlassung, er habe die Beschäftigung unfreiwillig verloren, vom Antragsgegner nicht angezweifelt. Eine nähere Prüfung wäre ggf. im Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Die Tätigkeit des Antragstellers zu 1. ist auch nicht als eine untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit zu bewerten, sondern stellt eine echte und tatsächliche Tätigkeit im Sinne von Art. 45 AEUV dar. Davon ist auch der Antragsgegner bis zum 31. Januar 2016 ausgegangen, indem er SGB-II Leistungen bis zum 31. Januar 2016 gewährt hat. Der Arbeitnehmerbegriff der VO 492/11/EU unterscheidet sich nicht von dem Arbeitnehmerbegriff im Freizügigkeitsrecht nach Art. 45 AEUV. Denn nach den Erwägungsgründen 2 bis 6 der Verordnung sollen in der Verordnung Bestimmungen festgelegt werden, mit denen die in den Artikeln 45 und 46 AEUV auf dem Gebiet der Freizügigkeit festgelegten Ziele erreicht werden können, wobei die in der Verordnung konkretisierten Rechte gleichermaßen Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern, Grenzarbeitnehmern oder Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ausüben, zustehen sollen, wie dies der Erwägungsgrund 5 beschreibt (vgl. überzeugend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. 1. 2016, L 19 AS 29/16 B ER, zitiert nach juris).
Zugunsten des Antragstellers zu 1. wirkte damit gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU die unionsrechtlich bestehende Freizügigkeitsberechtigung mindestens bis zum 3. September 2015, d.h. für die Dauer von sechs Monaten nach dem unfreiwilligen Verlust des Arbeitsplatzes. Dadurch hat der Antragsteller zu 3., der im Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, und am 27. August 2015 seinen regelmäßigen Schulbesuch aufnahm, dies zu einem Zeitpunkt getan, als das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1. nach dem FreizügG/EU noch rechtlich fortwirkte.
Daher kann sich der Antragsteller zu 3. auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO 492/11/EU; zuvor Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 vom 15.10.1968) berufen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Danach können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Art. 10 VO 492/11/EU verleiht den Kindern eines Arbeitnehmers ein eigenes Recht auf Zugang zum Unterricht an einer allgemein bildenden Schule und damit ein autonomes, d.h. nicht vom Aufenthaltsrecht seiner Eltern abhängiges, eigenständiges Aufenthaltsrecht. Dieses Recht hängt weder von der Rechtsstellung als Kind, dem Unterhalt gewährt wird, noch von dem Recht der Eltern auf Aufenthalt im Aufnahmestaat ab. Es gilt für Kinder von Arbeitnehmern wie auch für die Kinder ehemaliger Arbeitnehmer. Art. 10 VO 492/11/EU verlangt nur, dass das Kind mit seinem Eltern und seinem Elternteil in der Zeit in einem Mitgliedsstaat lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte (vgl. EuGH, Urteile vom 13. 6. 2013 - C 45/12 -, vom 14. 6. 2012 - C-542/09 -, vom 6. 9. 2012 Czop und Punakova - C-147/11/148/11 - und vom 23. 2. 2010 Ibrahim - C 310/08 - und Teixeira - C-480/08).
Die restriktive Rechtsauffassung des LSG Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 15. Januar 2016, L 15 AS 226/15 B ER, juris, die sich der Antragsgegner zu Eigen gemacht hat, wird der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union nicht gerecht. Bereits nach dem Wortlaut verlangt die Verordnung nicht, dass ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Kinder eine gleichzeitige berufliche Tätigkeit des Elternteils voraussetzt. Dies ergibt sich aus der Formulierung "beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist". Das vom Antragsgegner angenommene Junktim zwischen tatsächlicher Arbeitstätigkeit und Aufnahme einer Ausbildung ist nicht unionskonform und führt zu Ergebnissen, die mit den Zielen des Freizügigkeitsrechts nicht zu vereinbaren sind.
Damit hat der Antragsteller zu 3. aus Art. 10 VO 492/11/EU ein Recht auf Zugang zum allgemeinen Unterricht sowie zur Lehrlings- und Berufsausbildung erworben. Dieses Recht impliziert ein Aufenthaltsrecht des Kindes eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers, wenn es seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat fortsetzt. Der Antragsteller zu 3. hat auch eine Ausbildung i.S.v. Art. 10 VO 492/11/EU aufgenommen und noch nicht beendet. Er nimmt am Unterricht einer Förderschule i.S.v. Art. 10 VO 492/11/EU teil. Er ist Schüler der "A. H."-Schule und besucht die 2. Klasse. Der Antragsteller hat nur an 11 Tagen entschuldigt gefehlt. Mithin ist von einem regelmäßigen Schulbesuch auszugehen. Die Antragsteller zu 1. und 2. nehmen ihre elterliche Sorge für den Antragsteller zu 3. wahr. Als sorgeberechtigte Elternteile haben sie daher ein aus Art. 10 VO 492/11 VO abgeleitetes Aufenthaltsrecht.
Die einmal erworbenen und fortbestehenden Ausbildungs- und Aufenthaltsrechte eines Kindes bzw. der Elternteile aus Art. 10 VO 492/11/EU bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig von den in der RL 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen ausreichender Existenzmittel sowie eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes fort und sind autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat regeln (EuGH, Urteil vom 23. 2. 2010 Ibrahim - C 310/08). Damit endet ein aus Art. 10 VO 492/11/EU abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines sorgeberechtigten Elternteils erst, wenn das aus Art. 10 VO 492/11/EU aufenthaltsberechtigte Kind seine Ausbildung beendet, volljährig wird, soweit es nicht weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf, oder der Verlust seines Aufenthaltsrechts nach den Vorschriften des FreizügG/EU festgestellt wird (vgl. überzeugend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. 1. 2016, a.a.O.). Eine solche Entscheidung der Ausländerbehörde liegt nicht vor.
Nach alledem sind den Antragstellern vorläufig SGB II-Leistungen zu gewähren. Diese belaufen sich monatlich auf einen Regelbedarf von insgesamt 1.034,00 EUR (364,00 EUR für Antragsteller zu 1. und zu 2. sowie 306,00 EUR für den Antragsteller zu 3.) Hinzu kommen als Bedarf die anteiligen KdU zu drei Vierteln. Dies ergibt bei einem KdU-Bedarf von insgesamt 495,00 EUR einen Betrag von 123,75 EUR pro Person (495./. 4 x 3 = 371,25./. 3 = 123,75), insgesamt also 371,25 EUR für die drei Antragsteller. Unter Berücksichtigung des Kindergeldes von 190,00 EUR für den Antragsteller zu 3. ergibt sich ein monatlicher Gesamtbedarf von 1.215,25 EUR. Für den Monat Februar 2016 ist dabei vom hälftigen Betrag auszugehen (607,63 EUR), denn die Antragsteller haben erst am 15. Februar 2016 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Für die Tage des Monats vor Inanspruchnahme des gerichtlichen Eilrechtsschutzes (1. bis 14 Februar 2016) werden regelmäßig keine rückwirkenden Leistungen gewährt, zudem haben die Antragsteller noch über Guthaben auf dem Girokonto verfügt. Leistungsbewilligungen für die Vergangenheit sind nur ausnahmsweise im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuzusprechen.
2. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben. Die Antragsteller haben ihre finanzielle Notlage durch Vorlage von Kontoauszügen nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig SGB II-Leistungen für die Zeit vom 15. bis 28. Februar 2016 in Höhe von 607,63 EUR und für die Zeit vom 1. März bis 31. Juli 2016 in Höhe von 1.215,25 EUR monatlich zu bewilligen und zu zahlen.
Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für beide Rechtszüge zu tragen.
Gründe:
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Antragsteller) begehren im Beschwerdeverfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Juli 2016.
Der ... geborene Antragsteller zu 1 ist rumänischer Staatsbürger. Er zog mit seiner ... geborenen Tochter P. S. im November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland und nahm vom 1. Februar bis 3. März 2015 eine Tätigkeit als Lagerhelfer für 11,5 Stunden wöchentlich und einem monatlichen Bruttoverdienst von 451,00 EUR auf. Beide bewohnten eine gemeinsame Wohnung. Am 17. Februar 2015 beantragte der Antragsteller zu 1. erstmals Leistungen nach dem SGB II, die mit Bescheid vom 19. März 2015 bewilligt wurden. Am 10. Juli 2015 zogen die Ehefrau des Antragstellers zu 1, die ... geborene Antragstellerin zu 2., und der gemeinsame Sohn, der im Jahr 2001 geborene Antragsteller zu 3., in die gemeinsame Wohnung. Mit einem Bescheid vom 16. Juli 2015 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern und der Tochter des Antragstellers zu 1. Leistungen vom 1. Juli 2015 bis 31. Januar 2016.
Bei der Bedarfsberechnung der Kosten der Unterkunft (KdU) in Gesamthöhe von 495,00 EUR ging der Antragsgegner von einer tatsächlichen
Grundmiete: 300,00 EUR,
Heiz- und Warmwasserkosten: 75,00 EUR,
Nebenkosten: 120,00 EUR,
für die von der vierköpfigen Familie bewohnten 3-Zimmerwohnung aus.
Der Antragsgegner zu 3. erhält seit Februar 2016 190,00 EUR Kindergeld monatlich.
Den Weiterbewilligungsantrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 20. Januar 2016 ab und führte zur Begründung aus: Das Arbeitsverhältnis des Antragstellers zu 1. habe am 3. März 2015 geendet, sodass er die Arbeitnehmereigenschaft für weitere sechs Monate behalten habe. Seit dem 1. Februar 2016 seien daher die gesetzlichen Voraussetzungen weggefallen.
Hiergegen legten die Antragsteller – anwaltlich vertreten – noch im Februar Widerspruch ein und machten geltend: Der Antragsgegner zu 3. sei der Sohn des Antragstellers zu 1. und besuche seit dem 27. August 2015 die Förderschule "A. H." in K. Nach einem Zeugnis vom 29. Januar 2016 habe er die zweite Klasse regelmäßig besucht. Der Antragsteller zu 3. habe ein Aufenthaltsrecht nach Art. 10 der Verordnung/EU Nr. 492/2011 vom 5. April 2011. Seine Eltern könnten daher ein Recht auf Aufenthalt geltend machen. Der Antragsteller zu 3. habe sein Aufenthaltsrecht aus der damals noch bestehenden Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 1. begründet.
Am 15. Februar 2016 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und ausgeführt: Nach der Begründung des Widerspruchs sei die Leistungsverweigerung rechtswidrig. Die Eilbedürftigkeit wegen einer wirtschaftlichen Notlage werde mit den vorgelegten Kontoauszügen belegt. Hiernach habe das Guthaben am 3. Februar 2016 nur noch 456,66 EUR betragen.
Für P. S. hat der Prozessbevollmächtigte nach Ablehnung des gesonderten Leistungsantrages durch den Beigeladenen einen eigenständigen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt, den das SG mit Beschluss vom 16. März 2016 abgelehnt hat (S 29 SO 8/16 ER). Das nachfolgende Beschwerdeverfahren ist beim 8. Senat des Landesozialgerichts Sachsen-Anhalt anhängig.
Der Antragsgegner hat seine Entscheidung verteidigt und geltend gemacht: Der Antragsteller zu 1. habe als Lagerhelfer bei der Fa. G. P. I. GmbH regelmäßig 11,5 Stunden wöchentlich gearbeitet und im Februar ein Nettoentgelt von 271,71 EUR erhalten. Weitere Beschäftigungen hätten weder der Antragsteller zu 1. noch die Antragstellerin zu 2. aufgenommen. Die Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft habe im September 2015 geendet. Aus dem Schulbesuch des Antragstellers zu 3. ergebe sich keine Freizügigkeitsberechtigung nach § 3 Abs. 4 FreizügigG/EU i.V.m. Art. 12 VO (EWG) 1612/68 bzw. Art 10 VO 492/2011. Der Antragsteller zu 1. sei nicht als Wanderarbeiter im Sinne der Internationalen Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen vom 18. Dezember 1990 anzusehen. Daher sei für ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 1. und zu 2. kein Raum. Dieses werde nach dem Terminbericht des BSG vom 16. Dezember 2015 (B 14 AS 33/14 R) und vom 3. Dezember 2015 (B 4 AS 43/15) nur angenommen, wenn es sich um das Kind eines Wanderarbeiters handele, dessen Arbeitszeiten und Tätigkeiten als tatsächliche Beschäftigungen im Sinne des Art. 10 der VO (EG) 492/2011 anzusehen seien. Bei Aufnahme des Schulbesuchs durch den Antragssteller zu 3. sei der Antragsteller zu 1. nicht Wanderarbeiter, sondern nur noch freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger gewesen.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2016 hat das SG den Landkreis B. beigeladen.
Der Beigeladene hat ausgeführt: Nach seiner Auffassung hätten die Antragssteller zu 1. und 2. ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Einmal erworbene Aufenthaltsrechte eines Kindes endeten erst nach der Beendigung der Ausbildung. Solange die zuständige Ausländerbehörde den Verlust eines Aufenthaltsrechtes nicht festgestellt habe, sei von dessen Fortbestehen auszugehen. Ansprüche nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe (SGB XII) seien nicht gegeben.
Die Antragsteller haben demgegenüber vorgetragen: Das Urteil des BSG vom 16. Dezember 2015 (B 14 AS 33/14 R) sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Dort habe der alleinerziehende Elternteil nie in Deutschland gearbeitet. Vorliegend sei der Antragsgegner zunächst selbst davon ausgegangen, dass der Antragsteller zu 1. wegen seiner Tätigkeit als Arbeitnehmer freizügigkeitsberechtigt sei. Nach der EuGH-Rechtsprechung genüge es, wenn ein Elternteil zunächst das Aufenthaltsrecht als Wanderarbeiter gehabt habe. Es werde daher zwischen Aufenthaltsrecht und Tätigkeit als Wanderarbeiter unterschieden.
Mit Beschluss vom 15. März 2016 hat das SG den Antrag abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Antragsteller zu 1. und zu 2. keiner Beschäftigung nachgingen und daher kein Aufenthaltsrecht hätten. Ein Aufenthaltsrecht ergebe sich auch nicht aus dem Schulbesuch des Antragsgegners zu 3. seit August 2015. Gemäß Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 könnten Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedsstaats beschäftigt sei, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedsstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen, wenn sie im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates wohnen. Die Voraussetzungen des Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 seien jedoch nicht gegeben, da der Antragsteller zu 1. bereits arbeitslos gewesen sei, als der Antragsteller zu 3. den regelmäßigen Schulbesuch aufgenommen habe. Das Aufenthaltsrecht aus der Ausbildung setze voraus, dass es sich um das Kind eines Arbeitnehmers handele. Die Auffassung der Antragsteller führe dazu, dass eine beendete frühere Beschäftigung genüge, um ein Aufenthaltsanspruch nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 zu begründen. Diese Rechtsfolge könne der EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht entnommen werden. Schulbesuch des Kindes und Arbeitnehmereigenschaft des Elternteils müssten daher zeitlich zusammenfallen. Auch die Voraussetzungen eines Existenzsicherungsanspruchs nach dem SGB XII seien nicht gegeben.
Die Antragsteller haben nach Zustellung des Beschlusses am 17. März 2016 am 6. April 2016 Beschwerde beim SG eingelegt und ergänzend ausgeführt: Die Forderung einer Gleichzeitigkeit von tatsächlicher Erwerbstätigkeit des Elternteils und Ausbildung des Kindes sei fragwürdig. Es genüge, wenn nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/11 ein Elternteil irgendwann einmal beschäftigt gewesen sei. So müsse auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 23. Februar 2010 (C-480/08) verstanden werden. Überdies habe der Antragsteller zu 1. seine Beschäftigung unfreiwillig verloren. Hilfsweise hätten die Antragsteller einen Leistungsanspruch nach dem SGB XII. Sie seien unstreitig hilfebedürftig.
Die Antragsteller beantragen nach ihren schriftlichen Ausführungen sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 15. März 2016 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt schriftlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt: Den Antragsstellern stehe kein abgeleitetes Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 zu, da zum Zeitpunkt des Beginns der Ausbildung des Antragstellers zu 3. der Antragsteller zu 1. bereits arbeitslos gewesen sei. Die mögliche Fortwirkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit gemäß § 2 Abs. 3 FreizügigG/EU genüge hierfür nicht. Diese Rechtsauffassung werde auch durch die Rechtsprechung LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 15. 1. 2016, L 15 AS 226/15 B ER [juris]) bestätigt.
Der Beigeladene, dessen schriftlichen Vorbringen kein sinngemäßer Antrag zu entnehmen ist, hat an seiner bisherigen Bewertung festgehalten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des SG vom 15. März 2016 ist zulässig, insbesondere nach den §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und nicht gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG ausgeschlossen. Denn der maßgebliche Wert des Beschwerdegegenstands für eine Berufung nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG von 750,00 EUR ist überschritten.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das SG hat zu Unrecht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Das Gericht kann nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer Regelungsanordnung ist gem. § 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) stets die Glaubhaftmachung des Vorliegens eines Anordnungsgrunds (die Eilbedürftigkeit der Regelungsabwendung wesentlicher Nachteile) und eines Anordnungsanspruchs (die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs). Der Beweismaßstab im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes erfordert im Gegensatz zu einem Hauptsacheverfahren für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen nicht die volle richterliche Überzeugung. Dies erklärt sich mit dem Wesen dieses Verfahrens, das wegen der Dringlichkeit der Entscheidung regelmäßig keine eingehenden, unter Umständen langwierigen Ermittlungen zulässt. Deshalb kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur eine vorläufige Regelung längstens für die Dauer des Klageverfahrens getroffen werden, die das Gericht der Hauptsache nicht bindet. Ein Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft gemacht, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen überwiegend wahrscheinlich sind. Dies erfordert, dass mehr für als gegen die Richtigkeit der Angaben spricht (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer: SGG, 11. Auflage 2014, § 86b RN 16 b).
Dabei müssen die Gerichte die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. 11. 2002, 1 BvR/02, juris), wenn das einstweilige Rechtsschutzverfahren – wie vorliegend – vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller eines Eilverfahrens nicht überspannen. Die Anforderungen haben sich vielmehr am Rechtsschutzziel zu orientieren, das der Antragsteller mit seinem Begehren verfolgt. Dies gilt auch, wenn der Amtsermittlungsgrundsatz zu beachten ist. Zudem müssen die Gerichte Fragen des Grundrechtsschutzes einbeziehen. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. 11. 2002, a.a.O.). Dies gilt insbesondere, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern.
Unter Anwendung dieser Grundsätze war vorliegend im Rahmen einer Folgenabwägung zu Gunsten der Antragsteller zu entscheiden. Derzeit spricht mehr für als gegen das Bestehen eines SGB II-Anspruchs der Antragsteller.
1. Ein Anordnungsanspruch im Sinne eines im Hauptsacheverfahren voraussichtlich durchsetzbaren Anspruchs der Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist glaubhaft gemacht.
Die Leistungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SGB II sind gegeben.
Die Antragsteller bilden eine Bedarfsgemeinschaft i.S.v. § 7 Abs. 3 Nr. 1, Nr. 4. SGB II. Sie haben mit Ausnahme des Antragstellers zu 3. das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II). Sie sind erwerbsfähig im Sinne von §§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 8 SGB II. Anhaltspunkte für eine fehlende (gesundheitliche) Erwerbsfähigkeit liegen nicht vor. Sie haben ferner ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 SGB I.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II greift nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren möglichen Prüfungsdichte nicht zu Lasten der Antragsteller ein. Die Antragsteller verfügen voraussichtlich über ein materielles Aufenthaltsrecht (vgl. zum Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II: BSG, Urteil vom 3. 12. 2015 - B 4 AS 44/15 R, juris). Hierfür sind folgende Überlegungen maßgeblich:
Der Antragsteller zu 1. hat von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht, ist in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, hat eine Wohnung genommen und in der Zeit vom 1. Februar bis 3. März 2015 eine berufliche Tätigkeit als Lagerhelfer aufgenommen. Mit dieser Tätigkeit hat er ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer erworben.
Der Arbeitnehmerbegriff des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist ausschließlich im Lichte des Unionsrechts, hier speziell im Sinne des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts auszulegen und zu verstehen (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 11. 11. 2015, L 6 AS 197/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. 01. 2016, L 19 AS 29/16 B ER, zitiert nach juris). Hierbei ist der unionsrechtliche Begriff des Arbeitnehmers im Sinne des Art. 45 AEUV zu prüfen. Die Arbeitnehmereigenschaft ist nach dem EuGH zu bejahen, wenn eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausgeübt wird. Dies ist gestützt auf objektive Kriterien und in einer Gesamtbetrachtung aller Umstände, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen, festzustellen (EuGH, Urteile vom 6. 11. 2003 Ninni-Orasche - C-413/01 und vom 21. 2. 2013 - C-46/12; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Um Arbeitnehmer zu sein, muss die betreffende Person während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält. Auch bei "geringfügig Beschäftigten" ist zu prüfen, ob die Tätigkeit aufgrund einer Gesamtbewertung &8722; trotz der geringen Arbeitszeiten &8722; als "tatsächlich und echt" angesehen werden kann (Arbeitnehmereigenschaft bejahend bei einer Arbeitsleistung von 5,5 Stunden wöchentlich und einem Verdienst von 175,00 EUR monatlich: EuGH, Urteil vom 4. 2. 2010 Genc C-14/09; zu einem Fall ohne vertragliche Mindestarbeitsleistung: EuGH, Urteil vom 26. 2. 1992 Raulin C-357/89; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses (EuGH, Urteil vom 4.2. 2010 a.a.O.; vgl. zusammenfassend: BSG, Urteil vom 3. 12. 2015 - B 4 AS 44/15 R).
Hier hat der Antragsteller zu 1. im genannten Zeitraum 11 Stunden wöchentlich gearbeitet und ein monatliches Bruttoeinkommen von 451,00 EUR erzielt. Der Umstand, dass das Beschäftigungsverhältnis nur fünf Wochen bestanden hat, spricht nicht gegen die Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 1. und das Fehlen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit. Schließlich wird seine Einlassung, er habe die Beschäftigung unfreiwillig verloren, vom Antragsgegner nicht angezweifelt. Eine nähere Prüfung wäre ggf. im Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Die Tätigkeit des Antragstellers zu 1. ist auch nicht als eine untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit zu bewerten, sondern stellt eine echte und tatsächliche Tätigkeit im Sinne von Art. 45 AEUV dar. Davon ist auch der Antragsgegner bis zum 31. Januar 2016 ausgegangen, indem er SGB-II Leistungen bis zum 31. Januar 2016 gewährt hat. Der Arbeitnehmerbegriff der VO 492/11/EU unterscheidet sich nicht von dem Arbeitnehmerbegriff im Freizügigkeitsrecht nach Art. 45 AEUV. Denn nach den Erwägungsgründen 2 bis 6 der Verordnung sollen in der Verordnung Bestimmungen festgelegt werden, mit denen die in den Artikeln 45 und 46 AEUV auf dem Gebiet der Freizügigkeit festgelegten Ziele erreicht werden können, wobei die in der Verordnung konkretisierten Rechte gleichermaßen Dauerarbeitnehmern, Saisonarbeitern, Grenzarbeitnehmern oder Arbeitnehmern, die ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit einer Dienstleistung ausüben, zustehen sollen, wie dies der Erwägungsgrund 5 beschreibt (vgl. überzeugend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. 1. 2016, L 19 AS 29/16 B ER, zitiert nach juris).
Zugunsten des Antragstellers zu 1. wirkte damit gemäß § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU die unionsrechtlich bestehende Freizügigkeitsberechtigung mindestens bis zum 3. September 2015, d.h. für die Dauer von sechs Monaten nach dem unfreiwilligen Verlust des Arbeitsplatzes. Dadurch hat der Antragsteller zu 3., der im Juli 2015 in die Bundesrepublik Deutschland einreiste, und am 27. August 2015 seinen regelmäßigen Schulbesuch aufnahm, dies zu einem Zeitpunkt getan, als das Aufenthaltsrecht des Antragstellers zu 1. nach dem FreizügG/EU noch rechtlich fortwirkte.
Daher kann sich der Antragsteller zu 3. auf ein Aufenthaltsrecht aus Art. 10 der Verordnung Nr. 492/2011 vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (VO 492/11/EU; zuvor Art. 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 vom 15.10.1968) berufen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O.). Danach können die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings- und Berufsausbildung teilnehmen. Art. 10 VO 492/11/EU verleiht den Kindern eines Arbeitnehmers ein eigenes Recht auf Zugang zum Unterricht an einer allgemein bildenden Schule und damit ein autonomes, d.h. nicht vom Aufenthaltsrecht seiner Eltern abhängiges, eigenständiges Aufenthaltsrecht. Dieses Recht hängt weder von der Rechtsstellung als Kind, dem Unterhalt gewährt wird, noch von dem Recht der Eltern auf Aufenthalt im Aufnahmestaat ab. Es gilt für Kinder von Arbeitnehmern wie auch für die Kinder ehemaliger Arbeitnehmer. Art. 10 VO 492/11/EU verlangt nur, dass das Kind mit seinem Eltern und seinem Elternteil in der Zeit in einem Mitgliedsstaat lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte (vgl. EuGH, Urteile vom 13. 6. 2013 - C 45/12 -, vom 14. 6. 2012 - C-542/09 -, vom 6. 9. 2012 Czop und Punakova - C-147/11/148/11 - und vom 23. 2. 2010 Ibrahim - C 310/08 - und Teixeira - C-480/08).
Die restriktive Rechtsauffassung des LSG Niedersachsen-Bremen im Beschluss vom 15. Januar 2016, L 15 AS 226/15 B ER, juris, die sich der Antragsgegner zu Eigen gemacht hat, wird der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union nicht gerecht. Bereits nach dem Wortlaut verlangt die Verordnung nicht, dass ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht der Kinder eine gleichzeitige berufliche Tätigkeit des Elternteils voraussetzt. Dies ergibt sich aus der Formulierung "beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist". Das vom Antragsgegner angenommene Junktim zwischen tatsächlicher Arbeitstätigkeit und Aufnahme einer Ausbildung ist nicht unionskonform und führt zu Ergebnissen, die mit den Zielen des Freizügigkeitsrechts nicht zu vereinbaren sind.
Damit hat der Antragsteller zu 3. aus Art. 10 VO 492/11/EU ein Recht auf Zugang zum allgemeinen Unterricht sowie zur Lehrlings- und Berufsausbildung erworben. Dieses Recht impliziert ein Aufenthaltsrecht des Kindes eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers, wenn es seine Ausbildung im Aufnahmemitgliedstaat fortsetzt. Der Antragsteller zu 3. hat auch eine Ausbildung i.S.v. Art. 10 VO 492/11/EU aufgenommen und noch nicht beendet. Er nimmt am Unterricht einer Förderschule i.S.v. Art. 10 VO 492/11/EU teil. Er ist Schüler der "A. H."-Schule und besucht die 2. Klasse. Der Antragsteller hat nur an 11 Tagen entschuldigt gefehlt. Mithin ist von einem regelmäßigen Schulbesuch auszugehen. Die Antragsteller zu 1. und 2. nehmen ihre elterliche Sorge für den Antragsteller zu 3. wahr. Als sorgeberechtigte Elternteile haben sie daher ein aus Art. 10 VO 492/11 VO abgeleitetes Aufenthaltsrecht.
Die einmal erworbenen und fortbestehenden Ausbildungs- und Aufenthaltsrechte eines Kindes bzw. der Elternteile aus Art. 10 VO 492/11/EU bestehen nach der Rechtsprechung des EuGH unabhängig von den in der RL 2004/38/EG festgelegten Voraussetzungen ausreichender Existenzmittel sowie eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes fort und sind autonom gegenüber den unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die die Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat regeln (EuGH, Urteil vom 23. 2. 2010 Ibrahim - C 310/08). Damit endet ein aus Art. 10 VO 492/11/EU abgeleitetes Aufenthaltsrecht eines sorgeberechtigten Elternteils erst, wenn das aus Art. 10 VO 492/11/EU aufenthaltsberechtigte Kind seine Ausbildung beendet, volljährig wird, soweit es nicht weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge dieses Elternteils bedarf, oder der Verlust seines Aufenthaltsrechts nach den Vorschriften des FreizügG/EU festgestellt wird (vgl. überzeugend LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. 1. 2016, a.a.O.). Eine solche Entscheidung der Ausländerbehörde liegt nicht vor.
Nach alledem sind den Antragstellern vorläufig SGB II-Leistungen zu gewähren. Diese belaufen sich monatlich auf einen Regelbedarf von insgesamt 1.034,00 EUR (364,00 EUR für Antragsteller zu 1. und zu 2. sowie 306,00 EUR für den Antragsteller zu 3.) Hinzu kommen als Bedarf die anteiligen KdU zu drei Vierteln. Dies ergibt bei einem KdU-Bedarf von insgesamt 495,00 EUR einen Betrag von 123,75 EUR pro Person (495./. 4 x 3 = 371,25./. 3 = 123,75), insgesamt also 371,25 EUR für die drei Antragsteller. Unter Berücksichtigung des Kindergeldes von 190,00 EUR für den Antragsteller zu 3. ergibt sich ein monatlicher Gesamtbedarf von 1.215,25 EUR. Für den Monat Februar 2016 ist dabei vom hälftigen Betrag auszugehen (607,63 EUR), denn die Antragsteller haben erst am 15. Februar 2016 den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Für die Tage des Monats vor Inanspruchnahme des gerichtlichen Eilrechtsschutzes (1. bis 14 Februar 2016) werden regelmäßig keine rückwirkenden Leistungen gewährt, zudem haben die Antragsteller noch über Guthaben auf dem Girokonto verfügt. Leistungsbewilligungen für die Vergangenheit sind nur ausnahmsweise im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zuzusprechen.
2. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben. Die Antragsteller haben ihre finanzielle Notlage durch Vorlage von Kontoauszügen nachgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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