Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AS 20/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 174/16 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei hinreichender Erfolgsaussicht.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 13.02.2016 - S 15 AS 20/15 - aufgehoben und dem Kläger für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt.
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsantrages die Anrechnung von Einkommen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger war unter anderem vom 29.10.2012 bis 18.11.2012 in der Schweiz beschäftigt. Ein Teil seines Lohnes wurde im November 2012 ausgezahlt, wobei eine Konventionalstrafe in Höhe von 1.288,90 CHF vom Arbeitgeber einbehalten wurde. Das tatsächlich im November 2012 zugeflossene Einkommen rechnete der Beklagte auf für diesen Zeitraum bewilligte Leistungen an.
Im Rahmen eines in der Schweiz stattfindenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber am 03.07.2013 1.705,67 EUR überwiesen, wobei sich die Bezeichnung "November Lohn" auf dem Kontoauszug findet. Mit Bescheid vom 26.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2013 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.08.2013 bis 30.09.2013 teilweise wegen des Zuflusses einmaligen Einkommens auf, das der Beklagte ab 01.08.2013 auf sechs Monate aufteilte. Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Aufgrund eines Weiterbewilligungsantrages des Klägers bewilligte der Beklagte Alg II für die Zeit vom 01.10.2013 bis 31.03.2014 unter Anrechnung des aufgeteilten einmaligen Einkommens in der Zeit vom 01.10.2013 bis 31.01.2014 (bestandskräftiger Bescheid vom 25.10.2013 in der Fassung des Bescheides vom 10.12.2013).
Den am 20.03.2014 gestellten Überprüfungsantrag für die Zeit vom 01.10.2013 bis 31.01.2014 lehnte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2014 ab. Das einmalige Einkommen vom 03.07.2013 sei zu Recht auf sechs Monate ab 01.08.2013 aufgeteilt worden. Es sei nicht ermittelbar, dass es sich um den Lohn für November 2012 handle. Geltend gemachte Werbungskosten seien tatsächlich nicht nachgewiesen und auch nur zu berücksichtigen, wenn sie notwendig seien. Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Das SG hat die Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2014 abgelehnt. Der am 03.07.2013 zugeflossene Betrag sei als Vergleichs- oder Abfindungsbetrag zu werten und daher als einmalige Leistung anzusehen. Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG-) ist zulässig und auch begründet. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7ff.). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).
Hinreichende Erfolgsaussichten sind vorliegend nicht zu verneinen. Es ist im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens zu klären, ob es sich bei dem am 03.07.2013 vom Arbeitgeber dem Kläger überwiesenen Betrag um eine Lohnnachzahlung gehandelt hat. Dafür spricht der Vermerk auf dem Kontoauszug "November Lohn", aber auch die überwiesene Summe unter Berücksichtigung der im November 2012 vom Arbeitgeber einbehaltenen Konventionalstrafe im Vergleich zu dem im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in der Schweiz vom Kläger geltend gemachten Anspruch. Ob es sich letztlich um eine Lohnnachzahlung und damit laufendes Einkommen handelt, das dann nicht aufgeteilt werden könnte, ist vom SG noch zu ermitteln, wobei es dem erstinstanzlichen Gericht wie auch dem Beklagten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht obliegt, den Sachverhalt durch eine Anfrage beim Arbeitgeber und gegebenenfalls auch - hinsichtlich vom Arbeitgeber dort vorgelegter Unterlagen - beim Gericht/Friedensrichteramt in der Schweiz aufzuklären, soweit der Kläger - wie von ihm bereits vorgetragen - solche Unterlagen nicht besitzt und damit nicht vorlegen kann. Zudem wird, soweit es sich um eine Lohnnachzahlung handelt, zu klären sein, welche Werbungskosten notwendig waren und nachzuweisen sind bzw. nachgewiesen werden können.
PKH war aufgrund der Angaben des Klägers im Fragebogen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Der Kläger wird dem SG noch mitzuteilen haben, welchen Bevollmächtigten er beigeordnet haben möchte ...
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Streitig ist im Rahmen eines Überprüfungsantrages die Anrechnung von Einkommen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Kläger war unter anderem vom 29.10.2012 bis 18.11.2012 in der Schweiz beschäftigt. Ein Teil seines Lohnes wurde im November 2012 ausgezahlt, wobei eine Konventionalstrafe in Höhe von 1.288,90 CHF vom Arbeitgeber einbehalten wurde. Das tatsächlich im November 2012 zugeflossene Einkommen rechnete der Beklagte auf für diesen Zeitraum bewilligte Leistungen an.
Im Rahmen eines in der Schweiz stattfindenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens erhielt der Kläger von seinem Arbeitgeber am 03.07.2013 1.705,67 EUR überwiesen, wobei sich die Bezeichnung "November Lohn" auf dem Kontoauszug findet. Mit Bescheid vom 26.07.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.11.2013 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung für die Zeit vom 01.08.2013 bis 30.09.2013 teilweise wegen des Zuflusses einmaligen Einkommens auf, das der Beklagte ab 01.08.2013 auf sechs Monate aufteilte. Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Aufgrund eines Weiterbewilligungsantrages des Klägers bewilligte der Beklagte Alg II für die Zeit vom 01.10.2013 bis 31.03.2014 unter Anrechnung des aufgeteilten einmaligen Einkommens in der Zeit vom 01.10.2013 bis 31.01.2014 (bestandskräftiger Bescheid vom 25.10.2013 in der Fassung des Bescheides vom 10.12.2013).
Den am 20.03.2014 gestellten Überprüfungsantrag für die Zeit vom 01.10.2013 bis 31.01.2014 lehnte der Beklagte mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2014 ab. Das einmalige Einkommen vom 03.07.2013 sei zu Recht auf sechs Monate ab 01.08.2013 aufgeteilt worden. Es sei nicht ermittelbar, dass es sich um den Lohn für November 2012 handle. Geltend gemachte Werbungskosten seien tatsächlich nicht nachgewiesen und auch nur zu berücksichtigen, wenn sie notwendig seien. Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) begehrt. Das SG hat die Bewilligung von PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 13.08.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2014 abgelehnt. Der am 03.07.2013 zugeflossene Betrag sei als Vergleichs- oder Abfindungsbetrag zu werten und daher als einmalige Leistung anzusehen. Dagegen hat der Kläger Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG-) ist zulässig und auch begründet. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des PKH- Beantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7ff.). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im PKH- Verfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). PKH muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als "schwierig" erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).
Hinreichende Erfolgsaussichten sind vorliegend nicht zu verneinen. Es ist im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens zu klären, ob es sich bei dem am 03.07.2013 vom Arbeitgeber dem Kläger überwiesenen Betrag um eine Lohnnachzahlung gehandelt hat. Dafür spricht der Vermerk auf dem Kontoauszug "November Lohn", aber auch die überwiesene Summe unter Berücksichtigung der im November 2012 vom Arbeitgeber einbehaltenen Konventionalstrafe im Vergleich zu dem im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in der Schweiz vom Kläger geltend gemachten Anspruch. Ob es sich letztlich um eine Lohnnachzahlung und damit laufendes Einkommen handelt, das dann nicht aufgeteilt werden könnte, ist vom SG noch zu ermitteln, wobei es dem erstinstanzlichen Gericht wie auch dem Beklagten im Rahmen der Amtsermittlungspflicht obliegt, den Sachverhalt durch eine Anfrage beim Arbeitgeber und gegebenenfalls auch - hinsichtlich vom Arbeitgeber dort vorgelegter Unterlagen - beim Gericht/Friedensrichteramt in der Schweiz aufzuklären, soweit der Kläger - wie von ihm bereits vorgetragen - solche Unterlagen nicht besitzt und damit nicht vorlegen kann. Zudem wird, soweit es sich um eine Lohnnachzahlung handelt, zu klären sein, welche Werbungskosten notwendig waren und nachzuweisen sind bzw. nachgewiesen werden können.
PKH war aufgrund der Angaben des Klägers im Fragebogen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ohne Ratenzahlung zu bewilligen. Der Kläger wird dem SG noch mitzuteilen haben, welchen Bevollmächtigten er beigeordnet haben möchte ...
Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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