Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 771/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1150/16 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine Verfestigung des Aufenthaltsrechts eines EU-Ausländers, die nach der Rechtsprechung des BSG das Ermessen des Sozialhilfeträgers nach
§ 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduzieren kann, kann auch bei Obdachlosigkeit und laufender Unterbringung in einer städtischen Notübernachtung eintreten.
L 7 SO 1150/16 ER-B
S 4 SO 771/16 ER
Beschluss
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch Beschluss vom 12.05.2016 für Recht erkannt:
§ 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduzieren kann, kann auch bei Obdachlosigkeit und laufender Unterbringung in einer städtischen Notübernachtung eintreten.
L 7 SO 1150/16 ER-B
S 4 SO 771/16 ER
Beschluss
Der 7. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in Stuttgart hat durch Beschluss vom 12.05.2016 für Recht erkannt:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 15. März 2016 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig ab dem 1. Mai 2016 bis zum Eintritt der Bestandskraft des Bescheides vom 11. Januar 2016 - längstens bis 30. Juni 2016 - Leistungen der Sozialhilfe nach dem SGB XII in Höhe von monatlich 328,20 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt 1/2 der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin in beiden Rechtszügen. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab 12. April 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung bewilligt und Rechtsanwalt W, F., beigeordnet.
Gründe:
1. Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch zum Teil begründet. Im Rahmen der vom Senat vorzunehmenden Folgenabwägung sind der Antragstellerin Leistungen der Sozialhilfe in Höhe von 80% des Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 1 nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 30. Juni 2016 vorläufig zu gewähren.
2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet das Begehren der Antragstellerin auf vorläufige Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Höhe des für sie maßgeblichen Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 1 (derzeit monatlich 404,00 EUR) für die Zeit vom 26. Februar 2016 bis zum 30. Juni 2016, nachdem die Antragsgegnerin den entsprechenden Leistungsantrag mit Bescheid vom 11. Januar 2016, der Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens (vgl. Widerspruch der Antragstellerin vom 3. Februar 2016) und damit nicht für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden ist, abgelehnt hat. Nicht geltend gemacht werden von der derzeit obdachlosen Antragstellerin Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl. dazu § 35 SGB XII).
3. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die Anträge nach § 86b Abs. 1 und 2 SGG sind bereits vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung hängt auf der Begründetheitsebene vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund, die glaubhaft zu machen sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich nur summarisch erfolgen, es sei denn, das sich aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebende Gebot der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie der grundrechtlich geschützte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderten eine abschließende Überprüfung. Ist in diesen Fällen im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - beide juris, jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927; Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 und vom 17. August 2005 a.a.O.) regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.
4. Der Senat vermag im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe der Antragstellerin ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zusteht.
a. Es spricht viel dafür, dass die Antragstellerin nicht nach § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris Rdnrn. 40 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris Rdnrn. 35 f.). Zwar dürfte die Antragstellerin zum Kreis der Leistungsberechtigten i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) gehören. Sie ist 1960 geboren (vgl. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1., 7a SGB II), erwerbsfähig (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 SGB II; vgl. ferner BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 - juris Rdnrn. 14 ff.) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II), nämlich in F., wo sie sich seit August 2015 - Einreise in die Bundesrepublik Deutschland Ende Februar 2015 - tatsächlich aufhält. Die Antragstellerin hat durch Vorlage ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 10. März 2016 und des Schreibens des Amtes für Wohnraumversorgung der Antragsgegnerin vom 8. März 2016 hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie sich seit August 2015 dauerhaft in F. aufhält. Dem steht ihre Obdachlosigkeit und der Umstand, dass sie seit 25. September 2015 laufend in der städtischen Notübernachtung untergebracht ist, nicht entgegen. Maßgeblich sind die objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 7 Rdnr. 20 f.; BSG, Vorlagebeschluss an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - juris Rdnr. 18 ff.). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Angesichts der Dauer des Aufenthalts von über einem Jahr bestehen keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, nunmehr in F., begründet hat.
Schließlich hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie über kein eigenes zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 11 ff. SGB II) und zu berücksichtigendes Vermögen (§ 12 SGB II) verfügt, sie mithin hilfebedürftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II ist. Dies entnimmt der Senat ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 10. März 2016, wonach sie über keinerlei Einkommen und Vermögen verfüge und durch die Unterstützung im Einzelnen benannter caritativer Einrichtungen überlebt habe. Nach ihren Angaben hat sie insbesondere kein Giro- oder Sparkonto (vgl. auch Sozialhilfeformantrag vom 8. Januar 2016) und aus einem von März bis Mai 2015 illegal ausgeübtem Beschäftigungsverhältnis kein Einkommen erzielt (vgl. Erklärung der Antragstellerin vom 13. Oktober 2015 gegenüber dem Jobcenter F.). Sie hat sich am 9. Oktober 2015 beim Jobcenter F. arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld II beantragt (vgl. dortiger Formantrag).
Allerdings spricht nach derzeitigem Stand sehr viel dafür, dass ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Danach sind vom grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis diejenigen Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnrn. 21 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 23 ff.). Denn sie dürfte nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung i.S.d. Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, nachdem sie nach ihren Angaben lediglich von März bis Mai 2015 eine Beschäftigung ausgeübt hat, seitdem ohne Arbeit ist und eine Arbeitsuche weder ersichtlich noch durch sie selbst vorgetragen worden ist (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Sie verfügt ferner nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel (vgl. § 4 FreizügG/EU) und auch über kein Daueraufenthaltsrecht (vgl. § 4a FreizügG/EU). Dies wird die Antragsgegnerin ggf. im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Hilfe der Antragstellerin zu verifizieren haben.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II stellt sich auch als europarechts- und verfassungskonform dar (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnr. 35; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 31 f. m.w.N.).
b. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnrn. 36 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 33 ff.) kann die Antragstellerin jedoch einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII haben. Nach dieser Rechtsprechung, die eine heftige Kontroverse ausgelöst hat (vgl. exemplarisch einerseits Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016 - L 15 SO 53/16 B ER - juris Rdnr. 23 f.; Beschluss vom 15. Januar 2016 - L 28 AS 3053/15 B ER - juris Rdnr. 8; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 23 Rdnr. 35.7; Greiser, jM 2016, 156; Wenner, SozSich 2016, 44 und andererseits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. März 2016 - L 9 SO 1580/15 B ER - juris Rdnrn. 50 ff.; Beschluss vom 22. Februar 2016 - L 9 AS 1335/15 B ER - juris Rdnrn. 56 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss 11. Februar 2016 - L 3 AS 668/15 B ER - juris Rdnr. 27; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2016 - L 29 AS 20/16 B ER - juris Rdnrn. 24 ff.), ist ein Anspruch auf Sozialhilfe zwar nach § 21 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen; jedoch können in einem solchen Fall nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist nach der Rechtsprechung des BSG aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat, regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich der Verfestigung des Aufenthaltsrechts nach einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten orientiert sich das BSG an der zeitlich begrenzten Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Danach endet die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitsuche nach dem Ablauf von sechs Monaten, wenn nicht weiterhin eine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU enthält mit der allgemein geltenden zeitlichen Begrenzung - "für bis zu sechs Monate" - eine Typisierung. Für diese typisierte Dauer einer Arbeitsuche von sechs Monaten nach der Einreise liegt - nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beider Senate des BSG - eine Aufenthaltsverfestigung noch nicht vor, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung steht, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen. Nach Ablauf einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten geht das BSG typisierend von einer Aufenthaltsverfestigung aus. Es ist weiterhin der Auffassung, dass der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht weder nach dem Grund der Einreise noch nach Berechtigung oder Dauer des Aufenthalts fragt und es bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII in erster Linie auf die Tatsache einer gegenwärtigen Hilfebedürftigkeit ankommt. Der Umstand, dass es in Fällen wie dem vorliegenden an einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung oder einem anderen materiellen Aufenthaltsrecht fehlt, rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf den durch ein Vollzugsdefizit des Ausländerrechts nach Ablauf von regelmäßig sechs Monaten faktisch verfestigten tatsächlichen Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, die Entscheidung über die Gewährung existenzsichernder Leistungen dem Grunde und der Höhe nach in das Ermessen des Sozialhilfeträgers zu stellen. Nur unter besonderen tatsächlichen Umständen ist es nach dieser Rechtsprechung zulässig, ausnahmsweise von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs abzusehen. Derartige Umstände können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird. Gleiches gilt, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat. Die Einwendungen der Antragsgegnerin gegen die zitierte Rechtsprechung des BSG sind jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geeignet, einen Anordnungsanspruch der Antragstellerin zu verneinen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016, a.a.O. Rdnr. 24). Die Antragstellerin hält sich seit Ende Februar 2015 in der Bundesrepublik Deutschland und seit August 2015 durchgehend in F: auf. Dass von Seiten der Ausländerbehörde konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet worden sind, hat weder einer der Beteiligten vorgetragen noch ist dies aus den beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und des Jobcenter F: ersichtlich. Zu den tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnissen der Antragstellerin seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland hat die Antragsgegnerin bisher keinerlei Ermittlungen angestellt. Vielmehr bleibt es dem Hauptsacheverfahren - vorliegend dem Widerspruchsverfahren - vorbehalten, die komplexe Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen und dabei insbesondere - ggf. mit Hilfe der Antragstellerin - ihren aufenthaltsrechtlichen Status im Einzelnen und ihre tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnisse seit der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln.
Bei der nun anzustellenden Folgenabwägung sind grundrechtliche Belange der Antragstellerin mit in die Abwägung einzubeziehen. Zu beachten ist, dass die begehrten Leistungen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, was bereits nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Pflicht des Staates ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG; BVerfG, NVwZ 2005, 927). Auf Seiten des Sozialhilfeträgers ist das Interesse zu beachten, dass nun gewährte Leistungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin voraussichtlich nicht erstattet werden können, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Der Antragstellerin ihrerseits würden für einen nicht absehbaren Zeitraum die Leistungen vorenthalten, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Existenzminimums und damit für ein der Menschenwürde entsprechendes Leben benötigt. Sie kann dabei nicht auf mildtätige Sachleistungen caritativer Organisationen verwiesen werden. Die damit verbundenen Einschränkungen während des Zeitraumes ohne existenzsichernde Leistungen sind auch im Falle einer Nachzahlung bei Erfolg in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen. In Abwägung dieser Interessen erscheint es dem Senat angemessen, dass der Antragstellerin Sozialhilfeleistungen in Höhe von 80 % des für sie maßgeblichen Regelsatzes (80 % * 404,00 EUR = 323,20 EUR) gewährt werden. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Regelsatzleistung auch Bedarfe (vgl. § 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz; z.B. Abteilungen 4 und 5) abdeckt, die in der konkreten Situation der Antragstellerin (Obdachlosigkeit) nicht anfallen. Weiterhin begrenzt der Senat die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungserbringung auf den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis - wie beantragt - zum 30. Juni 2016. Leistungen für die vergangenen Bedarfsmonate nach Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuches, insbesondere die Monate März und April 2016, hat die Antragsgegnerin im Rahmen der hier vorzunehmenden Folgenabwägung nicht mehr zu erbringen, weil diese Zeiträume in der Vergangenheit liegen und die Antragstellerin ihre Lebensunterhalt notdürftig mit Hilfe caritativer Einrichtungen bestreiten konnte.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
6. Der Antragstellerin ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 121 Abs. 2 ZPO Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen und Rechtsanwalt W. beizuordnen, da sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
7. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
1. Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch zum Teil begründet. Im Rahmen der vom Senat vorzunehmenden Folgenabwägung sind der Antragstellerin Leistungen der Sozialhilfe in Höhe von 80% des Regelsatzes nach Regelbedarfsstufe 1 nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1. Mai 2016 bis zum 30. Juni 2016 vorläufig zu gewähren.
2. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet das Begehren der Antragstellerin auf vorläufige Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Höhe des für sie maßgeblichen Regelsatzes nach der Regelbedarfsstufe 1 (derzeit monatlich 404,00 EUR) für die Zeit vom 26. Februar 2016 bis zum 30. Juni 2016, nachdem die Antragsgegnerin den entsprechenden Leistungsantrag mit Bescheid vom 11. Januar 2016, der Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens (vgl. Widerspruch der Antragstellerin vom 3. Februar 2016) und damit nicht für die Beteiligten bindend (§ 77 SGG) geworden ist, abgelehnt hat. Nicht geltend gemacht werden von der derzeit obdachlosen Antragstellerin Kosten der Unterkunft und Heizung (vgl. dazu § 35 SGB XII).
3. Das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in § 86b SGG geregelt, und zwar für Anfechtungssachen in Abs. 1 a.a.O., für Vornahmesachen in Abs. 2 a.a.O. Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.). Die Anträge nach § 86b Abs. 1 und 2 SGG sind bereits vor Klageerhebung zulässig (Abs. 3 a.a.O.).
Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung hängt auf der Begründetheitsebene vom Vorliegen der Anordnungsvoraussetzungen ab, nämlich dem Anordnungsanspruch und dem Anordnungsgrund, die glaubhaft zu machen sind (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren kann grundsätzlich nur summarisch erfolgen, es sei denn, das sich aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebende Gebot der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie der grundrechtlich geschützte Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erforderten eine abschließende Überprüfung. Ist in diesen Fällen im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. etwa Beschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - beide juris, jeweils unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG); z.B. BVerfG, Kammerbeschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927; Kammerbeschluss vom 29. November 2007 - 1 BvR 2496/07 - NZS 2008, 365). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 und vom 17. August 2005 a.a.O.) regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.
4. Der Senat vermag im vorliegenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht abschließend zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe der Antragstellerin ein Anspruch auf Leistungen der Sozialhilfe nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII zusteht.
a. Es spricht viel dafür, dass die Antragstellerin nicht nach § 21 Satz 1 SGB XII von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen ist (vgl. dazu Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 R - juris Rdnrn. 40 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris Rdnrn. 35 f.). Zwar dürfte die Antragstellerin zum Kreis der Leistungsberechtigten i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) gehören. Sie ist 1960 geboren (vgl. §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1., 7a SGB II), erwerbsfähig (§§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 8 SGB II; vgl. ferner BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - BSGE 113, 60 - juris Rdnrn. 14 ff.) und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II), nämlich in F., wo sie sich seit August 2015 - Einreise in die Bundesrepublik Deutschland Ende Februar 2015 - tatsächlich aufhält. Die Antragstellerin hat durch Vorlage ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 10. März 2016 und des Schreibens des Amtes für Wohnraumversorgung der Antragsgegnerin vom 8. März 2016 hinreichend glaubhaft gemacht, dass sie sich seit August 2015 dauerhaft in F. aufhält. Dem steht ihre Obdachlosigkeit und der Umstand, dass sie seit 25. September 2015 laufend in der städtischen Notübernachtung untergebracht ist, nicht entgegen. Maßgeblich sind die objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnisse (vgl. Spellbrink/G. Becker in Eicher, SGB II, 3. Aufl. 2013, § 7 Rdnr. 20 f.; BSG, Vorlagebeschluss an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 12. Dezember 2013 - B 4 AS 9/13 R - juris Rdnr. 13; Urteil vom 30. Januar 2013 - B 4 AS 54/12 R - juris Rdnr. 18 ff.). Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II i.V.m. § 30 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Erstes Buch (I) - Allgemeiner Teil - (SGB I) hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Entscheidend ist, ob der örtliche Schwerpunkt der Lebensverhältnisse faktisch dauerhaft im Inland ist. Dauerhaft ist ein solcher Aufenthalt, wenn und solange er nicht auf Beendigung angelegt, also zukunftsoffen ist. Angesichts der Dauer des Aufenthalts von über einem Jahr bestehen keine Zweifel daran, dass die Antragstellerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, nunmehr in F., begründet hat.
Schließlich hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass sie über kein eigenes zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 11 ff. SGB II) und zu berücksichtigendes Vermögen (§ 12 SGB II) verfügt, sie mithin hilfebedürftig i.S. des § 9 Abs. 1 SGB II ist. Dies entnimmt der Senat ihrer eidesstattlichen Versicherung vom 10. März 2016, wonach sie über keinerlei Einkommen und Vermögen verfüge und durch die Unterstützung im Einzelnen benannter caritativer Einrichtungen überlebt habe. Nach ihren Angaben hat sie insbesondere kein Giro- oder Sparkonto (vgl. auch Sozialhilfeformantrag vom 8. Januar 2016) und aus einem von März bis Mai 2015 illegal ausgeübtem Beschäftigungsverhältnis kein Einkommen erzielt (vgl. Erklärung der Antragstellerin vom 13. Oktober 2015 gegenüber dem Jobcenter F.). Sie hat sich am 9. Oktober 2015 beim Jobcenter F. arbeitslos gemeldet und Arbeitslosengeld II beantragt (vgl. dortiger Formantrag).
Allerdings spricht nach derzeitigem Stand sehr viel dafür, dass ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB II nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen ist. Danach sind vom grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis diejenigen Ausländer ausgeschlossen, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnrn. 21 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 23 ff.). Denn sie dürfte nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung i.S.d. Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) oder ein anderes materielles Aufenthaltsrecht verfügen, nachdem sie nach ihren Angaben lediglich von März bis Mai 2015 eine Beschäftigung ausgeübt hat, seitdem ohne Arbeit ist und eine Arbeitsuche weder ersichtlich noch durch sie selbst vorgetragen worden ist (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Sie verfügt ferner nicht über einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel (vgl. § 4 FreizügG/EU) und auch über kein Daueraufenthaltsrecht (vgl. § 4a FreizügG/EU). Dies wird die Antragsgegnerin ggf. im Rahmen des Widerspruchsverfahrens mit Hilfe der Antragstellerin zu verifizieren haben.
Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II stellt sich auch als europarechts- und verfassungskonform dar (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnr. 35; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 31 f. m.w.N.).
b. Nach der jüngsten Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015, a.a.O. Rdnrn. 36 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016, a.a.O. Rdnrn. 33 ff.) kann die Antragstellerin jedoch einen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII haben. Nach dieser Rechtsprechung, die eine heftige Kontroverse ausgelöst hat (vgl. exemplarisch einerseits Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016 - L 15 SO 53/16 B ER - juris Rdnr. 23 f.; Beschluss vom 15. Januar 2016 - L 28 AS 3053/15 B ER - juris Rdnr. 8; Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 23 Rdnr. 35.7; Greiser, jM 2016, 156; Wenner, SozSich 2016, 44 und andererseits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 17. März 2016 - L 9 SO 1580/15 B ER - juris Rdnrn. 50 ff.; Beschluss vom 22. Februar 2016 - L 9 AS 1335/15 B ER - juris Rdnrn. 56 ff.; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss 11. Februar 2016 - L 3 AS 668/15 B ER - juris Rdnr. 27; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Januar 2016 - L 29 AS 20/16 B ER - juris Rdnrn. 24 ff.), ist ein Anspruch auf Sozialhilfe zwar nach § 21 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ausgeschlossen; jedoch können in einem solchen Fall nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII Leistungen der Sozialhilfe gewährt werden, wenn dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Das Ermessen des Sozialhilfeträgers ist nach der Rechtsprechung des BSG aus verfassungsrechtlichen Gründen dem Grunde und der Höhe nach hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat, regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Hinsichtlich der Verfestigung des Aufenthaltsrechts nach einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten orientiert sich das BSG an der zeitlich begrenzten Freizügigkeitsberechtigung zur Arbeitsuche (§ 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU). Danach endet die Freizügigkeitsberechtigung zum Zwecke der Arbeitsuche nach dem Ablauf von sechs Monaten, wenn nicht weiterhin eine begründete Aussicht auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit besteht. Die Regelung des § 2 Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU enthält mit der allgemein geltenden zeitlichen Begrenzung - "für bis zu sechs Monate" - eine Typisierung. Für diese typisierte Dauer einer Arbeitsuche von sechs Monaten nach der Einreise liegt - nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung beider Senate des BSG - eine Aufenthaltsverfestigung noch nicht vor, weil hinter der zeitlichen Begrenzung die Erwartung steht, es handele sich um einen angemessenen Zeitraum, die Erfolgsaussichten einer Arbeitsuche in einem anderen Mitgliedstaat ohne Aufenthaltsverfestigung zu prüfen. Nach Ablauf einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten geht das BSG typisierend von einer Aufenthaltsverfestigung aus. Es ist weiterhin der Auffassung, dass der Rechtsanspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht weder nach dem Grund der Einreise noch nach Berechtigung oder Dauer des Aufenthalts fragt und es bei der Leistungsgewährung nach dem SGB XII in erster Linie auf die Tatsache einer gegenwärtigen Hilfebedürftigkeit ankommt. Der Umstand, dass es in Fällen wie dem vorliegenden an einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung oder einem anderen materiellen Aufenthaltsrecht fehlt, rechtfertigt es nach der Rechtsprechung des BSG im Hinblick auf den durch ein Vollzugsdefizit des Ausländerrechts nach Ablauf von regelmäßig sechs Monaten faktisch verfestigten tatsächlichen Aufenthalt des Unionsbürgers im Inland und unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht, die Entscheidung über die Gewährung existenzsichernder Leistungen dem Grunde und der Höhe nach in das Ermessen des Sozialhilfeträgers zu stellen. Nur unter besonderen tatsächlichen Umständen ist es nach dieser Rechtsprechung zulässig, ausnahmsweise von einer Ermessensreduzierung trotz des Zeitablaufs abzusehen. Derartige Umstände können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird. Gleiches gilt, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet hat. Die Einwendungen der Antragsgegnerin gegen die zitierte Rechtsprechung des BSG sind jedenfalls im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht geeignet, einen Anordnungsanspruch der Antragstellerin zu verneinen und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016, a.a.O. Rdnr. 24). Die Antragstellerin hält sich seit Ende Februar 2015 in der Bundesrepublik Deutschland und seit August 2015 durchgehend in F: auf. Dass von Seiten der Ausländerbehörde konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet worden sind, hat weder einer der Beteiligten vorgetragen noch ist dies aus den beigezogenen Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und des Jobcenter F: ersichtlich. Zu den tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnissen der Antragstellerin seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland hat die Antragsgegnerin bisher keinerlei Ermittlungen angestellt. Vielmehr bleibt es dem Hauptsacheverfahren - vorliegend dem Widerspruchsverfahren - vorbehalten, die komplexe Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen und dabei insbesondere - ggf. mit Hilfe der Antragstellerin - ihren aufenthaltsrechtlichen Status im Einzelnen und ihre tatsächlichen Lebens- und Aufenthaltsverhältnisse seit der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln.
Bei der nun anzustellenden Folgenabwägung sind grundrechtliche Belange der Antragstellerin mit in die Abwägung einzubeziehen. Zu beachten ist, dass die begehrten Leistungen der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens dienen, was bereits nach dem Verfassungsrecht der Bundesrepublik Deutschland Pflicht des Staates ist (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG; BVerfG, NVwZ 2005, 927). Auf Seiten des Sozialhilfeträgers ist das Interesse zu beachten, dass nun gewährte Leistungen angesichts der wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragstellerin voraussichtlich nicht erstattet werden können, wenn sich im Hauptsacheverfahren herausstellen sollte, dass ein Anspruch tatsächlich nicht bestanden hat. Der Antragstellerin ihrerseits würden für einen nicht absehbaren Zeitraum die Leistungen vorenthalten, die sie zur Aufrechterhaltung ihres Existenzminimums und damit für ein der Menschenwürde entsprechendes Leben benötigt. Sie kann dabei nicht auf mildtätige Sachleistungen caritativer Organisationen verwiesen werden. Die damit verbundenen Einschränkungen während des Zeitraumes ohne existenzsichernde Leistungen sind auch im Falle einer Nachzahlung bei Erfolg in der Hauptsache nicht mehr zu beseitigen. In Abwägung dieser Interessen erscheint es dem Senat angemessen, dass der Antragstellerin Sozialhilfeleistungen in Höhe von 80 % des für sie maßgeblichen Regelsatzes (80 % * 404,00 EUR = 323,20 EUR) gewährt werden. Dabei berücksichtigt der Senat, dass die Regelsatzleistung auch Bedarfe (vgl. § 5 Regelbedarfsermittlungsgesetz; z.B. Abteilungen 4 und 5) abdeckt, die in der konkreten Situation der Antragstellerin (Obdachlosigkeit) nicht anfallen. Weiterhin begrenzt der Senat die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Leistungserbringung auf den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis - wie beantragt - zum 30. Juni 2016. Leistungen für die vergangenen Bedarfsmonate nach Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuches, insbesondere die Monate März und April 2016, hat die Antragsgegnerin im Rahmen der hier vorzunehmenden Folgenabwägung nicht mehr zu erbringen, weil diese Zeiträume in der Vergangenheit liegen und die Antragstellerin ihre Lebensunterhalt notdürftig mit Hilfe caritativer Einrichtungen bestreiten konnte.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG und berücksichtigt das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.
6. Der Antragstellerin ist für das Beschwerdeverfahren gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114, 115, 121 Abs. 2 ZPO Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnung zu bewilligen und Rechtsanwalt W. beizuordnen, da sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, die Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
7. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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