Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 AS 12738/15 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 AS 2582/15 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anschluss an die Rechtsprechung der Sozialhilfesenate des LSG Berlin-Brandenburg (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016 – L 15 SO 53/16 B ER -, Beschluss vom 13. April 2016 – L 23 SO 46/16 B ER, L 23 SO 47/16 B ER PKH –, juris)
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2015 geändert. Der Beigeladene wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 404,00 EUR monatlich vom 24. Mai 2016 bis zum 23. August 2016 sowie Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 420,00 EUR für die Zeit vom 23. Juni 2015 (Eingang des Antrags beim Sozialgericht Berlin) bis zum 01. Juni 2016, beide Leistungen jedoch längstens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, zu zahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Beigeladene hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des gesamten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2015 wird zurückgewiesen; der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2015 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. 1.) Der Senat folgt der Auffassung der 66. Kammer des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss als auch der 75. Kammer in ihrem Beschluss vom 07. November 2014 (S 75 AS 24706/14 ER), dass sowohl die Dauer des Aufenthalts des Antragstellers in Deutschland (August 2011?) als auch der Zeitraum der Beschäftigung sowie die Freiwilligkeit der Arbeitslosigkeit des Antragstellers nach Beendigung dieser Beschäftigung am 31. August 2013 unklar sind. Deshalb lässt sich nicht abschließend feststellen, ob der Antragsteller freizügigkeitsberechtigt nach § 4a Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) oder nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU ist. Im Hinblick darauf steht damit derzeit nur fest, dass der Antragsteller sich nunmehr zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhält. Vor Klärung der offenen aufenthaltsrechtlichen Fragen dürfte ihm damit gegen den Antragsgegner kein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) zustehen, weil nach dem bislang bekannten Sachverhalt § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II einer Leistungsgewährung entgegensteht.
2.) Der Antragsteller kann sich als französischer Staatsangehöriger für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II auch nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art.1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 (EFA), dem u. a. Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland beigetreten sind, berufen, denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R –, vgl. Terminbericht Nr. 54/15) steht diesem der von der Bundesregierung am 19. Dezember 2011 erklärte Vorbehalt nach Art. 16 Abs. b EFA entgegen, der formell und materiell wirksam ist. Zwar bleiben Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII weiterhin möglich und sind vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA umfasst; letzteres setzt aber voraus, dass sich ein Antragsteller im streitigen Zeitraum weiterhin auf ein Aufenthaltsrecht berufen kann (vgl. BSG; Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R -, vgl. Terminbericht Nr.54/15), das derzeit nicht feststellbar ist (vgl. hierzu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Januar 2016 – L 28 AS 3053/15 B ER –, juris).
3.) Dem Antragsteller steht dann jedoch ein Leistungsanspruch gegen den Beigeladenen nach dem Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII) zu, den er gemäß § 75 Abs. 5 SGG geltend machen kann und im Zweifel auch geltend macht (vgl. hierzu und zum Folgenden m.w.N. BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, juris). Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren, trotz der Beiladung des Landes Berlin, nicht zumindest hilfsweise dessen Verpflichtung zur Leistungserbringung nach dem SGB XII beantragt hat. Im Falle der vom Senat vorgenommenen notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 2. Alt SGG (unechte notwendige Beiladung) ist nämlich davon auszugehen, dass der Antragsteller hilfsweise die Verurteilung des Beigeladenen begehrt. Denn nach § 75 Abs. 5 SGG darf der beigeladene Träger verurteilt werden, obwohl er nicht verklagt ist. Mit der Vorschrift des § 75 Abs. 2 2. Alt i.V.m. Abs. 5 SGG unterstellt der Gesetzgeber, dass ein Antragsteller zwar in erster Linie die Verpflichtung des in Anspruch genommenen Trägers, hilfsweise jedoch auch die jedes anderen in Frage kommenden Trägers begehrt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Antragsteller diese Verpflichtung ausdrücklich ablehnt, was hier nicht der Fall ist.
4.) Der Antragsteller hat den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gegen den Beigeladenen auch glaubhaft gemacht. Es bestehen große Erfolgsaussichten für ein Obsiegen in der Hauptsache. Auf Grund des derzeit festgestellten Sachverhalts wären ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII als Ermessensleistung zu gewähren. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. das Urteil vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, dokumentiert in juris und in ZFSH/SGB 2016, 126) steht dem Antragsteller danach aus dem garantierten Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz [GG] i.V.m. mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) der tenorierte Anspruch zu (vgl. auch den Terminbericht zu den Urteilen des 14. Senats des BSG vom 16. Dezember 2015, zu finden unter www. Bundessozialgericht.de "Termine"). Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Gründe des Urteils des BSG vom 3. Dezember 2015, Az. B 4 AS 44/15 R, a.a.O., verwiesen. Auch der für die Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass einem Ausländer, der dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 erste oder zweite Alternative SGB XII unterfällt, vom Träger Sozialhilfe in Ausübung von Ermessen gewährt werden kann, soweit es im Einzelfall gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des BSG vom 18. November 2014, Az. B 8 SO 9/13 R, juris RdNr. 28 = SozR 4-3500 § 25 Nr. 5). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist insoweit jedenfalls hinsichtlich eines Ermessensanspruchs von einer hohen Erfolgsaussicht in der Hauptsache auszugehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016 – L 15 SO 53/16 B ER –, Beschluss vom 13. April 2016 – L 23 SO 46/16 B ER, L 23 SO 47/16 B ER PKH –, juris). Denn die zur Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers erforderlichen Ermittlungen sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht von den Sozialgerichten vorzunehmen. Wenn jedoch derzeit davon auszugehen ist, dass kein Aufenthaltsrecht und auch kein ansonsten erlaubter Aufenthalt nach dem FreizügG/EU vorliegt, da der Antragsteller sich nach Beendigung seiner Beschäftigung länger als sechs Monate in Deutschland aufgehalten hat, ohne eine neue Beschäftigung zu finden oder eine selbständige Tätigkeit auszuüben, würde er sich nunmehr nicht mehr erlaubt in Deutschland aufhalten und damit die Voraussetzungen für Ermessensleistungen nach der Rechtsprechung des BSG erfüllen.
5.) Der Senat hat in Übereinstimmung mir der Rechtsprechung der beiden für das Sozialhilferecht zuständigen Senate des LSG Berlin-Brandenburg eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Zahlung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Form des Regelsatzes nur für drei Monate ausgesprochen. Grund dafür ist einmal, dass der Beigeladene den aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers und ggf. ein sich daraus ergebendes Leistungsrecht gegen den Antragsgegner zu prüfen haben wird. Die Verpflichtung für lediglich drei Monate war zum anderen deshalb vorzunehmen, damit der Beigeladene Gelegenheit hat, sein Ermessen unter Berücksichtigung der ggf. noch zu ermittelnden Umstände des Einzelfalles auszuüben. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, der Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Beigeladenen ist, kann, wenn ein Anspruch auf Leistungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht gegeben ist, Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Danach ist, nach Feststellung der Umstände des Einzelfalles, vom Sozialhilfeträger Ermessen auszuüben, was bisher nicht erfolgt ist.
6.) Unabhängig davon, ob der Rechtsprechung des BSG zu folgen ist, wonach eine Ermessensreduzierung auf Null im Regelfall bereits anzunehmen ist, wenn sich der Hilfebedürftige länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufgehalten hat, ergibt sich bereits aus dem Urteil des BSG vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, dass es auch Fälle geben kann, in denen trotz des Zeitablaufs eine Reduzierung des dem Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eingeräumten Ermessens nicht anzunehmen ist.
Anhaltspunkte dafür können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird, oder wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthaltes eingeleitet hat (vgl. bereits BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, Az. B 4 AS 44/15 R, juris RdNr. 57 am Ende). Berücksichtigung könnte auch finden, ob der Betroffene in der Vergangenheit bereits seinen Aufenthalt im Inland für längere Zeit unterbrochen und in seinem Heimatland oder einem anderen Mitgliedstaat gelebt hat. Die Umstände, die im Rahmen des vom Beigeladenen auszuübenden Ermessens zu berücksichtigen sind, wird dieser zu ermitteln haben. Hierfür dürfte ein Zeitraum von drei Monaten ausreichend sein. 7.) Der Anordnungsgrund folgt aus dem sich aus der Mittellosigkeit des Antragstellers ergebenden eiligen Regelungsbedürfnis.
8.) Der Beginn der Leistungen war entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung festzulegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nur durch eine weiter zurückreichende Verpflichtung vor dem Eintritt einer Notlage bewahrt werden würde, die sich im Hauptsacheverfahren nicht rückgängig machen ließe, sind nicht ersichtlich.
9.) Kosten der Unterkunft hat der Senat ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Sozialgericht zugesprochen, um einem Verlust der Unterkunft vorzubeugen. Dabei musste er allerdings berücksichtigen, dass der zuletzt vorgelegte Mietvertrag vom 15. Mai 2015 bis zum 01. Juni 2016 befristet ist, so dass auch nur bis zum Ende des Ablaufs des Mietvertrages Leistungen zuzusprechen waren.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Antragsteller mit seinem Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den Beigeladenen in vollem Umfang erfolgreich war. Die vom Senat ausgesprochene Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen berücksichtigt lediglich die Erfolglosigkeit der Beschwerde gegen den Antragsgegner. Die volle Kostenbelastung des Beigeladenen entspricht in einer Situation wie der vorliegenden der Rechtsprechung des BSG (vgl. nur BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, juris).
III. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe durch den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts war ebenso zurückzuweisen wie der Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen war, weil es dem Antragsteller im Hinblick auf die Kostenentscheidung des Senats im vorliegenden Beschluss für eine Bewilligung nunmehr an dem auch insofern erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 17. September 2015 ist gemäß §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
I. 1.) Der Senat folgt der Auffassung der 66. Kammer des Sozialgerichts in dem angefochtenen Beschluss als auch der 75. Kammer in ihrem Beschluss vom 07. November 2014 (S 75 AS 24706/14 ER), dass sowohl die Dauer des Aufenthalts des Antragstellers in Deutschland (August 2011?) als auch der Zeitraum der Beschäftigung sowie die Freiwilligkeit der Arbeitslosigkeit des Antragstellers nach Beendigung dieser Beschäftigung am 31. August 2013 unklar sind. Deshalb lässt sich nicht abschließend feststellen, ob der Antragsteller freizügigkeitsberechtigt nach § 4a Abs. 1 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) oder nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU ist. Im Hinblick darauf steht damit derzeit nur fest, dass der Antragsteller sich nunmehr zum Zwecke der Arbeitssuche in Deutschland aufhält. Vor Klärung der offenen aufenthaltsrechtlichen Fragen dürfte ihm damit gegen den Antragsgegner kein Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch/Zweites Buch (SGB II) zustehen, weil nach dem bislang bekannten Sachverhalt § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II einer Leistungsgewährung entgegensteht.
2.) Der Antragsteller kann sich als französischer Staatsangehöriger für den Bezug von Leistungen nach dem SGB II auch nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art.1 des Europäischen Fürsorgeabkommens vom 11. Dezember 1953 (EFA), dem u. a. Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland beigetreten sind, berufen, denn nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R –, vgl. Terminbericht Nr. 54/15) steht diesem der von der Bundesregierung am 19. Dezember 2011 erklärte Vorbehalt nach Art. 16 Abs. b EFA entgegen, der formell und materiell wirksam ist. Zwar bleiben Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII weiterhin möglich und sind vom Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 EFA umfasst; letzteres setzt aber voraus, dass sich ein Antragsteller im streitigen Zeitraum weiterhin auf ein Aufenthaltsrecht berufen kann (vgl. BSG; Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R -, vgl. Terminbericht Nr.54/15), das derzeit nicht feststellbar ist (vgl. hierzu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Januar 2016 – L 28 AS 3053/15 B ER –, juris).
3.) Dem Antragsteller steht dann jedoch ein Leistungsanspruch gegen den Beigeladenen nach dem Sozialgesetzbuch/Zwölftes Buch (SGB XII) zu, den er gemäß § 75 Abs. 5 SGG geltend machen kann und im Zweifel auch geltend macht (vgl. hierzu und zum Folgenden m.w.N. BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, juris). Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass der Antragsteller im Beschwerdeverfahren, trotz der Beiladung des Landes Berlin, nicht zumindest hilfsweise dessen Verpflichtung zur Leistungserbringung nach dem SGB XII beantragt hat. Im Falle der vom Senat vorgenommenen notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 2. Alt SGG (unechte notwendige Beiladung) ist nämlich davon auszugehen, dass der Antragsteller hilfsweise die Verurteilung des Beigeladenen begehrt. Denn nach § 75 Abs. 5 SGG darf der beigeladene Träger verurteilt werden, obwohl er nicht verklagt ist. Mit der Vorschrift des § 75 Abs. 2 2. Alt i.V.m. Abs. 5 SGG unterstellt der Gesetzgeber, dass ein Antragsteller zwar in erster Linie die Verpflichtung des in Anspruch genommenen Trägers, hilfsweise jedoch auch die jedes anderen in Frage kommenden Trägers begehrt. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Antragsteller diese Verpflichtung ausdrücklich ablehnt, was hier nicht der Fall ist.
4.) Der Antragsteller hat den Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang gegen den Beigeladenen auch glaubhaft gemacht. Es bestehen große Erfolgsaussichten für ein Obsiegen in der Hauptsache. Auf Grund des derzeit festgestellten Sachverhalts wären ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII als Ermessensleistung zu gewähren. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG (vgl. z.B. das Urteil vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, dokumentiert in juris und in ZFSH/SGB 2016, 126) steht dem Antragsteller danach aus dem garantierten Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz [GG] i.V.m. mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG) der tenorierte Anspruch zu (vgl. auch den Terminbericht zu den Urteilen des 14. Senats des BSG vom 16. Dezember 2015, zu finden unter www. Bundessozialgericht.de "Termine"). Um Wiederholungen zu vermeiden, wird auf die Gründe des Urteils des BSG vom 3. Dezember 2015, Az. B 4 AS 44/15 R, a.a.O., verwiesen. Auch der für die Sozialhilfe zuständige 8. Senat des BSG hat bereits entschieden, dass einem Ausländer, der dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 erste oder zweite Alternative SGB XII unterfällt, vom Träger Sozialhilfe in Ausübung von Ermessen gewährt werden kann, soweit es im Einzelfall gerechtfertigt ist (vgl. Urteil des BSG vom 18. November 2014, Az. B 8 SO 9/13 R, juris RdNr. 28 = SozR 4-3500 § 25 Nr. 5). Im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ist insoweit jedenfalls hinsichtlich eines Ermessensanspruchs von einer hohen Erfolgsaussicht in der Hauptsache auszugehen (Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. April 2016 – L 15 SO 53/16 B ER –, Beschluss vom 13. April 2016 – L 23 SO 46/16 B ER, L 23 SO 47/16 B ER PKH –, juris). Denn die zur Klärung des aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers erforderlichen Ermittlungen sind im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht von den Sozialgerichten vorzunehmen. Wenn jedoch derzeit davon auszugehen ist, dass kein Aufenthaltsrecht und auch kein ansonsten erlaubter Aufenthalt nach dem FreizügG/EU vorliegt, da der Antragsteller sich nach Beendigung seiner Beschäftigung länger als sechs Monate in Deutschland aufgehalten hat, ohne eine neue Beschäftigung zu finden oder eine selbständige Tätigkeit auszuüben, würde er sich nunmehr nicht mehr erlaubt in Deutschland aufhalten und damit die Voraussetzungen für Ermessensleistungen nach der Rechtsprechung des BSG erfüllen.
5.) Der Senat hat in Übereinstimmung mir der Rechtsprechung der beiden für das Sozialhilferecht zuständigen Senate des LSG Berlin-Brandenburg eine Verpflichtung des Beigeladenen zur Zahlung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in Form des Regelsatzes nur für drei Monate ausgesprochen. Grund dafür ist einmal, dass der Beigeladene den aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers und ggf. ein sich daraus ergebendes Leistungsrecht gegen den Antragsgegner zu prüfen haben wird. Die Verpflichtung für lediglich drei Monate war zum anderen deshalb vorzunehmen, damit der Beigeladene Gelegenheit hat, sein Ermessen unter Berücksichtigung der ggf. noch zu ermittelnden Umstände des Einzelfalles auszuüben. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII, der Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Beigeladenen ist, kann, wenn ein Anspruch auf Leistungen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht gegeben ist, Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist. Danach ist, nach Feststellung der Umstände des Einzelfalles, vom Sozialhilfeträger Ermessen auszuüben, was bisher nicht erfolgt ist.
6.) Unabhängig davon, ob der Rechtsprechung des BSG zu folgen ist, wonach eine Ermessensreduzierung auf Null im Regelfall bereits anzunehmen ist, wenn sich der Hilfebedürftige länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufgehalten hat, ergibt sich bereits aus dem Urteil des BSG vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R, dass es auch Fälle geben kann, in denen trotz des Zeitablaufs eine Reduzierung des dem Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII eingeräumten Ermessens nicht anzunehmen ist.
Anhaltspunkte dafür können insbesondere vorliegen, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen lassen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen wird, oder wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthaltes eingeleitet hat (vgl. bereits BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015, Az. B 4 AS 44/15 R, juris RdNr. 57 am Ende). Berücksichtigung könnte auch finden, ob der Betroffene in der Vergangenheit bereits seinen Aufenthalt im Inland für längere Zeit unterbrochen und in seinem Heimatland oder einem anderen Mitgliedstaat gelebt hat. Die Umstände, die im Rahmen des vom Beigeladenen auszuübenden Ermessens zu berücksichtigen sind, wird dieser zu ermitteln haben. Hierfür dürfte ein Zeitraum von drei Monaten ausreichend sein. 7.) Der Anordnungsgrund folgt aus dem sich aus der Mittellosigkeit des Antragstellers ergebenden eiligen Regelungsbedürfnis.
8.) Der Beginn der Leistungen war entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung festzulegen. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller nur durch eine weiter zurückreichende Verpflichtung vor dem Eintritt einer Notlage bewahrt werden würde, die sich im Hauptsacheverfahren nicht rückgängig machen ließe, sind nicht ersichtlich.
9.) Kosten der Unterkunft hat der Senat ab dem Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim Sozialgericht zugesprochen, um einem Verlust der Unterkunft vorzubeugen. Dabei musste er allerdings berücksichtigen, dass der zuletzt vorgelegte Mietvertrag vom 15. Mai 2015 bis zum 01. Juni 2016 befristet ist, so dass auch nur bis zum Ende des Ablaufs des Mietvertrages Leistungen zuzusprechen waren.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG und berücksichtigt, dass der Antragsteller mit seinem Antrag im Beschwerdeverfahren gegen den Beigeladenen in vollem Umfang erfolgreich war. Die vom Senat ausgesprochene Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen berücksichtigt lediglich die Erfolglosigkeit der Beschwerde gegen den Antragsgegner. Die volle Kostenbelastung des Beigeladenen entspricht in einer Situation wie der vorliegenden der Rechtsprechung des BSG (vgl. nur BSG, Urteil vom 03. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, juris).
III. Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe durch den angefochtenen Beschluss des Sozialgerichts war ebenso zurückzuweisen wie der Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abzulehnen war, weil es dem Antragsteller im Hinblick auf die Kostenentscheidung des Senats im vorliegenden Beschluss für eine Bewilligung nunmehr an dem auch insofern erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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