Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
35
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 35 AS 3984/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Zahlung von Einkommensteuer ist als betriebsbedingte Ausgabe
i.S.v. § 3 Abs. 2 ALG-II-V anzusehen, soweit sich die Einkünfte aus
derselben Erwerbstätigkeit, aus der das Einkommen im Bewilligungszeitraum
angerechnet wird, als Besteuerungsgrundlage zuordnen lassen.
i.S.v. § 3 Abs. 2 ALG-II-V anzusehen, soweit sich die Einkünfte aus
derselben Erwerbstätigkeit, aus der das Einkommen im Bewilligungszeitraum
angerechnet wird, als Besteuerungsgrundlage zuordnen lassen.
1. Der Bescheid zur endgültigen Festsetzung von Leistungen vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 wird dahingehend abgeändert, dass der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. Dezember 2012 i.H.v. 770,42EUR und für den Zeitraum vom 1. Januar 2013 bis zum 31. Mai 2013 i.H.v. monatlich 778,42EUR zustehen.
2. Der Erstattungsbescheid vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 wird dahingehend abgeändert, dass die Klägerin insgesamt 97,48EUR zu erstatten hat.
3. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 4/5, im Übrigen trägt sie die Klägerin selbst.
4. Die Berufung wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013.
Die Klägerin bezog jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II von dem Beklagten.
Die 1955 geborene Klägerin ist seit 2003 bis heute von ihrer Privatwohnung aus selbstständig tätig.
Nachdem sie sich zuvor vorübergehend nicht im Leistungsbezug befunden hatte, stellte die Klägerin am 11. Dezember 2012 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten.
Der Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 8. Januar 2013 und mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2013 vorläufig Leistungen in folgender Höhe:
Dezember 2012 800,00EUR Januar 2013 808,00EUR Februar 2013 – Mai 2013 monatlich 788,00EUR
Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete der Beklagte mit dem noch nicht absehbaren Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Tätigkeit.
Im Februar 2013 und April 2013 zahlte die Klägerin Rundfunkgebühren in i.H.v. insgesamt 35,26EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 3. April 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer der Klägerin für das Jahr 2007 i.H.v. 618,00EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 144,00EUR fest, da der von ihr in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag rückgängig gemacht wurde. Abzüglich von bereits gezahlten 14,00EUR hatte die Klägerin daher einen Betrag von 604,00EUR für die Einkommensteuer und weitere 144,00EUR Zinsen bis zum 8. Mai 2013 zu entrichten. Besteuerungsgrundlage waren hierbei ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin i.H.v. 15.767EUR im Jahr 2007.
Am 19. Dezember 2013 reichte die Klägerin die abschließende Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit bei dem Beklagten ein, wobei sie Einnahmen von insgesamt 2.750,00EUR, Betriebsausgaben von insgesamt 1.420,73EUR und einen daraus errechneten Gesamtgewinn im Bewilligungszeitraum von 1.329,27EUR angab. Die Einkommensteuernachzahlung war hierbei noch nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt.
In der Berechnung machte die Klägerin neben den gezahlten Rundfunkgebühren u.a. Telefonkosten i.H.v. insgesamt 339,32EUR, Kosten für Kleingeräte i.H.v. 103,56EUR und Reinigungskosten i.H.v. 65,49EUR als Betriebsausgaben geltend.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2014 setzte der Beklagte die Leistungen der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum endgültig in folgender Höhe fest:
Dezember 2012 686,59EUR Januar 2013 – Mai 2013 monatlich 694,59EUR
Dabei legte der Beklagte einen Regelbedarf von 374,00EUR im Dezember 2012 und von 382,00EUR ab Januar 2013 sowie Kosten der Unterkunft und Heizung von jeweils 460,00EUR zugrunde.
Von dem Gesamtbedarf zog der Beklagte das anzurechnende Einkommen der Klägerin ab. Für die Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit übernahm der Beklagte die Angaben der Klägerin, wobei er folgende Ausgaben nicht oder nicht vollständig anerkannte:
- Die Rundfunkgebühren i.H.v. 35,26EUR wurden nicht anerkannt, da die für die privaten Empfangsgeräte in der Wohnung gezahlte Gebühr den betrieblich genutzten Arbeitscomputer bereits beinhalteten.
- Die Telefonkosten wurden nur bis zu einem Betrag von maximal 50,00EUR berücksichtigt, wobei nur jeweils die Hälfte, also maximal 25,00EUR als betriebliche Ausgabe anerkannt wurde. Insgesamt wurden von den geltend gemachten 339,32EUR nur 144,86EUR anerkannt. Dies begründete der Beklagte damit, dass zum einen Flatrates für Internet, Handy und Festnetz für 50,00EUR monatlich verfügbar seien und dass zudem das Gewerbe in privaten Räumen ausgeübt werde, sodass ohne eine weitere Aufschlüsselung der Nutzung des Telefons seitens der Klägerin nur 50% der Kosten als betriebliche Ausgabe gelten könnten.
- Die i.H.v. 65,49EUR geltend gemachten Reinigungskosten wurden nicht anerkannt, da das Gewerbe in privaten Räumen ausgeübt werde.
- Die Kosten für Kleingeräte, die i.H.v. 103,56EUR geltend gemacht wurden, erkannte der Beklagte nur i.H.v. 22,44EUR für eine gekaufte Schneeschaufel an, da für die übrigen Aufwendungen keine Nachweise vorgelegt worden seien.
Insgesamt errechnete der Beklagte daher einen Gesamtgewinn für den Bewilligungszeitraum i.H.v. 1.705,60EUR und damit einen durchschnittlichen Gewinn von monatlich 284,27EUR, der bei der endgültigen Leistungsfestsetzung zugrunde gelegt wurde.
Mit weiterem Bescheid vom 13. Mai 2014 verlangte der Beklagte die Erstattung der durch die vorläufige Bewilligung eingetretenen Überzahlung i.H.v. 600,46EUR.
Gegen die Bescheide vom 13. Mai 2014 legte die Klägerin am 11. Juni 2014 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2014 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Hiergegen richtet sich die am 15. September 2014 bei Gericht eingegangene Klage.
Die Klägerin macht zuletzt nur noch die Berücksichtigung der Einkommensteuernachzahlung für das Jahr 2007 i.H.v. 604,00EUR geltend. Hierbei handele es sich um eine betrieblich veranlasste Ausgabe, die im Mai 2013 fällig gewesen sei und daher in die Gewinnberechnung einbezogen werden müsse. Die geplante Investition, für die der Investitionsabzugsbetrag genutzt werden sollte, habe sie wegen fehlender finanzieller Mittel nicht tätigen können.
Ursprünglich verfolgte die Klägerin darüber hinaus die Anerkennung der Rundfunkbeiträge und der Telefonkosten zu 2/3 sowie die vollständige Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen für Kleingeräte von 103,56EUR anstatt der anerkannten 22,44EUR. Hieran hält die Klägerin nunmehr nicht mehr fest.
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2015 gab der Beklagte ein Teilanerkenntnis hinsichtlich der hälftigen Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen und nicht auf 50,00EUR beschränkten Telefonkosten ab, das die Klägerin mit Schriftsatz vom 5. Januar 2016 annahm.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides zur endgültigen Festsetzung von Leistungen vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und den Erstattungsbetrag aus dem weiteren Bescheid vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 entsprechend zu reduzieren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich im Wesentlichen auf die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragene Begründung. Die Rundfunkgebühren könnten auch deshalb nicht berücksichtigt werden, weil nicht nachgewiesen sei, dass diese ausschließlich für den Arbeitscomputer der Klägerin gezahlt worden seien. Hinsichtlich der Einkommensteuernachzahlung ist der Beklagte der Auffassung, dass es sich nicht um betrieblich veranlasste, sondern um personenbezogene Ausgaben handele, da alle natürlichen Personen einkommensteuerpflichtig seien, unabhängig davon, ob diese Einkünfte aus Gewerbetrieb erzielten. Zudem handele es sich hierbei um Schulden, die nicht vom Einkommen abzusetzen seien.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten (xxxxxxxx) beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten waren Gegenstand des Verfahrens.
Wegen der Einzelheiten, auch im Vorbingen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im Umfang der allein noch strittigen Berücksichtigung der Einkommensteuernachzahlung begründet.
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin in ihren Rechten, da ihr höhere Leistungen zu bewilligen gewesen wären und der zu erstattende Betrag entsprechend niedriger hätte festgesetzt werden müssen.
1. Die Klägerin ist leistungsberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Danach ist leistungsberechtigt, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig ist, hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Hilfebedürftig ist gem. § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Diese Voraussetzungen liegen für die Klägerin vor. Durch ihr Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit konnte sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend sichern.
2. Der Beklagte hat die Leistungen rechtmäßig zunächst nur vorläufig bewilligt.
Über die Erbringung von Geldleistungen kann gem. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.
Dies war hier der Fall, da das Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Tätigkeit monatlich in unterschiedlicher Höhe zugeflossen ist und die Höhe zum Zeitpunkt der Bewilligung noch nicht bekannt war, ohne dass die Klägerin dies zu vertreten hätte.
3. Nach dem Bekanntwerden des tatsächlich zugeflossenen Einkommens der Klägerin konnten die Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum endgültig festgesetzt werden.
a) Hinsichtlich des zugrunde gelegten Gesamtbedarfs von 834,00EUR im Dezember 2012 und von 842,00EUR im Zeitraum von Januar 2013 bis Mai 2013 sind Fehler weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Von dem ermittelten Gesamtbedarf ist nach § 11 Abs. 1, 2 SGB II das anzurechnende Einkommen der Klägerin in Abzug zu bringen gewesen.
Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ist nach § 3 Abs. 1 S. 1 ALG-II-V von den Betriebseinnahmen auszugehen, von denen gem. § 3 Abs. 2 ALG-II-V die notwendigen Betriebsausgaben ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzuziehen sind.
Aus dem so für die einzelnen Monate ermittelten Gewinn ist gem. § 3 Abs. 4 S. 1 ALG-II-V ein durchschnittliches Einkommen für den Bewilligungszeitraum zu bilden.
aa) Die Klägerin hatte im Bewilligungszeitraum Betriebseinnahmen i.H.v. 2.750,00EUR. Fehler bei der Berechnung dieses Betrages sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
bb) Von den geltend gemachten Betriebsausgaben i.H.v. 2.024,73EUR (1.420,73EUR aus dem Berechnungsbogen der Klägerin zzgl. 604,00EUR Einkommensteuernachzahlung) wäre jedoch ein höherer Betrag als die vom Beklagten berücksichtigten 1.044,40EUR anzuerkennen gewesen.
(1) Bei den vom Beklagten bereits als notwendige Betriebsausgaben anerkannten Beträgen bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung.
(2) Die hälftige Übernahme der tatsächlich angefallenen Telefonkosten ist Gegenstand des angenommenen Teilanerkenntnisses. Die Anerkennung eines darüber hinausgehenden Betrages, welche auch die Klägerin nicht mehr verfolgt, kommt nicht in Betracht, da sich das Telefon in der Privatwohnung der Klägerin befindet und der Umfang der betrieblichen Nutzung des Telefons nicht konkret nachgewiesen wurde. Die Schätzung einer hälftig betrieblich veranlassten Nutzung ist daher nicht zu beanstanden.
(3) Von den ursprünglich geltend gemachten Kosten für Kleingeräte i.H.v. 103,56EUR hat die Klägerin nur solche i.H.v. 22,44EUR nachgewiesen, sodass auch nur diese Kosten abgesetzt werden konnten. Eine weitergehende Berücksichtigung der Aufwendungen begehrt auch die Klägerin nicht mehr.
(4) Die im Februar 2013 und April 2013 gezahlten Rundfunkgebühren können nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass die Gebühren für den Arbeitscomputer angefallen sind. Aus diesem Grund hält sie auch selbst an dem Begehren nicht mehr fest.
(5) Die Reinigungskosten i.H.v. 65,49EUR konnten nicht anerkannt werden, da diese nicht konkret nachgewiesen wurden. Nach den Angaben der Klägerin handelt es sich hierbei ohnehin nur um eine von ihrem Steuerberater berechnete Pauschale, die im Sozialrecht unbedeutend ist, da notwendige Ausgaben gem. § 3 Abs. 2 ALG-II-V ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften nur in tatsächlicher Höhe anzuerkennen sind.
(6) Nach Auffassung der Kammer ist jedoch die Einkommensteuernachzahlung i.H.v. 604,00EUR als betriebsbedingte Ausgabe zu berücksichtigen.
Von einer betriebsbedingten Ausgabe i.S.v. § 3 Abs. 2 ALG-II-V ist bei der Zahlung von Einkommensteuer insoweit auszugehen, wie sich die Einkünfte aus derselben Erwerbstätigkeit, aus der das Einkommen im Bewilligungszeitraum angerechnet wird, als Besteuerungsgrundlage zuordnen lassen.
Die Einkommensteuernachzahlung resultiert hier ausschließlich aus den von der Klägerin im Jahr 2007 erzielten Einkünften aus derselben selbstständigen Tätigkeit, die sie im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübt hat. Damit besteht eine unmittelbare Verbindung zwischen der Tätigkeit der Klägerin, durch die sie Einnahmen generiert, und der Aufwendung für die Einkommensteuer.
Dieser Bezug ist im konkreten Fall schon deshalb herzustellen, weil die Klägerin laut Steuerbescheid vom 3. April 2013 im Jahr 2007 keine weiteren Einkünfte als die aus dem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin erzielt hat. Dass die Klägerin in diesem Zeitraum ein anderes oder ein weiteres Gewerbe ausgeübt hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass es sich hierbei um eine personenbezogene Ausgabe handele, da alle natürlichen Personen der Einkommensteuerpflicht unabhängig davon unterlägen, ob sie Einkommen aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus nichtselbstständiger Arbeit erzielten (so auch SG Karlsruhe Urt. v. 16. Dezember 2015 – S 12 AS 4451/14 Rn. 27), schließt sich die Kammer dem nicht an.
Es ist zwar richtig, dass alle natürlichen Personen unter den weiteren Voraussetzungen von § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind. Entscheidend für die Abgrenzung von betriebs- und personenbezogenen Ausgaben ist jedoch nicht nur das Besteuerungssubjekt, sondern auch die Besteuerungsgrundlage. Insofern ist für die Einordnung als betriebsbedingte Ausgabe – wie bereits dargelegt – zu verlangen, dass sich die Steuer konkret der von dem Leistungsberechtigten im Bewilligungszeitraum ausgeübten Tätigkeit zuordnen lässt, mit der das anzurechnende Einkommen erzielt wird.
Denn damit steht fest, dass die Zahlung an das Finanzamt eine unmittelbare Folge der gewerblichen Tätigkeit des Leistungsempfängers ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach § 3 Abs. 2 ALG-II-V die in § 11b SGB II genannten Absetzbeträge nicht schon als betriebliche Ausgaben zu berücksichtigen sind. Zwar sind die auf das Einkommen entrichteten Steuern gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II abzusetzen. Jedoch wurden die Steuern hier nicht auf das im Bewilligungszeitraum erzielte und angerechnete Einkommen entrichtet, sondern auf das im Jahr 2007 erzielte Einkommen. Eine Absetzung nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II im Jahr 2007 wäre jedoch ebenfalls nicht möglich gewesen, da zu diesem Zeitpunkt die Steuern noch nicht entrichtet wurden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten handelte es sich bei der Einkommensteuernachzahlung auch nicht um Schulden. Zwar bezog sich die Steuer auf die Einkünfte im Jahr 2007, jedoch war die Steuer erst nach deren Festsetzung im Mai 2013 fällig und damit sozialrechtlich auch zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen.
Letztlich führt auch die Tatsache, dass die Steuernachzahlung dadurch zustande gekommen ist, dass die Klägerin den von ihr in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag nicht für eine Investition genutzt hat und dieser daher gem. § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen war, zu keinem anderen Ergebnis.
Ob eine Steuergestaltung, die zur gezielten Erhöhung der Betriebsausgaben im Zeitraum des Leistungsbezuges die Notwendigkeit der Ausgabe entfallen lässt oder ggf. nach § 34 SGB II zu behandeln ist, kann dahinstehen.
Die Klägerin hat sich bis unmittelbar vor dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Leistungsbezug befunden. Zu dem Zeitpunkt, in dem sie den Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen hat, war für sie nicht absehbar, dass sie zum Zeitpunkt der möglichen Rückgängigmachung Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beziehen würde.
Die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages, ohne später tatsächlich eine Investition zu tätigen, war aus Sicht der Klägerin auch insoweit steuerlich neutral, wie sie aufgrund der späteren Rückgängigmachung die in den Vorjahren ersparte Steuer nachzahlen musste. Denn der betriebliche Gewinn der Klägerin ist hierdurch in den Vorjahren erhöht worden. Hätte sich die Klägerin damals schon im Leistungsbezug befunden, hätte dies ihre Ansprüche entsprechend gemindert. Dass nur die Fälligkeit der Nachzahlung in den Zeitraum des Leistungsbezuges fiel, war aus Sicht der Klägerin Zufall, sodass die Nutzung dieser steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit die Notwendigkeit der Nachzahlung der Steuer i.S.d. § 3 Abs. 2 ALG-II-V nicht entfallen lässt.
Anders verhält es sich hinsichtlich der von der Klägerin nicht als Betriebsausgabe geltend gemachten Zinsen i.H.v. 144,00EUR, die ausschließlich aufgrund der nicht getätigten Investition angefallen sind und nicht zu einer Erhöhung des Betriebsergebnisses in der Vergangenheit geführt haben. Diese sind daher auch nicht als notwendige Ausgabe anzuerkennen.
(7) Damit waren im streitgegenständlichen Zeitraum Betriebsausgaben i.H.v. 1.673,20EUR anzuerkennen, sodass sich ein Gesamtgewinn i.H.v. 1.076,80EUR ergibt. Im Durchschnitt ergibt sich damit ein monatlicher Gewinn im Bewilligungszeitraum i.H.v. 179,47EUR.
cc) Von diesem Gewinn sind der Grundfreibetrag gem. § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II i.H.v. 100,00EUR und der Erwerbstätigenfreibetrag gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 i.H.v. 15,89EUR in Abzug zu bringen. Anzurechnen waren damit monatlich 63,58EUR.
c) Der Anspruch der Klägerin errechnet sich damit aus dem Gesamtbedarf i.H.v. 834,00EUR im Dezember 2012 bzw. i.H.v. 842,00EUR im Zeitraum von Januar 2013 bis Mai 2013 abzüglich des anzurechnenden Einkommens i.H.v. monatlich 63,58EUR. Der Klägerin standen somit im Dezember 2012 770,42EUR und von Januar 2013 bis Mai 2013 monatlich 778,42EUR zu.
4. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III sind, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten.
Ein Erstattungsanspruch besteht damit in folgender Höhe:
Zeitraum Anspruch vorl. bewilligt Erstattungsanspr. Dezember 2012 770,42EUR 800,00EUR 29,58EUR Januar 2013 778,42EUR 808,00EUR 29,58EUR Februar 2013 – Mai 2013 778,42EUR 788,00EUR 9,58EUR Gesamt 4.662,52EUR 4.760,00EUR 97,48EUR
5. Weitere Fehler bei der endgültigen Festsetzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Die Klägerin hat ursprünglich Betriebsausgaben i.H.v. 794,90EUR über die bereits anerkannten Ausgaben hinaus geltend gemacht. In diesem Fall hätte sich der Gesamtgewinn im Bewilligungszeitraum auf 910,70EUR, also monatlich 151,78EUR belaufen, von denen nach Abzug der Freibeträge 41,42EUR anzurechnen gewesen wären.
Der Klägerin hätte damit ein Leistungsanspruch i.H.v. 792,58EUR im Dezember 2012 und i.H.v. 800,58EUR im Zeitraum von Januar 2013 bis Mai 2013 zugestanden.
Abzüglich der bereits bewilligten Leistungen belief sich das Begehr der Klägerin damit für Dezember 2012 auf 106,31EUR und für Januar 2013 bis Mai 2013 auf monatlich 105,99EUR, insgesamt also 636,26EUR.
Hiermit war sie im Umfang von 502,98EUR erfolgreich, sodass sich eine Erfolgsquote von 79% ergibt.
III.
Da der Beschwerdegegenstand einen Verwaltungsakt bzgl. einer Geldleistung im Umfang von unter 750EUR betrifft, bedarf die Berufung gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung.
Die Berufung war hier für den Beklagten zuzulassen, weil dessen Unterliegen zum Teil auf einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung beruht.
Eine solche liegt vor, wenn die rechtliche Frage über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist und sie darüber hinaus klärungsbedürftig ist. Die Klärungsbedürftigkeit entfällt jedoch, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus den rechtlichen Normen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt (BSG Urt. v. 25. Februar 2010 – B 13 R 345/09 B Rn. 6).
Die Anerkennung der Einkommensteuernachzahlung als notwendige betriebliche Ausgabe i.S.v. § 3 Abs. 2 ALG-II-V ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung, da sie selbstständig tätige Leistungsbezieher regelmäßig betreffen wird. Eine Antwort auf die Rechtsfrage ist jedoch weder den rechtlichen Normen noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen, sodass die Frage der obergerichtlichen Klärung bedarf.
Für die Klägerin liegt ein Zulassungsgrund aus § 144 Abs. 2 SGG hingegen nicht vor.
2. Der Erstattungsbescheid vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 wird dahingehend abgeändert, dass die Klägerin insgesamt 97,48EUR zu erstatten hat.
3. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte zu 4/5, im Übrigen trägt sie die Klägerin selbst.
4. Die Berufung wird für den Beklagten zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Dezember 2012 bis zum 31. Mai 2013.
Die Klägerin bezog jedenfalls im streitgegenständlichen Zeitraum Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II von dem Beklagten.
Die 1955 geborene Klägerin ist seit 2003 bis heute von ihrer Privatwohnung aus selbstständig tätig.
Nachdem sie sich zuvor vorübergehend nicht im Leistungsbezug befunden hatte, stellte die Klägerin am 11. Dezember 2012 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten.
Der Beklagte bewilligte ihr mit Bescheid vom 8. Januar 2013 und mit Änderungsbescheid vom 18. Januar 2013 vorläufig Leistungen in folgender Höhe:
Dezember 2012 800,00EUR Januar 2013 808,00EUR Februar 2013 – Mai 2013 monatlich 788,00EUR
Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete der Beklagte mit dem noch nicht absehbaren Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Tätigkeit.
Im Februar 2013 und April 2013 zahlte die Klägerin Rundfunkgebühren in i.H.v. insgesamt 35,26EUR.
Mit Änderungsbescheid vom 3. April 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer der Klägerin für das Jahr 2007 i.H.v. 618,00EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 144,00EUR fest, da der von ihr in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag rückgängig gemacht wurde. Abzüglich von bereits gezahlten 14,00EUR hatte die Klägerin daher einen Betrag von 604,00EUR für die Einkommensteuer und weitere 144,00EUR Zinsen bis zum 8. Mai 2013 zu entrichten. Besteuerungsgrundlage waren hierbei ausschließlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin i.H.v. 15.767EUR im Jahr 2007.
Am 19. Dezember 2013 reichte die Klägerin die abschließende Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit bei dem Beklagten ein, wobei sie Einnahmen von insgesamt 2.750,00EUR, Betriebsausgaben von insgesamt 1.420,73EUR und einen daraus errechneten Gesamtgewinn im Bewilligungszeitraum von 1.329,27EUR angab. Die Einkommensteuernachzahlung war hierbei noch nicht als Betriebsausgabe berücksichtigt.
In der Berechnung machte die Klägerin neben den gezahlten Rundfunkgebühren u.a. Telefonkosten i.H.v. insgesamt 339,32EUR, Kosten für Kleingeräte i.H.v. 103,56EUR und Reinigungskosten i.H.v. 65,49EUR als Betriebsausgaben geltend.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2014 setzte der Beklagte die Leistungen der Klägerin für den streitgegenständlichen Zeitraum endgültig in folgender Höhe fest:
Dezember 2012 686,59EUR Januar 2013 – Mai 2013 monatlich 694,59EUR
Dabei legte der Beklagte einen Regelbedarf von 374,00EUR im Dezember 2012 und von 382,00EUR ab Januar 2013 sowie Kosten der Unterkunft und Heizung von jeweils 460,00EUR zugrunde.
Von dem Gesamtbedarf zog der Beklagte das anzurechnende Einkommen der Klägerin ab. Für die Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit übernahm der Beklagte die Angaben der Klägerin, wobei er folgende Ausgaben nicht oder nicht vollständig anerkannte:
- Die Rundfunkgebühren i.H.v. 35,26EUR wurden nicht anerkannt, da die für die privaten Empfangsgeräte in der Wohnung gezahlte Gebühr den betrieblich genutzten Arbeitscomputer bereits beinhalteten.
- Die Telefonkosten wurden nur bis zu einem Betrag von maximal 50,00EUR berücksichtigt, wobei nur jeweils die Hälfte, also maximal 25,00EUR als betriebliche Ausgabe anerkannt wurde. Insgesamt wurden von den geltend gemachten 339,32EUR nur 144,86EUR anerkannt. Dies begründete der Beklagte damit, dass zum einen Flatrates für Internet, Handy und Festnetz für 50,00EUR monatlich verfügbar seien und dass zudem das Gewerbe in privaten Räumen ausgeübt werde, sodass ohne eine weitere Aufschlüsselung der Nutzung des Telefons seitens der Klägerin nur 50% der Kosten als betriebliche Ausgabe gelten könnten.
- Die i.H.v. 65,49EUR geltend gemachten Reinigungskosten wurden nicht anerkannt, da das Gewerbe in privaten Räumen ausgeübt werde.
- Die Kosten für Kleingeräte, die i.H.v. 103,56EUR geltend gemacht wurden, erkannte der Beklagte nur i.H.v. 22,44EUR für eine gekaufte Schneeschaufel an, da für die übrigen Aufwendungen keine Nachweise vorgelegt worden seien.
Insgesamt errechnete der Beklagte daher einen Gesamtgewinn für den Bewilligungszeitraum i.H.v. 1.705,60EUR und damit einen durchschnittlichen Gewinn von monatlich 284,27EUR, der bei der endgültigen Leistungsfestsetzung zugrunde gelegt wurde.
Mit weiterem Bescheid vom 13. Mai 2014 verlangte der Beklagte die Erstattung der durch die vorläufige Bewilligung eingetretenen Überzahlung i.H.v. 600,46EUR.
Gegen die Bescheide vom 13. Mai 2014 legte die Klägerin am 11. Juni 2014 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2014 als unbegründet zurückgewiesen wurde.
Hiergegen richtet sich die am 15. September 2014 bei Gericht eingegangene Klage.
Die Klägerin macht zuletzt nur noch die Berücksichtigung der Einkommensteuernachzahlung für das Jahr 2007 i.H.v. 604,00EUR geltend. Hierbei handele es sich um eine betrieblich veranlasste Ausgabe, die im Mai 2013 fällig gewesen sei und daher in die Gewinnberechnung einbezogen werden müsse. Die geplante Investition, für die der Investitionsabzugsbetrag genutzt werden sollte, habe sie wegen fehlender finanzieller Mittel nicht tätigen können.
Ursprünglich verfolgte die Klägerin darüber hinaus die Anerkennung der Rundfunkbeiträge und der Telefonkosten zu 2/3 sowie die vollständige Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen für Kleingeräte von 103,56EUR anstatt der anerkannten 22,44EUR. Hieran hält die Klägerin nunmehr nicht mehr fest.
Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2015 gab der Beklagte ein Teilanerkenntnis hinsichtlich der hälftigen Berücksichtigung der tatsächlich angefallenen und nicht auf 50,00EUR beschränkten Telefonkosten ab, das die Klägerin mit Schriftsatz vom 5. Januar 2016 annahm.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides zur endgültigen Festsetzung von Leistungen vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe zu bewilligen und den Erstattungsbetrag aus dem weiteren Bescheid vom 13. Mai 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2014 entsprechend zu reduzieren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er beruft sich im Wesentlichen auf die bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragene Begründung. Die Rundfunkgebühren könnten auch deshalb nicht berücksichtigt werden, weil nicht nachgewiesen sei, dass diese ausschließlich für den Arbeitscomputer der Klägerin gezahlt worden seien. Hinsichtlich der Einkommensteuernachzahlung ist der Beklagte der Auffassung, dass es sich nicht um betrieblich veranlasste, sondern um personenbezogene Ausgaben handele, da alle natürlichen Personen einkommensteuerpflichtig seien, unabhängig davon, ob diese Einkünfte aus Gewerbetrieb erzielten. Zudem handele es sich hierbei um Schulden, die nicht vom Einkommen abzusetzen seien.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte des Beklagten (xxxxxxxx) beigezogen. Diese sowie die in der Klageakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten waren Gegenstand des Verfahrens.
Wegen der Einzelheiten, auch im Vorbingen der Beteiligten, wird auf die Gerichts- und Beklagtenakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und im Umfang der allein noch strittigen Berücksichtigung der Einkommensteuernachzahlung begründet.
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin in ihren Rechten, da ihr höhere Leistungen zu bewilligen gewesen wären und der zu erstattende Betrag entsprechend niedriger hätte festgesetzt werden müssen.
1. Die Klägerin ist leistungsberechtigt i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II.
Danach ist leistungsberechtigt, wer das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht hat, erwerbsfähig ist, hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat.
Hilfebedürftig ist gem. § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
Diese Voraussetzungen liegen für die Klägerin vor. Durch ihr Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit konnte sie ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend sichern.
2. Der Beklagte hat die Leistungen rechtmäßig zunächst nur vorläufig bewilligt.
Über die Erbringung von Geldleistungen kann gem. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III vorläufig entschieden werden, wenn zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Geldleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist, die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen und die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer die Umstände, die einer sofortigen abschließenden Entscheidung entgegenstehen, nicht zu vertreten hat.
Dies war hier der Fall, da das Einkommen der Klägerin aus selbstständiger Tätigkeit monatlich in unterschiedlicher Höhe zugeflossen ist und die Höhe zum Zeitpunkt der Bewilligung noch nicht bekannt war, ohne dass die Klägerin dies zu vertreten hätte.
3. Nach dem Bekanntwerden des tatsächlich zugeflossenen Einkommens der Klägerin konnten die Leistungen für den streitgegenständlichen Zeitraum endgültig festgesetzt werden.
a) Hinsichtlich des zugrunde gelegten Gesamtbedarfs von 834,00EUR im Dezember 2012 und von 842,00EUR im Zeitraum von Januar 2013 bis Mai 2013 sind Fehler weder vorgetragen noch ersichtlich.
b) Von dem ermittelten Gesamtbedarf ist nach § 11 Abs. 1, 2 SGB II das anzurechnende Einkommen der Klägerin in Abzug zu bringen gewesen.
Bei der Berechnung des Einkommens aus selbstständiger Tätigkeit ist nach § 3 Abs. 1 S. 1 ALG-II-V von den Betriebseinnahmen auszugehen, von denen gem. § 3 Abs. 2 ALG-II-V die notwendigen Betriebsausgaben ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften abzuziehen sind.
Aus dem so für die einzelnen Monate ermittelten Gewinn ist gem. § 3 Abs. 4 S. 1 ALG-II-V ein durchschnittliches Einkommen für den Bewilligungszeitraum zu bilden.
aa) Die Klägerin hatte im Bewilligungszeitraum Betriebseinnahmen i.H.v. 2.750,00EUR. Fehler bei der Berechnung dieses Betrages sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
bb) Von den geltend gemachten Betriebsausgaben i.H.v. 2.024,73EUR (1.420,73EUR aus dem Berechnungsbogen der Klägerin zzgl. 604,00EUR Einkommensteuernachzahlung) wäre jedoch ein höherer Betrag als die vom Beklagten berücksichtigten 1.044,40EUR anzuerkennen gewesen.
(1) Bei den vom Beklagten bereits als notwendige Betriebsausgaben anerkannten Beträgen bestehen keine Bedenken hinsichtlich der Berücksichtigung.
(2) Die hälftige Übernahme der tatsächlich angefallenen Telefonkosten ist Gegenstand des angenommenen Teilanerkenntnisses. Die Anerkennung eines darüber hinausgehenden Betrages, welche auch die Klägerin nicht mehr verfolgt, kommt nicht in Betracht, da sich das Telefon in der Privatwohnung der Klägerin befindet und der Umfang der betrieblichen Nutzung des Telefons nicht konkret nachgewiesen wurde. Die Schätzung einer hälftig betrieblich veranlassten Nutzung ist daher nicht zu beanstanden.
(3) Von den ursprünglich geltend gemachten Kosten für Kleingeräte i.H.v. 103,56EUR hat die Klägerin nur solche i.H.v. 22,44EUR nachgewiesen, sodass auch nur diese Kosten abgesetzt werden konnten. Eine weitergehende Berücksichtigung der Aufwendungen begehrt auch die Klägerin nicht mehr.
(4) Die im Februar 2013 und April 2013 gezahlten Rundfunkgebühren können nicht als Betriebsausgaben anerkannt werden, da die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass die Gebühren für den Arbeitscomputer angefallen sind. Aus diesem Grund hält sie auch selbst an dem Begehren nicht mehr fest.
(5) Die Reinigungskosten i.H.v. 65,49EUR konnten nicht anerkannt werden, da diese nicht konkret nachgewiesen wurden. Nach den Angaben der Klägerin handelt es sich hierbei ohnehin nur um eine von ihrem Steuerberater berechnete Pauschale, die im Sozialrecht unbedeutend ist, da notwendige Ausgaben gem. § 3 Abs. 2 ALG-II-V ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften nur in tatsächlicher Höhe anzuerkennen sind.
(6) Nach Auffassung der Kammer ist jedoch die Einkommensteuernachzahlung i.H.v. 604,00EUR als betriebsbedingte Ausgabe zu berücksichtigen.
Von einer betriebsbedingten Ausgabe i.S.v. § 3 Abs. 2 ALG-II-V ist bei der Zahlung von Einkommensteuer insoweit auszugehen, wie sich die Einkünfte aus derselben Erwerbstätigkeit, aus der das Einkommen im Bewilligungszeitraum angerechnet wird, als Besteuerungsgrundlage zuordnen lassen.
Die Einkommensteuernachzahlung resultiert hier ausschließlich aus den von der Klägerin im Jahr 2007 erzielten Einkünften aus derselben selbstständigen Tätigkeit, die sie im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübt hat. Damit besteht eine unmittelbare Verbindung zwischen der Tätigkeit der Klägerin, durch die sie Einnahmen generiert, und der Aufwendung für die Einkommensteuer.
Dieser Bezug ist im konkreten Fall schon deshalb herzustellen, weil die Klägerin laut Steuerbescheid vom 3. April 2013 im Jahr 2007 keine weiteren Einkünfte als die aus dem Gewerbebetrieb als Einzelunternehmerin erzielt hat. Dass die Klägerin in diesem Zeitraum ein anderes oder ein weiteres Gewerbe ausgeübt hat, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass es sich hierbei um eine personenbezogene Ausgabe handele, da alle natürlichen Personen der Einkommensteuerpflicht unabhängig davon unterlägen, ob sie Einkommen aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus nichtselbstständiger Arbeit erzielten (so auch SG Karlsruhe Urt. v. 16. Dezember 2015 – S 12 AS 4451/14 Rn. 27), schließt sich die Kammer dem nicht an.
Es ist zwar richtig, dass alle natürlichen Personen unter den weiteren Voraussetzungen von § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind. Entscheidend für die Abgrenzung von betriebs- und personenbezogenen Ausgaben ist jedoch nicht nur das Besteuerungssubjekt, sondern auch die Besteuerungsgrundlage. Insofern ist für die Einordnung als betriebsbedingte Ausgabe – wie bereits dargelegt – zu verlangen, dass sich die Steuer konkret der von dem Leistungsberechtigten im Bewilligungszeitraum ausgeübten Tätigkeit zuordnen lässt, mit der das anzurechnende Einkommen erzielt wird.
Denn damit steht fest, dass die Zahlung an das Finanzamt eine unmittelbare Folge der gewerblichen Tätigkeit des Leistungsempfängers ist.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass nach § 3 Abs. 2 ALG-II-V die in § 11b SGB II genannten Absetzbeträge nicht schon als betriebliche Ausgaben zu berücksichtigen sind. Zwar sind die auf das Einkommen entrichteten Steuern gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II abzusetzen. Jedoch wurden die Steuern hier nicht auf das im Bewilligungszeitraum erzielte und angerechnete Einkommen entrichtet, sondern auf das im Jahr 2007 erzielte Einkommen. Eine Absetzung nach § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB II im Jahr 2007 wäre jedoch ebenfalls nicht möglich gewesen, da zu diesem Zeitpunkt die Steuern noch nicht entrichtet wurden.
Entgegen der Auffassung des Beklagten handelte es sich bei der Einkommensteuernachzahlung auch nicht um Schulden. Zwar bezog sich die Steuer auf die Einkünfte im Jahr 2007, jedoch war die Steuer erst nach deren Festsetzung im Mai 2013 fällig und damit sozialrechtlich auch zu diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen.
Letztlich führt auch die Tatsache, dass die Steuernachzahlung dadurch zustande gekommen ist, dass die Klägerin den von ihr in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag nicht für eine Investition genutzt hat und dieser daher gem. § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen war, zu keinem anderen Ergebnis.
Ob eine Steuergestaltung, die zur gezielten Erhöhung der Betriebsausgaben im Zeitraum des Leistungsbezuges die Notwendigkeit der Ausgabe entfallen lässt oder ggf. nach § 34 SGB II zu behandeln ist, kann dahinstehen.
Die Klägerin hat sich bis unmittelbar vor dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht im Leistungsbezug befunden. Zu dem Zeitpunkt, in dem sie den Investitionsabzugsbetrag in Anspruch genommen hat, war für sie nicht absehbar, dass sie zum Zeitpunkt der möglichen Rückgängigmachung Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II beziehen würde.
Die Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages, ohne später tatsächlich eine Investition zu tätigen, war aus Sicht der Klägerin auch insoweit steuerlich neutral, wie sie aufgrund der späteren Rückgängigmachung die in den Vorjahren ersparte Steuer nachzahlen musste. Denn der betriebliche Gewinn der Klägerin ist hierdurch in den Vorjahren erhöht worden. Hätte sich die Klägerin damals schon im Leistungsbezug befunden, hätte dies ihre Ansprüche entsprechend gemindert. Dass nur die Fälligkeit der Nachzahlung in den Zeitraum des Leistungsbezuges fiel, war aus Sicht der Klägerin Zufall, sodass die Nutzung dieser steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeit die Notwendigkeit der Nachzahlung der Steuer i.S.d. § 3 Abs. 2 ALG-II-V nicht entfallen lässt.
Anders verhält es sich hinsichtlich der von der Klägerin nicht als Betriebsausgabe geltend gemachten Zinsen i.H.v. 144,00EUR, die ausschließlich aufgrund der nicht getätigten Investition angefallen sind und nicht zu einer Erhöhung des Betriebsergebnisses in der Vergangenheit geführt haben. Diese sind daher auch nicht als notwendige Ausgabe anzuerkennen.
(7) Damit waren im streitgegenständlichen Zeitraum Betriebsausgaben i.H.v. 1.673,20EUR anzuerkennen, sodass sich ein Gesamtgewinn i.H.v. 1.076,80EUR ergibt. Im Durchschnitt ergibt sich damit ein monatlicher Gewinn im Bewilligungszeitraum i.H.v. 179,47EUR.
cc) Von diesem Gewinn sind der Grundfreibetrag gem. § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II i.H.v. 100,00EUR und der Erwerbstätigenfreibetrag gem. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 6, Abs. 3 S. 1 Nr. 1 i.H.v. 15,89EUR in Abzug zu bringen. Anzurechnen waren damit monatlich 63,58EUR.
c) Der Anspruch der Klägerin errechnet sich damit aus dem Gesamtbedarf i.H.v. 834,00EUR im Dezember 2012 bzw. i.H.v. 842,00EUR im Zeitraum von Januar 2013 bis Mai 2013 abzüglich des anzurechnenden Einkommens i.H.v. monatlich 63,58EUR. Der Klägerin standen somit im Dezember 2012 770,42EUR und von Januar 2013 bis Mai 2013 monatlich 778,42EUR zu.
4. Nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III sind, soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, auf Grund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten.
Ein Erstattungsanspruch besteht damit in folgender Höhe:
Zeitraum Anspruch vorl. bewilligt Erstattungsanspr. Dezember 2012 770,42EUR 800,00EUR 29,58EUR Januar 2013 778,42EUR 808,00EUR 29,58EUR Februar 2013 – Mai 2013 778,42EUR 788,00EUR 9,58EUR Gesamt 4.662,52EUR 4.760,00EUR 97,48EUR
5. Weitere Fehler bei der endgültigen Festsetzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.
Die Klägerin hat ursprünglich Betriebsausgaben i.H.v. 794,90EUR über die bereits anerkannten Ausgaben hinaus geltend gemacht. In diesem Fall hätte sich der Gesamtgewinn im Bewilligungszeitraum auf 910,70EUR, also monatlich 151,78EUR belaufen, von denen nach Abzug der Freibeträge 41,42EUR anzurechnen gewesen wären.
Der Klägerin hätte damit ein Leistungsanspruch i.H.v. 792,58EUR im Dezember 2012 und i.H.v. 800,58EUR im Zeitraum von Januar 2013 bis Mai 2013 zugestanden.
Abzüglich der bereits bewilligten Leistungen belief sich das Begehr der Klägerin damit für Dezember 2012 auf 106,31EUR und für Januar 2013 bis Mai 2013 auf monatlich 105,99EUR, insgesamt also 636,26EUR.
Hiermit war sie im Umfang von 502,98EUR erfolgreich, sodass sich eine Erfolgsquote von 79% ergibt.
III.
Da der Beschwerdegegenstand einen Verwaltungsakt bzgl. einer Geldleistung im Umfang von unter 750EUR betrifft, bedarf die Berufung gem. § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG der Zulassung.
Die Berufung war hier für den Beklagten zuzulassen, weil dessen Unterliegen zum Teil auf einer Rechtsfrage mit grundsätzlicher Bedeutung beruht.
Eine solche liegt vor, wenn die rechtliche Frage über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist und sie darüber hinaus klärungsbedürftig ist. Die Klärungsbedürftigkeit entfällt jedoch, wenn sich die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres aus den rechtlichen Normen oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt (BSG Urt. v. 25. Februar 2010 – B 13 R 345/09 B Rn. 6).
Die Anerkennung der Einkommensteuernachzahlung als notwendige betriebliche Ausgabe i.S.v. § 3 Abs. 2 ALG-II-V ist über den Einzelfall hinaus von Bedeutung, da sie selbstständig tätige Leistungsbezieher regelmäßig betreffen wird. Eine Antwort auf die Rechtsfrage ist jedoch weder den rechtlichen Normen noch der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen, sodass die Frage der obergerichtlichen Klärung bedarf.
Für die Klägerin liegt ein Zulassungsgrund aus § 144 Abs. 2 SGG hingegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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FSS
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