Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 986/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 695/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Ausschluss der Anrechnung der letzten zwei Jahre des Bezugs von Arbeitslosengeld auf die Wartezeit von 45 Jahren ist (jedenfalls) in den Fällen, in denen der Arbeitsplatzverlust freiwillig durch Auflösungsvereinbarung mit dem Arbeitgeber erfolgte, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Februar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Der am 21.08.1951 geborene Kläger war bei der D. AG als PKW-Verkäufer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund eines unter dem 01.02.2011 geschlossenen Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung von 45.000,- Euro (brutto) mit Wirkung zum 31.12.2011 beendet. Der Kläger meldete sich anschließend arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 07.02.2012 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2012 für 720 Tage und stellte für die Dauer von 12 Wochen (01.01.2012 bis 24.03.2012) den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe fest. Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser vorbrachte, sein Hausarzt habe ihm wegen gesundheitlicher Beschwerden zur Arbeitsaufgabe geraten, half die Bundesagentur für Arbeit dem Widerspruch ab und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 07.03.2012 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.12.2013.
Am 23.07.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Am selben Tag beantragte er die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI. Die Bundesagentur für Arbeit meldete eine Zeit vom 01.01.2014 bis 31.03.2014 wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug. Zwischen dem 01.04.2014 und dem 22.08.2014 sei keine Meldung erfolgt, da der Kläger gearbeitet habe, vom 23.08.2014 bis 31.08.2014 habe eine erneute Meldung ohne Leistungsbezug vorgelegen. Im Versicherungskonto des Klägers sind bis zum 31.12.2011 Beitragszeiten aufgrund abhängiger Beschäftigung vermerkt und ab dem 01.01.2012 bis 30.12.2013 Beitragszeiten aufgrund von Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit. Zwischen dem 23.06.2014 und dem 22.08.2014 sind nochmals Beitragszeiten wegen abhängiger Beschäftigung vermerkt.
Mit Bescheid vom 14.10.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.09.2014. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 29.10.2014 Widerspruch, den er damit begründete, dass die Arbeitslosigkeit vor der Rente mit 63 vollständig anzuerkennen sei. Es liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Mit Schreiben vom 04.11.2014 teilte die Beklagte mit, dass die Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden seien. Mit dem angefochtenen Bescheid sei über den Antrag auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit entschieden worden, der Anrechnungsausschluss gelte nur bei der Prüfung der Wartezeit von 45 Jahren. Zu dieser Rentenart sei noch kein Bescheid erteilt worden.
Mit Bescheid vom 07.11.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab, da die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt sei. Das Versicherungskonto enthalte bis zum 31.08.2014 nur 525 Beitragsmonate, sodass die erforderliche Anzahl von 540 Monaten nicht erreicht sei. Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zählten nur mit, wenn diese Folge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers seien. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Ohne diese Zeiten weise das Versicherungskonto nur 525 Kalendermonate auf.
Mit Schreiben vom 25.11.2014 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 07.11.2014 Widerspruch und nahm den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.10.2014 zurück. Zur Begründung verwies er darauf, dass Musterverfahren zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angestrebt würden. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.11.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2015 zurück mit der Begründung, der Kläger erfülle die Wartezeit von 45 Jahren nicht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geltende Regelung bestünden nicht.
Am 02.04.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und dazu ausgeführt, er halte die Vorschrift des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 2. Halbs. SGB VI für gleichheitswidrig. Da diesbezüglich seitens des DGB Musterverfahren geführt würden, solle das Verfahren zunächst ruhend gestellt werden.
Die Beklagte ist der Klage und auch einem Ruhen des Verfahrens entgegen getreten mit der Begründung, die in der Presse angekündigten Musterprozesse des DGB beträfen andere Konstellationen, etwa die Frage, ob die Rückausnahme des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 a - vollständige Geschäftsaufgabe oder Insolvenz - auch dann greife, wenn die Kündigung auf der Schließung von Unternehmensteilen beruhe bzw. wenn der Arbeitnehmer zuvor in einer Transfergesellschaft beschäftigt war. In der vorliegenden Konstellationen werde keine Veranlassung für ein Ruhen des Verfahrens gesehen.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 15.02.2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne keine Altersrente für besonders langjährig Versicherte beanspruchen. Hierbei könne dahinstehen, ob dem Anspruch schon die Tatsache entgegenstehe, dass dem Kläger mit Bescheid vom 14.10.2014 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewährt worden sei und dieser Bescheid bestandskräftig geworden sei. Denn er erfülle jedenfalls nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b Abs. 1 SGB VI. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt habe, enthalte das Versicherungskonto des Klägers insgesamt 525 Monate an Pflichtbeitragszeiten, die auf die Wartezeit anzurechnen seien. Dementsprechend sei die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monate) nicht erfüllt. Die in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vorhandenen Zeiten aufgrund des Bezugs von Entgeltersatzleistungen seien nicht bei der Berechnung zu berücksichtigen. Aus der beigezogenen Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit ergebe sich nämlich, dass die Arbeitslosigkeit nicht kausal durch eine Insolvenz des Arbeitgebers oder eine vollständige Geschäftsaufgabe bedingt gewesen sei, sondern dadurch, dass das Kläger aus personenbedingten Gründen mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen habe. Die Ausnahmevoraussetzungen des § 51 Abs. 3a SGB VI seien daher nicht erfüllt. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Vorschrift des § 51 Abs. 3a SGB VI bestünden nicht.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 18.02.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.02.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung, die der Kläger damit begründet hat, er halte die Vorschrift des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 a SGB VI weiterhin für gleichheitswidrig. Die Rückausnahmen Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers berücksichtigten nicht sämtliche Sachverhalte unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Die Privilegierung der durch vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingten Arbeitslosigkeit sei gleichheitswidrig. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld noch vor Inkrafttreten der Vorschrift des § 51 Abs. 3a und des § 236b SGB VI zurückgelegt worden seien. Der Kläger gehe davon aus, dass eine Differenzierung erst für Zeiten nach Inkrafttreten der genannten Vorschriften möglich sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2015 zu verurteilen, ihm Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1. September 2014 zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ein Ruhen des Verfahrens weiterhin nicht für veranlasst.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG und die angegriffenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährige Versicherte wurde zu Recht abgelehnt.
Der Gewährung dieser Rente steht nicht entgegen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 14.10.2014 zum 01.09.2014 eine andere Altersrente, nämlich wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit nach § 237 SGB VI bewilligt wurde. Zwar schließt § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente den Wechsel in eine andere Rente wegen Alters aus. Ein Wechsel im Sinne dieser Vorschrift liegt allerdings nur vor, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die gewünschte abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht vorher oder gleichzeitig mit der bewilligten Altersrente vorgelegen haben (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015 - L 7 R 5354/14 -, NZS 2015, 586). Da der Kläger vorliegend beide Renten am selben Tag beantragt hat und die Anspruchsvoraussetzungen (auch) für die Altersrente für besonders langjährige Versicherte jedenfalls nach seinem Vorbringen zum selben Zeitpunkt vorlagen wie die für die bewilligte und ab 01.09.2014 bezogene andere Altersrente, liegt vorliegend kein Wechsel im Sinne des § 34 Abs. 4 SGB VI vor.
Der Kläger erfüllte allerdings zum Zeitpunkt des begehrten Rentenbeginns am 01.09.2014 (zur Auslegung des Begriffs "Rentenbeginn" im Sinne des Rentenzahlbeginns Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.11.2008, B 5 RJ 15/04 R, Juris) nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 236b Abs. 1 SGB VI für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Denn er hatte bei Vollendung des 63. Lebensjahres am 21.08.2014 (und auch später) nicht die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt.
Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden nach § 51 Abs. 3a SGB VI (in der Fassung des zum 01.07.2014 in Kraft getretenen RV-Leistungsverbesserungsgesetzes) alle Kalendermonate angerechnet mit (Nr. 1) Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, (Nr. 2) Berücksichtigungszeiten, (Nr. 3) Zeiten des Bezugs von (a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, (b) Leistungen bei Krankheit und (c) Übergangsgeld, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden jedoch Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt. Ferner sind (Nr. 4) freiwillige Beiträge anzurechnen, wenn mindestens 18 Jahre mit Zeiten nach Nummer 1 vorhanden sind (wobei Zeiten freiwilliger Beitragszahlung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden, wenn gleichzeitig Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegen).
Im Versicherungskonto des Klägers sind bis einschließlich August 2014 insgesamt 542 Monate an Pflichtbeitragszeiten, zuletzt in der Zeit vom 23.06.2014 bis 22.08.2014 vermerkt. Hiervon entfallen 16 Monate (01.09.2012 bis 31.12.2013) auf Beitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor dem (gewünschten und auch tatsächlichen) Rentenbeginn vom 01.09.2014, die damit nach den gesetzlichen Vorgaben des § 51 Abs. 3a Nr. 3 SGB VI für die Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren (= 540 Monaten) nicht in Ansatz zu bringen sind.
Von der Ausnahmevorschrift, wonach Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (auch soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind) in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden dürfen, hat der Gesetzgeber eine (Rück-)Ausnahme vorgesehen, wonach solche Zeiten gleichwohl in Ansatz zu bringen sind, wenn ein solcher Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung seinerseits durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Eine Konstellation, in welcher die Arbeitslosigkeit durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des letzten Arbeitgebers des Klägers "bedingt" war, liegt hier allerdings unzweifelhaft nicht vor. Der Kläger ist aufgrund freiwilligen Willensentschlusses, nämlich eines mit seiner Arbeitgeberin geschlossenen Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Der Beendigungsgrund eines Aufhebungsvertrages als Form eines freiwilligen Arbeitsplatzverlustes wird - eindeutig - weder vom Wortlaut der gesetzlichen (Rück-)Ausnahme erfasst noch ist dieser nach Sinn und Zweck den gesetzlichen normierten Tatbeständen, etwa im Wege einer verfassungskonformen (erweiternden) Auslegung, gleichzusetzen (s. zu den Grenzen einer solchen Auslegung, BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - DVBl. 2015, 429). Denn eine dahingehende Auslegung stünde ersichtlich im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, der nach der Gesetzesbegründung die Ausschlussfrist von zwei Jahren vor Rentenbeginn gerade in der Absicht geschaffen hat, "Fehlanreize" zu vermeiden, die sich sonst aus der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ergeben könnten (BT-Drs. 18/1489, S. 26). Lediglich zur Vermeidung von "Härtefällen" sollten entsprechende Zeiten in den zwei Jahren vor Rentenbeginn Berücksichtigung finden können, wenn sie durch "Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" bedingt sind (vgl. BT-Drs., a.a.O.). Ein den normierten (Rück-)Ausnahmen gleich zu erachtender Härtefall liegt indessen im Falle eines freiwilligen Arbeitsplatzverlusts durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages (gegen Abfindung) nicht vor, weshalb eine dahingehende Auslegung ersichtlich dem gesetzgeberischen Willen widersprechen würde (s. entsprechend zum Arbeitsplatzverlust aufgrund Kündigung durch den Arbeitgeber in der Absicht, hierdurch eine drohende Insolvenz abzuwenden (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 02.03.2016 - L 2 R 517/15 - Juris; Revision anhängig beim Bundessozialgericht (BSG) - B 5 R 8/16 R -).
Der Senat sieht auch keine Veranlassung, das Verfahren dem BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen. Denn die maßgebliche einfachgesetzliche Regelung verletzt den Kläger zur Überzeugung des Senats nicht in verfassungswidriger Weise in seinen Grundrechten. Ob in der Regelung der §§ 51, 236b SGB VI eine Ungleichbehandlung oder sonstige Benachteiligung gegenüber anderen Versicherten - in anderen Sachverhaltskonstellationen - liegen könnte, kann dahinstehen. Denn einfachgesetzliche Bestimmungen sind im Rahmen der konkreten Normenkontrolle nur insoweit am Maßstab der Grundrechte zu prüfen, als der Kläger des Ausgangsverfahrens hiervon betroffen ist und eine Grundrechtsverletzung in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 117, 272 (291 f.)). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Regelung der §§ 38, 51, 236b SGB VI verstößt weder zu Lasten des Klägers gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) noch gegen die Garantie des Eigentums (Art. 14 GG) noch sonst gegen höheres Recht.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 117, 272 (300 f.); st. Rspr). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist vom BVerfG nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 68, 287 (301); 81, 108 (117 f.); 84, 348 (359)).
Die ab 01.07.2014 in Kraft getretene Bestimmung des § 236b Abs. 1 und 2 SGB VI eröffnet für einen als "besonders langjährig Versicherte" bezeichneten Kreis von Personen, die - wie der Kläger - vor dem 01.01.1953 geboren sind und eine Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben, die Möglichkeit, nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente in einer nicht aufgrund eines verminderten Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI gekürzten Höhe zu beziehen. Hierin liegt eine Besserstellung gegenüber anderen Versicherten desselben Alters, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und eine ungekürzte Altersrente erst mit Erreichung der Regelaltersgrenze (§ 35 Satz 2 i.V.m. § 235 SGB VI) erreichen können bzw. bei vorzeitiger Berentung entsprechende Abschläge in Kauf nehmen müssen. Entsprechendes gilt auch für den Kläger, der zwar über die Bestimmung des § 237 SGB VI eine (vorzeitige) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen konnte, die aber wegen seiner individuellen Altersgrenze von 65 Jahren (§ 237 Abs. 3 SGB i.V.m. Anlage 19) auf Dauer um den Zugangsfaktor 0,072 (24 Monate x 0,03) gekürzt wurde auf den Faktor 0,928 (s. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 u.a., BVerfG (Kammer), Nichtannahmebeschluss vom 05.02.2009, 1 BvR 1631/04; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 77/08 R, Juris). Eine weitere den Kläger treffende Ungleichbehandlung mit anderen Versicherten folgt aus der Regelung des § 51 Abs. 3a SGB VI, wonach Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur unter engen, in seinem Falle nicht vorliegenden Voraussetzungen auf die Wartezeit Anrechnung finden, während etwa frühere Unterbrechungen der Erwerbsbiographie mit Bezug von Arbeitslosengeld unbeachtlich sind bei der Wartezeitberechnung.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu Lasten des Klägers ist allerdings mit Blick auf den im Sozialrecht grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, insbesondere was die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (hierzu BVerfGE 106, 166, 175 ff; 111, 160, 169 ff = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 Rdnr. 43 ff; 112, 164, 175 f; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.02.2009 - B 10 KG 2/07 R -, SozR 4-5870 § 1 Nr. 2) und die Bezugsdauer der einzelnen Sozialleistung anbelangt, nicht zu erkennen. Von Verfassungs wegen gefordert ist daher nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung; angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt dem Gesetzgeber im Ergebnis ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn er sich auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (BVerfG, Urteil vom 07.10.2014 – 2 BvR 1641/11 –, BVerfGE 137, 108, Rn. 108). Dies ist der Fall.
Vor Inkrafttreten der Novellierung des § 51 Abs. 3a SGB VI bestimmte dessen Nr. 1, dass Pflichtbeiträge wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren nicht berücksichtigt werden konnten, was gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 SGB VI weiterhin für Pflichtbeitragszeiten aufgrund Bezuges von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II gilt. Begründet wird dies gesetzgeberisch damit, dass diese Leistungen von einem Fürsorgecharakter geprägt sind und aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden (BT-Drs. 18/909, S. 20, 21). Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, wie z.B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Eingliederungsgeld, Altersübergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld und Schlechtwettergeld werden demgegenüber grundsätzlich weiterhin für die Wartezeit berücksichtigt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn diese Zeiten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen, es sei denn, es liegt einer der genannten (Rück-)Ausnahmen vor. Mit dieser Regelung sollen nach der gesetzgeberischen Begründung - wie ausgeführt - "Fehlanreize" vermieden werden (BT-Ausschuss-Drs. 18(11)102, S. 2). Zwar ist, worauf das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 03.02.2016, a.a.O., Rdnr. 45) hingewiesen hat, keine tragfähige Grundlage - und erst Recht kein empirischer Beleg - für die Annahme erkennbar, solche "Fehlanreize", wie sie in der Gesetzesbegründung pauschal aufgegriffen werden, prägten das tatsächliche Geschehen in einem solchen Maße, dass andere Gründe für eine Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vor diesem Hintergrund vernachlässigt werden könnten. Auf der anderen Seite entbehrt die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung vermeiden zu wollen, auch nicht eines nachvollziehbaren und vertretbaren Ansatzes. Mit der Einschränkung, Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten bei Arbeitslosigkeit dann nicht für die Erfüllung der Wartezeit zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor dem beabsichtigten Rentenbeginn liegen, sollte verhindert werden, den Eintritt in eine vorzeitige Altersrente im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber weiter nach vorne zu verlagern. Die Erfahrung mit den Frühverrentungsvorhaben der 1990er Jahre hatte gezeigt, dass es regelmäßig zu einem dem Rentenbeginn vorgelagerten Bezug von Arbeitslosengeld gekommen war. Nunmehr sollte verhindert oder zumindest erschwert werden, aus der "Rente mit 63" eine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung zu machen (vgl. hierzu Schmidt, Anm. zu dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, jurisPR-SozR 18/2014 Anm. 1; SG Stade, Urteil vom 14.09.2015 - S 9 R 5/15 -, Rdnr. 19, Juris). Soweit diese Regelung daher vor dem Hintergrund der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung als Solidargemeinschaft erfolgt ist, ist sie aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt (vgl. auch BVerfGE 117, 272, 297 Rdnr. 82, Juris). Eines empirischen Nachweises für die befürchteten Fehlanreize und einer dadurch eintretenden konkreten Gefahr von Liquiditätsproblemen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bedarf es mit Blick auf die insoweit bestehende gesetzgeberische Einschätzungsprärogative nicht (BVerfGE 138, 136, Rdnr. 144, Juris).
Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die zum 01.07.2014 eingeführte abschlagfreie "Rente mit 63" nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern eine gesetzliche Privilegierung für einen bestimmten Kreis von Versicherten geschaffen wurde, von der auch andere Versicherte, etwa Personen, die zuvor schon die Altersgrenze erreicht hatten oder eine Altersrente mit Abschlägen bezogen, nicht profitieren konnten (vgl. § 34 Abs. 4 SGB VI). Auch in Bezug auf den Kläger wurde durch die genannte Regelung nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern es wurde ihm - wie anderen Versicherten - lediglich die Teilnahme an einer neu geschaffenen gesetzlichen Vergünstigung verwehrt, was aus den dargestellten Gründen vom weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum umfasst ist. Soweit der Kläger geltend macht, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld in den Jahren 2012 und 2013 auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, verkennt er, dass schon die Vorgängerregelung des § 51 Abs. 3a Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung die Regelung enthielt, dass Zeiten mit Pflichtbeiträgen wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden. Ein Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung konnte daher insoweit nicht begründet werden. Hinzu kommt, dass die in 2012 und 2013 gezahlten Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit nach den allgemeinen rentenrechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Diese sehen ohnehin einen Vorteil für den Versicherten in der Form vor, dass die erfolgten (in Entgeltpunkte umzurechnenden) Beitragszahlungen - ebenso wie alle vorausgegangenen Beiträge - in die Rentenberechnung nach Maßgabe der §§ 64 ff. SGB VI einzustellen sind, so dass diese zu einer entsprechenden Erhöhung der Rentenanwartschaften und -ansprüche führen. Da diese Beitragszahlungen dem Kläger somit rentenrechtlich gut gebracht werden, ist nicht zu erkennen, aus welchem verfassungsrechtlichen oder sonstigen Grund ein Anspruch darauf bestehen sollte, dass der Kläger wegen dieser Sozialleistungen zusätzlich als "besonders langjährig" Versicherter Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente erwirbt, wie sie ansonsten für ihn angesichts seines Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht zugänglich wäre (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Unabhängig davon hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, eine (gegebenenfalls geringfügige) versicherungspflichtige Beschäftigung in den Jahren 2012/2013 aufzunehmen, hieraus Pflichtbeiträge zu entrichten und dadurch die Wartezeit von 45 Jahren bei Vollendung des 63. Lebensjahres zu erfüllen.
Die gesetzliche Regelung ist auch im Lichte des Art. 14 GG nicht zu beanstanden. Zwar ist auch die Anwartschaft auf eine Rente aus eigener Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 117, 272 (292)). Allerdings steht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 53, 257 (293)). Im Hinblick auf die Rentenanwartschaften kann der Gesetzgeber verschiedene Gesichtspunkte wie insbesondere beitragsbezogene und zeitbezogene Kriterien miteinander verschränken, die erst zusammen den realen Wert der Anwartschaft ausmachen. Wenn in bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht (vgl. BVerfGE 116, 96 (125)). Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (vgl. BVerfGE 53, 257 (293); 100, 1 (38); 117, 272 (294); st. Rspr.). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 72, 9 (23); 75, 78 (97 f.)).
Hiervon ausgehend stellen die Vorschriften der §§ 51, 236b SGB VI eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Regelung ist aus den genannten Erwägungen durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und entspricht auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zudem ist (nochmals) darauf hinzuweisen, dass durch die gesetzliche Neuregelung in Bezug auf die 2012 und 2013 erworbenen Rentenanwartschaften aus dem Bezug von Arbeitslosengeld keine nachträgliche Änderung eingetreten ist, da diese - wie ausgeführt - schon im Zeitpunkt ihrer Begründung nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen waren - und auf der anderen Seite die in dieser Zeit gezahlten Pflichtbeiträge auch nach der Neuregelung zum 01.07.2014 weiterhin ungeschmälert bei der Rentenhöhe berücksichtigt werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Auslegung der Bestimmungen der § 51 Abs. 3a, § 236b SGB VI und deren Vereinbarkeit mit höherem Recht ist über den Einzelfall hinaus bedeutsam und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.
Der am 21.08.1951 geborene Kläger war bei der D. AG als PKW-Verkäufer beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgrund eines unter dem 01.02.2011 geschlossenen Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung von 45.000,- Euro (brutto) mit Wirkung zum 31.12.2011 beendet. Der Kläger meldete sich anschließend arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Mit Bescheid vom 07.02.2012 bewilligte die Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld ab dem 01.01.2012 für 720 Tage und stellte für die Dauer von 12 Wochen (01.01.2012 bis 24.03.2012) den Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe fest. Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem dieser vorbrachte, sein Hausarzt habe ihm wegen gesundheitlicher Beschwerden zur Arbeitsaufgabe geraten, half die Bundesagentur für Arbeit dem Widerspruch ab und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 07.03.2012 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.12.2013.
Am 23.07.2014 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gemäß § 237 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Am selben Tag beantragte er die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b SGB VI. Die Bundesagentur für Arbeit meldete eine Zeit vom 01.01.2014 bis 31.03.2014 wegen Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug. Zwischen dem 01.04.2014 und dem 22.08.2014 sei keine Meldung erfolgt, da der Kläger gearbeitet habe, vom 23.08.2014 bis 31.08.2014 habe eine erneute Meldung ohne Leistungsbezug vorgelegen. Im Versicherungskonto des Klägers sind bis zum 31.12.2011 Beitragszeiten aufgrund abhängiger Beschäftigung vermerkt und ab dem 01.01.2012 bis 30.12.2013 Beitragszeiten aufgrund von Entgeltersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit. Zwischen dem 23.06.2014 und dem 22.08.2014 sind nochmals Beitragszeiten wegen abhängiger Beschäftigung vermerkt.
Mit Bescheid vom 14.10.2014 bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 01.09.2014. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 29.10.2014 Widerspruch, den er damit begründete, dass die Arbeitslosigkeit vor der Rente mit 63 vollständig anzuerkennen sei. Es liege ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz vor.
Mit Schreiben vom 04.11.2014 teilte die Beklagte mit, dass die Zeiten der Arbeitslosigkeit bei der Rentenberechnung berücksichtigt worden seien. Mit dem angefochtenen Bescheid sei über den Antrag auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit entschieden worden, der Anrechnungsausschluss gelte nur bei der Prüfung der Wartezeit von 45 Jahren. Zu dieser Rentenart sei noch kein Bescheid erteilt worden.
Mit Bescheid vom 07.11.2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab, da die Wartezeit von 45 Jahren nicht erfüllt sei. Das Versicherungskonto enthalte bis zum 31.08.2014 nur 525 Beitragsmonate, sodass die erforderliche Anzahl von 540 Monaten nicht erreicht sei. Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn zählten nur mit, wenn diese Folge einer Insolvenz oder vollständigen Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers seien. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Ohne diese Zeiten weise das Versicherungskonto nur 525 Kalendermonate auf.
Mit Schreiben vom 25.11.2014 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 07.11.2014 Widerspruch und nahm den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.10.2014 zurück. Zur Begründung verwies er darauf, dass Musterverfahren zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angestrebt würden. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.11.2014 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.03.2015 zurück mit der Begründung, der Kläger erfülle die Wartezeit von 45 Jahren nicht. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die geltende Regelung bestünden nicht.
Am 02.04.2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und zur Begründung sein bisheriges Vorbringen wiederholt und dazu ausgeführt, er halte die Vorschrift des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 2. Halbs. SGB VI für gleichheitswidrig. Da diesbezüglich seitens des DGB Musterverfahren geführt würden, solle das Verfahren zunächst ruhend gestellt werden.
Die Beklagte ist der Klage und auch einem Ruhen des Verfahrens entgegen getreten mit der Begründung, die in der Presse angekündigten Musterprozesse des DGB beträfen andere Konstellationen, etwa die Frage, ob die Rückausnahme des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 a - vollständige Geschäftsaufgabe oder Insolvenz - auch dann greife, wenn die Kündigung auf der Schließung von Unternehmensteilen beruhe bzw. wenn der Arbeitnehmer zuvor in einer Transfergesellschaft beschäftigt war. In der vorliegenden Konstellationen werde keine Veranlassung für ein Ruhen des Verfahrens gesehen.
Das SG hat die Klage durch Urteil vom 15.02.2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger könne keine Altersrente für besonders langjährig Versicherte beanspruchen. Hierbei könne dahinstehen, ob dem Anspruch schon die Tatsache entgegenstehe, dass dem Kläger mit Bescheid vom 14.10.2014 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit gewährt worden sei und dieser Bescheid bestandskräftig geworden sei. Denn er erfülle jedenfalls nicht die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach § 236b Abs. 1 SGB VI. Wie die Beklagte zu Recht ausgeführt habe, enthalte das Versicherungskonto des Klägers insgesamt 525 Monate an Pflichtbeitragszeiten, die auf die Wartezeit anzurechnen seien. Dementsprechend sei die Wartezeit von 45 Jahren (540 Monate) nicht erfüllt. Die in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vorhandenen Zeiten aufgrund des Bezugs von Entgeltersatzleistungen seien nicht bei der Berechnung zu berücksichtigen. Aus der beigezogenen Verwaltungsakte der Bundesagentur für Arbeit ergebe sich nämlich, dass die Arbeitslosigkeit nicht kausal durch eine Insolvenz des Arbeitgebers oder eine vollständige Geschäftsaufgabe bedingt gewesen sei, sondern dadurch, dass das Kläger aus personenbedingten Gründen mit seinem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag geschlossen habe. Die Ausnahmevoraussetzungen des § 51 Abs. 3a SGB VI seien daher nicht erfüllt. Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die Vorschrift des § 51 Abs. 3a SGB VI bestünden nicht.
Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 18.02.2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 23.02.2016 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Berufung, die der Kläger damit begründet hat, er halte die Vorschrift des § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3 a SGB VI weiterhin für gleichheitswidrig. Die Rückausnahmen Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers berücksichtigten nicht sämtliche Sachverhalte unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Die Privilegierung der durch vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingten Arbeitslosigkeit sei gleichheitswidrig. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die geltend gemachten Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld noch vor Inkrafttreten der Vorschrift des § 51 Abs. 3a und des § 236b SGB VI zurückgelegt worden seien. Der Kläger gehe davon aus, dass eine Differenzierung erst für Zeiten nach Inkrafttreten der genannten Vorschriften möglich sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Februar 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 7. November 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. März 2015 zu verurteilen, ihm Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1. September 2014 zu gewähren, hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ein Ruhen des Verfahrens weiterhin nicht für veranlasst.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das angefochtene Urteil des SG und die angegriffenen Bescheide sind nicht zu beanstanden. Die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährige Versicherte wurde zu Recht abgelehnt.
Der Gewährung dieser Rente steht nicht entgegen, dass dem Kläger mit Bescheid vom 14.10.2014 zum 01.09.2014 eine andere Altersrente, nämlich wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit nach § 237 SGB VI bewilligt wurde. Zwar schließt § 34 Abs. 4 Nr. 3 SGB VI nach bindender Bewilligung einer Rente wegen Alters oder für Zeiten des Bezugs einer solchen Rente den Wechsel in eine andere Rente wegen Alters aus. Ein Wechsel im Sinne dieser Vorschrift liegt allerdings nur vor, wenn die Anspruchsvoraussetzungen für die gewünschte abschlagfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht vorher oder gleichzeitig mit der bewilligten Altersrente vorgelegen haben (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.05.2015 - L 7 R 5354/14 -, NZS 2015, 586). Da der Kläger vorliegend beide Renten am selben Tag beantragt hat und die Anspruchsvoraussetzungen (auch) für die Altersrente für besonders langjährige Versicherte jedenfalls nach seinem Vorbringen zum selben Zeitpunkt vorlagen wie die für die bewilligte und ab 01.09.2014 bezogene andere Altersrente, liegt vorliegend kein Wechsel im Sinne des § 34 Abs. 4 SGB VI vor.
Der Kläger erfüllte allerdings zum Zeitpunkt des begehrten Rentenbeginns am 01.09.2014 (zur Auslegung des Begriffs "Rentenbeginn" im Sinne des Rentenzahlbeginns Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 25.11.2008, B 5 RJ 15/04 R, Juris) nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 236b Abs. 1 SGB VI für eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Denn er hatte bei Vollendung des 63. Lebensjahres am 21.08.2014 (und auch später) nicht die Wartezeit von 45 Jahren erfüllt.
Auf die Wartezeit von 45 Jahren werden nach § 51 Abs. 3a SGB VI (in der Fassung des zum 01.07.2014 in Kraft getretenen RV-Leistungsverbesserungsgesetzes) alle Kalendermonate angerechnet mit (Nr. 1) Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit, (Nr. 2) Berücksichtigungszeiten, (Nr. 3) Zeiten des Bezugs von (a) Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, (b) Leistungen bei Krankheit und (c) Übergangsgeld, soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind; dabei werden jedoch Zeiten nach Buchstabe a in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt, es sei denn, der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung ist durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt. Ferner sind (Nr. 4) freiwillige Beiträge anzurechnen, wenn mindestens 18 Jahre mit Zeiten nach Nummer 1 vorhanden sind (wobei Zeiten freiwilliger Beitragszahlung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden, wenn gleichzeitig Anrechnungszeiten wegen Arbeitslosigkeit vorliegen).
Im Versicherungskonto des Klägers sind bis einschließlich August 2014 insgesamt 542 Monate an Pflichtbeitragszeiten, zuletzt in der Zeit vom 23.06.2014 bis 22.08.2014 vermerkt. Hiervon entfallen 16 Monate (01.09.2012 bis 31.12.2013) auf Beitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor dem (gewünschten und auch tatsächlichen) Rentenbeginn vom 01.09.2014, die damit nach den gesetzlichen Vorgaben des § 51 Abs. 3a Nr. 3 SGB VI für die Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren (= 540 Monaten) nicht in Ansatz zu bringen sind.
Von der Ausnahmevorschrift, wonach Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung (auch soweit sie Pflichtbeitragszeiten oder Anrechnungszeiten sind) in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nicht berücksichtigt werden dürfen, hat der Gesetzgeber eine (Rück-)Ausnahme vorgesehen, wonach solche Zeiten gleichwohl in Ansatz zu bringen sind, wenn ein solcher Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung seinerseits durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist. Eine Konstellation, in welcher die Arbeitslosigkeit durch eine Insolvenz oder eine vollständige Geschäftsaufgabe des letzten Arbeitgebers des Klägers "bedingt" war, liegt hier allerdings unzweifelhaft nicht vor. Der Kläger ist aufgrund freiwilligen Willensentschlusses, nämlich eines mit seiner Arbeitgeberin geschlossenen Aufhebungsvertrages gegen Zahlung einer Abfindung aus dem Arbeitsleben ausgeschieden. Der Beendigungsgrund eines Aufhebungsvertrages als Form eines freiwilligen Arbeitsplatzverlustes wird - eindeutig - weder vom Wortlaut der gesetzlichen (Rück-)Ausnahme erfasst noch ist dieser nach Sinn und Zweck den gesetzlichen normierten Tatbeständen, etwa im Wege einer verfassungskonformen (erweiternden) Auslegung, gleichzusetzen (s. zu den Grenzen einer solchen Auslegung, BVerfG, Beschluss vom 16.12.2014 - 1 BvR 2142/11 - DVBl. 2015, 429). Denn eine dahingehende Auslegung stünde ersichtlich im Widerspruch zum Willen des Gesetzgebers, der nach der Gesetzesbegründung die Ausschlussfrist von zwei Jahren vor Rentenbeginn gerade in der Absicht geschaffen hat, "Fehlanreize" zu vermeiden, die sich sonst aus der Anrechnung von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung auf die Wartezeit von 45 Jahren bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte ergeben könnten (BT-Drs. 18/1489, S. 26). Lediglich zur Vermeidung von "Härtefällen" sollten entsprechende Zeiten in den zwei Jahren vor Rentenbeginn Berücksichtigung finden können, wenn sie durch "Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers" bedingt sind (vgl. BT-Drs., a.a.O.). Ein den normierten (Rück-)Ausnahmen gleich zu erachtender Härtefall liegt indessen im Falle eines freiwilligen Arbeitsplatzverlusts durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages (gegen Abfindung) nicht vor, weshalb eine dahingehende Auslegung ersichtlich dem gesetzgeberischen Willen widersprechen würde (s. entsprechend zum Arbeitsplatzverlust aufgrund Kündigung durch den Arbeitgeber in der Absicht, hierdurch eine drohende Insolvenz abzuwenden (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 02.03.2016 - L 2 R 517/15 - Juris; Revision anhängig beim Bundessozialgericht (BSG) - B 5 R 8/16 R -).
Der Senat sieht auch keine Veranlassung, das Verfahren dem BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 Grundgesetz (GG) vorzulegen. Denn die maßgebliche einfachgesetzliche Regelung verletzt den Kläger zur Überzeugung des Senats nicht in verfassungswidriger Weise in seinen Grundrechten. Ob in der Regelung der §§ 51, 236b SGB VI eine Ungleichbehandlung oder sonstige Benachteiligung gegenüber anderen Versicherten - in anderen Sachverhaltskonstellationen - liegen könnte, kann dahinstehen. Denn einfachgesetzliche Bestimmungen sind im Rahmen der konkreten Normenkontrolle nur insoweit am Maßstab der Grundrechte zu prüfen, als der Kläger des Ausgangsverfahrens hiervon betroffen ist und eine Grundrechtsverletzung in Betracht kommt (vgl. BVerfGE 117, 272 (291 f.)). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Regelung der §§ 38, 51, 236b SGB VI verstößt weder zu Lasten des Klägers gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG) noch gegen die Garantie des Eigentums (Art. 14 GG) noch sonst gegen höheres Recht.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten verschieden behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfGE 117, 272 (300 f.); st. Rspr). Bei der Überprüfung eines Gesetzes auf seine Vereinbarkeit mit dem Gleichheitsgrundsatz ist vom BVerfG nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste oder gerechteste Lösung gefunden hat, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit überschritten hat (vgl. BVerfGE 68, 287 (301); 81, 108 (117 f.); 84, 348 (359)).
Die ab 01.07.2014 in Kraft getretene Bestimmung des § 236b Abs. 1 und 2 SGB VI eröffnet für einen als "besonders langjährig Versicherte" bezeichneten Kreis von Personen, die - wie der Kläger - vor dem 01.01.1953 geboren sind und eine Wartezeit von 45 Jahren erfüllt haben, die Möglichkeit, nach Vollendung des 63. Lebensjahres eine Altersrente in einer nicht aufgrund eines verminderten Zugangsfaktors nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI gekürzten Höhe zu beziehen. Hierin liegt eine Besserstellung gegenüber anderen Versicherten desselben Alters, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen und eine ungekürzte Altersrente erst mit Erreichung der Regelaltersgrenze (§ 35 Satz 2 i.V.m. § 235 SGB VI) erreichen können bzw. bei vorzeitiger Berentung entsprechende Abschläge in Kauf nehmen müssen. Entsprechendes gilt auch für den Kläger, der zwar über die Bestimmung des § 237 SGB VI eine (vorzeitige) Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Anspruch nehmen konnte, die aber wegen seiner individuellen Altersgrenze von 65 Jahren (§ 237 Abs. 3 SGB i.V.m. Anlage 19) auf Dauer um den Zugangsfaktor 0,072 (24 Monate x 0,03) gekürzt wurde auf den Faktor 0,928 (s. zur Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung, BVerfG, Beschluss vom 11.11.2008, 1 BvL 3/05 u.a., BVerfG (Kammer), Nichtannahmebeschluss vom 05.02.2009, 1 BvR 1631/04; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 77/08 R, Juris). Eine weitere den Kläger treffende Ungleichbehandlung mit anderen Versicherten folgt aus der Regelung des § 51 Abs. 3a SGB VI, wonach Pflichtbeitragszeiten aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn nur unter engen, in seinem Falle nicht vorliegenden Voraussetzungen auf die Wartezeit Anrechnung finden, während etwa frühere Unterbrechungen der Erwerbsbiographie mit Bezug von Arbeitslosengeld unbeachtlich sind bei der Wartezeitberechnung.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu Lasten des Klägers ist allerdings mit Blick auf den im Sozialrecht grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, insbesondere was die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (hierzu BVerfGE 106, 166, 175 ff; 111, 160, 169 ff = SozR 4-5870 § 1 Nr. 1 Rdnr. 43 ff; 112, 164, 175 f; Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 19.02.2009 - B 10 KG 2/07 R -, SozR 4-5870 § 1 Nr. 2) und die Bezugsdauer der einzelnen Sozialleistung anbelangt, nicht zu erkennen. Von Verfassungs wegen gefordert ist daher nicht die bestmögliche und gerechteste Lösung; angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers ist auch nicht entscheidend, ob eine Regelung notwendig oder gar unabweisbar ist. Vielmehr kommt dem Gesetzgeber im Ergebnis ein weiter Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu, der gewahrt ist, wenn er sich auf eine nachvollziehbare und vertretbare Einschätzung stützt und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahrt (BVerfG, Urteil vom 07.10.2014 – 2 BvR 1641/11 –, BVerfGE 137, 108, Rn. 108). Dies ist der Fall.
Vor Inkrafttreten der Novellierung des § 51 Abs. 3a SGB VI bestimmte dessen Nr. 1, dass Pflichtbeiträge wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld bei der Berechnung der Wartezeit von 45 Jahren nicht berücksichtigt werden konnten, was gemäß § 244 Abs. 3 Satz 1 SGB VI weiterhin für Pflichtbeitragszeiten aufgrund Bezuges von Arbeitslosenhilfe und Arbeitslosengeld II gilt. Begründet wird dies gesetzgeberisch damit, dass diese Leistungen von einem Fürsorgecharakter geprägt sind und aus allgemeinen Steuermitteln finanziert werden (BT-Drs. 18/909, S. 20, 21). Zeiten des Bezuges von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung, wie z.B. Arbeitslosengeld, Arbeitslosengeld bei beruflicher Weiterbildung, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Eingliederungsgeld, Altersübergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Insolvenzgeld und Schlechtwettergeld werden demgegenüber grundsätzlich weiterhin für die Wartezeit berücksichtigt. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn diese Zeiten in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn liegen, es sei denn, es liegt einer der genannten (Rück-)Ausnahmen vor. Mit dieser Regelung sollen nach der gesetzgeberischen Begründung - wie ausgeführt - "Fehlanreize" vermieden werden (BT-Ausschuss-Drs. 18(11)102, S. 2). Zwar ist, worauf das LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 03.02.2016, a.a.O., Rdnr. 45) hingewiesen hat, keine tragfähige Grundlage - und erst Recht kein empirischer Beleg - für die Annahme erkennbar, solche "Fehlanreize", wie sie in der Gesetzesbegründung pauschal aufgegriffen werden, prägten das tatsächliche Geschehen in einem solchen Maße, dass andere Gründe für eine Arbeitslosigkeit in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn vor diesem Hintergrund vernachlässigt werden könnten. Auf der anderen Seite entbehrt die Erwägung, Fehlanreize in Richtung Frühverrentung vermeiden zu wollen, auch nicht eines nachvollziehbaren und vertretbaren Ansatzes. Mit der Einschränkung, Pflichtbeitrags- oder Anrechnungszeiten bei Arbeitslosigkeit dann nicht für die Erfüllung der Wartezeit zu berücksichtigen, wenn sie in den letzten zwei Jahren vor dem beabsichtigten Rentenbeginn liegen, sollte verhindert werden, den Eintritt in eine vorzeitige Altersrente im Zusammenwirken mit dem Arbeitgeber weiter nach vorne zu verlagern. Die Erfahrung mit den Frühverrentungsvorhaben der 1990er Jahre hatte gezeigt, dass es regelmäßig zu einem dem Rentenbeginn vorgelagerten Bezug von Arbeitslosengeld gekommen war. Nunmehr sollte verhindert oder zumindest erschwert werden, aus der "Rente mit 63" eine "Rente mit 61" zu Lasten der Sozialversicherung zu machen (vgl. hierzu Schmidt, Anm. zu dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung, jurisPR-SozR 18/2014 Anm. 1; SG Stade, Urteil vom 14.09.2015 - S 9 R 5/15 -, Rdnr. 19, Juris). Soweit diese Regelung daher vor dem Hintergrund der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung als Solidargemeinschaft erfolgt ist, ist sie aus Gründen des Allgemeinwohls gerechtfertigt (vgl. auch BVerfGE 117, 272, 297 Rdnr. 82, Juris). Eines empirischen Nachweises für die befürchteten Fehlanreize und einer dadurch eintretenden konkreten Gefahr von Liquiditätsproblemen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung bedarf es mit Blick auf die insoweit bestehende gesetzgeberische Einschätzungsprärogative nicht (BVerfGE 138, 136, Rdnr. 144, Juris).
Zu berücksichtigen ist auch, dass durch die zum 01.07.2014 eingeführte abschlagfreie "Rente mit 63" nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern eine gesetzliche Privilegierung für einen bestimmten Kreis von Versicherten geschaffen wurde, von der auch andere Versicherte, etwa Personen, die zuvor schon die Altersgrenze erreicht hatten oder eine Altersrente mit Abschlägen bezogen, nicht profitieren konnten (vgl. § 34 Abs. 4 SGB VI). Auch in Bezug auf den Kläger wurde durch die genannte Regelung nicht in unantastbare Rechtspositionen eingegriffen, sondern es wurde ihm - wie anderen Versicherten - lediglich die Teilnahme an einer neu geschaffenen gesetzlichen Vergünstigung verwehrt, was aus den dargestellten Gründen vom weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum umfasst ist. Soweit der Kläger geltend macht, er habe darauf vertrauen dürfen, dass die Pflichtbeitragszeiten wegen Bezugs von Arbeitslosengeld in den Jahren 2012 und 2013 auf die Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden, verkennt er, dass schon die Vorgängerregelung des § 51 Abs. 3a Nr. 1 SGB VI in der ab 01.01.2012 geltenden Fassung die Regelung enthielt, dass Zeiten mit Pflichtbeiträgen wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren angerechnet werden. Ein Vertrauensschutz im Hinblick auf den Fortbestand einer gesetzlichen Regelung konnte daher insoweit nicht begründet werden. Hinzu kommt, dass die in 2012 und 2013 gezahlten Pflichtbeiträge wegen Arbeitslosigkeit nach den allgemeinen rentenrechtlichen Vorgaben berücksichtigt werden. Diese sehen ohnehin einen Vorteil für den Versicherten in der Form vor, dass die erfolgten (in Entgeltpunkte umzurechnenden) Beitragszahlungen - ebenso wie alle vorausgegangenen Beiträge - in die Rentenberechnung nach Maßgabe der §§ 64 ff. SGB VI einzustellen sind, so dass diese zu einer entsprechenden Erhöhung der Rentenanwartschaften und -ansprüche führen. Da diese Beitragszahlungen dem Kläger somit rentenrechtlich gut gebracht werden, ist nicht zu erkennen, aus welchem verfassungsrechtlichen oder sonstigen Grund ein Anspruch darauf bestehen sollte, dass der Kläger wegen dieser Sozialleistungen zusätzlich als "besonders langjährig" Versicherter Anspruch auf eine ungekürzte Altersrente erwirbt, wie sie ansonsten für ihn angesichts seines Alters vor Erreichen der Regelaltersgrenze nicht zugänglich wäre (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.). Unabhängig davon hätte der Kläger die Möglichkeit gehabt, eine (gegebenenfalls geringfügige) versicherungspflichtige Beschäftigung in den Jahren 2012/2013 aufzunehmen, hieraus Pflichtbeiträge zu entrichten und dadurch die Wartezeit von 45 Jahren bei Vollendung des 63. Lebensjahres zu erfüllen.
Die gesetzliche Regelung ist auch im Lichte des Art. 14 GG nicht zu beanstanden. Zwar ist auch die Anwartschaft auf eine Rente aus eigener Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt (vgl. BVerfGE 117, 272 (292)). Allerdings steht dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfGE 53, 257 (293)). Im Hinblick auf die Rentenanwartschaften kann der Gesetzgeber verschiedene Gesichtspunkte wie insbesondere beitragsbezogene und zeitbezogene Kriterien miteinander verschränken, die erst zusammen den realen Wert der Anwartschaft ausmachen. Wenn in bestehende Anwartschaften eingegriffen wird, ist zu berücksichtigen, dass in ihnen von vornherein die Möglichkeit von Änderungen angelegt ist. Eine Unabänderlichkeit der bei ihrer Begründung bestehenden Bedingungen widerspräche dem Rentenversicherungsverhältnis, das im Unterschied zu einem privaten Versicherungsverhältnis von Anfang an nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern auch auf dem Gedanken der Verantwortung und des sozialen Ausgleichs beruht (vgl. BVerfGE 116, 96 (125)). Eingriffe in rentenrechtliche Anwartschaften müssen einem Gemeinwohlzweck dienen und verhältnismäßig sein (vgl. BVerfGE 53, 257 (293); 100, 1 (38); 117, 272 (294); st. Rspr.). Sie müssen zur Erreichung des angestrebten Zieles geeignet und erforderlich sein. Insbesondere dürfen sie den Betroffenen nicht übermäßig belasten und für ihn deswegen unzumutbar sein (vgl. BVerfGE 72, 9 (23); 75, 78 (97 f.)).
Hiervon ausgehend stellen die Vorschriften der §§ 51, 236b SGB VI eine zulässige gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmung dar (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Regelung ist aus den genannten Erwägungen durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt und entspricht auch den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Zudem ist (nochmals) darauf hinzuweisen, dass durch die gesetzliche Neuregelung in Bezug auf die 2012 und 2013 erworbenen Rentenanwartschaften aus dem Bezug von Arbeitslosengeld keine nachträgliche Änderung eingetreten ist, da diese - wie ausgeführt - schon im Zeitpunkt ihrer Begründung nicht auf die lange Wartezeit von 45 Jahren anzurechnen waren - und auf der anderen Seite die in dieser Zeit gezahlten Pflichtbeiträge auch nach der Neuregelung zum 01.07.2014 weiterhin ungeschmälert bei der Rentenhöhe berücksichtigt werden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Auslegung der Bestimmungen der § 51 Abs. 3a, § 236b SGB VI und deren Vereinbarkeit mit höherem Recht ist über den Einzelfall hinaus bedeutsam und höchstrichterlich noch nicht geklärt.
Rechtskraft
Aus
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