S 52 AS 538/13

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
52
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 52 AS 538/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 5.809,92 als Kosten für den Aufenthalt von Familie A. im Frauenhaus A-Stadt vom 20. August bis 5. September 2008 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für einen 17-tägigen Aufenthalt im Frauenhaus A-Stadt von Frau A. und ihren drei minderjährigen Kindern im Zeitraum 20. August bis 5. September 2008 in Höhe von Euro 5.809,92.

Die 1977 geborene, in B-Stadt lebende Frau A. und ihre drei Kinder im Alter von damals sieben, sechs und drei Jahren wurden vom 20. August bis 5. September 2008 wegen häuslicher Gewalt durch den Ehemann im Frauenhaus A-Stadt untergebracht.

Der Kläger ist kommunaler Träger des Frauenhauses, das vom Sozialdienst katholischer Frauen e.V. betrieben wird. Nach der zwischen dem Kläger und den Landkreisen Starnberg und Weilheim-Schongau am 1. Dezember 1989 abgeschlossenen "Zweckvereinbarung zur Förderung des Frauenhauses" werden die Kosten des Frauenhauses von den drei Landkreisen zu je einem Drittel getragen. Das Frauenhaus bietet Platz für fünf Frauen und fünf Kinder. Der zugrunde gelegte Tagessatz beträgt Euro 102,- pro Kopf. Der Sozialdienst katholischer Frauen e.V. erstellt jährlich eine Ergebnisrechnung der tatsächlich angefallenen Kosten, Überzahlungen wer-den daraufhin zurückerstattet. Die durchschnittliche Auslastung des Frauenhauses lag in den Jahren 2006 bis 2010 bei 57,6% (nur Frauen, unabhängig von der Belegung durch Kinder). Aufgrund der Ergebnisrechnung für das Jahr 2008 vom 4. Februar 2009 betrug die durchschnittliche Auslastung des Frauenhauses durch Frauen 60 % in diesem Jahr, es ergab sich ein tatsächlicher Tagessatz von Euro 85,44.

Während des Aufenthalts im Frauenhaus A-Stadt erhielten Frau A. und ihre Kinder ins-besondere folgende Leistungen: - Hilfe für misshandelte Frauen und Kinder mittels Unterstützungsleistungen zur Wiedergewinnung des psychischen Gleichgewichts, - Beratung in familien- und sozialrechtlichen Angelegenheiten sowie bezüglich der psychischen und körperlichen Gesundheit, - pädagogische Kinderbetreuung, - Hilfe bei der Wohnungssuche, - Einzelhilfe durch Aufnahme- und Beratungsgespräche sowie durch konkrete Unterstützungs- und Hilfeleistungen, auch gegenüber Behörden und - Gruppenarbeit.

Frau A. bezog gemäß Bescheid des Jobcenters C-Stadt vom 17. Dezember 2008 mit ihren Kindern während des Aufenthalts Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Durch Zuweisung der ehelichen Wohnung nach dem Gewaltschutzgesetz bezogen sie nach Auszug aus dem Frauenhaus am 5. September 2008 wieder in ihre B-Stadt Wohnung.

Mit Schreiben vom 23. September 2008 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 36a SGB II aufgrund des Frauenhausaufenthalts von Familie A. in Höhe von Euro 6.936,- an, der sich aus einem Tagessatz von Euro 102,- pro Kopf für vier Personen an 17 Tagen errechne. Die Erstattung der Kosten wurde von der Beklagten zunächst abgelehnt, da die Betreuungskosten im Frauenhaus keine Eingliederungsleistungen im Sinne von § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II darstellen würden, sondern die dort geleistete Hilfe weitergehe.

Mit Schreiben vom 27. November 2012 erkannte die Beklagte den Kostenerstattungsan-spruch dem Grunde nach an, nicht aber der Höhe nach mit einem Tagessatz von Euro 102,- pro Kopf.

Der Kläger hat am 27. Dezember 2012 Klage zum Sozialgericht München erhoben. Das Frauenhaus A-Stadt habe den Charakter einer Notfalleinrichtung und unterliege einer hohen Fluktuation. Dies erkläre eine durchschnittliche Auslastung von 60%. Auch könnten die Frauenhäuser in B-Stadt den Bedarf selbst nicht decken. Aufgrund der Wohnungsknappheit dort sei die Aufenthaltsdauer in B-Stadt Frauenhäusern länger als im Frauenhaus A-Stadt. Da die Förderung durch den Freistaat Bayern gemäß den "Richtlinien für die Förderung von Frauenhäusern in Bayern" nur für Frauenhäuser mit mindestens fünf Plätzen für Frauen und mindestens der gleichen Anzahl für Kinder ausgereicht werden könne, sei eine Reduzierung der Plätze auf weniger als fünf nicht angedacht. Das Frauenhaus A-Stadt sei das einzige Frauenhaus in den Landkreisen Starnberg, Weilheim-Schongau und A-Stadt. Um Synergieeffekte zu nutzen, habe man sich zusammengeschlossen. Zur Berechnung der Klageforderung würde nunmehr der sich aus der Ergebnisrechnung ergebende Tagessatz von Euro 85,44 zugrunde gelegt, der mit vier Personen und 17 Tagen zu multiplizieren sei.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zur Zahlung von Euro 5.809,92 aufgrund des Frauenhausaufenthalts von Frau A. vom 20. August bis 5. September 2008 im Frauenhaus A-Stadt zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die hohen Betreuungskosten im Frauenhaus A-Stadt seien knapp zweieinhalb mal so hoch wie die Kosten in B-Stadt Frauenhäusern. Dort kalkuliere man mit einer Durch-schnittsbelegung von 95%. Überdies würden die Tagessätze pro Wohnplatz berechnet unabhängig von der Anzahl der mit der Frau untergebrachten eigenen Kinder, nicht pro Kopf wie im Frauenhaus A-Stadt. In B-Stadt gäbe es ausreichend Plätze. So würden 30% der Plätze auch an Frauen von außerhalb vergeben. Allerdings sollen Frauen auch die Möglichkeit erhalten, in einem Frauenhaus außerhalb der eigenen Kommune unterkommen zu können. Eine Nachprüfung der Tagessatzkalkulation durch den erstattungspflichtigen Leistungsträger sei zwar nicht angebracht und nicht wünschenswert, sofern keine offensichtlichen Fehler oder Unverhältnismäßigkeiten vorliegen würden. Dennoch sei Grund für die besonders hohen Tagessätze die dauerhafte Unterbelegung des Frauenhauses mit durchschnittlich 60%. Nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei es nicht vertretbar, das Frauenhaus trotzdem im gleichen Umfang weiter zu führen und die hohen Kosten der Kommune am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort aufzuerlegen. Die Beklagte sei, anders als der Kläger, den Rahmenvereinbarungen zwischen den kreisfreien Städten und Landkreisen zur landesweiten Regelung der Kostenübernahme bzw. -erstattung beigetreten mit der Konsequenz, dass die beigetretenen Kommunen auf ge-genseitige Kostenerstattung verzichten würden. Damit seien Kostenstreitigkeiten von vorneherein ausgeschlossen. Mit einer Kalkulation, der eine 75-prozentige Auslastung zugrunde liege, wäre die Beklagte einverstanden. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die erhobene allgemeine Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist zulässig und begründet. Ein Erstattungsstreit zwischen Sozialleistungsträgern ist ein Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt und vorliegend auch nicht erfolgt ist. Aufgrund dessen war kein Vorverfahren durchzuführen; die Einhaltung einer Klagefrist war nicht erforderlich (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23. Juli 2002, Az. B 3 KR 64/01 R). Die Beteiligten waren auch prozessführungsbefugt, d. h., sie waren berechtigt, den materiellen Anspruch im eigenen Namen gerichtlich zu verfolgen bzw. diesem entgegenzutreten. Hier hat durch den Umzug von Familie A. am 20. August 2008 in das Frauenhaus A-Stadt ein Wechsel in der örtlichen Zuständigkeit der kommunalen Träger stattgefunden. Aus dem Wortlaut von § 36 SGB II ergibt sich, dass durch die Aufnahme im Frauenhaus die örtliche Zuständigkeit des kommunalen Trägers vor Ort begründet wird. Schuldner des Erstattungsanspruchs war die Beklagte als Kommune des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsortes von Frau A ... Die Beklagte hat dem Kläger die durch den Frauenhausaufenthalt tatsächlich entstandenen Kosten in Höhe von Euro 5.809,92 gemäß § 36a SGB II zu erstatten. Gemäß § 36a SGB II ist der kommunale Träger am bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsort der ins Frauenhaus flüchtenden Frau verpflichtet, dem durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts zu erstatten. Die Voraussetzungen für eine Erstattungspflicht der Beklagten dem Grunde nach lagen vor und wurden auch nicht (mehr) bestritten: Das Frauenhaus A-Stadt ist eine Zufluchtsstätte für Frauen und ggf. ihre Kinder, die von ihren Partnern physisch oder psychisch misshandelt wurden und sich dementsprechend in einer Gefährdungssituation befinden. Die Erstattungspflicht bezieht sich auf die Kosten, die aufgrund der Aufnahme beim Träger des Frauenhauses während des Aufenthalts verursacht werden. § 36a SGB II beschränkt sich dabei nicht allein auf die Kosten der flüchtenden Frau, sondern kann auch einen Ersatzanspruch für die durch die Aufnahme der Kinder verursachten Kosten begründen, da der Gesetzeswortlaut von einer Zuflucht suchenden Person spricht. Ebenso wie Frau A. haben auch deren drei Kinder aus den gleichen Gründen im Frauenhaus A-Stadt Zuflucht gesucht (vgl. Link in Eicher: SGB II, § 36a Rn. 19). Von der Erstattungspflicht umfasst sind neben den Unterkunftskosten auch weitere kommunale Eingliederungsleistungen wie die psychosoziale Betreuung im Sinne von § 16a Nr. 3 SGB II. Diese beinhaltet Maßnahmen, die zur psychischen und sozialen Stabilisierung des Betroffenen dienen, soweit sie zur Eingliederung in Arbeit erforderlich waren (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2012, B 14 AS 190/11 R). Zum Teil wird vertreten, dass die dauerhafte Eingliederung einer alleinerziehenden Mutter in Arbeit ohne Kinderbetreuung und ohne psychische und soziale Stabilisierung auch der der Kinder nicht möglich ist (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Februar 2010, Az. L 1 AS 36/09). Dass die Voraussetzungen bei Frau A. und ihren drei Kindern vorlagen, wurde auch von der Beklagten nicht bestritten: Zum Zeitpunkt des Frauenhausaufenthalts war Frau A. hilfebedürftig und erwerbsfähig; sie bezog Leistungen nach dem SGB II vom Jobcenter A-Stadt. Die Leistungen im Frauenhaus umfassten verschiedene Maßnahmen, die Frau A. auf ein selbständiges Leben nach dem Frauenhausaufenthalt und auf die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit vorbereiten sollten: Dies waren insbesondere Unterstützungsmaßnahmen zur Wiederherstellung des psychischen Gleichgewichts. Es liegt auf der Hand, dass besonders letzteres unabdingbare Voraussetzung ist, um nach den erlebten, möglicher-weise traumatischen Erfahrungen in den Alltag zurückkehren zu können. Weitere Leistungen (Hilfestellungen bei der Wohnungssuche, Beratungsgespräche und Hilfen gegenüber Behörden, Beratung in familien- und sozialrechtlichen Angelegenheiten) dienten der kon-kreten Planung des Lebens nach dem Aufenthalt im Frauenhaus. Hinsichtlich der Kosten für die Kinder von Frau A. gilt nichts anderes: Diese vier Personen bildeten eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 4 SGB II, sie erhielten entsprechend dem Bescheid vom 17. Dezember 2008 gemeinschaftlich Grundsiche-rungsleistungen. Die psychosoziale Betreuung im Frauenhaus konnte zwar nicht der Eingliederung dieser Kinder in Arbeit dienen, sie war aber Voraussetzung dafür, dass Frau A. nach Beendigung des Aufenthalts wieder ein selbstbestimmtes Leben mit einer Erwerbstätigkeit führen konnte. Im Übrigen sind Kinderbetreuungskosten auch Leistungen (an die Mutter), die zur Eingliederung in das Erwerbsleben dienen, vgl. § 16a Nr. 1 SGB II. Die Kernfrage des vorliegenden Rechtsstreits ist die Kalkulation der Kosten des Frauenhauses A-Stadt und die Überprüfbarkeit der Angemessenheit dieser Kosten. Hierbei ist zu beachten, dass die Regelung des § 36a SGB II geschaffen wurde, um einer einseitigen Belastung der Kommunen entgegenzuwirken, in deren Zuständigkeitsbereich ein Frauenhaus betrieben wird. Die Erfahrung hat gezeigt, dass misshandelte Frauen häufig in ein Frauenhaus flüchten, das außerhalb ihrer Heimatkommune liegt. Diese Tatsache soll nicht zulasten der aufnehmenden Kommune gehen. Diese darf durch den Sitz eines Frauenhauses nicht schlechter gestellt werden und höhere Kosten aufwenden müssen. Im Gesetz ist nicht ausdrücklich geregelt, dass alle tatsächlich angefallenen Kosten von der Herkunftskommune zu erstatten sind. § 36a spricht nur von "Erstattung der Kosten". In seiner Entscheidung vom 23. Mai 2012 (s. o.) führt das BSG aus, dass die Vorschrift des § 36a SGB II zwar zum Ziel habe, in gewissem Umfang einen Kostenausgleich im Hinblick auf die Unterstützung von Frauenhäusern durch Kommunen zu schaffen. Eine um-fassende Finanzierungsregelung sei damit aber nicht verbunden. Das BSG bezieht sich damit aber lediglich auf die Voraussetzung der Erwerbsfähigkeit der zufluchtssuchenden Frau und stellt klar, dass eine Kostenerstattungsregelung für nichterwerbsfähige Hilfebedürftige bewusst fehle. Im vorliegenden Fall ist aber unstreitig, dass Frau A. erwerbsfähig und § 36a SGB II für die Erstattungspflicht grundsätzlich Anwendung finden musste. Die Beklagte hat eingewendet, dass das Führen eines Frauenhauses mit einer dauerhaft geringen Auslastung von etwa 60% nicht den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspreche. Wenn über mehrere Jahre stets Plätze unbesetzt geblieben sei-en, hätte an die Reduzierung der Kapazität des Frauenhauses gedacht werden müssen, um die Kosten zu senken. Die aus der geringen Auslastung resultierenden höheren Tagessätze des Frauenhauses A-Stadt dürften nicht der Herkunftskommune auferlegt wer-den. Vorliegend ist festzustellen, dass die eingeklagten Kosten für die Betreuung von Familie A. in Höhe von Euro 5.809,92 tatsächlich angefallen sind. Das Frauenhaus hat in seinen Jahresberichten und Ergebnisrechnungen vollständig und schlüssig die Einnahmen und Ausgaben darlegen können. Die Berechnungsmethode mit einem Tagessatz von Euro 102,- pro Person, der jährlich aufgrund der Auslastung angepasst wird, ist nachvollziehbar. Weiter steht fest, dass andere Frauenhäuser anders kalkulieren. Wie die Beklagte vorgetragen hat, werden die Frauenhäuser in München mit einer Auslastung von 95% kalkuliert, und es wird nicht pro Kopf, sondern pro Familie abgerechnet. Im Ergebnis stellen sich deswegen die Kosten des Frauenhauses A-Stadt als erheblich höher dar. Die Motivationen, eine Frau in Not in einem Frauenhaus in einer anderen als der Heimatkommune unterzubringen, mögen vielschichtig sein. Sicherlich spielt zum einen die Kapazität der Einrichtungen eine Rolle, zum anderen aber auch die Tatsache, dass oftmals bewusst ein weiter entfernt gelegenes Frauenhaus gewählt wird, damit die flüchtende Frau bzw. Familie Abstand gewinnt und sich keinen weiteren Gefährdungssituationen aussetzen muss durch die räumliche Nähe zum gewalttätigen Ehemann. Nach Überzeugung des Gerichts sind diese Motivationen ebenso wenig zu beurteilen wie die Führung des jeweiligen Frauenhauses und die Kalkulation der Tagessätze: Der Sinn und Zweck des § 36a SGB II lässt darauf schließen, dass es allein darum geht, die aufnehmende Kommune nicht finanziell zu benachteiligen. Wenn ihr Kosten für das Unterhalten eines Frauenhaues entstehen, hat die Kommune des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts diese zu erstatten. Frauenhäuser erfüllen den wichtigen Zweck, Frauen bzw. Familien in Not Schutz und Perspektiven zu bieten. Würde die Kalkulation der Kosten auf ihre Angemessenheit im Vergleich zu anderen Frauenhäusern überprüft werden können, hätte dies im Zweifelsfall zur Konsequenz, dass weniger Frauenhäuser betrieben würden. Zu groß wäre das Risiko der unterhaltenden Kommune, die Kosten trotz der Regelung des § 36a SGB II allein zu tragen. In der Konsequenz sind die durch den Frauenhausaufenthalt entstehenden Kosten nur sehr eingeschränkt zu überprüfen. Das Gericht hält es für gerechtfertigt, dass überprüft werden muss, ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich angefallen sind und ob die Kalkulation nachvollziehbar ist. Eine darüber hinaus gehende Prüfung hat nicht zu erfolgen. Beides war im vorliegenden Fall zu bejahen. Der Tagessatz von Euro 102,- pro Kopf wurde jährlich entsprechend der Auslastung angepasst. Für das Jahr 2008 ergab sich ein Tagessatz pro Kopf von Euro 85,44. Alle Einnahmen und Ausgaben sowie Aufgabenfelder des Frauenhauses wurden aufgelistet. Auch hat der Kläger schlüssig erläutert, weshalb das Frauenhaus A-Stadt trotz der seit langem geringen Auslastung im gleichen Umfang weiter betrieben wird. Es leuchtet ein, dass dieses Frauenhaus – als einziges Frauenhaus in den drei Landkreisen A-Stadt, Starnberg und Weilheim-Schongau – als Notfalleinrichtung bereitgehalten werden soll. Dies erklärt, weshalb eine Belegung mit oftmals nur der Hälfte der Plätze für Frauen in Kauf genommen wird. Diese Handhabung verursacht zwar höhere Kosten, stellt aber si-cher, dass keine Frau in Not aufgrund Kapazitätsmangels abgewiesen werden muss. Dass überdies eine Reduzierung der Plätze nicht vorgenommen werde, um die Förderung durch den Freistaat Bayern nicht zu verlieren, steht der Nachvollziehbarkeit nicht entgegen. Eine weitergehende Überprüfung würde den Normzweck des § 36a SGB II aushebeln. Es muss in der Entscheidungsmacht des Trägers des jeweiligen Frauenhauses liegen, wie die Einrichtung geführt wird. Angemessenheitsprüfungen hinsichtlich der Kostenkalkulation durch die Heimatkommune oder das Gericht würden faktisch dazu führen, dass die kommunale Selbstverwaltung gefährdet würde. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass der Kläger den Rahmenvereinbarungen zwischen den kreisfreien Städten und Landkreisen zur landesweiten Regelung der Kostenübernahme bzw. -erstattung nicht beigetreten ist. Nach Einschätzung des Gerichts sind diese Rahmenvereinbarungen zu befürworten. Denn auf diese Weise können viele Erstattungsstreitigkeiten vermieden werden, die Finanzierung der jeweiligen Frauenhäuser gerät neben deren Arbeit nicht in den Vordergrund. Es steht dem Kläger aber frei, sich an solchen Rahmenvereinbarungen nicht zu beteiligen. Im Ergebnis waren die entsprechend der Ergebnisrechnung 2008 angefallenen Kosten von Euro 5.809,92 von der Beklagten zu erstatten.

Die Beklagte war nicht zur Bezahlung von Prozesszinsen zu verurteilen, da hierfür eine Anspruchsgrundlage fehlt. § 108 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist im Verhältnis zweier gleichgeordneter Sozialleistungsträger nicht anwendbar, ebenso wenig ist Raum für eine analoge Anwendung von § 291 Bürgerliches Gesetzbuch (vgl. Bundes-sozialgericht, Urteil vom 23. Mai 2012, Az. B 14 AS 190/11 R). Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Ver-waltungsgerichtsordnung (VwGO). Gehören weder Kläger noch Beklagter zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Gegen dieses Urteil wird die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Bei Erstattungsstreitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts bedarf die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands Euro 10.000,- nicht übersteigt. Die Berufung war hier wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, 144 II Nr. 1 SGG. Kern dieses Verfahrens war die Rechtsfrage des Umfangs der Kostenerstattungspflicht nach § 36a SGB II. Es ging hier vorrangig um die Beurteilung, ob tatsächlich entstandene Kosten zu übernehmen sind oder ob die Kalkulation und Angemessenheit der Kosten des Frauenhauses durch das Gericht oder den Erstattungspflichtigen überprüfbar sind. § 36a SGB II ist zwar bereits Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen. Diese Rechtsfrage ist aber bislang ungeklärt. Ihre Klärung liegt im allgemeinen Interesse, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig SGG, § 144 Rn. 38).
Rechtskraft
Aus
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