L 16 AS 366/16 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
16
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 AS 171/16 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 AS 366/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Auszubildende, deren Ausbildung nach den §§ 51, 57 und 58 SGB II förderungsfähig ist, sind nach § 7 Abs. 5 SGB II in der bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung von über § 27 SGB II hinausgehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen.
2. Sie sind in § 7 Abs. 5 SGB II in der ab dem 01.08.2016 geltenden Fassung nicht mehr genannt und können daher bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Arbeitslosengeld II aufstockend zu ihrer Ausbildungsvergütung und einer ggf. zu beanspruchenden Berufsausbildungsbeihilfe, die gemäß § 11a Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 SGB II als Einkommen zu berücksichtigen ist, erhalten.
3. Fiktive Einnahmen aufgrund etwaiger nicht realisierter Unterhaltsansprüche sind grundsätzlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen.
I. Die Beschwerde gegen Ziffern I und II des Beschlusses des Sozialgerichts Regensburg vom 29. April 2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen und Beschwerdeführerinnen (Bf) begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes für die Zeit ab März 2016 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die im Januar 1991 geborene Bf zu 2 ist die Mutter der im Dezember 2013 geborenen Bf zu 1. Die Bf zu 1 erhält von ihrem Vater monatliche Unterhaltsleistungen in Höhe von 225,- Euro, weiter wird für sie ein monatliches Kindergeld in Höhe von 190,- Euro bezahlt. Seit September 2015 befindet sich die Bf zu 2 in einem dualen Studium zur Handelsfachwirtin. In diesem Rahmen bezieht sie nach dem Trainee-Vertrag vom 17.06.2015 ein monatliches Erwerbseinkommen in Höhe von 800,- Euro bis 920,- Euro zuzüglich Urlaubsgeld und Sonderzuwendungen. Nach den in den Akten befindlichen Entgeltabrechnungen betrug das Nettoentgelt für den Monat Februar 2016 706,56 Euro, für den Monat März 2016 729,96 Euro, für den Monat Mai 2016 1.374,65 Euro (einschließlich Urlaubsgeld) und für den Monat Juni 2016 735,65 Euro.

Die Bf leben zusammen in einer Wohnung, für die nach den Ausführungen der Bevollmächtigten der Bf Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 421,- Euro anfallen (280,- Euro Grundmiete, 50,- Euro Nebenkosten, 91,- Euro Heizkosten). Die Bf bezogen in der Vergangenheit Leistungen vom Bg. Zuletzt wurden den Bf mit Änderungsbescheid vom 04.04.2016 Leistungen in Höhe von 296,71 Euro für Februar 2016 vorläufig bewilligt. Mit Bescheid der Agentur für Arbeit Nürnberg vom 04.02.2015 wurde der Antrag der Bf zu 2 vom 22.12.2015 auf Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) abgelehnt. Zur Begründung ist ausgeführt, die erforderlichen Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts stünden anderweitig zur Verfügung. Bei der Berechnung der Berufsausbildungsbeihilfe sei Einkommen ihres Vaters angerechnet worden. Dem Bescheid lag ein Berechnungsbogen bei, nach dem der Gesamtbedarf der Bf zu 2 vom 01.12.2015 bis 31.07.2016 757,33 Euro beträgt. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Bedarf für den Lebensunterhalt in Höhe von 572,- Euro, Bedarf für Fahrkosten in Höhe von 43,33 Euro, Arbeitskleidung 12,- Euro und Kinderbetreuungskosten 130,- Euro. Das im Berechnungsbogen ausgewiesene anzurechnende Einkommen der Auszubildenden beträgt 754,68 Euro, das anzurechnende Einkommen des Vaters der Bf zu 2 beträgt 398,38 Euro. Für den Zeitraum vom 01.08.2016 bis 31.12.2016 beträgt nach dem Berechnungsbogen der Gesamtbedarf der Auszubildenden 808,33 Euro (Bedarf für den Lebensunterhalt 622,- Euro, Bedarf für Fahrkosten 43,33 Euro, Arbeitskleidung 12,- Euro, Kinderbetreuungskosten 130,- Euro). Das anzurechnende Einkommen der Auszubildenden beträgt 754,68 Euro, das anzurechnende Einkommen des Vaters der Bf zu 2 beträgt 362,15 Euro.

Am 22.02.2016 stellten die Bf beim Bg einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 31.03.2016 stellten die Bf beim Sozialgericht Regensburg (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Zur Begründung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz wurde vorgetragen, die Bf benötigten dringend Leistungen. Das Konto der Bf zu 2 sei bereits im Soll. Sie habe sich für März 2016 von ihrer Schwester 250,- Euro leihen müssen. Der Bg habe zuletzt im Februar 2016 Leistungen erbracht, seitdem sei ein erheblicher Fehlbetrag entstanden, der nicht durch die Freibeträge aus dem Erwerbseinkommen oder dem Mehrbedarf wegen Alleinerziehung für die Bf zu 2 habe überbrückt werden können.

Der Weiterbewilligungsantrag der Bf wurde vom Bg mit Bescheid vom 04.04.2016 abgelehnt, da die Bf aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens nicht hilfebedürftig seien. Aus der Anlage zum Bescheid ergibt sich, dass von einem zu berücksichtigenden Einkommen aus abhängiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 706,56 Euro abzüglich Freibeträge zuzüglich einem sonstigen Einkommen in Höhe von 433,35 Euro (34,97 Euro plus 398,38 Euro) und damit von einem zu berücksichtigenden Gesamteinkommen in Höhe von 882,33 Euro ausgegangen wurde. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben vom 06.04.2016 Widerspruch erhoben.

Mit Beschluss vom 29.04.2016 lehnte das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. Ein Anordnungsanspruch auf die begehrten Leistungen nach dem SGB II sei nicht glaubhaft gemacht bzw. bestehe nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit, für März 2016 fehle es darüber hinaus am Anordnungsgrund.

Die Bf zu 2 sei als Auszubildende im Sinne von § 7 Abs.5 SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Daher ergebe sich auch für die Bf zu 1 keine Leistungsberechtigung nach dem SGB II. Die Bf zu 2 habe auch keinen Anspruch auf Leistungen nach § 27 Abs.2 u. 3 SGB II. Der Mehrbedarf wegen Alleinerziehung sei durch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen gedeckt, ein ungedeckter Unterkunftskostenbetrag bestehe nicht bzw. wäre ebenfalls durch Einkommen oder Vermögen gedeckt. Zur Abdeckung des Regelbedarfs und des Mehrbedarfs für Alleinerziehung reiche allein das Erwerbseinkommen der Bf zu 2. Im Rahmen einer - fiktiven - Bedarfsberechnung nach dem SGB II ergebe sich auch kein ungedeckter Bedarf an Unterkunftskosten.

Auch im Rahmen einer "Bedarfsgemeinschaftsberechnung" nach dem SGB II ergebe sich kein Leistungsanspruch. Das Jobcenter habe zu Recht als sonstiges Einkommen der Bf zu 2 einen Unterhaltsbetrag ihres Vaters in Höhe von 398,38 Euro monatlich berücksichtigt. Auch wegen dieses "Einkommens" sei der BAB-Antrag der Bf zu 2 abgelehnt worden. Es sei weder vorgetragen, noch ersichtlich, dass gegen den ablehnenden Bescheid vom 04.02.2016 Widerspruch eingelegt oder gegenüber der BAB-Behörde vorgetragen worden sei, dass der Vater den angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leiste. In einem solchen Fall wäre Berufsausbildungsbeihilfe ohne Anrechnung des Unterhaltsbetrages des Vaters geleistet worden, § 68 Abs.1 S. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Leistungen nach dem SGB II seien nach dem Willen des Gesetzgebers nachrangig gegenüber allen anderen Möglichkeiten, sich seinen Lebensunterhalt eigenverantwortlich zu sichern. Zur Eigenverantwortung gehöre es, bestehende zivilrechtliche Unterhaltsansprüche geltend zu machen, ebenso Leistungsansprüche gegenüber vorrangig verpflichteten Sozialleistungsträgern. Eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II einschließlich einer Eilbedürftigkeit könne deshalb nicht glaubhaft sein oder mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vorliegen, wenn auch nicht ansatzweise ersichtlich oder vorgetragen sei, dass die Durchsetzung vorrangiger Ansprüche ernsthaft angegangen worden wäre. Für März 2016 sei die Notwendigkeit, wesentliche Nachteile abzuwenden, nicht zu erkennen, nachdem der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erst am 31.03.2016 um 20.38 Uhr beim SG eingegangen sei.

Gegen den Beschluss des SG vom 29.04.2016 haben die Bf am 06.06.2016 Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2016 ist der Widerspruch gegen den Bescheid vom 04.04.2016 zurückgewiesen worden. Die Bf zu 2 sei gemäß § 7 Abs.5 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen. Ein Anspruch auf Leistungen nach § 27 Abs.2 bzw. 3 SGB II ergebe sich nicht, da dieser aus eigenem Einkommen gedeckt werden könne. Die Bf zu 1 begründe keinen eigenen Leistungsanspruch. Im Übrigen seien Leistungen nach dem SGB II nachrangig.

In der Begründung der vorliegenden Beschwerde führen die Bf aus, die Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II beruhe auf der Anrechnung eines fiktiven Einkommens der Bf zu 2, eines Unterhaltsanspruchs gegen ihren Vater. Das SGB II sehe keine Anrechnung fiktiven Einkommens im Rahmen der Berechnung vor. Die Bf zu 2 sei auf jeden Fall hilfebedürftig in Höhe ihres Mehrbedarfs Alleinerziehung und habe Anspruch auf Zuschuss zu den ungedeckten Unterkunftskosten. Der Anspruch werde nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Unterkunftskosten niedriger seien als der Bedarf nach dem BAB, da vorliegend fiktives Einkommen angerechnet worden sei, das die Bf zu 2 von niemandem erhalte. Die Bf zu 1, für die die Bf zu 2 das alleinige Sorgerecht habe, sei bedürftig in Höhe von 24,- Euro monatlich. Die Bf hätten bei der Bundesagentur für Arbeit einen Antrag nach § 44 SGB X gestellt. Sie hätten gegen den Bescheid vom 04.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2016 Klage erhoben. Mit Schreiben vom 20.07.2016 haben die Bevollmächtigten der Bf eine vergleichsweise Einigung vorgeschlagen. Für den Fall, dass der Vergleich nicht zustande komme, werde beantragt, den Bg zu verpflichten, einstweilen den vollständigen ungedeckten Bedarf, mithin für März - Mai 2016 326,46 Euro und für Juni und die Folgemonate 211,05 Euro an die Bf zu zahlen. Der Bg hat den Vergleichsvorschlag abgelehnt. Bezüglich der Bf zu 1 werde davon ausgegangen, dass deren Eltern das gemeinsame Sorgerecht hätten und die Beschwerde der Bf zu 1 damit nicht ordnungsgemäß erhoben sei. Im Übrigen bestehe für die Bf zu 1 kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Auch ein Anspruch auf Leistungen nach § 27 Abs.2 und 3 SGB II sei nicht gegeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Bg sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Insbesondere ist die Rechtsbehelfsfrist gewahrt, die Beschwerde gegen den Beschluss des SG, der am 04.05.2016 zugestellt worden ist, ist dort am 06.06.2016 (Montag) eingegangen. Auch bestehen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keine durchgreifenden Bedenken hinsichtlich der ordnungsgemäßen Erhebung der Beschwerde für die Bf zu 1. Die Beschwerde ist aber nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ist § 86b Abs.2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn dem Antragsteller ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht - BverfG -, Beschluss vom 22.11.2002, 1 BvR 1586/02). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den das Begehren gestützt wird - voraus. Die Angaben hierzu sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs.2 Satz 2 und 4 SGG i.V.m. § 920 Abs.2, § 294 Zivilprozessordnung (ZPO).

Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats besteht jedenfalls kein Anordnungsgrund. Ein solcher kann nur bejaht werden, wenn dem Beschwerdeführer schwere und unzumutbare Nachteile drohen, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr revidiert werden können. Einen solchen Nachteil haben die Bf nicht glaubhaft gemacht.

Für den Monat März 2016 ist ein Anordnungsgrund bereits deshalb nicht ersichtlich, weil der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erst am 31.03.2016 um 20.38 Uhr erhoben worden ist. Es ist nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes, einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit, also für die Zeit vor Anhängigkeit des Eilverfahrens herbeizuführen. Das ist Aufgabe eines Hauptsacheverfahrens (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 12.04.2010, L 7 AS 144/10 B ER). Ein Ausnahmefall einer in die Gegenwart fortwirkenden Notlage ist hier nicht ersichtlich. Aber auch für den Zeitraum nach Antragstellung beim SG ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht. Die Bf können ihre Regelbedarfe in Höhe von 404,- Euro (Bf zu 2) und 237,- Euro (Sozialgeld, Bf zu 1) und ihre Kosten der Unterkunft in Höhe von insgesamt 421,- Euro, also einen Gesamtbedarf von 1062,- Euro mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln vollständig decken.

Ausgehend von den in den Akten befindlichen Entgeltabrechnungen und den Angaben der Bf erzielt die Bf zu 2 im Zeitraum ab April 2016 ein monatliches Nettoeinkommen von ca. 730,- Euro. Hinzu kommt anzurechnendes Weihnachts- und Urlausgeld. So ist Entgeltbestandteil laut Entgeltabrechnung vom Mai 2016 ein Urlaubsgeld in Höhe von 808,67 Euro brutto, laut Entgeltabrechnung vom Oktober 2015 ein Weihnachtsgeld in Höhe von 313,- Euro brutto. Für die Bf zu 1 wird Kindergeld in Höhe von 190,- Euro und eine monatliche Unterhaltsleistung des Vaters der Bf zu 1 in Höhe von 225,- Euro bezahlt. Bereits ohne anteilige Anrechnung von Weihnachts- und Urlaubsgeld steht damit ein Gesamteinkommen von 1145,- Euro zur Verfügung, das den Grundbedarf der Bf von 1062,- Euro übersteigt. Im Hauptsacheverfahren geschützte Freibeträge nach § 11b SGB II finden im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich keine Berücksichtigung, sie müssen vielmehr zur Deckung des aktuellen Bedarfes regelmäßig ausgeschöpft werden (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 26.10.2015, L 19 AS 1623/15 B ER, L 19 AS 1624/15 B). Es handelt sich bei den Freibeträgen nach § 11b Abs.1 Nr.1-6 SGB II, Abs.2 und 3 SGB II um bereite Mittel, die tatsächlich zum Bestreiten des Lebensunterhalts zur Verfügung stehen und die über das Existenzminimum hinausgehen, das im Rahmen des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gesichert werden soll. Derartige Einkommensfreibeträge sind für die Sicherstellung des Existenzminimums regelmäßig einzusetzen. Dieser Einsatz ist gegenüber einer Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes vorrangig. Im Übrigen ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass mit der Erzielung des Einkommens besondere Ausgaben verbunden sind. Unter Hinzunahme des anrechenbaren Anteils von Weihnachts- und Urlaubsgeld und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG, nach der im Rahmen eines Eilverfahrens auch bei existenzsichernden Leistungen ein Abschlag von der vollen Leistung möglich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05), ist auch der Mehrbedarf für Alleinerziehende gedeckt und eine Eilbedürftigkeit zusammenfassend nicht ersichtlich.

Vor diesem Hintergrund kommt es auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs zwar nicht an. Das SG hat diesbezüglich aber zu Recht ausgeführt, dass die Bf zu 2, die ein duales Studium zur Handelsfachwirtin absolviert, nach der bis zum 31.07.2016 geltenden Rechtslage als Auszubildende im Sinne von § 7 Abs.5 SGB II von über § 27 SGB II hinausgehenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ausgeschlossen ist. Die von ihr absolvierte Ausbildung ist unstreitig dem Grunde nach förderungsfähig. Dass die Bf tatsächlich keine Berufsausbildungsbeihilfe erhält, spielt für den Leistungsausschluss keine Rolle. Da die Bf zu 2 nicht leistungsberechtigt ist, ist auch eine Leistungsberechtigung der Bf zu 1 nach § 19 Abs.1 SGB II ausgeschlossen. Soweit im Eilverfahren beurteilbar, ist ein Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses zu den Kosten der Unterkunft nach § 27 Abs.3 SGB II nicht gegeben. Danach gilt: Erhalten Auszubildende Berufsausbildungsbeihilfe oder Ausbildungsgeld nach dem SGB III oder Leistungen nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder erhalten sie diese nur wegen der Vorschriften zur Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen nicht und bemisst sich deren Bedarf nach § 61 Abs.1, § 62 Abs. 2, § 116 Abs.3, § 123 Abs.1 Nr. 1 und 4, § 124 Abs.1 Nr.2 SGB III oder nach § 12 Abs.1 Nr.2 und Abs.2, § 13 Abs.1 i.V.m. Abs.2 Nr.1 BAföG, erhalten sie einen Zuschuss zu ihren angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs.1 Satz 1 SGB II), soweit der Bedarf in entsprechender Anwendung des § 19 Abs.3 SGB II ungedeckt ist (§ 27 Abs.3 Satz 1 SGB II). Satz 1 gilt nicht, wenn die Berücksichtigung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs.5 SGB II ausgeschlossen ist (§ 27 Abs.3 Satz 2 SGB II).

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) erfordert die Prüfung des Anspruchs auf einen Zuschuss zu den angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II folgende Prüfungsschritte: Zunächst ist bei der Berechnung die abstrakte Höhe der angemessenen Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S 1 SGB II zu bestimmen. In einem zweiten Schritt muss sodann der konkrete (Unterkunfts-)Bedarf nach den Regeln des SGB II ermittelt werden, ausgehend von einer fiktiven Leistungsberechtigung nach dem SGB II. Begrenzt wird die Zuschussleistung alsdann durch die Differenz zwischen dem Unterkunftsbedarf nach dem SGB II und dem in der Ausbildungsförderungsleistung enthaltenen abstrakten Unterkunftsanteil. Mangelt es insoweit an einem Differenzbetrag zu Lasten des Anspruchstellers, scheitert bereits hieran die Verpflichtung, einen Zuschuss zu erbringen (vgl. BSG, Terminsbericht vom 15.06.2016, B 4 AS 27/15 R). So liegt der Fall hier, denn der in die BAB gem. § 61 Abs.1 S.2, 3 SGB III abstrakt eingestellte Bedarf für Unterkunft in Höhe von 224,- Euro ist höher als der tatsächliche kopfteilige Bedarf der Klägerin für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs.1 S.1 SGB II, der 210,50 Euro beträgt.

Soweit die Bevollmächtigten darauf hinweisen, dass die Rechtsprechung des BSG hier nicht anwendbar sei, weil vorliegend fiktives Einkommen angerechnet worden sei, das die Bf zu 2 von niemandem erhalte, ergibt die Berechnung der Bundesagentur für Arbeit für den Zeitraum bis zum 31.07.2016 einen Gesamtbedarf der Bf zu 2 in Höhe von 757,33 Euro, der bereits durch ihr anzurechnendes Einkommen von 754,68 Euro fast vollständig gedeckt ist.

Ob ein Anspruch auf einen Mehrbedarf für Alleinerziehende gemäß § 27 Abs.2 SGB II i.V.m. § 21 Abs.3 SGB II besteht, bleibt der Prüfung im Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Senat hält es für möglich, dass ein diesbezüglicher Anspruch besteht. Es wird zu prüfen sein, ob das anrechenbare Einkommen für die Deckung auch des Mehrbedarfs ausreicht. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass fiktive Einnahmen aufgrund etwaiger nicht realisierter Unterhaltsansprüche entgegen der Berechnung des Bg in dem angegriffenen Ablehnungsbescheid und entgegen der Ausführungen des SG grundsätzlich nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind. Zu berücksichtigen wären lediglich von dem Vater der Bf zu 2 tatsächlich geleistete Unterhaltszahlungen, worunter auch der am 05.05.2016 als "Unterhaltsgeld" überwiesene Betrag von 400,- Euro fallen dürfte.

Auch die Frage, ob für den Zeitraum ab dem 01.08.2016 ein Anspruch der Bf auf Leistungen nach dem SGB II besteht, kann im Eilverfahren nicht beurteilt werden. Im Rahmen der Prüfung im Hauptsacheverfahren ist jedenfalls die durch das zum 01.08.2016 in Kraft getretene Neunte SGB II-Änderungsgesetz (vgl. Bundesgesetzblatt 2016, Nr.37 vom 29.07.2016, S.1824 ff) geänderte Rechtslage zu beachten.

In § 7 Abs.5 SGB II neue Fassung (n.F.) sind Auszubildende, deren Berufsausbildung oder Berufsausbildungsvorbereitung nach den §§ 51, 57 und 58 SGB III förderungsfähig ist, nicht mehr genannt und können daher bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen Arbeitslosengeld II aufstockend zu ihrer Ausbildungsvergütung und einer ggf. zu beanspruchenden Förderung mit Berufsausbildungsbeihilfe erhalten. Damit ist nach der neuen Rechtslage auch eine Leistungsberechtigung der Bf zu 1 nicht mehr ausgeschlossen.

Im Rahmen der Berechnung eines etwaigen Anspruchs auf aufstockende Leistungen nach dem SGB II im Hauptsacheverfahren ist das Erwerbseinkommen der Bf zu 2 und etwaig auf den Überprüfungsantrag der Bf zu 2 von der Agentur für Arbeit bewilligte BAB (§ 11a Abs.3 S.2 Nr.4 SGB II) zu berücksichtigen. Nicht zu berücksichtigen sind fiktive Unterhaltszahlungen jedenfalls aber realisierte Unterhaltszahlungen.

Zusammenfassend war der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, die Beschwerde folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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