Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AS 739/16 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AS 721/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Aufforderung zur Rentenantragstellung rechtmäßig.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 28.09.2016 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Streitig ist die Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrages sowie eine entsprechende Antragstellung durch den Antragsgegner (Ag).
Die 1952 geborene Antragstellerin (ASt) bezieht seit 10.09.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Ag. Zuletzt wurde ihr Alg II mit Bescheid vom 15.07.2016 für die Zeit vom 01.06.2016 bis 30.11.2016 iHv 828,60 EUR bewilligt. Nach eigenen Angaben verfüge sie über kein nennenswertes Vermögen. Laut der Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV) vom 21.04.2016 würde die Regelaltersrente, die ab 01.08.2017 gezahlt werden könne, 757,82 EUR betragen. Unter Berücksichtigung etwaiger künftiger Rentenanpassungen könne, die Rente bei einer jährlichen Anpassung um einen Prozentpunkt etwa 770 EUR bzw. bei zwei Prozentpunkten etwa 780 EUR betragen. Die Voraussetzungen für eine Altersrente für langjährig Versicherte mit einem frühesten Rentenbeginn ab 01.02.2015 - dabei entstünde ein Abschlag von 9% - lägen vor. Ab 01.08.2017 könne diese Rente abschlagsfrei bezogen werden.
Mit Bescheid vom 15.06.2016 bat der Ag die ASt - nach Aktenlage ohne vorherige Anhörung -, bis spätestens 02.07.2016 bei der DRV eine geminderte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu beantragen. Es bestehe die Verpflichtung diese vorrangige Leistung in Anspruch zu nehmen, mit der die Hilfebedürftigkeit vermindert bzw. beseitigt werden könne. Es seien alle Gesichtspunkte abgewogen worden, aber keine maßgeblichen Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Beantragung der vorrangigen Leistungen sprächen, so dass die ASt hierzu aufzufordern sei. Auch lägen keine Ausnahmen nach der Unbilligkeitsverordnung vor. Dagegen legte die ASt Widerspruch ein. Es sei unverständlich, weshalb sie nicht für eine Tätigkeit vermittelbar sei, da sie u.a. über eine Ausbildung zur Krippenerzieherin (Kindergärtnerin) verfüge und in diesem Bereich ein großer Bedarf an Arbeitskräften bestehe. Eine ermessensgerechte Prüfung des Einzelfalles sei nicht erkennbar. Der Rentenbezug sei für sie mit erheblichen Nachteilen verbunden, da sie nach Ausschluss vom Rechtskreis des SGB II keine Eingliederungshilfen erhalten könne. Zudem sei die Rente nicht bedarfsdeckend, so dass zusätzlich Sozialhilfe benötigt würde. Ein "erweiterter Härtefall" liege vor.
Nach Aktenvermerken vom 07.07.2016 und 12.08.2016 über Auskünfte der Arbeitsvermittlung übe die ASt seit 2006 keine Beschäftigung mehr aus. Seit zehn Jahren suche sie erfolglos eine Arbeitsstelle, ohne dass überhaupt nur eine kurzfristige Arbeitsaufnahme gelungen sei. Ende 2015 und aktuell hätten auch längere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Gesteigerte Chancen auf eine Arbeit vor dem Renteneintritt bestünden nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2016 wies der Ag den Widerspruch zurück. Zwar sei die ASt vor Erlass des Verwaltungsaktes nicht angehört worden. Dies sei aber im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. Ein Fall der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Insbesondere die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in nächster Zukunft sei nicht glaubhaft. Sowohl bei Bezug einer Rente mit Abschlägen als auch einer abschlagsfreien Rente wäre eine Aufstockung durch Sozialleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) notwendig. Relevante Vermögenswerte, welche vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII einzusetzen wären, lägen nicht vor. Die getroffene Ermessensentscheidung sei daher nicht zu beanstanden. Über die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage (S 16 AS 1179/16) ist bislang nicht entschieden. Einen am 25.08.2016 vom Ag gestellten Rentenantrag lehnte die DRV mit Bescheid vom 27.10.2016 ab, da den gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen worden sei. Die Einlegung eines Widerspruchs (durch den Ag) ist der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen.
Bereits am 30.06.2016 hat die ASt beim SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Darüber hinaus sei dem Ag zu untersagen, stellvertretend für sie einen Rentenantrag zu stellen. Dieser habe keine Vermittlungsbemühungen erkennen lassen. Bei der Aufforderung liege eine Ermessensunterschreitung vor. Es sei nicht klar, warum sie in dem Mangelberuf der Kindergärtnerin derzeit keine Arbeit bekommen könne. Es fehlten die Berücksichtigung der zu erwartenden gekürzten Rentenhöhe und der Vergleich zur Höhe des aktuellen Alg II sowie die Prüfung, ob ein dauerhafter Sozialhilfebezug zu erwarten sei. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 28.09.2016 abgelehnt. Die Aufforderung sei rechtmäßig. Mit der Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente werde die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beseitigt. Daran ändere auch ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII nichts. Ein Fall nach der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Der Fall, dass die vorgezogene Altersrente nicht bedarfsdeckend sei, sei nicht atypisch. Einstweiliger Rechtsschutz sei auch im Hinblick auf eine Rentenantragstellung durch den Ag nicht zu gewähren.
Dagegen hat die ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben und daneben die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Das SG Mainz (S 14 AS 956/14) habe in einem zumindest bezüglich des Wortlauts des Bescheids vergleichbaren Fall entschieden, dass dieser rechtswidrig sei. Bundesweit seien die Fälle aber gleich zu behandeln. Die bloße Bitte stelle keine Regelung mit Verwaltungsaktqualität dar. Der Bescheid gehe davon aus, dass eine Zwangsverrentung mit dem Erreichen des 63. Lebensjahres erfolgen müsse. Für sie sei eine Ermessensausübung nicht ersichtlich. Es bestehe die Gefahr, dass die stellvertretende Beantragung durch den Ag zu einer vorzeitigen Rente mit Abschlägen führe. Sie sei vor Erlass des - im Übrigen nur formelhaften und nicht individualisierten - Bescheides nicht angehört worden. Bei Bezug der Regelrente sei nicht zwingend vom Eintritt eines Sozialfalles auszugehen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (nunmehr der Klage) der ASt gegen den Bescheid des Ag vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 und eine Anordnung gegen den Ag, eine Rentenantragstellung zu unterlassen, abgelehnt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nicht begründet. Der Widerspruch gegen den Bescheid des Ag vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 hat nicht bereits selbst aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 Satz 1 SGG. Diese tritt nicht ein, wenn ein Verwaltungsakt angefochten wird, mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 3 SGB II bzw. ab 01.08.2016 § 39 Nr 2 idF des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 - BGBl I 1824). Bei der Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrages handelt es sich um einen Verwaltungsakt iSv § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X (vgl BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1 - und Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B - mwN - juris; Beschluss des Senats vom 23.06.2015 - L 11 AS 273/15 B ER - juris). Eine Erledigung der Aufforderung zur Rentenantragstellung iS des § 39 Abs 2 SGB X ist bislang nicht eingetreten. Die ASt hat selbst keinen entsprechenden Antrag bei der DRV gestellt; ein vom Ag gestellter Antrag ist - bislang noch nicht bestandskräftig - abgelehnt worden. Der Verwaltungsakt ist auch im Hinblick auf den Ablauf der gesetzten Frist bis 02.07.2016 noch nicht erledigt, denn die ASt hat zwar den Rentenantrag nicht innerhalb der Frist gestellt, in der Aufforderung zur Rentenantragstellung liegt aber zugleich die Feststellung, dass der Leistungsberechtigte zur Stellung des Rentenantrages verpflichtet und ihm die Inanspruchnahme der Rente zumutbar ist (vgl Beschluss des Senats aaO mit Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.201 - L 15 AS 85/15 B ER - juris - mwN). Ob mit der Altersrente für langjährig Versicherte tatsächlich eine vorrangige Leistung vorliegt, ist dabei eine Frage der Begründetheit (Eicher/Greise in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 39 Rn 25).
In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse der ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 3 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl Beschluss des Senats vom 18.11.2008 - L 11 B 948/08 AS ER). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 86b Rn 12c). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 3 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rn 12f; Beschluss des Senats aaO).
Eine Rechtswidrigkeit der Aufforderung im Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016, bis spätestens 02.07.2016 bei der DRV eine Rente zu beantragen ist nicht erkennbar rechtswidrig.
Wie der Ag bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, führt die vor Erlass des Bescheides vom 15.06.2016 nicht erfolgte Anhörung der ASt (§ 24 Abs 1 SGB X) nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Aufforderung. Zwar bedarf es vor dem Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes einer Anhörung, was gerade für eine zu treffende Ermessensentscheidung die maßgeblichen Interessen des Betroffenen hervorbringen kann. Der formale Fehler der fehlenden Anhörung ist aber jedenfalls nach § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt. Die Anhörung hat zu den von der Verwaltung für ihre Entscheidung als tragend angesehenen Tatsachen vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens, dh bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides, stattzufinden (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 9/11 R - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 - L 10 AS 2254/14 B ER - juris; Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl, Rn 4 und 7 mwN zu § 24 juris RdNr 14). Die ASt hat mit ihrem Widerspruch die aus ihrer Sicht gegen die Aufforderung zur Rentenantragstellung sprechenden Argumente vorgetragen, mit denen sich der Ag auch im Widerspruchsbescheid auseinandergesetzt hat.
Der Senat vermag auch keine unzureichende Bestimmtheit (§ 33 Abs 1 SGB X) des Bescheides vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 zu erkennen. Zwar ist der ASt zuzugeben, dass im Bescheid vom 15.06.2016 zunächst lediglich die "Bitte" formuliert ist, sie möge einen Rentenantrag stellen (vgl hierzu auch das von der ASt zitierte Urteil des SG Mainz vom 17.11.2015 - S 14 AS 956/14 - juris). Gleichwohl geht aus der weiteren Formulierung des Bescheides unzweifelhaft hervor, dass es sich um eine verbindliche Aufforderung handelt. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten (vgl BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 2).Dafür genügt es, wenn aus dem gesamten Inhalt eines Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann (BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3). So kann die "Bitte" nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr sind auch die weiteren Ausführungen in dem Bescheid vom 15.06.2016 heranzuziehen. Der Ag setzt insofern eine Frist, spricht von einer Aufforderung und der Verpflichtung der ASt zur Rentenantragstellung und dem Bescheid ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Die ASt konnte daher nicht davon ausgehen, es habe sich nur um ein unverbindliches Schreiben gehandelt. Schließlich lässt auch der Widerspruchsbescheid keinen Zweifel daran, dass die ASt vorliegend verbindlich zur Rentenantragstellung aufgefordert werden sollte.
Die Aufforderung, einen Rentenantrag zu stellen, kann sich auf § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II iVm § 12a SGB II (jeweils idF der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 - BGBl I 850) stützen. Leistungsträger nach dem SGB II können einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt (§ 5 Abs 3 Satz 1 SGB II). Nach § 12a Satz 1 SGB II - dieser ergänzt den bereits in den § 3 Abs 3, § 5, § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 7 Abs 4, 5, 6, § 9 und §§ 11 ff SGB II enthaltenen Nachranggrundsatz der Leistungen nach dem SGB II (vgl S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 12a Rn 1) - sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Da die ASt das 63. Lebensjahr beendet hat, entfällt die Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme auch nicht nach § 12a Satz 2 Nr 1 SGB II.
Die vorgenannten Vorschriften sind auch verfassungsgemäß. So steht das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz - GG) der Sicherung des Nachrangs existenzsichernder Leistungen durch die Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Sozialleistungen und Aufforderung zu ihrer Beantragung nicht entgegen. Auch liegt in der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente keine Verletzung des Eigentumsgrundrechts iS des Art 14 Abs 1 GG. Der eigenständige Eingriff in die Dispositionsfreiheit als Ausdruck einer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG, der in der Antragstellung durch den Leistungsträger anstelle des Leistungsberechtigten auf eine vorzeitige Altersrente mit dauerhaften Rentenabschlägen zu sehen ist, ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die ASt wird mit der Gruppe derjenigen, die eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen kann, gleichbehandelt, so dass schließlich kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gegeben ist. Den Ausführungen des BSG (Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1) zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen schließt sich der Senat insofern vollumfänglich an und nimmt darauf Bezug (vgl zudem die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 23.06.2015 - L 11 AS 273/15 B ER - juris).
Die ASt hatte im Zeitpunkt der Aufforderung einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), die sie vorzeitig in Anspruch nehmen kann, da sie bereits das 63. Lebensjahr vollendet hat (§ 36 Satz 2 SGB VI), wenngleich die Inanspruchnahme mit Abschlägen um je 0,3% pro Monat, den die Rente vor dem 01.08.2017 in Anspruch genommen wird, im Hinblick auf den damit reduzierten Zugangsfaktor (§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2a SGB VI) verbunden ist. Dies ergibt sich auch aus der Rentenauskunft der DRV vom 21.04.2016 und ist so nicht bestritten. Durch den Bezug der Altersrente für langjährig Versicherte kann die ASt ihre Hilfebedürftigkeit jedenfalls vermindern. Eine vollständige Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die zu beantragende Leistung wird in § 12a SGB II nicht vorausgesetzt. So ist die ergänzende Inanspruchnahme einer im Umfang durch die Altersrente verminderten Hilfebedürftigkeit Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII unerheblich, da die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente wegen dem in § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschluss, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer Rente wegen Alters bezieht, zum Entfallen eines Anspruchs der ASt auf Alg II führt.
Der Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen steht die sog 58er-Regelung nicht entgegen, denn die ASt fällt schon deshalb nicht in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Regelung, weil sie erst am 01.08.2010 und damit nach dem 01.01.2008 das 58. Lebensjahr vollendet hat (§ 65 Abs 4 Satz 2 SGB II).
Es liegen auch keine Ausnahmetatbestände vor, bei deren Vorliegen die ASt gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet wäre. Diese sind in der nach § 13 Abs 2 SGB II erlassenen Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente - Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV) - vom 14.04.2008 (BGBl I 734) nach systematischem Zusammenhang und nach der Entstehungsgeschichte von Verordnungsermächtigung und Verordnung abschließend geregelt (vgl eingehend BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1 - mwN; Strnischa in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand 03/2016, § 13 SGB II Rn 12). Ein Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung der ASt nach § 12a Satz 1 SGB II zur Beantragung und Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nach der UnbilligkeitsV liegt nicht vor. So würde die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente nicht zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) führen (§ 2 UnbilligkeitsV), weil die ASt keinen Anspruch auf Alg nach dem SGB III hat. Die Aufforderung ist auch nicht deshalb unbillig, weil die ASt in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann (§ 3 UnbilligkeitsV). Denn abschlagsfrei in Anspruch nehmen können hätte sie eine Altersrente nach der Rentenauskunft erst ab dem 01.08.2017. Ausgehend vom Zeitpunkt der Aufforderung war dies noch mehr als ein Jahr, mithin stand das Erreichen der Regelrentenalters nicht kurz bevor. Dies wäre regelmäßig bei einem Zeitraum von etwa drei Monaten anzunehmen (vgl dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.06.2015 - L 19 AS 909/15 B ER - juris; Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand 03/2016, § 12a SGB II Rn 13 mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte), keinesfalls aber - wie hier - bei einem Zeitraum von mehr als einem Jahr. Schließlich greifen auch die Ausnahmebestimmungen in §§ 4 und 5 UnbilligkeitsV nicht. Die ASt war nicht erwerbstätig iS des § 4 UnbilligkeitsV und eine solche Erwerbstätigkeit stand auch nicht in nächster Zukunft bevor (§ 5 UnbilligkeitsV). Insofern gibt es keine Anhaltspunkte für die mögliche Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bzw. eine Tätigkeit mit entsprechendem Einkommen. Dies hätte zudem auch durch Vorlage eines Arbeitsvertrages oder einer ähnlichen schriftlichen Zusicherung von der ASt glaubhaft gemacht werden müssen (dazu auch S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 12a Rn 16). Auf den Gesundheitszustand der ASt oder die zuvor vom Ag getätigte Vermittlungstätigkeit kommt es insofern nicht an. Die Länge der Arbeitslosigkeit der ASt spricht aber bereits dafür, dass es - unabhängig von einem Bedarf an Kindergärtnerinnen - nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass sie bis zum Erreichen der Altersgrenze nochmals eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen kann.
Ohne Belang ist vorliegend, dass in § 6 Satz 1 der UnbilligkeitsV idF der Ersten Verordnung zur Änderung der Unbilligkeitsverordnung vom 04.10.2016 (BGBl I 2210) künftig vorsieht, dass die Inanspruchnahme einer Rente auch dann unbillig ist, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch werden würden. Ein solcher Fall wäre vorliegend derzeit nicht auszuschließen, jedoch tritt die neue Vorschrift des § 6 UnbilligkeitsV erst ab 01.01.2017 in Kraft (Art 2 der Ersten Verordnung zur Änderung der Unbilligkeitsverordnung) und ist derzeit demnach noch nicht anzuwenden.
Die vom Ag getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Aus § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II ergibt sich, dass Leistungsträger selbst den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen können, wenn Leistungsberechtigte entgegen ihrer Verpflichtung nach § 12a SGB II und trotz Aufforderung den Antrag nicht stellen. Mit diesem "können" ist das Ob der Antragstellung anstelle der Leistungsberechtigten in das Ermessen der Leistungsträger gestellt. Dieses ermöglicht eine abschließende Abwägung im Einzelfall, ob der Nachrang der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf diesem Weg durchgesetzt werden soll oder ob dies wegen eines besonderen Härtefalles unzumutbar ist. Dies gilt entsprechend auch schon für die der eigenen Antragstellung vorausgehende Aufforderung der Leistungsberechtigten. Andernfalls wäre der Leistungsberechtigte benachteiligt, der der Aufforderung nachkommt, obwohl der Leistungsträger dieser bei Nichtbefolgung aus Ermessensgründen keine eigene Antragstellung hätte folgen lassen. Die Ermessensgesichtspunkte, die den Leistungsträger trotz einer Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme einer vorrangigen Leistung und trotz nichtbefolgter Aufforderung zur Antragstellung von einer eigenen künftigen Antragstellung absehen lassen könnten, sind bereits bei der Aufforderung des Leistungsberechtigten zur Antragstellung zu erwägen und müssen im Aufforderungsbescheid iS des § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X erkennbar sein (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1). Allerdings sind diesbezüglich auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 26.09.2016 beachtlich, da Fehler in der Ermessensbetätigung im Ausgangsbescheid durch das Widerspruchsverfahren geheilt werden können, zumal in diesem auch die Zweckmäßigkeit des angefochtenen Ausgangsbescheids nachzuprüfen ist (vgl BSG Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris - mit Verweis auf Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 41 Rn 11).
Im Hinblick auf den Grundsatz der gesetzlichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II zur Realisierung vorrangiger Sozialleistungen zu nehmen, ist die pflichtgemäße Ermessensausübung - insbesondere wenn keine Ausnahmetatbestände der UnbilligkeitsV eingreifen - dahingehend vorgeprägt, dass im Regelfall von der Ermächtigung zur (Aufforderung zur) Rentenantragstellung Gebrauch zu machen ist. Zu berücksichtigende Ermessensgesichtspunkte müssen daher einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Dies könnten vorliegend nur besondere Härten im Einzelfall sein, die nicht bereits einen Unbilligkeitstatbestand iS der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen (vgl dazu insgesamt BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1). Sind solche Umstände nicht erkennbar, ist der Leistungsberechtigte gehalten, atypische Umstände seines Einzelfalls vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1 Rn 27 ff; Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris).
Die Ermessensausübung ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf zu prüfen (§ 39 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, § 54 Abs 2 Satz 2 SGG), ob das Ermessen überhaupt ausgeübt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl auch BSG, Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris).
Insofern hat der Ag sein Ermessen im Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 pflichtgemäß ausgeübt. Er hat zu Recht dem Umstand, dass trotz der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente die Hilfebedürftigkeit nicht überwunden werden kann, keine durchschlagende Bedeutung zugemessen (vgl dazu zuletzt auch BSG, Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris), da eine isolierte Betrachtung der Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB II oder SGB XII und der Höhe der vorrangigen Sozialleistung keinesfalls außergewöhnliche Umstände begründen können. § 12a Satz 1 SGB II lässt schon eine Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Verpflichtung zur Inanspruchnahme genügen und das Nachrangprinzip gilt nach § 2 SGB XII auch im SGB XII (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.2015 - L 15 AS 85/15 B ER - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.10.2015 - L 19 AS 1561/15 B ER - juris). Schließlich wäre nach dem Stand im Zeitpunkt der Aufforderung zur Rentenantragstellung nach der Rentenauskunft davon auszugehen gewesen, dass selbst eine Rente ohne Abschläge nicht vollständig den Lebensunterhalt der ASt hätte sicherstellen können. Der Ag hat darauf auch im Widerspruchsbescheid hingewiesen. Dass der Verordnungsgeber insofern für vergleichbare Fälle ab 01.01.2017 einen Unbilligkeitsgrund vorsieht, führt nicht dazu, dass andere Ermessenserwägungen anzustellen wären. Der Verordnungsgeber hat in Kenntnis und unter Anführung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - und Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R), wonach eine Hilfebedürftigkeit der Leistungsberechtigten bei Bezug der Altersrente keinen bei der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs 3 SGB II atypischen Fall begründet (so festgehalten im Verordnungsentwurf - http://www.harald-thome.de/media/files/Unbillig-keitsV-ndV.PDF), die Neuregelung erst mit Wirkung zum 01.01.2017 eingeführt.
Der Ag hat sich auch mit den unterschiedlichen Vermögensfreibeträgen in SGB II und SGB XII auseinandergesetzt (zu einer etwaigen Relevanz eines im SGB XII aufzubrauchenden und nach dem SGB II geschützten Vermögens: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.2015 - L 15 AS 85/15 B ER - juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.02.2015 - L 8 AS 1232/14 B ER - juris; offen geblieben in BSG, Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris). Die Ag hat selbst angegeben, über nennenswerte Vermögenswerte nicht zu verfügen. Damit fehlt es aber schon an konkreten Nachweisen, die ASt könnte über entsprechende Vermögenswerte verfügen, die sie bei einem etwaigen Bezug von Leistungen nach dem SGB XII zunächst einsetzen müsste.
Die Arbeitsfähigkeit und die Ausbildung der ASt sowie die (angeblich) unzureichenden Vermittlungstätigkeiten des Ag können ebenfalls keinen individuellen Härtefall begründen, da insofern bereits in § 5 UnbilligkeitsV der Gesichtspunkt Berücksichtigung gefunden hat, dass eine möglich künftige Erwerbstätigkeit nur dann einen Unbilligkeitsgrund darstellen kann, wenn sie konkret in nächster Zukunft bevorsteht. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kann dem Gesichtspunkt einer etwaigen künftigen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Rahmen der Ermessensausübung nicht zukommen.
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 ist eine aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist auch im Hinblick auf eine Verpflichtung des Ag zur Unterlassung einer Beantragung der Rente anstelle der ASt nicht begründet. Ein solches Anliegen wäre von der ASt in der Hauptsache im Wege einer isolierten Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG geltend zu machen, so dass vorliegend Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis § 86b Abs 2 Satz 2 SGG darstellt. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 - BVerfGE 79, 69; vom 19.10.1997 - BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl, Rn 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat die ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Aufl, § 86b Rn 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 - NVwZ 2005, 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast zu entscheiden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 - aaO - und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 aaO; weniger eindeutig BVerfG, Beschluss vom 04.08.2014 - 1 BvR 1453/12).
Vorliegend fehlt es demnach bereits am Vorliegen eines Anordnungsanspruch. Nach § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II kann der Leistungsträger nach dem SGB II einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen, wenn Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen solchen nicht stellen. Voraussetzung ist damit, dass der Leistungsberechtigte eine Antragstellung trotz Aufforderung unterlassen hat (vgl auch Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2014, § 5 Rn 156 mwN). Nach obigen Ausführungen hat der Ag die ASt rechtmäßigerweise mit Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 aufgefordert, einen Rentenantrag zu stellen. Dies hat die ASt nicht binnen der Frist bis 02.07.2016 getan. Der Ag ist daher berechtigt, den entsprechenden Antrag bei der DRV selbst zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Aus den oben dargelegten Gründen ist die für die Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Beschwerde gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO nicht gegeben. Der Antrag auf PKH war somit abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Streitig ist die Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrages sowie eine entsprechende Antragstellung durch den Antragsgegner (Ag).
Die 1952 geborene Antragstellerin (ASt) bezieht seit 10.09.2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II - Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Ag. Zuletzt wurde ihr Alg II mit Bescheid vom 15.07.2016 für die Zeit vom 01.06.2016 bis 30.11.2016 iHv 828,60 EUR bewilligt. Nach eigenen Angaben verfüge sie über kein nennenswertes Vermögen. Laut der Rentenauskunft der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV) vom 21.04.2016 würde die Regelaltersrente, die ab 01.08.2017 gezahlt werden könne, 757,82 EUR betragen. Unter Berücksichtigung etwaiger künftiger Rentenanpassungen könne, die Rente bei einer jährlichen Anpassung um einen Prozentpunkt etwa 770 EUR bzw. bei zwei Prozentpunkten etwa 780 EUR betragen. Die Voraussetzungen für eine Altersrente für langjährig Versicherte mit einem frühesten Rentenbeginn ab 01.02.2015 - dabei entstünde ein Abschlag von 9% - lägen vor. Ab 01.08.2017 könne diese Rente abschlagsfrei bezogen werden.
Mit Bescheid vom 15.06.2016 bat der Ag die ASt - nach Aktenlage ohne vorherige Anhörung -, bis spätestens 02.07.2016 bei der DRV eine geminderte Altersrente wegen Arbeitslosigkeit zu beantragen. Es bestehe die Verpflichtung diese vorrangige Leistung in Anspruch zu nehmen, mit der die Hilfebedürftigkeit vermindert bzw. beseitigt werden könne. Es seien alle Gesichtspunkte abgewogen worden, aber keine maßgeblichen Gesichtspunkte erkennbar, die gegen die Beantragung der vorrangigen Leistungen sprächen, so dass die ASt hierzu aufzufordern sei. Auch lägen keine Ausnahmen nach der Unbilligkeitsverordnung vor. Dagegen legte die ASt Widerspruch ein. Es sei unverständlich, weshalb sie nicht für eine Tätigkeit vermittelbar sei, da sie u.a. über eine Ausbildung zur Krippenerzieherin (Kindergärtnerin) verfüge und in diesem Bereich ein großer Bedarf an Arbeitskräften bestehe. Eine ermessensgerechte Prüfung des Einzelfalles sei nicht erkennbar. Der Rentenbezug sei für sie mit erheblichen Nachteilen verbunden, da sie nach Ausschluss vom Rechtskreis des SGB II keine Eingliederungshilfen erhalten könne. Zudem sei die Rente nicht bedarfsdeckend, so dass zusätzlich Sozialhilfe benötigt würde. Ein "erweiterter Härtefall" liege vor.
Nach Aktenvermerken vom 07.07.2016 und 12.08.2016 über Auskünfte der Arbeitsvermittlung übe die ASt seit 2006 keine Beschäftigung mehr aus. Seit zehn Jahren suche sie erfolglos eine Arbeitsstelle, ohne dass überhaupt nur eine kurzfristige Arbeitsaufnahme gelungen sei. Ende 2015 und aktuell hätten auch längere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit vorgelegen. Gesteigerte Chancen auf eine Arbeit vor dem Renteneintritt bestünden nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.09.2016 wies der Ag den Widerspruch zurück. Zwar sei die ASt vor Erlass des Verwaltungsaktes nicht angehört worden. Dies sei aber im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. Ein Fall der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Insbesondere die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in nächster Zukunft sei nicht glaubhaft. Sowohl bei Bezug einer Rente mit Abschlägen als auch einer abschlagsfreien Rente wäre eine Aufstockung durch Sozialleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) notwendig. Relevante Vermögenswerte, welche vor dem Bezug von Leistungen nach dem SGB XII einzusetzen wären, lägen nicht vor. Die getroffene Ermessensentscheidung sei daher nicht zu beanstanden. Über die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage (S 16 AS 1179/16) ist bislang nicht entschieden. Einen am 25.08.2016 vom Ag gestellten Rentenantrag lehnte die DRV mit Bescheid vom 27.10.2016 ab, da den gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen worden sei. Die Einlegung eines Widerspruchs (durch den Ag) ist der Verwaltungsakte nicht zu entnehmen.
Bereits am 30.06.2016 hat die ASt beim SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs beantragt. Darüber hinaus sei dem Ag zu untersagen, stellvertretend für sie einen Rentenantrag zu stellen. Dieser habe keine Vermittlungsbemühungen erkennen lassen. Bei der Aufforderung liege eine Ermessensunterschreitung vor. Es sei nicht klar, warum sie in dem Mangelberuf der Kindergärtnerin derzeit keine Arbeit bekommen könne. Es fehlten die Berücksichtigung der zu erwartenden gekürzten Rentenhöhe und der Vergleich zur Höhe des aktuellen Alg II sowie die Prüfung, ob ein dauerhafter Sozialhilfebezug zu erwarten sei. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 28.09.2016 abgelehnt. Die Aufforderung sei rechtmäßig. Mit der Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente werde die Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II beseitigt. Daran ändere auch ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII nichts. Ein Fall nach der Unbilligkeitsverordnung liege nicht vor. Ermessensfehler seien nicht erkennbar. Der Fall, dass die vorgezogene Altersrente nicht bedarfsdeckend sei, sei nicht atypisch. Einstweiliger Rechtsschutz sei auch im Hinblick auf eine Rentenantragstellung durch den Ag nicht zu gewähren.
Dagegen hat die ASt Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht erhoben und daneben die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Das SG Mainz (S 14 AS 956/14) habe in einem zumindest bezüglich des Wortlauts des Bescheids vergleichbaren Fall entschieden, dass dieser rechtswidrig sei. Bundesweit seien die Fälle aber gleich zu behandeln. Die bloße Bitte stelle keine Regelung mit Verwaltungsaktqualität dar. Der Bescheid gehe davon aus, dass eine Zwangsverrentung mit dem Erreichen des 63. Lebensjahres erfolgen müsse. Für sie sei eine Ermessensausübung nicht ersichtlich. Es bestehe die Gefahr, dass die stellvertretende Beantragung durch den Ag zu einer vorzeitigen Rente mit Abschlägen führe. Sie sei vor Erlass des - im Übrigen nur formelhaften und nicht individualisierten - Bescheides nicht angehört worden. Bei Bezug der Regelrente sei nicht zwingend vom Eintritt eines Sozialfalles auszugehen.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes wird auf die beigezogene Akte des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerechte Beschwerde ist zulässig (§§ 172 Abs 1, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs (nunmehr der Klage) der ASt gegen den Bescheid des Ag vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 und eine Anordnung gegen den Ag, eine Rentenantragstellung zu unterlassen, abgelehnt.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist nicht begründet. Der Widerspruch gegen den Bescheid des Ag vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 hat nicht bereits selbst aufschiebende Wirkung nach § 86a Abs 1 Satz 1 SGG. Diese tritt nicht ein, wenn ein Verwaltungsakt angefochten wird, mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 39 Nr 3 SGB II bzw. ab 01.08.2016 § 39 Nr 2 idF des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 - BGBl I 1824). Bei der Aufforderung zur Stellung eines Rentenantrages handelt es sich um einen Verwaltungsakt iSv § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X (vgl BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1 - und Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B - mwN - juris; Beschluss des Senats vom 23.06.2015 - L 11 AS 273/15 B ER - juris). Eine Erledigung der Aufforderung zur Rentenantragstellung iS des § 39 Abs 2 SGB X ist bislang nicht eingetreten. Die ASt hat selbst keinen entsprechenden Antrag bei der DRV gestellt; ein vom Ag gestellter Antrag ist - bislang noch nicht bestandskräftig - abgelehnt worden. Der Verwaltungsakt ist auch im Hinblick auf den Ablauf der gesetzten Frist bis 02.07.2016 noch nicht erledigt, denn die ASt hat zwar den Rentenantrag nicht innerhalb der Frist gestellt, in der Aufforderung zur Rentenantragstellung liegt aber zugleich die Feststellung, dass der Leistungsberechtigte zur Stellung des Rentenantrages verpflichtet und ihm die Inanspruchnahme der Rente zumutbar ist (vgl Beschluss des Senats aaO mit Verweis auf LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.201 - L 15 AS 85/15 B ER - juris - mwN). Ob mit der Altersrente für langjährig Versicherte tatsächlich eine vorrangige Leistung vorliegt, ist dabei eine Frage der Begründetheit (Eicher/Greise in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 39 Rn 25).
In den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86b Abs 1 Nr 2 SGG. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse der ASt an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist.
Unter Berücksichtigung des § 39 Nr 3 SGB II ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl Beschluss des Senats vom 18.11.2008 - L 11 B 948/08 AS ER). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl, § 86b Rn 12c). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 39 Nr 3 SGB II mitberücksichtigt werden (vgl zum Ganzen: Keller aaO Rn 12f; Beschluss des Senats aaO).
Eine Rechtswidrigkeit der Aufforderung im Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016, bis spätestens 02.07.2016 bei der DRV eine Rente zu beantragen ist nicht erkennbar rechtswidrig.
Wie der Ag bereits im Widerspruchsbescheid ausgeführt hat, führt die vor Erlass des Bescheides vom 15.06.2016 nicht erfolgte Anhörung der ASt (§ 24 Abs 1 SGB X) nicht zu einer Rechtswidrigkeit der Aufforderung. Zwar bedarf es vor dem Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes einer Anhörung, was gerade für eine zu treffende Ermessensentscheidung die maßgeblichen Interessen des Betroffenen hervorbringen kann. Der formale Fehler der fehlenden Anhörung ist aber jedenfalls nach § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X durch Nachholung im Widerspruchsverfahren geheilt. Die Anhörung hat zu den von der Verwaltung für ihre Entscheidung als tragend angesehenen Tatsachen vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens, dh bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides, stattzufinden (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 9/11 R - juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.11.2014 - L 10 AS 2254/14 B ER - juris; Siefert in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl, Rn 4 und 7 mwN zu § 24 juris RdNr 14). Die ASt hat mit ihrem Widerspruch die aus ihrer Sicht gegen die Aufforderung zur Rentenantragstellung sprechenden Argumente vorgetragen, mit denen sich der Ag auch im Widerspruchsbescheid auseinandergesetzt hat.
Der Senat vermag auch keine unzureichende Bestimmtheit (§ 33 Abs 1 SGB X) des Bescheides vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 zu erkennen. Zwar ist der ASt zuzugeben, dass im Bescheid vom 15.06.2016 zunächst lediglich die "Bitte" formuliert ist, sie möge einen Rentenantrag stellen (vgl hierzu auch das von der ASt zitierte Urteil des SG Mainz vom 17.11.2015 - S 14 AS 956/14 - juris). Gleichwohl geht aus der weiteren Formulierung des Bescheides unzweifelhaft hervor, dass es sich um eine verbindliche Aufforderung handelt. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt, dass der Verfügungssatz eines Verwaltungsakts nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzt, sein Verhalten daran auszurichten (vgl BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 4 AS 20/09 R - SozR 4-4200 § 31 Nr 2).Dafür genügt es, wenn aus dem gesamten Inhalt eines Bescheids einschließlich der von der Behörde gegebenen Begründung hinreichende Klarheit über die Regelung gewonnen werden kann (BSG, Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 2/13 R - SozR 4-4200 § 38 Nr 3). So kann die "Bitte" nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr sind auch die weiteren Ausführungen in dem Bescheid vom 15.06.2016 heranzuziehen. Der Ag setzt insofern eine Frist, spricht von einer Aufforderung und der Verpflichtung der ASt zur Rentenantragstellung und dem Bescheid ist eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt. Die ASt konnte daher nicht davon ausgehen, es habe sich nur um ein unverbindliches Schreiben gehandelt. Schließlich lässt auch der Widerspruchsbescheid keinen Zweifel daran, dass die ASt vorliegend verbindlich zur Rentenantragstellung aufgefordert werden sollte.
Die Aufforderung, einen Rentenantrag zu stellen, kann sich auf § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II iVm § 12a SGB II (jeweils idF der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 - BGBl I 850) stützen. Leistungsträger nach dem SGB II können einen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen, wenn der Leistungsberechtigte einen solchen Antrag trotz Aufforderung nicht selbst stellt (§ 5 Abs 3 Satz 1 SGB II). Nach § 12a Satz 1 SGB II - dieser ergänzt den bereits in den § 3 Abs 3, § 5, § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 3, § 7 Abs 4, 5, 6, § 9 und §§ 11 ff SGB II enthaltenen Nachranggrundsatz der Leistungen nach dem SGB II (vgl S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 12a Rn 1) - sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Da die ASt das 63. Lebensjahr beendet hat, entfällt die Verpflichtung zur vorrangigen Inanspruchnahme auch nicht nach § 12a Satz 2 Nr 1 SGB II.
Die vorgenannten Vorschriften sind auch verfassungsgemäß. So steht das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 Grundgesetz - GG) der Sicherung des Nachrangs existenzsichernder Leistungen durch die Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Sozialleistungen und Aufforderung zu ihrer Beantragung nicht entgegen. Auch liegt in der vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente keine Verletzung des Eigentumsgrundrechts iS des Art 14 Abs 1 GG. Der eigenständige Eingriff in die Dispositionsfreiheit als Ausdruck einer allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art 2 Abs 1 GG, der in der Antragstellung durch den Leistungsträger anstelle des Leistungsberechtigten auf eine vorzeitige Altersrente mit dauerhaften Rentenabschlägen zu sehen ist, ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die ASt wird mit der Gruppe derjenigen, die eine vorgezogene Altersrente in Anspruch nehmen kann, gleichbehandelt, so dass schließlich kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG gegeben ist. Den Ausführungen des BSG (Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1) zur Verfassungsmäßigkeit der Regelungen schließt sich der Senat insofern vollumfänglich an und nimmt darauf Bezug (vgl zudem die Ausführungen des Senats in seinem Beschluss vom 23.06.2015 - L 11 AS 273/15 B ER - juris).
Die ASt hatte im Zeitpunkt der Aufforderung einen Anspruch auf eine Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), die sie vorzeitig in Anspruch nehmen kann, da sie bereits das 63. Lebensjahr vollendet hat (§ 36 Satz 2 SGB VI), wenngleich die Inanspruchnahme mit Abschlägen um je 0,3% pro Monat, den die Rente vor dem 01.08.2017 in Anspruch genommen wird, im Hinblick auf den damit reduzierten Zugangsfaktor (§ 77 Abs 2 Satz 1 Nr 2a SGB VI) verbunden ist. Dies ergibt sich auch aus der Rentenauskunft der DRV vom 21.04.2016 und ist so nicht bestritten. Durch den Bezug der Altersrente für langjährig Versicherte kann die ASt ihre Hilfebedürftigkeit jedenfalls vermindern. Eine vollständige Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die zu beantragende Leistung wird in § 12a SGB II nicht vorausgesetzt. So ist die ergänzende Inanspruchnahme einer im Umfang durch die Altersrente verminderten Hilfebedürftigkeit Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 19 Abs 1, § 27 Abs 1 SGB XII unerheblich, da die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente wegen dem in § 7 Abs 4 Satz 1 SGB II bestimmten Leistungsausschluss, wonach Leistungen nach dem SGB II nicht erhält, wer Rente wegen Alters bezieht, zum Entfallen eines Anspruchs der ASt auf Alg II führt.
Der Verpflichtung, eine vorzeitige Altersrente in Anspruch zu nehmen steht die sog 58er-Regelung nicht entgegen, denn die ASt fällt schon deshalb nicht in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Regelung, weil sie erst am 01.08.2010 und damit nach dem 01.01.2008 das 58. Lebensjahr vollendet hat (§ 65 Abs 4 Satz 2 SGB II).
Es liegen auch keine Ausnahmetatbestände vor, bei deren Vorliegen die ASt gleichwohl zur Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht verpflichtet wäre. Diese sind in der nach § 13 Abs 2 SGB II erlassenen Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente - Unbilligkeitsverordnung (UnbilligkeitsV) - vom 14.04.2008 (BGBl I 734) nach systematischem Zusammenhang und nach der Entstehungsgeschichte von Verordnungsermächtigung und Verordnung abschließend geregelt (vgl eingehend BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1 - mwN; Strnischa in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand 03/2016, § 13 SGB II Rn 12). Ein Ausnahmetatbestand von der Verpflichtung der ASt nach § 12a Satz 1 SGB II zur Beantragung und Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nach der UnbilligkeitsV liegt nicht vor. So würde die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente nicht zum Verlust eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) führen (§ 2 UnbilligkeitsV), weil die ASt keinen Anspruch auf Alg nach dem SGB III hat. Die Aufforderung ist auch nicht deshalb unbillig, weil die ASt in nächster Zukunft die Altersrente abschlagsfrei in Anspruch nehmen kann (§ 3 UnbilligkeitsV). Denn abschlagsfrei in Anspruch nehmen können hätte sie eine Altersrente nach der Rentenauskunft erst ab dem 01.08.2017. Ausgehend vom Zeitpunkt der Aufforderung war dies noch mehr als ein Jahr, mithin stand das Erreichen der Regelrentenalters nicht kurz bevor. Dies wäre regelmäßig bei einem Zeitraum von etwa drei Monaten anzunehmen (vgl dazu auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.06.2015 - L 19 AS 909/15 B ER - juris; Schumacher in Oestreicher, SGB II/SGB XII, Stand 03/2016, § 12a SGB II Rn 13 mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte), keinesfalls aber - wie hier - bei einem Zeitraum von mehr als einem Jahr. Schließlich greifen auch die Ausnahmebestimmungen in §§ 4 und 5 UnbilligkeitsV nicht. Die ASt war nicht erwerbstätig iS des § 4 UnbilligkeitsV und eine solche Erwerbstätigkeit stand auch nicht in nächster Zukunft bevor (§ 5 UnbilligkeitsV). Insofern gibt es keine Anhaltspunkte für die mögliche Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bzw. eine Tätigkeit mit entsprechendem Einkommen. Dies hätte zudem auch durch Vorlage eines Arbeitsvertrages oder einer ähnlichen schriftlichen Zusicherung von der ASt glaubhaft gemacht werden müssen (dazu auch S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 12a Rn 16). Auf den Gesundheitszustand der ASt oder die zuvor vom Ag getätigte Vermittlungstätigkeit kommt es insofern nicht an. Die Länge der Arbeitslosigkeit der ASt spricht aber bereits dafür, dass es - unabhängig von einem Bedarf an Kindergärtnerinnen - nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass sie bis zum Erreichen der Altersgrenze nochmals eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufnehmen kann.
Ohne Belang ist vorliegend, dass in § 6 Satz 1 der UnbilligkeitsV idF der Ersten Verordnung zur Änderung der Unbilligkeitsverordnung vom 04.10.2016 (BGBl I 2210) künftig vorsieht, dass die Inanspruchnahme einer Rente auch dann unbillig ist, wenn Leistungsberechtigte dadurch hilfebedürftig im Sinne der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch werden würden. Ein solcher Fall wäre vorliegend derzeit nicht auszuschließen, jedoch tritt die neue Vorschrift des § 6 UnbilligkeitsV erst ab 01.01.2017 in Kraft (Art 2 der Ersten Verordnung zur Änderung der Unbilligkeitsverordnung) und ist derzeit demnach noch nicht anzuwenden.
Die vom Ag getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Aus § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II ergibt sich, dass Leistungsträger selbst den Antrag stellen sowie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen können, wenn Leistungsberechtigte entgegen ihrer Verpflichtung nach § 12a SGB II und trotz Aufforderung den Antrag nicht stellen. Mit diesem "können" ist das Ob der Antragstellung anstelle der Leistungsberechtigten in das Ermessen der Leistungsträger gestellt. Dieses ermöglicht eine abschließende Abwägung im Einzelfall, ob der Nachrang der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II auf diesem Weg durchgesetzt werden soll oder ob dies wegen eines besonderen Härtefalles unzumutbar ist. Dies gilt entsprechend auch schon für die der eigenen Antragstellung vorausgehende Aufforderung der Leistungsberechtigten. Andernfalls wäre der Leistungsberechtigte benachteiligt, der der Aufforderung nachkommt, obwohl der Leistungsträger dieser bei Nichtbefolgung aus Ermessensgründen keine eigene Antragstellung hätte folgen lassen. Die Ermessensgesichtspunkte, die den Leistungsträger trotz einer Verpflichtung des Leistungsberechtigten zur Inanspruchnahme einer vorrangigen Leistung und trotz nichtbefolgter Aufforderung zur Antragstellung von einer eigenen künftigen Antragstellung absehen lassen könnten, sind bereits bei der Aufforderung des Leistungsberechtigten zur Antragstellung zu erwägen und müssen im Aufforderungsbescheid iS des § 35 Abs 1 Satz 3 SGB X erkennbar sein (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1). Allerdings sind diesbezüglich auch die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 26.09.2016 beachtlich, da Fehler in der Ermessensbetätigung im Ausgangsbescheid durch das Widerspruchsverfahren geheilt werden können, zumal in diesem auch die Zweckmäßigkeit des angefochtenen Ausgangsbescheids nachzuprüfen ist (vgl BSG Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris - mit Verweis auf Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl 2014, § 41 Rn 11).
Im Hinblick auf den Grundsatz der gesetzlichen Verpflichtung des Leistungsberechtigten nach § 12a SGB II zur Realisierung vorrangiger Sozialleistungen zu nehmen, ist die pflichtgemäße Ermessensausübung - insbesondere wenn keine Ausnahmetatbestände der UnbilligkeitsV eingreifen - dahingehend vorgeprägt, dass im Regelfall von der Ermächtigung zur (Aufforderung zur) Rentenantragstellung Gebrauch zu machen ist. Zu berücksichtigende Ermessensgesichtspunkte müssen daher einen atypischen Fall begründen, in dem vom gesetzlichen Regelfall der Aufforderung zur Antragstellung zur Durchsetzung der Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen abzusehen ist. Dies könnten vorliegend nur besondere Härten im Einzelfall sein, die nicht bereits einen Unbilligkeitstatbestand iS der UnbilligkeitsV begründen, aber die Inanspruchnahme der vorzeitigen Altersrente aufgrund außergewöhnlicher Umstände als unzumutbar erscheinen lassen (vgl dazu insgesamt BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1). Sind solche Umstände nicht erkennbar, ist der Leistungsberechtigte gehalten, atypische Umstände seines Einzelfalls vorzubringen, die der Leistungsträger zu erwägen hat (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1 Rn 27 ff; Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris).
Die Ermessensausübung ist gerichtlich nur eingeschränkt darauf zu prüfen (§ 39 Abs 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch, § 54 Abs 2 Satz 2 SGG), ob das Ermessen überhaupt ausgeübt, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl auch BSG, Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris).
Insofern hat der Ag sein Ermessen im Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 pflichtgemäß ausgeübt. Er hat zu Recht dem Umstand, dass trotz der Inanspruchnahme der vorgezogenen Altersrente die Hilfebedürftigkeit nicht überwunden werden kann, keine durchschlagende Bedeutung zugemessen (vgl dazu zuletzt auch BSG, Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris), da eine isolierte Betrachtung der Höhe des Leistungsanspruchs nach dem SGB II oder SGB XII und der Höhe der vorrangigen Sozialleistung keinesfalls außergewöhnliche Umstände begründen können. § 12a Satz 1 SGB II lässt schon eine Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Verpflichtung zur Inanspruchnahme genügen und das Nachrangprinzip gilt nach § 2 SGB XII auch im SGB XII (BSG, Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - SozR 4-4200 § 12a Nr 1; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.2015 - L 15 AS 85/15 B ER - juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.10.2015 - L 19 AS 1561/15 B ER - juris). Schließlich wäre nach dem Stand im Zeitpunkt der Aufforderung zur Rentenantragstellung nach der Rentenauskunft davon auszugehen gewesen, dass selbst eine Rente ohne Abschläge nicht vollständig den Lebensunterhalt der ASt hätte sicherstellen können. Der Ag hat darauf auch im Widerspruchsbescheid hingewiesen. Dass der Verordnungsgeber insofern für vergleichbare Fälle ab 01.01.2017 einen Unbilligkeitsgrund vorsieht, führt nicht dazu, dass andere Ermessenserwägungen anzustellen wären. Der Verordnungsgeber hat in Kenntnis und unter Anführung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 19.08.2015 - B 14 AS 1/15 R - und Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R), wonach eine Hilfebedürftigkeit der Leistungsberechtigten bei Bezug der Altersrente keinen bei der Ermessensentscheidung nach § 5 Abs 3 SGB II atypischen Fall begründet (so festgehalten im Verordnungsentwurf - http://www.harald-thome.de/media/files/Unbillig-keitsV-ndV.PDF), die Neuregelung erst mit Wirkung zum 01.01.2017 eingeführt.
Der Ag hat sich auch mit den unterschiedlichen Vermögensfreibeträgen in SGB II und SGB XII auseinandergesetzt (zu einer etwaigen Relevanz eines im SGB XII aufzubrauchenden und nach dem SGB II geschützten Vermögens: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.05.2015 - L 15 AS 85/15 B ER - juris; Sächsisches LSG, Beschluss vom 19.02.2015 - L 8 AS 1232/14 B ER - juris; offen geblieben in BSG, Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 46/15 R - juris). Die Ag hat selbst angegeben, über nennenswerte Vermögenswerte nicht zu verfügen. Damit fehlt es aber schon an konkreten Nachweisen, die ASt könnte über entsprechende Vermögenswerte verfügen, die sie bei einem etwaigen Bezug von Leistungen nach dem SGB XII zunächst einsetzen müsste.
Die Arbeitsfähigkeit und die Ausbildung der ASt sowie die (angeblich) unzureichenden Vermittlungstätigkeiten des Ag können ebenfalls keinen individuellen Härtefall begründen, da insofern bereits in § 5 UnbilligkeitsV der Gesichtspunkt Berücksichtigung gefunden hat, dass eine möglich künftige Erwerbstätigkeit nur dann einen Unbilligkeitsgrund darstellen kann, wenn sie konkret in nächster Zukunft bevorsteht. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kann dem Gesichtspunkt einer etwaigen künftigen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Rahmen der Ermessensausübung nicht zukommen.
Mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage gegen den Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 ist eine aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen.
Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ist auch im Hinblick auf eine Verpflichtung des Ag zur Unterlassung einer Beantragung der Rente anstelle der ASt nicht begründet. Ein solches Anliegen wäre von der ASt in der Hauptsache im Wege einer isolierten Leistungsklage gemäß § 54 Abs 5 SGG geltend zu machen, so dass vorliegend Rechtsgrundlage für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis § 86b Abs 2 Satz 2 SGG darstellt. Hiernach ist eine Regelung zulässig, wenn sie zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das ist etwa dann der Fall, wenn der ASt ohne eine solche Anordnung schwere und unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstehen, zu deren Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG vom 25.10.1998 - BVerfGE 79, 69; vom 19.10.1997 - BVerfGE 46, 166 und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; Niesel/Herold-Tews, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Aufl, Rn 652). Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit - und das Vorliegen eines Anordnungsanspruches - das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den die ASt ihr Begehren stützt - voraus. Die Angaben hierzu hat die ASt glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 2 und 4 SGG iVm § 920 Abs 2, § 294 Zivilprozessordnung - ZPO -; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 11. Aufl, § 86b Rn 41).
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage im vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG vom 12.05.2005 - NVwZ 2005, 927) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu. Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen, sind die Anforderungen an den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch weniger streng zu beurteilen. In diesem Fall ist ggf. auch anhand einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange der Ast zu entscheiden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 - aaO - und vom 22.11.2002 - NJW 2003, 1236; zuletzt BVerfG vom 15.01.2007 - 1 BvR 2971/06). In diesem Zusammenhang ist eine Orientierung an den Erfolgsaussichten nur möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist, denn soweit schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, darf die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern sie muss abschließend geprüft werden (vgl BVerfG vom 12.05.2005 aaO; weniger eindeutig BVerfG, Beschluss vom 04.08.2014 - 1 BvR 1453/12).
Vorliegend fehlt es demnach bereits am Vorliegen eines Anordnungsanspruch. Nach § 5 Abs 3 Satz 1 SGB II kann der Leistungsträger nach dem SGB II einen erforderlichen Antrag auf Leistungen eines anderen Trägers stellen, wenn Leistungsberechtigte trotz Aufforderung einen solchen nicht stellen. Voraussetzung ist damit, dass der Leistungsberechtigte eine Antragstellung trotz Aufforderung unterlassen hat (vgl auch Luthe in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2014, § 5 Rn 156 mwN). Nach obigen Ausführungen hat der Ag die ASt rechtmäßigerweise mit Bescheid vom 15.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.09.2016 aufgefordert, einen Rentenantrag zu stellen. Dies hat die ASt nicht binnen der Frist bis 02.07.2016 getan. Der Ag ist daher berechtigt, den entsprechenden Antrag bei der DRV selbst zu stellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Aus den oben dargelegten Gründen ist die für die Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Beschwerde gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO nicht gegeben. Der Antrag auf PKH war somit abzulehnen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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