L 5 SF 91/15 B E

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 21 SF 234/13 E
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 SF 91/15 B E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Wartezeiten eines beigeordneten Rechtsanwalts vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung, die die in der Ladung mitgeteilte Uhrzeit um mehr als 15 Minuten überschreiten und die allein der Sphäre des Gerichts zuzurechnen sind, können sich bei der Bewertung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit gebührenerhöhend auswirken.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 10. März 2015 geändert. Die dem Beschwerdeführer noch zu zahlende Vergütung für seine Tätigkeit im Verfahren S 8 R 437/10 wird auf 338,16 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe einer anwaltlichen Vergütung.

Der Beschwerdeführer war der Klägerin in dem Verfahren S 8 R 437/10 vor dem Sozialgericht Kiel im Wege der Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 12. Dezember 2012 als Prozessbevollmächtigter beigeordnet worden. Streitgegenstand des Verfahrens war die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Ladungsverfügung vom 11. Februar 2013 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme auf den 6. Juni 2013, 11.15 Uhr, anberaumt. Laut Sitzungsniederschrift wurde die Sache erst um 12.46 Uhr aufgerufen und die mündliche Verhandlung um 13.25 Uhr geschlossen. Das Verfahren endete durch Rücknahme der Klage nach erfolgter Beweisaufnahme, bei der zwei medizinische Sachverständige und ein berufskundiger Sachverständiger vernommen wurden.

In seiner Kostenrechnung vom 18. Juni 2013 hat der Beschwerdeführer die Festsetzung von 794,33 EUR abzüglich des bereits gezahlten Vorschusses in Höhe von 321,30 EUR beantragt, und zwar

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 380,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV-RVG 20,00 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV-RVG 17,50 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 126,83 EUR Zwischensumme 794,33 EUR abzüglich Vorschusszahlung 321,30 EUR zu zahlender Betrag 473,03 EUR

Die Höhe der von ihm beantragten Terminsgebühr hat er unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 1. März 2012 – S 4 SF 71/09 E – mit der Länge der von ihm unverschuldeten Wartezeit bis zum Aufruf der Sache begründet.

Mit Festsetzungsbeschluss vom 22. August 2013 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den beantragten Betrag um 214,20 EUR reduziert, und zwar

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV-RVG 250,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG 200,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7001, 7002 VV-RVG 20,00 EUR Schreibauslagen Nr. 7000 VV-RVG 17,50 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG 92,63 EUR Gesamtbetrag 580,13 EUR abzüglich PKH-Vorschuss vom 27. Dezember 2012 321,30 EUR zu zahlender Betrag 258,83 EUR.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, hinsichtlich der geltend gemachten Terminsgebühr sei die Gebührenbestimmung des Beschwerdeführers als überhöht anzusehen. Die Terminsgebühr decke nach der amtlichen Vorbemerkung Nr. 3 Abs. 3 zu Teil 3 Vergütungsverzeichnis nur die Vertretung in einem Termin ab. Wartezeiten zählten nicht dazu. Der gegenteiligen Rechtsauffassung des Sozialgerichts Schleswig im Beschluss vom 1. März 2012 könne nicht gefolgt werden. Bei einer Terminsdauer von 30 bis 70 Minuten sei der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit durchschnittlich (Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 13. September 2011 – S 21 SF 133/11 E). Hier sei die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zwar als überdurchschnittlich zu bewerten, weil eine Beweisaufnahme mit mehreren Sachverständigen stattgefunden habe. Auch die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei überdurchschnittlich gewesen. Demgegenüber seien die Einkommens- und Vermögensverhältnisse beim Bezug von Alg II jedoch deutlich unterdurchschnittlich, so dass es sich insgesamt um einen durchschnittlichen Termin handele, für den die Mittelgebühr festzusetzen sei.

Gegen diesen Beschluss richtete sich die Erinnerung des Beschwerdeführers, mit der er weiterhin geltend machte, bei der Bestimmung der Terminsgebühr seien Wartezeiten in voller Dauer zu berücksichtigen. Die Wartezeit habe vorliegend 1 ½ Stunden betragen. Es sei ihm nicht möglich gewesen, in dieser Zeit andere seine Kanzlei betreffende Tätigkeiten zu erledigen.

Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

Der Kostenprüfungsbeamte bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht hat sich den Ausführungen der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts angeschlossen und sich ergänzend auf den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. August 2012 – S 180 SF 10908/11 E – gestützt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 10. März 2015 die Erinnerung des Beschwerdeführers gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Sozialgerichts Kiel vom 10. Juli 2013 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Wartezeit vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung sei bei der Bemessung der Terminsgebühr nicht zu berücksichtigen. Ein Verhandlungstermin beginne nach Aufruf der Sache (§ 112 Abs. 1 SGG) und ende mit der Erklärung der Schließung (§ 121 SGG). Nach dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV-RVG entstehe die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin. Dem Wort "in" sei eindeutig zu entnehmen, dass die anwaltliche Vertretung außerhalb des Termins nicht zur berücksichtigungsfähigen Leistungslegende der Nr. 3106 VV-RVG zähle. Der Argumentation des Sozialgerichts Schleswig im Beschluss vom 1. März 2012 – S 4 SF 71/09 E – könne nicht gefolgt werden. Sie verlasse die tatbestandlichen Vorgaben des § 14 RVG. Auch werde die Höhe der Gebühr nicht entscheidend von der Dauer des Termins abhängig gemacht. Diese schlage sich nur in der Bewertung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit nieder. Daneben seien gleichrangig die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung für den Auftraggeber und die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers zu berücksichtigen. Es sei zudem nicht sachgerecht, die Wartezeit vor einem Termin, die keiner der Prozessbeteiligten beeinflussen könne, einem von ihnen kostenmäßig aufzuerlegen. Dass der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall die Kosten aus der Staatskasse erstattet erhalte, ändere an der rechtlichen Würdigung nichts, denn in der Sache gehe es ausschließlich um die vom Kläger dem Rechtsanwalt geschuldeten Gebühren und nicht um einen etwaigen Schadensersatz gegen die Staatskasse wegen eventueller Ladung zur Unzeit. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sei hier unter Berücksichtigung einer Verhandlungsdauer von 39 Minuten als durchschnittlich zu werten. Es habe sich um einen überdurchschnittlich schwierigen Termin gehandelt, weil neben der Erörterung der Sach- und Rechtslage auch eine Beweiserhebung mit mehreren Sachverständigen erfolgt sei. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger sei ebenfalls überdurchschnittlich gewesen. Demgegenüber seien die wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin deutlich unterdurchschnittlich gewesen. Mit 12 Punkten nach dem sog. "Kieler Kostenkästchen" sei die Festsetzung der Mittelgebühr billig.

Gegen den ihm nach seinen Angaben am 13. März 2015 gestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Beschwerdeführers, die am 24. März 2015 beim Sozialgericht Kiel eingegangen ist. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Erinnerungsverfahren unter Bezugnahme auf den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 26. Juni 2014 – 10 SF 50/14 – und den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. April 2015 – L 15 SF 259/14 E –. Zwar gehöre die Wartezeit nicht zur mündlichen Verhandlung, sie sei aber durch die Ladung veranlasst und daher am ehesten der Terminsgebühr zuzuordnen. Auch verkenne das Sozialgericht, dass der Gebührentatbestand nicht nur durch die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- und Beweisaufnahmetermin erfüllt werde, sondern die Terminsgebühr auch bei einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung anfallen könne.

Der Beschwerdegegner hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

II.

Der Senat entscheidet wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier vorliegenden Frage, ob Wartezeiten bei der Terminsgebühr zu berücksichtigen sind, gemäß § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG durch seine Berufsrichter (Übertragung durch Beschluss der Einzelrichterin vom 18. November 2016).

Die Beschwerde ist zulässig. Nach § 1 Abs. 3 RVG i. d. F. ab 1. August 2013 gehen die Vorschriften dieses Gesetzes über die Erinnerung und die Beschwerde den Regelungen der für das zugrundeliegende Verfahren geltenden Verfahrensvorschriften vor. Aufgrund dieser Ergänzung des § 1 RVG findet die bisherige Rechtsprechung des Senats, nach der wegen des abschließenden Normengefüges der §§ 172 ff. SGG die Beschwerde an das Landessozialgericht gegen die Entscheidung des Sozialgerichts ausgeschlossen ist, keine Anwendung mehr (vgl. Beschluss des Senats vom 13. Mai 2015 – L 5 SF 327/14 B E –, juris). Die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) ist eingehalten, der Beschwerdewert von mehr als 200,00 EUR (§ 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG) wird erreicht.

Die Beschwerde ist auch erfolgreich, soweit der Beschwerdeführer begehrt, die Wartezeit von 1 ½ Stunden bei der Bestimmung der Terminsgebühr gebührenerhöhend zu berücksichtigen. Die Gebührenfestsetzung im Beschluss des Sozialgerichts vom 10. März 2015 wird von ihm zu Recht beanstandet. Wartezeiten eines Rechtsanwalts vor einem Termin zur mündlichen Verhandlung, die die in der Ladung mitgeteilte Uhrzeit um mehr als 15 Minuten überschreiten und die allein der Sphäre des Gerichts zuzurechnen sind, wirken sich bei der Bewertung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit aus. Allerdings führt die hier zu berücksichtigende Wartezeit nicht dazu, dass der vom Beschwerdeführer gewählte Ansatz der Höchstgebühr von 380,00 EUR angemessen ist. Vielmehr ist nach billigem Ermessen die Mittelgebühr um 1/3 zu erhöhen, so dass eine Terminsgebühr von 266,67 EUR festzusetzen ist.

Ausgangspunkt für die Vergütungsfestsetzung bei Betragsrahmengebühren ist zwar grundsätzlich die Bestimmung der konkreten Gebühr durch den Rechtsanwalt. Der Gesetzgeber hat dem Rechtsanwalt ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht eingeräumt, um nach Möglichkeit Streit über die billige Gebühr zu vermeiden. Er hat die Gebühr nach billigem Ermessen zu bestimmen und dabei die Kriterien des § 14 RVG zu berücksichtigen. Verbindlich ist die von ihm vorgenommene Bestimmung der Gebühr allerdings nur, wenn sie tatsächlich billigem Ermessen entspricht. Das gilt auch, wenn der Rechtsanwalt einen Anspruch auf Vergütung nach Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von PKH geltend macht. Im Fall einer nicht verbindlichen Bestimmung der Gebühr durch den Rechtsanwalt wird die Gebühr im Kostenfestsetzungsverfahren bestimmt. Eine vom Rechtsanwalt bestimmte Gebühr ist grundsätzlich noch verbindlich, wenn sie bis zu 20 % von der Gebühr abweicht, die der Kostenbeamte und gegebenenfalls das Gericht bzw. Beschwerdegericht für angemessen halten. Dieser Ermessensspielraum verhindert, dass die Gerichte im Einzelfall bei relativ geringfügigen Überschreitungen ihr Ermessen an die Stelle des Ermessens des Rechtsanwalts setzen und dabei oftmals aufwändige Überprüfungen vornehmen müssen, ob die Tätigkeit vielleicht doch in gewissem Umfang anders zu bewerten war. Die Anerkennung dieses grundsätzlichen Toleranzbereichs bedeutet freilich nicht, dass jegliche Gebührenbestimmung verbindlich wäre, wenn sie sich nur innerhalb des 20 %-Rahmens bewegt. So wird auch bei groben Irrtümern in der anwaltlichen Gebührenbestimmung oder einem sonstigen Ermessensfehlgebrauch die Bindungswirkung durchbrochen.

Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz der Höchstgebühr ersichtlich ermessensfehlerhaft, denn er berücksichtigt nicht, dass ohne die hier grundsätzlich zu berücksichtigende Wartezeit beim Umfang der anwaltlichen Tätigkeit die Bewertung der Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG durch das Sozialgericht rechtlich nicht zu beanstanden wäre. Der Senat teilt im Ergebnis die Rechtsauffassung des Sozialgerichts, dass die Verhandlungsdauer von 39 Minuten, die Schwierigkeit und die Bedeutung der Sache sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten, die im Rahmen von § 14 RVG als maßgebliche Kriterien bei der Bewertung der Terminsgebühr eine Rolle spielen, lediglich den Ansatz der Mittelgebühr rechtfertigen. Allerdings ist nach Ansicht des Senats hier auch die Dauer der Wartezeit vor dem Beginn der mündlichen Verhandlung gebührenerhöhend zu berücksichtigen. Das gilt jedenfalls dann, wenn die Verhandlung nicht nur geringfügig später als zu dem terminierten Zeitpunkt beginnt. Die Geringfügigkeitsgrenze wird bei einem Zeitraum bis zu 15 Minuten Wartezeit nicht überschritten. Eine Wartezeit von dieser Dauer ist noch als üblich und entschädigungsfrei hinnehmbar anzusehen (Beschluss des Senats vom 13. Mai 2015 – L 5 SF 327/14 B E -, juris). Hier lag jedoch eine Wartezeit von 1 ½ Stunden vor, die vom Beschwerdeführer nicht verschuldet worden war und in den Verantwortungsbereich des Gerichts fiel. Liegt eine dem Rechtsanwalt nicht zurechenbare und maßgebliche Verzögerung des Verhandlungsbeginns vor, darf diese bei der Taxierung der Gebührenhöhe aber jedenfalls dann nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sich eine mündliche Verhandlung, ein Erörterungs- oder ein Beweisaufnahmetermin anschließt. Zwar handelt es sich bei der Wartezeit – auch ab der in der Ladung mitgeteilten Uhrzeit – noch nicht um einen Termin im Sinne des Gebührentatbestands, es besteht jedoch ein enger zeitlicher, örtlicher und verfahrenstechnischer Zusammenhang mit der Verhandlung, der es nicht opportun erscheinen lässt, die zeitliche Inanspruchnahme des Rechtsanwalts bei der Vergütung gänzlich unberücksichtigt zu lassen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 1. April 2015 – L 15 SF 259/14 E -, Sozialgericht Kassel, Beschluss vom 26. Juni 2014 – S 10 SF 50/14 E -, a.A. Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 8. Januar 2014 – L 8 AS 585/12 B KO -, alle veröffentlicht in juris). Da die Wartezeit durch die Ladung veranlasst ist und in engem Zusammenhang mit dem Termin steht, für den die Terminsgebühr zu bestimmen ist, ist es auch am ehesten gerechtfertigt, diese der Terminsgebühr zuzuordnen. Soweit unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) im Beschluss vom 11. Februar 2010 – 9 KSt 3/10 -, juris vertreten wird, dass Wartezeiten nicht berücksichtigungsfähig seien, weil die Terminsgebühr mit dem Aufruf der Sache entstehe, soweit der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt vertretungsbereit anwesend sei (Sächsisches Landessozialgericht a.a.O), vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. Die insoweit in Bezug genommenen Ausführungen des BVerwG besagen lediglich, dass die Terminsgebühr mit dem Aufruf der Sache entstehe. Für die Bestimmung der Gebührenhöhe gibt diese Entscheidung indessen nichts her, weil in der Fallkonstellation, die der Entscheidung des BVerwG zu Grunde lag, eine Terminsgebühr aus Nr. 3104 VV RVG a.F., mithin einer Wertgebühr und nicht wie vorliegend einer Rahmengebühr im Streit war. Für die Frage, ob Wartezeiten gebührenrelevant berücksichtigungsfähig sind, enthält die Entscheidung des BVerwG, das sich mit dem Problem befasst hat, ob die Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG a.F. für die Vertretung in einem Verhandlungstermin, in dem mehrere Streitsachen nach Aufruf zur gemeinsamen Verhandlung verbunden worden sind, für die verbundenen Verfahren nur einmal nach der Summe der Einzelstreitwerte oder in jedem Verfahren gesondert nach dem jeweiligen Einzelstreitwert entsteht, keine Aussage. Insbesondere spielt bei der Bestimmung von Wertgebühren die Termindauer keine Rolle.

Auch dem Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 3 zu Teil 3 VV-RVG, nach dem die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin entsteht, kann nicht entnommen werden, dass Wartezeiten vor dem Termin bei der Bemessung der Höhe der Terminsgebühr nicht berücksichtigt werden dürfen, wenn ein entsprechender Gerichtstermin tatsächlich stattgefunden hat. Berücksichtigt werden bei der Ermittlung des Umfangs im Sinne von § 14 RVG grundsätzlich alle Tätigkeiten, für die der Rechtsanwalt Zeit aufwenden muss. Dies trifft ohne Weiteres auch auf das Warten auf den Beginn der Verhandlung zu, zumal sich ein Rechtsanwalt bei einer derartigen Verzögerung in der Regel auch ständig bereit zu halten hat, um einem Aufruf der Sache folgen zu können. Dass in dieser Zeit andere berufsbezogene Tätigkeiten effizient ausgeübt werden können, dürfte die Ausnahme sein, zumal dann, wenn – wie hier – die Mandantin persönlich anwesend ist und eine umfangreiche Beweisaufnahme durch die Vernehmung von zwei medizinischen Sachverständigen und einem berufskundigen Sachverständigen bevorsteht. In dieser Situation wird sich ein Rechtsanwalt dem Gespräch mit der Mandantin kaum entziehen können und in der Regel die Wartezeit nutzen, um den unmittelbar bevorstehenden Termin nochmals im Hinblick auf die streitentscheidenden Weichenstellungen intensiver vorzubereiten.

Auch bei der Berechnung der Dauer der Hauptverhandlung werden nach inzwischen wohl weitgehend einhelliger Meinung der Obergerichte Wartezeiten des Strafverteidigers mitgerechnet (vgl. Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. Nr. 4108-4111 VV RVG Rdnr. 25 m.w.N.). Zwar beruht diese Auffassung auf dem Rechtsgedanken der Sonderregelung des Teils 4 Vorbemerkung 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, wonach die Terminsgebühr für den Strafverteidiger auch entsteht, wenn er zu einem anberaumten Termin erscheint, dieser aber aus von ihm nicht zu vertretenen Gründen nicht stattfindet. Denn erhalte der Rechtsanwalt hiernach sogar für einen "geplatzten" Termin eine Vergütung, müsse dies erst recht für sonstige Wartezeiten anlässlich eines tatsächlich stattfindenden Termins gelten (Burhoff a.a.O.). Soweit unter Hinweis auf die Tatsache, dass diese Sonderregelung für das sozialgerichtliche Verfahren nicht eingreift, die Auffassung vertreten wird, dass deshalb die insoweit erfolgte Meinungsbildung in Rechtsprechung und Literatur nicht auf sozialgerichtliche Verhandlungen übertragbar sei (Sächsisches LSG a.a.O.), ist dem entgegenzuhalten, dass der zeitlichen Dauer der Inanspruchnahme eines beigeordneten Rechtsanwalts für die Terminswahrnehmung auch im Sozialrecht eine besondere Bedeutung bei der Bestimmung der Terminsgebühr zukommt. Fällt eine Terminsgebühr an, weil der Termin stattfindet, und ist ein besonderer zeitlicher Aufwand im unmittelbaren Zusammenhang mit der Terminswahrnehmung angefallen, weil unverschuldete Wartezeiten hinzunehmen waren, ist einem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt diese Wartezeit ebenfalls in angemessenem Umfang zu vergüten.

Vorliegend dauerte die mündliche Verhandlung 39 Minuten, die Wartezeit zuvor sogar 90 Minuten. Selbst wenn hiervon eine übliche und entschädigungsfrei hinzunehmende Wartezeit von 15 Minuten abzuziehen ist, läge der Zeitaufwand mit knapp zwei Stunden immer noch deutlich über dem durchschnittlichen Zeitaufwand für die Terminsvertretung in erstinstanzlichen Rentenverfahren. Das wirkt sich hier nach Auffassung des Senats gebührenerhöhend insoweit aus, als es unter Berücksichtigung der übrigen Kriterien des § 14 RVG gerechtfertigt ist, die Mittelgebühr um 1/3 auf 266,67 EUR zu erhöhen. Damit ist der Zeitaufwand für die Wartezeit angemessen abgegolten.

Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Sätze 2 und 3 RVG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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