L 9 AS 434/15 NZB

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 31 AS 1427/13
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 434/15 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG gilt auch für Klagen, die Überprüfungsanträge wegen SGB II-Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr zum Gegenstand haben (vgl. bereits Urteil vom 10. Januar 2013 - L 9 AS 831/10 -; entgegen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 2014 - L 2 SO 3177/13 -).
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 01. Dezember 2014 wird als unzulässig verworfen. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt in der Hauptsache die Überprüfung nach § 44 Zehntes Buch Sozialge-setzbuch (SGB X) der Leistungsbewilligungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum Januar 2011 bis Juni 2012. Das Sozialgericht Nordhausen hat die entsprechende Klage gegen den Bescheid vom 15. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. April 2013 mit Urteil vom 01. Dezember 2014 abgewiesen. In der Rechtsmittelbelehrung wird die Klägerin auf die Nichtzu-lassungsbeschwerde verwiesen. Eine solche hat die Klägerin am 13. April 2015 erhoben. Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft sein dürfte.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht zulässig. Nach § 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft, § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Diese Vorschrift gilt auch für Klagen, die Überprüfungsanträge für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr zum Gegenstand haben (vgl. schon Urteil vom 10. Januar 2013 - L 9 AS 831/10 -). Der davon abweichenden Auffassung (vgl. z.B. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26. März 2014 - L 2 SO 3177/13 - für das SGB XII) folgt der Senat nicht. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die in § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zum Ausdruck kommende Berufungswürdigkeit bei wiederkehrenden oder laufenden Leistungen für mehr als ein Jahr unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstands nicht auch für SGB II-Leistungen gelten soll. In dieser Vorschrift hat der Gesetzgeber die Statthaftigkeit der Berufung von einer bestimmten Beschwer abhängig gemacht, die durch die Länge des Zeitraums, für den wiederkehrende Leistungen streitig sind, zum Ausdruck gebracht ist. Sind gleichartige wiederkehrende Leistungen streitig, das heißt in ihrer Grundstruktur gleiche Einzelansprüche, die auf einem einheitlichen Stammrecht beruhen und für die das Moment zeitlicher Dauer typisch ist, wird die Beschwer von der Länge des Zeitraums bestimmt, für den die Leistungen streitig sind (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 1989 - B 7 Rar 106/88 -). Insoweit besteht bei entsprechend langen Zeiträumen auch im SGB II eine Klärungsbedürf-tigkeit ohne Beschränkung auf den Beschwerdewert. Der Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X räumt dem Betroffenen eine Rechtsposition ein, die es ermöglicht zu überprüfen, ob die Behörde bei Erlass des früheren Verwaltungsakts fehlerfrei gehandelt hat. Die Rücknahmeentscheidung gem. § 44 SGB X ist ihrerseits ein eigenständiger Verwaltungsakt, der mit Widerspruch und Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage anfechtbar ist. Gegen eine ganz oder teilweise ablehnende Entscheidung im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X kann der Betroffene entsprechenden Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Gegenstand des Widerspruchs- und Klageverfahrens ist dabei die Rechtmäßigkeit des Überprüfungsbescheides und nur mittelbar die Rechtmäßigkeit der Ausgangsbescheide. Handelt die Behörde die zur Überprüfung gestellten Bescheide für die streitigen Bewilli-gungszeiträume in einem Überprüfungs- und/oder Widerspruchsbescheid gemeinsam ab und umfassen diese einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, so ist dieser Zeitraum maßgeblich für die Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Der gesamte vom Überprüfungs- bzw. Widerspruchsbescheid umfasste Zeitraum wird insoweit Gegenstand des Klageverfahrens. So liegt der Fall hier, da die Klägerin die Überprüfung der Bewilligungsbescheide nach dem SGB II für die Zeit von Januar 2011 bis Juni 2012 - also für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr - begehrt. Die Berufung bedarf im vorliegenden Fall somit keiner Zulassung. Eine Umdeutung des ausdrücklich als Beschwerde erhobenen Rechtsmittels kommt nicht in Betracht. Ohne Bedeutung ist dafür die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung im angegriffenen Urteil. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung).

Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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