Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 4687/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 2184/16 B ER & L 7 AS 2185/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.10.2016 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs vom 01.10.2016 bis zum 31.01.2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu zahlen. Dem Antragsteller wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N, C, bewilligt. Der Antragsgegner hat die Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der am 00.00.1986 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Er befindet sich seit Dezember 2015 in der Bundesrepublik Deutschland. Mit Zuweisungsentscheidung vom 15.12.2015 wies das Amt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern den Antragsteller dem Landkreis S zur Aufnahme und Unterbringung zu. Mit Bescheid vom 16.12.2015, der am 05.01.2016 abgesandt und dem Antragsteller am 08.01.2016 bekanntgegeben wurde, erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Antragsteller gem. § 3 AsylG als Flüchtling an. Mit Bescheid vom 05.07.2016 bewilligte das Jobcenter H dem zu diesem Zeitpunkt in H wohnenden Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv insgesamt 482,33 EUR monatlich für die Zeit von Juli 2016 bis Dezember 2016. Am 01.09.2016 verzog der Antragsteller nach C. Daraufhin hob das Jobcenter H mit Bescheid vom 08.09.2016 die Leistungsbewilligung auf.
Am 12.09.2016 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Rahmen einer mündlichen Vorsprache erklärte der Antragsgegner dem Antragsteller, für die Leistungserbringung unzuständig zu sein. Mit Bescheid vom 29.09.2016 forderte die Stadt C den Antragsteller unter Bezugnahme auf § 12a Abs. 1 AufenthG auf, das Land Nordrhein-Westfalen bis zum 27.10.2016 zu verlassen und sich unverzüglich nach Mecklenburg-Vorpommern/Landkreis S zu begeben. Hiergegen ist ein Klageverfahren bei dem VG Gelsenkirchen anhängig.
Am 30.09.2016 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs (ohne Kosten der Unterkunft) ab dem 01.10.2016 zu zahlen. Er hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach er nicht über bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen verfüge sowie Kontoauszüge vorgelegt.
Das Sozialgericht hat die Akten des BAMF beigezogen sowie Ermittlungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft durchgeführt.
Mit Beschluss vom 18.10.2016 hat das Sozialgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung sei bereits unzulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Antragsgegner sei für die Leistungserbringung gem. § 36 Abs. 2 SGB II nicht zuständig. Die Antragstellung beim örtlich zuständigen Leistungsträger sei der gegenüber dem gerichtlichen Eilverfahren einfachere und schnellere Weg, um Leistungen zu erhalten. Ein örtlich zuständiger Leistungsträger sei bestimmbar. Für den Antragsteller sei das Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern zuständig, in dessen Gebiet der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründe. Aus demselben Grund bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.
Gegen diese am 02.11.2016 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 04.11.2016 erhobene Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die zulässigen Beschwerden des Antragstellers sind begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die beantragte einstweilige Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 24 f). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 26; vgl. auch Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86 b Rn. 29 a).
Der erwerbsfähige Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund iSd § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht. Er hat glaubhaft gemacht, dass er mangels ausreichenden eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Er bewegt sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Damit hat er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II glaubhaft gemacht.
Der Antragsgegner ist für den geltend gemachten Anspruch gem. § 36 Abs. 1, 44b SGB II örtlich zuständig und passivlegitimiert, da der Antragsteller im Bezirk des Antragsgegners seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Aus § 36 Abs. 2 SGB II in der ab dem 06.08.2016 geltenden Fassung ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes. Die Vorschrift ordnet an, dass abweichend von § 36 Abs. 1 SGB II für die Leistungserbringung der Träger zuständig ist, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person nach § 12a Abs. 1 bis 3 AufenthG ihren Wohnsitz zu nehmen hat. Hieraus lässt sich indes für den vorliegenden Fall eine Unzuständigkeit des Antragsgegners nicht ableiten. Zwar verweist § 36 Abs. 2 SGB II auch auf § 12a Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer der, wie der Antragsteller, als Flüchtling iSv § 3 Abs. 1 AsylG anerkannt worden ist, verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist. Diese Regelung ist für den Antragsteller einschlägig, weil seine Anerkennung als Flüchtling nach dem 01.01.2016 wirksam geworden ist (§ 12a Abs. 7 AufenthG, § 43 Abs. 1 VwVfG).
Diese gesetzliche Pflicht begründet ohne Umsetzung durch die Erteilung eine konkret-individuellen Wohnsitzauflage iSd § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG jedoch keine von § 36 Abs. 1 SGB II abweichende örtliche Zuständigkeit. Der Bescheid der Stadt C vom 29.09.2016 stellt keine Wohnsitzauflage iSd § 12a Abs. 2, 3 AufenthG dar. Die Stadt C bezieht sich ausdrücklich nur auf § 12a Abs. 1 AufenthG und die dort festgelegt Pflicht des Antragstellers, seinen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern zu nehmen. Eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern steht der Stadt C nicht zu.
Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 36 Abs. 2 SGB II in der ab dem 06.08.2016 geltenden Fassung (BT-Drucks 18/8615 S. 33/34) wird mit dieser Vorschrift eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers am Ort eines nach § 12a AufenthG zugewiesenen Wohnorts begründet. Entsprechend sollen leistungsberechtigte Personen einen Antrag nach § 37 SGB II auf Leistungen nach dem SGB II nur bei dem Jobcenter, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person ihren Wohnsitz zu nehmen hat, stellen und nur dort Leistungen erhalten können. Bereits nach der Vorstellung des Gesetzgebers setzt die örtliche Zuständigkeit nach § 36 Abs. 2 SGB II damit einen im Einzelfall "zugewiesenen Wohnort" voraus, der die Bestimmung eines für dieses Gebiet zuständigen Jobcenters ermöglicht. Allein die gesetzliche Verpflichtung, in einem bestimmten Bundesland zu wohnen, reicht demgegenüber nicht. Der Wortlaut von § 36 Abs. 2 SGB II steht dem nicht entgegen, soweit dort auch auf § 12a Abs. 1 AufenthG verwiesen wird. Diese Bezugnahme auf die generelle Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einem bestimmten Bundesland dient ersichtlich nur der Abgrenzung des betroffenen Personenkreises, der allein in § 12a Abs. 1 AufenthG definiert wird, was von den Folgevorschriften durch die jeweiligen Formulierungen "ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt" aufgegriffen wird. Allein diese Auslegung führt schließlich zu dem stimmigen Ergebnis, für jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, dessen gewöhnlicher Aufenthalt feststeht, einen zuständigen Leistungsträger bestimmen zu können (hierzu ausführlich Aubel, in: JurisPK § 36 SGB II Rn 16 f).
Dem Antragsteller obliegt es leistungsrechtlich nicht, seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Mecklenburg-Vorpommern zu verlagern, um dort die örtliche Zuständigkeit eines Jobcenters zu begründen. Die entsprechende Annahme des Sozialgerichts verkennt, dass § 36 Abs. 2 SGB II nur eine Zuständigkeitsbestimmung ist und im Übrigen ein Leistungsanspruch auch an Orten bestehen kann, an denen sich der Antragsteller der Verpflichtung des § 12a AufenthG zuwider aufhält. Dies verdeutlicht § 22 Abs. 1a SGB II. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei Personen, die einer Wohnsitzregelung nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG unterliegen nach dem Ort, an dem die leistungsberechtigte Personen ihren Wohnsitz zu nehmen hat. Durch diese Regelung soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/8615 S. 33) klargestellt werden, dass die am Ort des zugewiesenen Wohnsitzes zuständigen kommunalen Träger die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach den Verhältnissen an diesem Ort zu beurteilen haben, selbst dann, wenn sich die leistungsberechtigte Person tatsächlich - gegebenenfalls erlaubt - überwiegend an einem anderen Ort aufhält. Hieraus folgt, dass ein Verstoß gegen § 12a AufenthG allein einem Leistungsanspruch nicht entgegensteht.
Keine anspruchsausschließende Bedeutung hat im vorliegenden Fall § 77 SGB II iVm § 7 Abs. 4a SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, wonach Leistungen nicht erhält, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält und die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung entsprechend gelten. Die Anwendung dieser Bestimmungen setzt voraus, dass ein Jobcenter örtlich zuständig ist, für das der Arbeitsuchende erreichbar sein muss. Wie dargelegt ist in Mecklenburg-Vorpommern derzeit kein Jobcenter für den Antragsteller örtlich zuständig. In C sind die Voraussetzungen der Erreichbarkeit zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Der Senat hat den Zeitraum der Verpflichtung des Antragsgegners in Abweichung von der im Übrigen in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundregel des § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II (Bewilligung vorläufiger Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten) auf den Zeitraum bis Januar 2017 verkürzt, um einer evtl. zu erwartenden konkreten Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 2 und 3 SGB II durch die zuständige Behörde nicht vorzugreifen. Ergeht eine solche nicht, wird der Antragsgegner bei Glaubhaftmachung der der übrigen Anspruchsvoraussetzung auch über diesen Zeitraum hinaus verpflichtet sein, Leistungen zu erbringen.
Dem Antragsteller steht (auch) für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Der am 00.00.1986 geborene Antragsteller ist syrischer Staatsangehöriger. Er befindet sich seit Dezember 2015 in der Bundesrepublik Deutschland. Mit Zuweisungsentscheidung vom 15.12.2015 wies das Amt für Migration und Flüchtlingsangelegenheiten des Landes Mecklenburg-Vorpommern den Antragsteller dem Landkreis S zur Aufnahme und Unterbringung zu. Mit Bescheid vom 16.12.2015, der am 05.01.2016 abgesandt und dem Antragsteller am 08.01.2016 bekanntgegeben wurde, erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Antragsteller gem. § 3 AsylG als Flüchtling an. Mit Bescheid vom 05.07.2016 bewilligte das Jobcenter H dem zu diesem Zeitpunkt in H wohnenden Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv insgesamt 482,33 EUR monatlich für die Zeit von Juli 2016 bis Dezember 2016. Am 01.09.2016 verzog der Antragsteller nach C. Daraufhin hob das Jobcenter H mit Bescheid vom 08.09.2016 die Leistungsbewilligung auf.
Am 12.09.2016 beantragte der Antragsteller beim Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Rahmen einer mündlichen Vorsprache erklärte der Antragsgegner dem Antragsteller, für die Leistungserbringung unzuständig zu sein. Mit Bescheid vom 29.09.2016 forderte die Stadt C den Antragsteller unter Bezugnahme auf § 12a Abs. 1 AufenthG auf, das Land Nordrhein-Westfalen bis zum 27.10.2016 zu verlassen und sich unverzüglich nach Mecklenburg-Vorpommern/Landkreis S zu begeben. Hiergegen ist ein Klageverfahren bei dem VG Gelsenkirchen anhängig.
Am 30.09.2016 hat der Antragsteller beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs (ohne Kosten der Unterkunft) ab dem 01.10.2016 zu zahlen. Er hat eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt, wonach er nicht über bedarfsdeckendes Einkommen oder Vermögen verfüge sowie Kontoauszüge vorgelegt.
Das Sozialgericht hat die Akten des BAMF beigezogen sowie Ermittlungen hinsichtlich des Zeitpunkts der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft durchgeführt.
Mit Beschluss vom 18.10.2016 hat das Sozialgericht die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sowie auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung sei bereits unzulässig, da das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Antragsgegner sei für die Leistungserbringung gem. § 36 Abs. 2 SGB II nicht zuständig. Die Antragstellung beim örtlich zuständigen Leistungsträger sei der gegenüber dem gerichtlichen Eilverfahren einfachere und schnellere Weg, um Leistungen zu erhalten. Ein örtlich zuständiger Leistungsträger sei bestimmbar. Für den Antragsteller sei das Jobcenter in Mecklenburg-Vorpommern zuständig, in dessen Gebiet der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründe. Aus demselben Grund bestehe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund.
Gegen diese am 02.11.2016 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 04.11.2016 erhobene Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die zulässigen Beschwerden des Antragstellers sind begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die beantragte einstweilige Anordnung und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 ZPO). Ob ein Anordnungsanspruch vorliegt, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln. Können ohne Eilrechtsschutz jedoch schwere und unzumutbare Nachteile entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, ist eine abschließende Prüfung erforderlich (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 24 f). Bei offenem Ausgang muss das Gericht anhand einer Folgenabwägung entscheiden, die die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend zu berücksichtigen hat (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - Rn. 26; vgl. auch Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 86 b Rn. 29 a).
Der erwerbsfähige Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund iSd § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht. Er hat glaubhaft gemacht, dass er mangels ausreichenden eigenen Einkommens und Vermögens hilfebedürftig ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland hat. Er bewegt sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Damit hat er die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II glaubhaft gemacht.
Der Antragsgegner ist für den geltend gemachten Anspruch gem. § 36 Abs. 1, 44b SGB II örtlich zuständig und passivlegitimiert, da der Antragsteller im Bezirk des Antragsgegners seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Aus § 36 Abs. 2 SGB II in der ab dem 06.08.2016 geltenden Fassung ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes. Die Vorschrift ordnet an, dass abweichend von § 36 Abs. 1 SGB II für die Leistungserbringung der Träger zuständig ist, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person nach § 12a Abs. 1 bis 3 AufenthG ihren Wohnsitz zu nehmen hat. Hieraus lässt sich indes für den vorliegenden Fall eine Unzuständigkeit des Antragsgegners nicht ableiten. Zwar verweist § 36 Abs. 2 SGB II auch auf § 12a Abs. 1 AufenthG. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer der, wie der Antragsteller, als Flüchtling iSv § 3 Abs. 1 AsylG anerkannt worden ist, verpflichtet, für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung in dem Land seinen gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitz) zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder im Rahmen seines Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist. Diese Regelung ist für den Antragsteller einschlägig, weil seine Anerkennung als Flüchtling nach dem 01.01.2016 wirksam geworden ist (§ 12a Abs. 7 AufenthG, § 43 Abs. 1 VwVfG).
Diese gesetzliche Pflicht begründet ohne Umsetzung durch die Erteilung eine konkret-individuellen Wohnsitzauflage iSd § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG jedoch keine von § 36 Abs. 1 SGB II abweichende örtliche Zuständigkeit. Der Bescheid der Stadt C vom 29.09.2016 stellt keine Wohnsitzauflage iSd § 12a Abs. 2, 3 AufenthG dar. Die Stadt C bezieht sich ausdrücklich nur auf § 12a Abs. 1 AufenthG und die dort festgelegt Pflicht des Antragstellers, seinen Wohnsitz in Mecklenburg-Vorpommern zu nehmen. Eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb des Landes Mecklenburg-Vorpommern steht der Stadt C nicht zu.
Nach der Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 36 Abs. 2 SGB II in der ab dem 06.08.2016 geltenden Fassung (BT-Drucks 18/8615 S. 33/34) wird mit dieser Vorschrift eine ausschließliche örtliche Zuständigkeit der Agentur für Arbeit und des kommunalen Trägers am Ort eines nach § 12a AufenthG zugewiesenen Wohnorts begründet. Entsprechend sollen leistungsberechtigte Personen einen Antrag nach § 37 SGB II auf Leistungen nach dem SGB II nur bei dem Jobcenter, in dessen Gebiet die leistungsberechtigte Person ihren Wohnsitz zu nehmen hat, stellen und nur dort Leistungen erhalten können. Bereits nach der Vorstellung des Gesetzgebers setzt die örtliche Zuständigkeit nach § 36 Abs. 2 SGB II damit einen im Einzelfall "zugewiesenen Wohnort" voraus, der die Bestimmung eines für dieses Gebiet zuständigen Jobcenters ermöglicht. Allein die gesetzliche Verpflichtung, in einem bestimmten Bundesland zu wohnen, reicht demgegenüber nicht. Der Wortlaut von § 36 Abs. 2 SGB II steht dem nicht entgegen, soweit dort auch auf § 12a Abs. 1 AufenthG verwiesen wird. Diese Bezugnahme auf die generelle Verpflichtung zur Wohnsitznahme in einem bestimmten Bundesland dient ersichtlich nur der Abgrenzung des betroffenen Personenkreises, der allein in § 12a Abs. 1 AufenthG definiert wird, was von den Folgevorschriften durch die jeweiligen Formulierungen "ein Ausländer, der der Verpflichtung nach Absatz 1 unterliegt" aufgegriffen wird. Allein diese Auslegung führt schließlich zu dem stimmigen Ergebnis, für jeden erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, dessen gewöhnlicher Aufenthalt feststeht, einen zuständigen Leistungsträger bestimmen zu können (hierzu ausführlich Aubel, in: JurisPK § 36 SGB II Rn 16 f).
Dem Antragsteller obliegt es leistungsrechtlich nicht, seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Mecklenburg-Vorpommern zu verlagern, um dort die örtliche Zuständigkeit eines Jobcenters zu begründen. Die entsprechende Annahme des Sozialgerichts verkennt, dass § 36 Abs. 2 SGB II nur eine Zuständigkeitsbestimmung ist und im Übrigen ein Leistungsanspruch auch an Orten bestehen kann, an denen sich der Antragsteller der Verpflichtung des § 12a AufenthG zuwider aufhält. Dies verdeutlicht § 22 Abs. 1a SGB II. Nach dieser Vorschrift bestimmt sich die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung bei Personen, die einer Wohnsitzregelung nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG unterliegen nach dem Ort, an dem die leistungsberechtigte Personen ihren Wohnsitz zu nehmen hat. Durch diese Regelung soll nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 18/8615 S. 33) klargestellt werden, dass die am Ort des zugewiesenen Wohnsitzes zuständigen kommunalen Träger die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach den Verhältnissen an diesem Ort zu beurteilen haben, selbst dann, wenn sich die leistungsberechtigte Person tatsächlich - gegebenenfalls erlaubt - überwiegend an einem anderen Ort aufhält. Hieraus folgt, dass ein Verstoß gegen § 12a AufenthG allein einem Leistungsanspruch nicht entgegensteht.
Keine anspruchsausschließende Bedeutung hat im vorliegenden Fall § 77 SGB II iVm § 7 Abs. 4a SGB II in der bis zum 31.12.2010 geltenden Fassung, wonach Leistungen nicht erhält, wer sich ohne Zustimmung des persönlichen Ansprechpartners außerhalb des in der Erreichbarkeits-Anordnung vom 23. Oktober 1997 (ANBA 1997, 1685), geändert durch die Anordnung vom 16. November 2001 (ANBA 2001, 1476), definierten zeit- und ortsnahen Bereiches aufhält und die übrigen Bestimmungen dieser Anordnung entsprechend gelten. Die Anwendung dieser Bestimmungen setzt voraus, dass ein Jobcenter örtlich zuständig ist, für das der Arbeitsuchende erreichbar sein muss. Wie dargelegt ist in Mecklenburg-Vorpommern derzeit kein Jobcenter für den Antragsteller örtlich zuständig. In C sind die Voraussetzungen der Erreichbarkeit zwischen den Beteiligten nicht umstritten.
Der Senat hat den Zeitraum der Verpflichtung des Antragsgegners in Abweichung von der im Übrigen in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundregel des § 41 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB II (Bewilligung vorläufiger Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten) auf den Zeitraum bis Januar 2017 verkürzt, um einer evtl. zu erwartenden konkreten Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 2 und 3 SGB II durch die zuständige Behörde nicht vorzugreifen. Ergeht eine solche nicht, wird der Antragsgegner bei Glaubhaftmachung der der übrigen Anspruchsvoraussetzung auch über diesen Zeitraum hinaus verpflichtet sein, Leistungen zu erbringen.
Dem Antragsteller steht (auch) für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 114 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Kosten im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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