L 3 AS 1111/14 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 2590/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 1111/14 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Beschlussbegründung und die Beschreibung des die Verhängung des Ordnungsmittels auslösenden Verhaltens sind im Protokoll inhaltlich voneinander zu trennen.
2. Eine nachträgliche Ergänzung des Protokollierten ist nicht zulässig. Die fehlende Darstellung der Veranlassung des Ordnungsmittels kann auch nicht durch nachträglich abgegebene dienstliche Erklärungen des Vorsitzenden, des Protokollführers oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden.
3. Die gesetzlich normierte Protokollierungspflicht schließt weitere Aufklärungsmaßnahmen des Beschwerdegerichtes aus.
4. Der in das Protokoll aufzunehmende Ordnungsgeldbeschluss umfasst nicht nur den Beschlusstenor, sondern den gesamten Wortlaut des Beschlusses einschließlich der Begründung.
5. Die Rechtsfolge einer fehlenden oder unzureichenden Protokollierung ist grundsätzlich die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses.
6. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gilt auch im Ordnungsgeldverfahren.
7. In das Protokoll ist als wesentlicher Vorgang der Verhandlung die Anhörung oder der Grund, weshalb von einer Anhörung abgesehen wurde, aufzunehmen.
8. Eine unterbliebene Anhörung kann im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeholt werden.
9. Zum Begriff der "Sitzung" in § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG.
10. Die außergerichtlichen Kosten des im Beschwerdeverfahren obsiegenden Klägers in dem (vorliegend) gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahren sind von der Staatskasse zu tragen.
I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichtes Chemnitz vom 28. August 2014 aufgehoben.

II. Die Staatskasse hat dem Kläger die ihm im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Chemnitz vom 28. August 2014, mit dem gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 150,00 EUR verhängt worden ist.

Der Kläger hat am 18. Juni 2014 beim Sozialgericht Chemnitz zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zwei Klagen erhoben. Zu der unter dem Az. S 3 AS 2590/14 geführten Klage ist die Eingangsverfügung am 20. Juni 2014 gefertigt worden.

Am 28. August 2014 hat in diesem Klageverfahren, das in der Sache die Höhe der anzuerkennenden Kosten für Unterkunft und Heizung betroffen hat, ein Erörterungstermin stattgefunden, an dem der Kläger, dessen persönliches Erscheinen angeordnet gewesen ist, teilgenommen hat. Den Kammervorsitz hatte eine Richterin auf Probe inne. Ausweislich der zu diesem Termin gefertigten Niederschrift hat der Termin um 9.42 Uhr begonnen. Nach Erörterung der Sach- und Rechtslage hat die Kammervorsitzende durch Beschluss den Termin zur mündlichen Verhandlung verkündet. Der Erörterungstermin ist sodann um 9.54 Uhr geschlossen worden. Um 10.03 Uhr ist der Erörterungstermin nochmals eröffnet worden. Ausweislich des Protokolls hat der Kläger geäußert, dass die Vorsitzende keine Ahnung habe. Daraufhin hat die Kammervorsitzende den angefochtenen Ordnungsgeldbeschluss verkündet. In das Sitzungsprotokoll ist der Tenor des Beschlusses aufgenommen. Der Erörterungstermin ist schließlich um 10.04 Uhr zum zweiten Mal und nunmehr endgültig geschlossen worden.

Betreffend die zweite Klage hat die Kammervorsitzende unter dem die erste Klage betreffenden Az. S 3 AS 2590/14 am 28. August 2014 verfügt, dass für diese ein neues Aktenzeichen zu vergeben ist. Diese Klage ist sodann unter dem Az. S 3 AS 3740/14 geführt worden.

Zu den Vorkommnissen im Erörterungstermin ist in der Sachverhaltsdarstellung des schriftlich abgefassten Ordnungsgeldbeschlusses festgestellt: "Im Termin sprach der Kläger die Vorsitzende mit Junge Frau oder Richterin an. Er gab hierzu ergänzend an, dass er ja schließlich nicht wisse, wer am Richtertisch vor ihm in Robe sitze. Im Weiteren äußerte der Kläger bereits nach Beendigung des Termins, dass die Vorsitzende lebensfremd wäre. Er wisse gar nicht, wieso er überhaupt kommen müsse, wenn ohnehin nochmals eine mündliche Verhandlung stattfinde. Er wünsche auch eine Verhandlung mit den ehrenamtlichen Richtern, auch in einem weiteren anhängigen Verfahren. Er gab insofern weiter an, dass die Vorsitzende keine Ahnung habe." In der Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses ist unter anderem ausgeführt: "Der Kläger gab bekannt, dass er nicht wisse, wer die Vorsitzende sei. Auch gab er offenkundig seine Missbilligung der Vorsitzenden kund, indem er angab, die nächsten Termine nur mit ehrenamtlichen Richtern durchführen zu wollen, da die Vorsitzende keine Ahnung habe. Der Kläger greift mit diesen Äußerungen die Ehre und Würde des Gerichts sowie dessen Autorität an. Dieses Verhalten stellt eine grobe Missbilligung und somit eine Ungebühr im Sinne der Vorschrift dar."

Der Kläger hat gegen den ihm am 2. September 2014 zugestellten Ordnungsgeldbeschluss am 4. September 2014 Beschwerde eingelegt und sich hierbei auf seine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die Kammervorsitzende bezogen. In dieser hat er unter anderem ausgeführt, dass sich die Richterin ihm gegenüber nicht vorgestellt habe. Sie habe sofort begonnen, seine Klage zu nennen. Er habe gefragt, warum seine andere Klage nicht erwähnt worden sei. Darauf habe die Kammervorsitzende geantwortet, dass ihr diese nicht bekannt sei. Er habe nicht gewusst, dass bei der Verhandlung nur der Fall erörtert werde. Er sei davon ausgegangen, dass ein Urteil ergehe. So kenne er es vom Amtsgericht. Die Kammervorsitzende habe nicht die Absicht gehabt anzuhören, weshalb er die Klage erhoben habe. Vielmehr habe sie ihm viele Wohnungsangebote gezeigt, die er aber schon gekannt habe. Die Kammervorsitzende habe den Fall dann sofort abgeschlossen, obwohl er nicht gewusst habe, was eigentlich geschehen sei. Der Kläger hat sodann geschildert, dass er habe erklären wollen, dass seine Mutter krank und hilfebedürftig sei. Es sei immer wieder vorgekommen, dass sie umgefallen sei und nicht wieder habe aufstehen können. Wenn sie dann bei den Nachbarn klopfe, würden diese ihm Bescheid geben. Er könne dann helfen. Es sei ihm deshalb nicht möglich, 100 m weiter wegzuziehen. Nach den Schilderungen des Klägers hat sich zwischen ihm und der Kammervorsitzenden ein Disput über die Möglichkeit, Hilfe über die Notrufnummer 112 zu holen, entsponnen. Seine Schilderung endet mit dem Satz: "Aufgrund dieser erheblichen Unwissenheit der Richterin sagte ich meine Meinung, darauf hin eröffnete die Richterin das Verfahren und erteilte mir ein Ordnungsgeld."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Inhalt der Gerichtakte aus beiden Instanzen Bezug genommen.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht eingelegt.

Gemäß § 173 Satz 1 Halbsatz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 181 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) kann gegen die Entscheidung, mit der Ordnungsgeld festgesetzt worden ist, binnen der Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden. Gemäß § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Eine Rechtsmittelbelehrung erhielt der Kläger erst anlässlich der Zustellung des schriftlich abgefassten Ordnungsgeldbeschlusses am 2. September 2014. Dies hat zur Folge, dass er mit der am 4. September 2014 eingelegten Beschwerde die einwöchige Beschwerdefrist wahrte.

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Denn der angefochtene Ordnungsgeldbeschluss leidet an verschiedenen Mängeln.

a) Rechtsgrundlage für den Ordnungsgeldbeschluss ist § 61 Abs. 1 SGG i. V. m. §§ 176 ff. GVG. § 61 Abs. 1 SGG verweist für die sogenannte Sitzungspolizei auf die Regelungen des Gerichtsverfassungsgesetzes. Nach § 176 GVG obliegt die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung dem Vorsitzenden. Gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG kann unter anderem gegen Parteien, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Das Mindestmaß von Ordnungsgeld beträgt 5,00 EUR (vgl. Artikel 6 Abs. 1 Satz 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch [EGStGB]). Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld ist gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 GVG zugleich für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu bestimmen, in welchem Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt. Über die Festsetzung von Ordnungsmitteln entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht (vgl. § 178 Abs. 2 GVG). Wenn ein Ordnungsmittel wegen Ungebühr festgesetzt oder eine Person zur Ordnungshaft abgeführt oder eine bei der Verhandlung beteiligte Person entfernt worden ist, so ist der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen (vgl. § 182 GVG).

b) Mängel, die die Rechtmäßigkeit des Ordnungsgeldbeschlusses betreffen, liegen bereits in verschiedenen Verstößen gegen die Protokollierungspflicht aus § 182 GVG.

(1) § 182 GVG enthält den Mindestinhalt des Protokolls bei Ordnungsmitteln (vgl. Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz [8. Aufl., 2015], § 182 Rdnr. 1). Sinn dieser Vorschrift ist es, den gesamten Geschehensablauf, der zu dem Beschluss geführt hat, unter dem unmittelbaren frischen Eindruck des Geschehens von dem Vorsitzenden – so konkret wie möglich – schriftlich niederlegen zu lassen, um dem Beschwerdegericht ein möglichst objektives, von Erinnerungsfehlern freies und so umfassendes Bild des Vorgangs zu geben, dass es Grund und Höhe der Festsetzung des Ordnungsmittels regelmäßig ohne weitere Ermittlungen nachprüfen kann (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juli 1979 – 3 WS 207/79 – Justiz 1979, 347 = juris Rdnr. 3; KG Berlin, Beschluss vom 28. November 2001 – 1 AR 1437/01 - 5 Ws 737/01, 1 AR 1437/01, 5 Ws 737/01 – juris Rdnr. 4; OLG Rostock, Beschluss vom 6. Januar 2003 – I Ws 472/02 – juris Rdnr. 24, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 8. März 2006 – L 1 B 30/06 KR – juris Rdnr. 17, m. w. N.; Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 2, m. w. N.; vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 11. Dezember 2009 – 4 W 784/09 – juris Rdnr. 7, m. w. N.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. März 2013 – 1 WS 102/13 – juris Rdnr. 14; Lückemann, in: Zöller, Zivilprozessordnung [31. Aufl., 2016], § 182 GVG Rdnr. 2, m. w. N.).

Aus der Vorgabe in § 182 GVG, dass sowohl der Ordnungsmittelbeschluss als auch dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen sind, folgt, dass die Beschlussbegründung und die Beschreibung des die Verhängung des Ordnungsmittels auslösenden Verhaltens inhaltlich voneinander zu trennen sind (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Februar 1997 – 14 W 1/97MDR 1997, 687, m. w. N.; Lückemann, a. a. O., § 182 GVG Rdnr. 2, m. w. N.; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung [74. Aufl., 2016], § 182 GVG Rdnr. 2).

Zunächst ist die Veranlassung, das heißt das Geschehen, das als Ungebühr betrachtet wird, zu protokollieren. Es ist eine wertungsfreie, möglichst genaue Schilderung des Vorgangs erforderlich. Aus der Sitzungsniederschrift muss im Einzelnen genau hervorgehen, auf Grund welcher Tatsachen und Umstände das Gericht das Ordnungsmittel ergriffen hat (vgl. BGH, Urteil vom 28. Februar 1956 – 5 StR 609/55BGHSt 9, 77 [Leitsatz 2; zum Entfernen des Angeklagten aus dem Sitzungszimmer]). Beleidigende Äußerungen sind möglichst genau, in der Regel wörtlich, aufzunehmen. Kundgaben der Missachtung müssen auch hinsichtlich der Gesten exakt beschrieben werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Februar 1997 –14 W 1/97MDR 1997, 687; Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 3; vgl. auch OLG Koblenz, Beschluss vom 11. Dezember 2009, a. a. O., Rdnr. 8, m. w. N.).

Eine nachträgliche Ergänzung des Protokollierten ist nicht zulässig (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Februar 1997, a. a. O.; Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 4; Hommel, in: Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz [Stand: 99. Erg.-Lfg., Februar 2016], § 61 [§ 182 GVG Anm. Abs. 2]). Die fehlende Darstellung kann auch nicht durch nachträglich abgegebene dienstliche Erklärungen des Vorsitzenden, des Protokollführers oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juli 1979, a. a. O.; KG Berlin, Beschluss vom 3. Juni 1998 – 1 AR 1404/973 Ws 303/98, 1 AR 1404/97, 3 Ws 303/98 – juris Rdnr. 3, m. w. N.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. März 2013, a. a. O.; Baumbach, a. a. O.; Hommel, a. a. O.; Lückemann, a. a. O.). Die gesetzlich normierte Protokollierungspflicht schließt weitere Aufklärungsmaßnahmen aus (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 15. Dezember 2004 – 3 W 199/04NJW 2005, 611 f. = juris Rdnr. 3, m. w. N.; OLG Rostock, Beschluss vom 19. Juli 2005 – 3 W 53/05 – juris Rdnr. 4, m. w. N.; Kissel/Mayer, a. a. O.).

(2) Verstöße gegen die Protokollierungspflicht bestehen bereits darin, dass die Kammervorsitzende entgegen § 182 GVG nicht in ausreichendem Maße die "Veranlassung" des Ordnungsgeldbeschlusses in die Sitzungsniederschrift aufnahm. Zudem dürfte der Inhalt der Protokollierung auch noch unzutreffend sein.

(2.1) Im Sitzungsprotokoll ist nur festgehalten, der Kläger habe ausgeführt, dass die Vorsitzende keine Ahnung habe. Die weiteren Vorkommnisse, die die Kammervorsitzende für die Begründung ihrer Entscheidung über die Verhängung des Ordnungsgeldes heranzog, finden sich entgegen § 182 GVG nicht im Protokoll. Selbst die Feststellungen im Ordnungsgeldbeschluss sind kursorisch wenn nicht selektiv, weil sie nicht erkennen lassen, was Anlass für die Kontroverse zwischen dem Kläger und der Kammervorsitzenden und die Eskalation der Kontroverse war. Diesbezügliche Anhaltspunkte ergeben sich erst aus den Angaben des Klägers in seiner Dienstaufsichtsbeschwerde.

Die Frage, ob die Begründung des Beschlusses als Ersatz für eine unterbliebene oder unzureichende Feststellung des Anlasses im Protokoll herangezogen werden kann, ist streitig (zum Streitstand: Lückemann, a. a. O., § 182 GVG Rdnr. 3, m. w. N.; gegen eine solche Ersetzung: Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 6, m. w. N.). Hierauf muss vorliegend nicht eingegangen werden, weil der Ordnungsgeldbeschluss seinerseits nicht ordnungsgemäß protokolliert wurde (siehe unten [3]).

(2.2) Darüber hinaus spricht Erhebliches dafür, dass die Protokollierung die Vorkommnisse, die Auslöser für den Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses waren, nicht korrekt wiedergibt. Die Protokollierung erweckt den Anschein, dass der Kläger die von der Kammervorsitzenden als ungebührlich erachteten Äußerungen im Erörterungstermin tätigte. Demgegenüber ist in der Sachverhaltsdarstellung des Ordnungsgeldbeschlusses festgestellt, dass wesentliche Teile der Äußerungen des Klägers "bereits nach Beendigung des Termins" gefallen sind. Auch die Schilderung des Klägers in seiner Dienstaufsichtsbeschwerde spricht dafür, dass die verbale Auseinandersetzung zwischen ihm und der Kammervorsitzenden im Wesentlichen zwischen dem ersten Schluss des Erörterungstermins um 9.54 Uhr und der Wiedereröffnung des Erörterungstermins um 10.03 Uhr stattfand.

(3) Ein weiterer Protokollierungsmangel liegt darin, dass der Ordnungsgeldbeschluss nicht nach den Maßgaben von § 182 GVG in das Protokoll aufgenommen wurde.

Nach § 182 GVG ist "der Beschluss des Gerichts [ ] in das Protokoll aufzunehmen." Nach allgemeiner Auffassung umfasst der Beschluss im Sinne dieser Regelung nicht nur den Beschlusstenor, sondern den gesamten Wortlaut des Beschlusses einschließlich der Begründung (vgl. Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 9; Lückemann, a. a. O., § 182 GVG Rdnr. 3, m. w. N.).

Im Falle des Klägers wurde jedoch nur der Beschlusstenor in das Protokoll aufgenommen. Die Kürze des wiedereröffneten Erörterungstermins (10.03 Uhr bis 10.04 Uhr) deutet auch darauf hin, dass der Beschluss in dem Termin tatsächlich nicht begründet wurde, sondern dass die Begründung erst nachträglich durch den schriftlich abgefassten Ordnungsgeldbeschluss gefertigt wurde.

(4) Die Rechtsfolge einer fehlenden oder unzureichenden Protokollierung ist grundsätzlich die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses. Die Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses unter gleichzeitiger Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht scheidet aus, weil die sitzungspolizeiliche Gewalt mit dem Schluss der Sitzung endet (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2010 – 1 BvR 448/06NZS 2011, 133 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.).

(4.1) Diese Rechtsfolge gilt zum einen für die fehlende oder unzureichende Protokollierung der "Veranlassung" (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juli 1979, a. a. O., m. w. N.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Februar 1997, a. a. O.; Sächs. LSG, Beschluss vom 8. März 2006 – L 1 B 30/06 KR – juris Rdnr. 18, m. w. N.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. März 2013, a. a. O., Rdnr. 12 ff.; Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 7; Lückemann, a. a. O., § 182 GVG Rdnr. 2, m. w. N.).

Ausnahmsweise soll ein Protokollierungsmangel nicht zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses führen, wenn der Betroffene die Richtigkeit der im Beschluss angegebenen "Veranlassung" nicht bestreitet (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 3. Mai 1963 – 3 Ws 144/63NJW 1963, 1791 = juris [Leitsatz Satz 2]; OLG Stuttgart, Beschluss vom 6. Juli 1979, a. a. O.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14. Februar 1997, a. a. O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 20. September 2000 – 2 Ws 220/00 – JMBl NW 2001, 91 ff. = juris Rdnr. 23 ff., m. w. N ...; Lückemann, a. a. O., § 182 GVG Rdnr. 2, m. w. N.; Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 8, m. w. N.; Hartmann, a. a. O.).

Ob dieser Auffassung zu folgen ist, kann vorliegend offen bleiben, weil der Kläger den ihm im Ordnungsgeldbeschluss zur Last gelegten Vorwurf der Ungebühr bestreitet (ebenfalls offengelassen: Sächs. LSG, Beschluss vom 8. März 2006 – L 1 B 30/06 KR – juris Rdnr. 21, m. w. N.).

(4.2) Zum anderen ist der Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben, wenn der Beschluss nicht oder nicht ausreichend protokolliert wurde (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 8. März 2006 – L 1 B 30/06 KR – juris Rdnr. 18, m. w. N.; Kissel/Mayer, a. a. O., § 182 Rdnr. 10, m. w. N.). Eine solche mangelhafte Protokollierung lag, wie oben ausgeführt wurde, hier vor.

Das Fehlen einer Begründung oder die Abgabe einer unzureichenden Begründung soll unschädlich sein, wenn nach der Darstellung im Protokoll die Gründe der Entscheidung für den Betroffenen außer Zweifel stehen und auch für das Beschwerdegericht die Möglichkeit der Nachprüfung an Hand der Darstellung im Protokoll besteht. Dies sei dann zu bejahen, wenn der tatsächliche Ablauf des als Ungebühr angesehenen Geschehens protokollarisch genau und richtig festgehalten sei (vgl. LSG Koblenz, Beschluss vom 1. März 1988 – 1 Ws 136/88 – juris Rdnr. 7, m. w. N ...; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Januar 1988 – 1 Ws (OWi) 19/88NStZ 1988, 238 = juris Rdnr. 3; OLG Hamm, Beschluss vom 8. Juli 2008 – 4 Ws 172/08NStZ-RR 2009, 183 = juris Rdnr. 7, m. w. N.; Kissel/Mayer, a. a. O.; Lückemann, a. a. O., § 182 GVG Rdnr. 3, m. w. N.; Hartmann, a. a. O.).

Auch diesbezüglich kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Ausnahme aus § 182 GVG hergeleitet werden kann, weil im vorliegenden Fall die "Veranlassung" nicht ordnungsgemäß protokolliert wurde.

c) Der angefochtene Ordnungsgeldbeschluss ist ferner deshalb rechtswidrig, weil der Kläger vor dessen Erlass nicht angehört wurde.

Nach Artikel 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) hat jedermann vor Gericht Anspruch auf rechtliches Gehör. Nach allgemeiner Auffassung gilt dieses Verfahrensgrundrecht auch im Ordnungsgeldverfahren (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Dezember 1989 – 3 Ws 686/89 – juris Rdnr. 2; KG Berlin, Beschluss vom 6. November 1996 – 1 AR 1353/964 Ws 179/96, 1 AR 1353/96 - 4 Ws 180/96, 4 Ws 179/96, 4 Ws 180/96 – juris Rdnr. 3; KG Berlin, Beschluss vom 22. Oktober 1997 – 1 AR 244/953 Ws 596/97, 1 AR 244/95, 3 Ws 596/97 – juris Rdnr. 8; OLG Rostock, Beschluss vom 6. Januar 2003 – I Ws 472/02 – juris Rdnr. 16, m. w. N.; Brandenb. OLG, Beschluss vom 21. August 2003 – 3 W 41/03NJW 2004, 451 = juris Rdnr. 3; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Juni 2008 – 1 Ws 338/08NStZ-RR 2009, 93 = juris Rdnr. 6; Bay. LSG, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – L 2 R 381/10 B – juris Rdnr. 9; Kissel/Mayer, a. a. O., § 178 Rdnr. 45, m. w. N.; Meissner, in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [30. Erg.-Lfg., Februar 2016], § 55 Rdnr. 45; Wagner, in: Hennig: Sozialgerichtsgesetz [35. Erg.-Lfg., September 2016], § 61 Rdnr. 18).

Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs garantiert den Beteiligten an einem gerichtlichen Verfahren, dass sie hinreichende Gelegenheit erhalten, sich zu dem einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt vor Erlass der Entscheidung zu äußern und dadurch die Willensbildung des Gerichts zu beeinflussen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2003 – 2 BvR 153/02NVwZ 2003, 859 = juris Rdnr. 28, m. w. N.). Der Anspruch besteht aus drei Elementen: dem Recht auf Information, dem Recht auf Äußerung und dem Recht auf Berücksichtigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Juni 2003 – 1 PBvU 1/02BVerfGE 107, 395 [409] = juris Rdnr. 42; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG [11. Aufl., 2014], § 62 Rdnr. 6, m. w. N., vgl. hierzu eingehender Sächs. LSG, Beschluss vom 30. Juli 2014 – L 3 AS 796/14 B ER – juris Rdnr. 4 f., m. w. N.).

Von einer Anhörung kann in Ausnahmefällen abgesehen werden. Dies wird zum Beispiel angenommen, wenn die Ungebühr und der darauf gerichtete Wille des Angeklagten völlig außer Frage stehen und die Anhörung nicht nur nicht zur Klärung des Falles beitragen kann, sondern diesem nur zu weiteren Ausfällen Gelegenheit geben würde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Dezember 1989, a. a. O.; KG Berlin, Beschluss vom 6. November 1996, a. a. O.; KG Berlin, Beschluss vom 22. Oktober 1997, a. a. O.; OLG Rostock, Beschluss vom 6. Januar 2003, a. a. O., Rdnr. 18, m. w. N.; OLG Hamm, Beschluss vom 3. Juni 2008, a. a. O.; OLG Köln, Beschluss vom 3. Februar 2010 – 2 Ws 62/10 – juris Rdnr. 24, m. w. N.; Bay. LSG, Beschluss vom 20. Dezember 2010, a. a. O.; Brandenb. OLG, Beschluss vom 11. Juni 2013 – 2 Ws 12/13 – juris Rdnr. 10; Wagner, a. a. O.; weitere Beispiele bei Kissel/Mayer, a. a. O., § 178 Rdnr. 46).

In das Protokoll ist als wesentlicher Vorgang der Verhandlung (vgl. § 122 SGG i. V. m. § 160 Abs. 2 ZPO) die Anhörung oder der Grund, weshalb von einer Anhörung abgesehen wurde, aufzunehmen (vgl. Kissel/Mayer, a. a. O., § 178 Rdnr. 47, m. w. N.; Hommel, a. a. O.; Lückemann, a. a. O., § 182 GVG Rdnr. 2, m. w. N.; vgl. auch Meissner, a. a. O. ["soll"]).

Im Protokoll zum Erörterungstermin vom 28. August 2014 ist weder festgehalten, dass der Kläger vor dem Erlass des angefochtenen Ordnungsgeldbeschlusses angehört wurde, noch aus welchen Gründen die Kammervorsitzende von einer Anhörung absah.

Eine unterbliebene Anhörung kann im Beschwerdeverfahren nicht mehr nachgeholt werden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Dezember 1989, a. a. O. Rdnr. 4; OLG Rostock, Beschluss vom 6. Januar 2003, a. a. O., Rdnr. 20, m. w. N.; Kissel/Mayer, a. a. O., m. w. N.).

d) In der Rechtsprechung wird zum Teil gefordert, dass – möglicherweise unabhängig von der erforderlichen Anhörung – vor dem Erlass des Ordnungsgeldbeschlusses wegen des Opportunitätsprinzips und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (zum Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei sitzungspolizeilichen Maßnahmen: BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 1970 – 1 BvR 226/69BVerfGE 28, 21 ff. = NJW 1970, 851 = juris Rdnr. 19; BVerfG, Beschluss vom 7. April 1978 – 2 BvR 202/78BVerfGE 48, 118 ff. = NJW 1978, 1048 f. = juris Rdnr. 19; Kissel/Mayer, a. a. O ..., § 176 Rdnr. 14 und § 178 Rdnr. 42) eine Abmahnung (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 20. Dezember 2010 – L 2 R 381/10 B – juris Rdnr. 6 und 8; Kissel/Mayer, a. a. O., § 176 Rdnr. 23 und § 178 Rdnr. 42) oder die Androhung des Ordnungsgeldes (vgl. Sächs. LSG, Beschluss vom 8. März 2006 – L 1 B 30/06 KR – juris Rdnr. 24) erfolgen muss, oder dass dem Betroffenen Gelegenheit zu geben ist, sich zu entschuldigen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 6. Januar 2003 – I Ws 472/02 – juris Rdnr. 17; OLG Koblenz, Beschluss vom 18. Mai 2007 – 4 W 365/07 – juris Rdnr. 5; OLG Köln, Beschluss vom 7. Mai 2008 – 2 Ws 223/08NJW 2008, 2865 ff. = juris Rdnr. 32; vgl. aber zur nachtäglichen Entschuldigung: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. August 2016 –11 W 75/16MDR 2016, 1287 f. = juris Rdnr. 23).

Da der angefochtene Ordnungsgeldbeschluss bereits aus anderen Gründen aufzuheben ist, bedarf dieser Punkt vorliegend keiner weiteren Erörterung.

e) Schließlich liegt ein weiterer Mangel darin, dass im Ordnungsgeldbeschluss vom 28. August 2014 zwar gemäß § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG gegen den Kläger ein Ordnungsgeld festgesetzt wurde, jedoch die Bestimmung gemäß § 178 Abs. 1 Satz 2 GVG, in welchem Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt, wenn dieses nicht beigetrieben werden kann, unterblieb. Allerdings ist der Kläger durch die Nichtbeachtung dieser gesetzlichen Vorgabe nicht in seinen Rechten betroffen.

f) Da der angefochtene Ordnungsgeldbeschluss bereits aus den oben genannten Gründen rechtswidrig und damit aufzuheben ist, merkt der Senat lediglich ergänzend an, dass der Beschluss auch in der Sache rechtswidrig sein dürfte.

(1) Die Ermächtigung in § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG zur Festsetzung von Ordnungsgeld oder Ordnungshaft setzt nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut voraus, dass sich die betreffende Personen "in der Sitzung" einer Ungebühr schuldig gemacht hat.

Der Begriff der "Sitzung" besitzt in mehrerer Hinsicht Bedeutung. So grenzt er einerseits kompetenzrechtlich die grundsätzlich dem Vorsitzenden obliegende Sitzungsgewalt (vgl. § 176 GVG) vom Hausrecht, das dem Präsidenten oder Direktor des Gerichtes obliegt (zum Hausrecht in einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung: Sächs. LSG, Urteil vom 13. August 2015 – L 3 AS 708/15 – juris Rdnr. 39 ff., m. w. N.), ab. Zum anderen wird durch diesen Begriff der personelle, räumliche und zeitliche Geltungsbereich der Regelungen über die sogenannte Sitzungspolizei in §§ 176 ff. GVG beschränkt (vgl. hierzu: Meissner, a. a. O., Rdnr. 39, m. w. N.).

Trotz dieser Bedeutung des Begriffes der "Sitzung" ist dessen zeitlicher Umfang nicht geklärt. Sie dauert jedenfalls von der ausdrücklichen Eröffnung bis zur Schließung durch den Vorsitzenden (in diesem Sinne Meissner, a. a. O., Rdnr. 39 FN 153; so möglicherweise auch BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2010 – 1 BvR 448/06NZS 2011, 133 ff. = juris Rdnr. 30, m. w. N.; vgl. auch Kissel/Mayer, a. a. O., § 176 Rdnr. 8 unter Verweis auf den Verhandlungsbegriff in § 169 GVG). Zum Teil wird aber auch vertreten, dass der Begriff darüber hinaus auszudehnen sei. Er soll bereits mit der Öffnung des Sitzungssaales und dem Eintreffen der ersten Verfahrensbeteiligten beginnen. Zur Sitzung soll über den Schluss der Verkündung des Urteils und die Beendigung der Verhandlung hinaus auch die gesamte Anwesenheit des Gerichts danach gehören, das heißt die Zeit, die das Gericht benötigt, "um in einer seiner Würde angemessenen Weise ohne Hast die mit der endgültigen Abwicklung der verhandelten Sache zusammenhängenden Verrichtungen vorzunehmen und in Ruhe den Sitzungssaal zu verlassen." Auch die Zeit zwischen der Verkündung einer Entscheidung und dem Aufruf der nächsten Sache soll zur Sitzung gehören (vgl. Kissel/Mayer, a. a. O ..., § 176 Rdnr. 9, m. w. N.). Dieses sehr weite Begriffsverständnis erscheint allerdings vor dem Hintergrund, dass nach allgemeiner Auffassung die sogenannte Sitzungspolizei – letztlich im Interesse der Wahrheitsfindung – dem störungsfreien äußeren Verlauf der Sitzung dient (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Februar 1979 – 2 BvR 154/78 – BVerfGE 50, 235 [241 f.] = juris Rdnr. 38, m. w. N.), nicht unproblematisch.

Sofern der Begriff der "Sitzung" in § 178 Abs. 1 Satz 1 GVG in Anlehnung an den Verhandlungsbegriff zu verstehen sein sollte, hätte mit dem Schluss des Erörterungstermins um 9.54 Uhr die Ordnungsgewalt der Kammervorsitzenden und die Pflicht des Klägers, sich der Sitzungspolizei des Gerichts unterzuordnen, geendet (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 9 W 6/93MDR 1993, 906 = juris Rdnr. 18, m. w. N.). Etwaigen Störungen des Dienstbetriebes durch den Kläger hätte der Gerichtspräsident oder die von ihm beauftragte Person begegnen müssen.

(2) Die Kammervorsitzende berücksichtigte ausweislich der schriftlichen Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses auch nicht die verfassungsrechtlichen Bezüge einer Ordnungsgeldentscheidung. Das Bundesverfassungsgericht hat diesbezüglich im Beschluss vom 13. April 2007 darauf hingewiesen, dass dann, wenn eine Äußerung in einem gerichtlichen Verfahren als Ungebühr geahndet werden soll, nicht nur die Meinungsfreiheit des sich Äußernden, sondern auch das Rechtsstaatsprinzip ins Gewicht fällt. Ein wirkungsvoller Rechtsschutz setze voraus, dass der Rechtsuchende gegenüber den Organen der Rechtspflege, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, jene Handlungen vornehmen könne, die nach seiner von gutem Glauben bestimmten Sicht geeignet seien, sich im Prozess zu behaupten. Nicht entscheidend sei, ob der Betreffende seine Kritik anders hätte formulieren können. Im "Kampf um das Recht" dürfe ein Verfahrensbeteiligter auch starke, eindringliche Ausdrücke und sinnfällige Schlagworte benutzen, um seine Rechtsposition zu unterstreichen. Ehrverletzende Äußerungen, die in keinem inneren Zusammenhang zur Ausführung oder Verteidigung der geltend gemachten Rechte stünden oder deren Unhaltbarkeit ohne weiteres auf der Hand liege, seien allerdings nicht privilegiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. April 2007 – 1 BvR 3174/06 [ungebührliches Verhalten vor Gericht] – NJW 2007, 2839 f. = juris Rdnr. 14, m. w. N.; ob vor diesem Hintergrund alle bei Kissel/Mayer, a. a. O., § 178 Rdnr. 23 zitierten Äußerungen die Verhängung eines Ordnungsgeldes rechtfertigen vermögen erscheint fraglich).

Im angefochtenen Ordnungsgeldbeschluss wurde zum einen nicht berücksichtigt, dass die Frage des Klägers nach seiner zweiten Klage berechtigt war. Was Anlass dafür war, dass die zweite Klage erst zehn Wochen nach der Klageerhebung und erst auf Grund des Hinweises des Klägers im Erörterungstermin am 28. August 2014 angelegt wurde, lässt sich an Hand der vorliegenden Akten nicht feststellen. Festzustellen ist aber zumindest, dass dieser Fehler, der einer der Auslöser für den Disput zwischen dem Kläger und der Kammervorsitzenden war, in die Sphäre es Sozialgerichtes fällt.

Zum anderen greift ein Verfahrensbeteiligter nicht "die Ehre und Würde des Gerichts sowie dessen Autorität" an, wenn er auf einer mündlichen Verhandlung mit ehrenamtlichen Richtern besteht. Denn nach der Grundregel in § 124 Abs. 1 SGG entscheidet das Gericht, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Aus § 12 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach jede Kammer des Sozialgerichts in der Besetzung mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern tätig wird, und im Umkehrschluss aus § 12 Abs. 1 Satz 2 SGG, wonach die ehrenamtlichen Richter bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung und bei Gerichtsbescheiden nicht mitwirken, folgt, dass sie in allen anderen Fällen mit über das Rechtsschutzbegehren eines Klägers oder Antragstellers entscheiden. Als Ausnahmen vom Grundsatz der mündlichen Verhandlung sieht der Gesetzgeber für Klageverfahren vor dem Sozialgericht nur die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 SGG) und die Entscheidung durch Gerichtsbescheid (vgl. § 105 SGG) vor. Für Ersteres ist das Einverständnis der Beteiligten erforderlich. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid setzt tatbestandlich voraus, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG). Es darf deshalb einem Verfahrensbeteiligten nicht zur Last gelegt werden, wenn er auf einer mündlichen Verhandlung unter Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern, das heißt der vom Gesetzgeber als Regelform einer gerichtlichen Entscheidung über eine Klage, besteht.

3. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers in dem gerichtskostenfreien Beschwerdeverfahren (vgl. § 183 SGG) sind vorliegend nicht dem Gegner des erstinstanzlichen Verfahrens, dem Beklagten, aufzuerlegen. Sie sind vielmehr von der Staatskasse zu tragen. Dies ergibt sich aus einer Zusammenschau von verschiedenen kostenrechtlichen Regelungen.

So werden gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Gemäß § 155 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 135 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind. Gemäß § 162 Abs. 3 VwGO und § 139 Abs. 4 FGO sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Nach Maßgabe der zuletzt genannten Regelungen sind die Kosten des Beigeladenen der Staatskasse in der Regel aufzuerlegen, wenn die Beiladung sachlich nicht gerechtfertigt war (vgl. z. B. Olbertz, in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung [31. Erg.-Lfg., Juni 2016], § 162 Rdnr. 99, m. w. N.; Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung [22. Aufl. 2016], § 162 Rdnr. 24), mithin bei unrichtiger Sachbehandlung.

In der Rechtsprechung und der Kommentarliteratur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass die genannten Regelungen im Fall einer unrichtigen Sachbehandlung wegen ihres Ausnahmecharakters nicht analog angewandt werden könnten (vgl. z. B. die umfangreichen Nachweise bei VG Berlin, Beschluss vom 4. Januar 2012 – 35 KE 10.11, 37 A 31.08 – juris Rdnr. 2; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 12. Juni 2007 – VI ZB 4/07NJW-RR 2007, 1364 ff. = juris Rdnr. 23 – und vom 22. Juni 2011 – I ZB 77/10NJW-RR 2011, 1363 f. = juris Rdnr. 23 [jeweils m. w. N ...], der sich gegen eine entsprechende Anwendung von § 46 OWiG ausspricht).

In Teilen der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wird bei Ordnungsgeldbeschwerden auf § 467 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) zurückgegriffen (vgl. z. B. OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Februar 1978 – 1 Ws 51/78MDR 1978, 693 = juris Rdnr. 5; OLG Köln, Beschluss vom 18. Januar 1993 – 9 W 6/93MDR 1993, 906 = juris Rdnr. 24; Brandenb. OLG, Beschluss vom 21. August 2003 – 3 W 41/03NJW 2004, 451 = juris Rdnr. 4; OLG Köln, Beschluss vom 27. September 2006 – 1 Ws 30/06NJW 2006, 3298 f. = NStZ 2007, 181 = juris Rdnr. 19; OLG Köln, Beschluss vom 7. Mai 2008 – 2 Ws 223/08NJW 2008, 2865 f. = juris Rdnr. 35; OLG Celle, Beschluss vom 17. Mai 2016 – 2 Ws 88/16 –juris Rdnr. 17). Nach dieser Regelung fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last, soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird.

Der erkennende Senat hat bereits im Urteil vom 15. Januar 2015 dargelegt, dass er den zitierten Regelungen den allgemeinen Rechtsgedanken entnimmt, dass Kosten, die durch eine fehlerhafte Sachbehandlung eines Gerichts verursacht werden, den Parteien nicht zur Last fallen dürfen und daher der Staatskasse auferlegt werden können (vgl. Sächs. LSG, Urteil vom 15. Januar 2015 – L 3 AS 861/14 – juris Rdnr. 21; im Ergebnis ebenso: Bay. LSG, Beschluss vom 1. September 2009 – L 2 B 1076/08 AS – juris Rdnr. 12, m. w. N.; OLG Nürnberg, Beschluss vom 14. März 2013 – 1 Ws 102/13 – juris; vgl. auch Kopp/Schenke, a. a. O., § 155 Rdnr. 24). An dieser Rechtsauffassung hält er nach nochmaliger Prüfung fest.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG) und ergeht kostenfrei (vgl. § 183 SGG).

Dr. Scheer Höhl Krewer
Rechtskraft
Aus
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