Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 AS 4081/16 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 1149/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Wenn der Antragsgegner den Antragsteller bereits mehrfach aus demselben Grund, nämlich weil dieser der in verschiedenen Eingliederungsbescheiden formulierten Verpflichtung zum Nachweis von fünf schriftlichen Bewerbungen pro Kalendermonat nicht nachgekommen ist, sanktioniert hat, hätte er spätestens bei Erlass eines neuerlichen Eingliederungsbescheides Erwägungen annstellen und deutlich machen müssen, dass er sich beim Erlass eines weiteren derartigen Bescheides nicht von sachfremden Erwägungen leiten ließ.
2. Wegen der zahlreichen gegen den Antragsteller bereits verhängten Sanktionen hätte der Antragsgegner Erwägungen anstellen müssen, ob angesichts dessen ein verändertes Vorgehen möglicherweise unter Einbeziehung psychologischer Unterstützung veranlasst ist. In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in dem Eingliederungsbescheid ist von einem Ermessensfehler auszugehen (Anschluss an BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 19/14 R, Rn. 43).
2. Wegen der zahlreichen gegen den Antragsteller bereits verhängten Sanktionen hätte der Antragsgegner Erwägungen anstellen müssen, ob angesichts dessen ein verändertes Vorgehen möglicherweise unter Einbeziehung psychologischer Unterstützung veranlasst ist. In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in dem Eingliederungsbescheid ist von einem Ermessensfehler auszugehen (Anschluss an BSG, Urteil vom 29.04.2015 - B 14 AS 19/14 R, Rn. 43).
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 13. Oktober 2016 aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid vom 6. September 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Dezember 2016 wird angeordnet.
II. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Sanktionsbescheid, mit dem eine wiederholte Pflichtverletzung geahndet wurde.
Der 1985 geborene Antragsteller steht im dauernden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner sanktionierte den Antragsteller in der Vergangenheit bereits mehrfach - u.a. mit Sanktionsbescheiden vom 08.11.2011, 02.01.2012 und 05.09.2013 -, weil dieser Verpflichtungen aus verschiedenen Eingliederungsbescheiden zu schriftlichen zielorientierten Bewerbungen nicht nachgekommen war.
Am 10.12.2014 nahm der Antragsteller eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma Elektroinstallation Z ... in A ... auf.
Auf die Fortzahlungsanträge des Antragstellers bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 03.03.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 30.11.2014 in Höhe von monatlich 691,00 EUR, mit Bescheid vom 24.11.2014 für den Zeitraum vom 01.12.2014 bis 31.12.2014 in Höhe von 573,70 EUR und für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.10.2015 in Höhe von monatlich 699,00 EUR. Mit Bescheid vom 22.04.2016 nahm er die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.10.2016 in Höhe von monatlich 704,00 EUR vor.
Der Antragsgegner verpflichtete den Antragsteller mit dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 22.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014, u.a. mindestens fünf schriftliche zielorientierte Bewerbungen pro Kalendermonat im Zeitraum von Juni 2014 bis August 2014 zu erstellen und sie bis zum 09.09.2014 bei der Fallmanagerin nachzuweisen. Der Bescheid enthielt die Rechtsfolgenbelehrung, wonach dem Antragsteller bei Verletzung seiner im Eingliederungsbescheid genannten Pflichten das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Der Antragsteller wies im genannten Zeitraum keine Bewerbungsbemühungen nach. Der Antragsgegner minderte daraufhin mit Bescheid vom 02.02.2015 für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis 31.05.2015 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um 30 % der maßgebenden Regelleistung. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des dagegen gerichteten Widerspruchs lehnte das Sozialgericht Dresden (SG) ab (S 40 AS 957/15 ER). Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2015 zurück.
Mit dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 17.03.2015 verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller wiederum zu mindestens fünf schriftlichen zielorientierten Bewerbungen vom 01.04.2015 bis 10.07.2015. In der Rechtsfolgenbelehrung des Bescheides führte der Antragsgegner aus, dass, sofern der Antragsteller die sich aus dem Eingliederungsbescheid ergebenden Pflichten verletze, das Arbeitslosengeld II um 60 % des Regelbedarfs abgesenkt werde. Wiederrum kam der Antragsteller der Verpflichtung nicht nach. Daraufhin stellte der Antragsgegner mit Bescheid vom 01.10.2015 die Minderung des Arbeitslosengeldes II um 60 % des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.01.2016 fest. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lehnte das SG ab (S 38 AS 5418/15 ER). Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2016 zurück.
Nach Scheitern des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung formulierte der Antragsgegner mit Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 wiederrum die Verpflichtung des Antragstellers, im Monat April 2016 zwei schriftliche zielorientierte Bewerbungen und im Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.07.2016 jeweils fünf derartige Bewerbungen vorzunehmen. In der Rechtsfolgenbelehrung des Bescheides wies er darauf hin, dass, falls der Antragsteller die im Eingliederungsbescheid genannten Pflichten wiederrum verletze, ohne einen wichtigen Grund nachzuweisen, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld II vollständig entfalle. Der Antragsgegner könne unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Minderung auf 60 % des maßgeblichen Regelbedarfs begrenzen, wenn der Antragsteller sich nachträglich bereit erkläre, den Pflichten nachzukommen. Es könnten auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden. Bei vollständigem Wegfall des Arbeitslosengeldes II würden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Antragstellers. Er wies wiederrum keinerlei Bewerbungsbemühungen nach. Nach Anhörung stellte der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.09.2016 fest, dass das Arbeitslosengeld II vollständig für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis 31.12.2016 entfalle. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers vom 19.09.2016.
Der Antragsteller hat am 20.09.2016 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim SG gestellt. Der angegriffene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB II lägen nicht vor. Die Bescheide über die Feststellung der vorangegangenen Pflichtverletzungen seien rechtswidrig. Es mangele jeweils an wirksamen Rechtsfolgenbelehrungen. Diese seien nicht hinreichend konkret sowie unrichtig bzw. zumindest missverständlich. So seien die Pflichten, deren Verletzung die Minderungen nach sich zögen, nicht exakt benannt. Unrichtig, jedenfalls aber missverständlich, sei der Hinweis, dass bei vollständigem Wegfall des Arbeitslosengeldes II keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt würden. Es hätte des Hinweises bedurft, dass dies nicht der Fall sei, wenn ergänzende Sach- oder geldwerte Leistungen erbracht würden. Zudem stünden die Pflichten und Rechte des Antragstellers in keinem ausgewogenen Verhältnis zu denen des Antragsgegners. Insbesondere sei ihm die beantragte Sehhilfe zum Ausgleich seiner Sehschwäche nicht bewilligt worden. Der Antragsgegner habe ihn nicht auf die Möglichkeit des Ratenkaufes einer Sehhilfe hingewiesen.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 13.10.2016 abgelehnt. Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 06.09.2016 habe gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angeforderten Bescheides bestünden nicht. Der Antragsteller erfülle nach summarischer Prüfung den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Durch den Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 habe der Antragsgegner dem Antragsteller u.a. zu zwei schriftlichen zielorientierten Bewerbungen im Monat April 2016 und für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.07.2016 zu fünf derartigen Bewerbungsbemühungen und zum Nachweis bis 10.08.2016 verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Ein wichtiger Grund hierfür sei nicht zu erkennen. Gegen die Rechtmäßigkeit des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes vom 08.04.2016 bestünden keine durchgreifenden Bedenken. Die dem Antragsteller abverlangten Eigenbemühungen begegneten weder nach dem Inhalt der Verpflichtung noch nach der aufgegebenen Frequenz der Bewerbungen Bedenken. Diese erschienen vielmehr sachgerecht und nicht überzogen. Zudem seien dem Antragsteller die Bewerbungskosten vorausgezahlt worden. Der insoweit vom Antragsgegner in Ansatz gebrachte Pauschalbetrag von 5,00 EUR pro Bewerbung sei nicht zu beanstanden. Die Rechtsfolgenbelehrung genüge den Anforderungen des Gesetzes. Dem Antragsteller stehe für die Verletzung seiner Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt kein wichtiger Grund zur Seite. Ein solcher bestehe insbesondere nicht in der vom Antragsgegner verweigerten Kostenübernahme für die Anschaffung einer neuen Brille. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Brille bestehe gegenüber dem Antragsgegner nämlich nicht. Vielmehr sei die Anschaffung einer Brille mit üblicher Stärke, weil sie zum Bedarf des täglichen Lebens gehöre, aus der Regelleistung zu begleichen. Die Pflichtverletzung stelle eine wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II dar. Der Antragsgegner habe mit den Bescheiden vom 02.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2015 und vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2016 bereits den Eintritt von Minderungen der Regelleistung um 30 % bzw. 60 % wegen Verletzung der Pflichten aus Eingliederungsbescheiden festgestellt. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden nicht. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen der §§ 31a, 31b SGB II seien nicht gegeben (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R).
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 25.10.2016 zugestellten Beschluss hat er am 04.11.2016 beim SG Beschwerde eingelegt, die am 09.11.2016 beim SächsLSG eingegangen ist. Er hat im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Antragsverfahren wiederholt.
Den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 06.09.2016 hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2016 zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller am 20.12.2016 Klage zum SG erhoben.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 13.10.2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erachtet den Beschluss des SG für zutreffend.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners vor.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Daher ist der Beschluss des SG vom 13.10.2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 anzuordnen.
Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 20.12.2016 zu. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann mit einer Auflage versehen oder befristet werden.
Die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Die aufschiebende Wirkung der Klage ist anzuordnen. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn das private Interesse des Anfechtenden den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse) gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Dies ist im vorliegenden Rechtsschutzverfahren summarisch zu prüfen. Die nötige Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungs- und dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht, während bei einem rechtmäßigen Bescheid das öffentliche Interesse angesichts der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit in der Regel vorrangig ist. Daneben sind alle sonstigen Umstände des Einzelfalls, die für und gegen die sofortige Vollziehung sprechen, gegeneinander abzuwägen, insbesondere das besondere Vollzugsinteresse im Einzelfall, der Umfang der drohenden Rechtsbeeinträchtigung und die Folgen, die der Sofortvollzug eines rechtswidrigen Bescheides einerseits und das Aussetzen des Sofortvollzuges eines rechtmäßigen Bescheides andererseits mit sich bringen würden. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. Bei einem gänzlich offenen Ausgang in der Hauptsache müssen die sonstigen gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände in jedem Fall höher zu bewerten sein als die für ihn sprechenden Umstände, da es anderenfalls bei einer bereits gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit bleibt (SächsLSG, Beschluss vom 28.04.2009 – L 7 B 566/07 AS-ER).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben überwiegt vorliegend das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse, weil der Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist.
1. Zwar hat der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 15.08.2016 vor Erlass des Sanktionsbescheides zur beabsichtigten Sanktion ordnungsgemäß angehört.
2. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II liegen ebenfalls vor. Der Antragsteller ist der im die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 08.04.2016 formulierten Verpflichtung, im Monat April 2016 zwei schriftliche Bewerbungen und im Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.07.2016 jeweils fünf schriftliche Bewerbungen pro Monat zu tätigen, nicht nachgekommen. Er hat daher eine Pflicht gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II verletzt. Nach der genannten Norm verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem dieser ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 3 Satz 3 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen.
Der Antragsteller ist schriftlich über die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung informiert worden. Die Rechtsfolgenbelehrung des Bescheides vom 08.04.2016 ist nicht zu beanstanden. Insbesondere war sie hinreichend konkret, richtig, verständlich und vollständig (BSG, Urteil vom 15.12.2010 – B 14 AS 92/09 R, Rn. 24; Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R, Rn. 22 ff.; Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 53/08 R, Rn. 19 ff.; Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 R, Rn. 36; Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R, Rn. 26). Dem Antragsteller war nämlich im Bescheid vom 08.04.2016 mitgeteilt worden, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld II, sofern er die in dem Eingliederungsbescheid festgelegten Pflichten wiederrum verletzt, ohne einen wichtigen Grund nachzuweisen, vollständig entfällt. Zutreffend hat der Antragsgegner auch darauf hingewiesen, dass auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden können.
Der Antragsgegner hatte – wie vom BSG gefordert (BSG, Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 30/15 R, Rn. 23) – die Bewerbungskosten für die genannte Anzahl von Bewerbungen (5,00 EUR pro Bewerbung) für zwei Bewerbungen im April 2016 und jeweils fünf Bewerbungen in den Monaten Mai bis Juli 2016 in Höhe von insgesamt 85,00 EUR vorausgezahlt.
Der Antragsteller hat keinen wichtigen Grund für sein Verhalten dargetan. Ein wichtiger Grund ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsgegner die Kosten für eine Brille nicht übernommen hat (SächsLSG, Beschluss vom 07.12.2009 – L 3 AS 339/09 B PKH).
3. Bei der o.g. Pflichtverletzung handelt es sich auch um eine wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 3 bis 5 SGB II (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 5. Auflage, § 31a, Rn. 14 ff.).
Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II liegt eine wiederholte Pflichtverletzung nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nach § 31a Abs. 1 Satz 5 SGB II nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt.
a) Der Antragsgegner hatte zuvor mit Bescheid vom 01.10.2015 eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 60 % des maßgeblichen Regelbedarfs wegen derselben Pflichtverletzung für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.01.2016 festgestellt. Der Beginn der Minderung lag bei der wiederholten Pflichtverletzung (vgl. Berlit, a.a.O., Rn. 18; S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 31a, Rn. 15), fehlende Bewerbungsbemühungen in den Monaten April bis Juli 2016, bezüglich des vorangegangenen Minderungszeitraums vom 01.10.2016 bis 31.12.2016 nicht länger als ein Jahr zurück. Eine Minderung war für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.01.2016 mit Bescheid vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2016 erfolgt.
b) Der Antragsgegner hatte mit Bescheid vom 02.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2015 wegen derselben Pflichtverletzung die Minderung des Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis 31.05.2015 um 30 % des maßgeblichen Regelbedarfs festgestellt. Der Antragsteller hatte die im Eingliederungsbescheid vom 22.05.2014 formulierten Pflichten zum Nachweis von Bewerbungen verletzt.
4. Es kann dahinstehen, ob die unter a) und b) genannten Sanktionen rechtmäßig waren. Das private Aussetzungsinteresse überwiegt nämlich das öffentliche Vollzugsinteresse, weil der der Sanktion zugrunde liegende Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist. Der Antragsgegner hat das als Vorfrage für die Feststellung einer Pflichtverletzung inzident zu prüfende Ermessen im Vorfeld und bei der Abfassung des Eingliederungsbescheides nicht ausgeübt. Das BSG hat mit Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R, Rn. 43 angesichts von sieben in Folge sanktionierten Meldeversäumnissen für die Meldeaufforderungen 4 bis 7 ausgeführt: "Die Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide folgt nicht aus der ‚Einladungsdichte‘ als solche (dazu a), sondern aus der als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu prüfenden (vgl dazu 5. a) und vorliegend fehlerhaften Ermessensausübung des Beklagten in der Abfolge und Ausgestaltung der Meldeaufforderungen (dazu b). b) Die Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit denselben Zwecken an die Klägerin verstößt jedoch gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung wegen einer Ermessensunterschreitung, weil relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind (zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Überprüfung von Ermessen vgl 5. a) bb). Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Vielmehr hätte er aufgrund der vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des § 31a SGB II eingefügten Abstufungen zwischen den Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses mit einer Minderung um 10 vH und den Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung mit einer Minderung um 30 vH sowie der Erbringung ergänzender Sachleistungen bei einer Minderung um mehr als 30 vH seine bisherige Ermessensausübung überprüfen müssen. Neben dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen qualitativen Schwelle hätte dabei insbesondere in die Erwägungen eingestellt und deutlich gemacht werden müssen, dass sich der Beklagte trotz der festgestellten sieben gleichen Meldeaufforderungen mit denselben Zwecken innerhalb von acht Wochen nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Denn der Zweck der Meldeaufforderungen muss entsprechend dem Grundgedanken des ‚Förderns und Forderns‘ im SGB II und nach § 1 Abs 2 SGB II sein, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Trotz der Überschrift ‚Sanktionen‘ vor §§ 31 bis 32 SGB II ist es nicht Ziel der Meldeaufforderungen, durch eine hohe Anzahl von Meldeversäumnissen den Anspruch der Meldepflichtigen auf Alg II zu mindern oder gar zu beseitigen. Denn es handelt sich nach dem Wortlaut und der Konzeption der §§ 31 bis 32 SGB II bei ihnen nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen ‚verhängt‘ werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung zB einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf. Neben den in den Meldeaufforderungen genannten Zwecken ‚Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation‘ drängten sich vor diesem Hintergrund angesichts des Verhaltens der Klägerin und insbesondere der Vorgeschichte mit den Zweifeln an ihrer Erwerbsfähigkeit und den früheren Meldeversäumnissen als weitere Zwecke die Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf (vgl § 309 Abs 2 Nr 4, 5 SGB III). Der Beklagte hätte auch von weiteren Meldeaufforderungen Abstand nehmen und die Klägerin zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung auffordern können (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB II). In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in den Meldeaufforderungen ist von einer Ermessensunterschreitung des Beklagten auszugehen. Das LSG hat keine Ermessenserwägung des Beklagten in den angeführten Bescheiden oder den zugrunde liegenden Meldeaufforderungen, die der vorliegenden besonderen Situation Rechnung tragen, oder andere spezifische Gründe seitens des Beklagten festgestellt, die für eine wörtliche Wiederholung der bisherigen Meldeaufforderungen und gegen eine Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprachen. Den festgestellten Tatsachen im Übrigen sind ebenfalls keine dahingehenden Ermessenerwägungen des Beklagten oder andere Gründe zu entnehmen."
Gemessen an diesen Vorgaben war der Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 nach summarischer Prüfung rechtswidrig. Vorliegend hatte der Antragsgegner den Antragsteller vor Erlass des Eingliederungsbescheides vom 08.04.2016 bereits mindestens fünfmal aus demselben Grund, weil der Antragsteller der in verschiedenen Eingliederungsbescheiden formulierten Verpflichtung zum Nachweis von fünf schriftlichen Bewerbungen pro (vollem) Kalendermonat nicht nachgekommen war, sanktioniert. Angesichts dessen hätte er spätestens bei Erlass des Eingliederungsbescheides vom 08.04.2016 in die Erwägungen einstellen und deutlich machen müssen, dass er sich trotz der hinsichtlich der Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen festgestellten mindestens acht gleichen Eingliederungsbescheiden beim Erlass eines weiteren derartigen Bescheides nicht von sachfremden Erwägungen leiten ließ. Angesichts der zahlreichen gegen den Antragsteller bereits verhängten Sanktionen hätte der Antragsgegner Erwägungen anstellen müssen, ob angesichts dessen ein verändertes Vorgehen möglicherweise unter Einbeziehung psychologischer Unterstützung veranlasst ist. In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in dem Eingliederungsbescheid ist nach summarischer Prüfung von einem Ermessensfehler auszugehen.
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die Sanktion – vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II – mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Nach alledem ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Sanktionsbescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2016 anzuordnen.
5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Weinholtz Lang Dr. Anders
II. Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Sanktionsbescheid, mit dem eine wiederholte Pflichtverletzung geahndet wurde.
Der 1985 geborene Antragsteller steht im dauernden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsgegner sanktionierte den Antragsteller in der Vergangenheit bereits mehrfach - u.a. mit Sanktionsbescheiden vom 08.11.2011, 02.01.2012 und 05.09.2013 -, weil dieser Verpflichtungen aus verschiedenen Eingliederungsbescheiden zu schriftlichen zielorientierten Bewerbungen nicht nachgekommen war.
Am 10.12.2014 nahm der Antragsteller eine geringfügige Beschäftigung bei der Firma Elektroinstallation Z ... in A ... auf.
Auf die Fortzahlungsanträge des Antragstellers bewilligte der Antragsgegner mit Bescheid vom 03.03.2014 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 01.03.2014 bis 30.11.2014 in Höhe von monatlich 691,00 EUR, mit Bescheid vom 24.11.2014 für den Zeitraum vom 01.12.2014 bis 31.12.2014 in Höhe von 573,70 EUR und für den Zeitraum vom 01.01.2015 bis 31.10.2015 in Höhe von monatlich 699,00 EUR. Mit Bescheid vom 22.04.2016 nahm er die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.10.2016 in Höhe von monatlich 704,00 EUR vor.
Der Antragsgegner verpflichtete den Antragsteller mit dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 22.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.08.2014, u.a. mindestens fünf schriftliche zielorientierte Bewerbungen pro Kalendermonat im Zeitraum von Juni 2014 bis August 2014 zu erstellen und sie bis zum 09.09.2014 bei der Fallmanagerin nachzuweisen. Der Bescheid enthielt die Rechtsfolgenbelehrung, wonach dem Antragsteller bei Verletzung seiner im Eingliederungsbescheid genannten Pflichten das Arbeitslosengeld II gemindert werde. Der Antragsteller wies im genannten Zeitraum keine Bewerbungsbemühungen nach. Der Antragsgegner minderte daraufhin mit Bescheid vom 02.02.2015 für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis 31.05.2015 die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um 30 % der maßgebenden Regelleistung. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des dagegen gerichteten Widerspruchs lehnte das Sozialgericht Dresden (SG) ab (S 40 AS 957/15 ER). Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2015 zurück.
Mit dem die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 17.03.2015 verpflichtete der Antragsgegner den Antragsteller wiederum zu mindestens fünf schriftlichen zielorientierten Bewerbungen vom 01.04.2015 bis 10.07.2015. In der Rechtsfolgenbelehrung des Bescheides führte der Antragsgegner aus, dass, sofern der Antragsteller die sich aus dem Eingliederungsbescheid ergebenden Pflichten verletze, das Arbeitslosengeld II um 60 % des Regelbedarfs abgesenkt werde. Wiederrum kam der Antragsteller der Verpflichtung nicht nach. Daraufhin stellte der Antragsgegner mit Bescheid vom 01.10.2015 die Minderung des Arbeitslosengeldes II um 60 % des maßgeblichen Regelbedarfs für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.01.2016 fest. Den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs lehnte das SG ab (S 38 AS 5418/15 ER). Den Widerspruch des Antragstellers wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2016 zurück.
Nach Scheitern des Abschlusses einer Eingliederungsvereinbarung formulierte der Antragsgegner mit Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 wiederrum die Verpflichtung des Antragstellers, im Monat April 2016 zwei schriftliche zielorientierte Bewerbungen und im Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.07.2016 jeweils fünf derartige Bewerbungen vorzunehmen. In der Rechtsfolgenbelehrung des Bescheides wies er darauf hin, dass, falls der Antragsteller die im Eingliederungsbescheid genannten Pflichten wiederrum verletze, ohne einen wichtigen Grund nachzuweisen, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld II vollständig entfalle. Der Antragsgegner könne unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls die Minderung auf 60 % des maßgeblichen Regelbedarfs begrenzen, wenn der Antragsteller sich nachträglich bereit erkläre, den Pflichten nachzukommen. Es könnten auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erbracht werden. Bei vollständigem Wegfall des Arbeitslosengeldes II würden auch keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt. Gegen diesen Bescheid richtete sich der Widerspruch des Antragstellers. Er wies wiederrum keinerlei Bewerbungsbemühungen nach. Nach Anhörung stellte der Antragsgegner mit Bescheid vom 06.09.2016 fest, dass das Arbeitslosengeld II vollständig für den Zeitraum vom 01.10.2016 bis 31.12.2016 entfalle. Hiergegen richtete sich der Widerspruch des Antragstellers vom 19.09.2016.
Der Antragsteller hat am 20.09.2016 einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim SG gestellt. Der angegriffene Bescheid sei offensichtlich rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Satz 3 SGB II lägen nicht vor. Die Bescheide über die Feststellung der vorangegangenen Pflichtverletzungen seien rechtswidrig. Es mangele jeweils an wirksamen Rechtsfolgenbelehrungen. Diese seien nicht hinreichend konkret sowie unrichtig bzw. zumindest missverständlich. So seien die Pflichten, deren Verletzung die Minderungen nach sich zögen, nicht exakt benannt. Unrichtig, jedenfalls aber missverständlich, sei der Hinweis, dass bei vollständigem Wegfall des Arbeitslosengeldes II keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgeführt würden. Es hätte des Hinweises bedurft, dass dies nicht der Fall sei, wenn ergänzende Sach- oder geldwerte Leistungen erbracht würden. Zudem stünden die Pflichten und Rechte des Antragstellers in keinem ausgewogenen Verhältnis zu denen des Antragsgegners. Insbesondere sei ihm die beantragte Sehhilfe zum Ausgleich seiner Sehschwäche nicht bewilligt worden. Der Antragsgegner habe ihn nicht auf die Möglichkeit des Ratenkaufes einer Sehhilfe hingewiesen.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 13.10.2016 abgelehnt. Der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 06.09.2016 habe gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angeforderten Bescheides bestünden nicht. Der Antragsteller erfülle nach summarischer Prüfung den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Durch den Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 habe der Antragsgegner dem Antragsteller u.a. zu zwei schriftlichen zielorientierten Bewerbungen im Monat April 2016 und für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.07.2016 zu fünf derartigen Bewerbungsbemühungen und zum Nachweis bis 10.08.2016 verpflichtet. Dieser Verpflichtung sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Ein wichtiger Grund hierfür sei nicht zu erkennen. Gegen die Rechtmäßigkeit des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes vom 08.04.2016 bestünden keine durchgreifenden Bedenken. Die dem Antragsteller abverlangten Eigenbemühungen begegneten weder nach dem Inhalt der Verpflichtung noch nach der aufgegebenen Frequenz der Bewerbungen Bedenken. Diese erschienen vielmehr sachgerecht und nicht überzogen. Zudem seien dem Antragsteller die Bewerbungskosten vorausgezahlt worden. Der insoweit vom Antragsgegner in Ansatz gebrachte Pauschalbetrag von 5,00 EUR pro Bewerbung sei nicht zu beanstanden. Die Rechtsfolgenbelehrung genüge den Anforderungen des Gesetzes. Dem Antragsteller stehe für die Verletzung seiner Pflichten aus dem Eingliederungsverwaltungsakt kein wichtiger Grund zur Seite. Ein solcher bestehe insbesondere nicht in der vom Antragsgegner verweigerten Kostenübernahme für die Anschaffung einer neuen Brille. Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Brille bestehe gegenüber dem Antragsgegner nämlich nicht. Vielmehr sei die Anschaffung einer Brille mit üblicher Stärke, weil sie zum Bedarf des täglichen Lebens gehöre, aus der Regelleistung zu begleichen. Die Pflichtverletzung stelle eine wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 3 SGB II dar. Der Antragsgegner habe mit den Bescheiden vom 02.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2015 und vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2016 bereits den Eintritt von Minderungen der Regelleistung um 30 % bzw. 60 % wegen Verletzung der Pflichten aus Eingliederungsbescheiden festgestellt. Ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide bestünden nicht. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelungen der §§ 31a, 31b SGB II seien nicht gegeben (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R).
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 25.10.2016 zugestellten Beschluss hat er am 04.11.2016 beim SG Beschwerde eingelegt, die am 09.11.2016 beim SächsLSG eingegangen ist. Er hat im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Antragsverfahren wiederholt.
Den Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid vom 06.09.2016 hat der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 07.12.2016 zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller am 20.12.2016 Klage zum SG erhoben.
Der Antragsteller beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 13.10.2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er erachtet den Beschluss des SG für zutreffend.
Dem Senat liegen die Verfahrensakten des Antrags- und des Beschwerdeverfahrens sowie die Verwaltungsakte des Antragsgegners vor.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist begründet. Daher ist der Beschluss des SG vom 13.10.2016 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Sanktionsbescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 anzuordnen.
Dem Antragsteller steht ein Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage vom 20.12.2016 zu. Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Gerichte auf Antrag, der gemäß § 86b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann mit einer Auflage versehen oder befristet werden.
Die Klage des Antragstellers gegen den Bescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 hat gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung.
Die aufschiebende Wirkung der Klage ist anzuordnen. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn das private Interesse des Anfechtenden den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse) gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Dies ist im vorliegenden Rechtsschutzverfahren summarisch zu prüfen. Die nötige Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungs- und dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht, während bei einem rechtmäßigen Bescheid das öffentliche Interesse angesichts der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit in der Regel vorrangig ist. Daneben sind alle sonstigen Umstände des Einzelfalls, die für und gegen die sofortige Vollziehung sprechen, gegeneinander abzuwägen, insbesondere das besondere Vollzugsinteresse im Einzelfall, der Umfang der drohenden Rechtsbeeinträchtigung und die Folgen, die der Sofortvollzug eines rechtswidrigen Bescheides einerseits und das Aussetzen des Sofortvollzuges eines rechtmäßigen Bescheides andererseits mit sich bringen würden. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, umso gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. Bei einem gänzlich offenen Ausgang in der Hauptsache müssen die sonstigen gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände in jedem Fall höher zu bewerten sein als die für ihn sprechenden Umstände, da es anderenfalls bei einer bereits gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit bleibt (SächsLSG, Beschluss vom 28.04.2009 – L 7 B 566/07 AS-ER).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben überwiegt vorliegend das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers gegenüber dem öffentlichen Vollzugsinteresse, weil der Sanktionsbescheid des Antragsgegners vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.12.2016 nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist.
1. Zwar hat der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom 15.08.2016 vor Erlass des Sanktionsbescheides zur beabsichtigten Sanktion ordnungsgemäß angehört.
2. Die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II liegen ebenfalls vor. Der Antragsteller ist der im die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 08.04.2016 formulierten Verpflichtung, im Monat April 2016 zwei schriftliche Bewerbungen und im Zeitraum vom 01.05.2016 bis 31.07.2016 jeweils fünf schriftliche Bewerbungen pro Monat zu tätigen, nicht nachgekommen. Er hat daher eine Pflicht gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 SGB II verletzt. Nach der genannten Norm verletzen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Pflichten, wenn sie sich trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis weigern, in der Eingliederungsvereinbarung oder in dem dieser ersetzenden Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 3 Satz 3 festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen.
Der Antragsteller ist schriftlich über die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung informiert worden. Die Rechtsfolgenbelehrung des Bescheides vom 08.04.2016 ist nicht zu beanstanden. Insbesondere war sie hinreichend konkret, richtig, verständlich und vollständig (BSG, Urteil vom 15.12.2010 – B 14 AS 92/09 R, Rn. 24; Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R, Rn. 22 ff.; Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 53/08 R, Rn. 19 ff.; Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 60/07 R, Rn. 36; Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R, Rn. 26). Dem Antragsteller war nämlich im Bescheid vom 08.04.2016 mitgeteilt worden, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld II, sofern er die in dem Eingliederungsbescheid festgelegten Pflichten wiederrum verletzt, ohne einen wichtigen Grund nachzuweisen, vollständig entfällt. Zutreffend hat der Antragsgegner auch darauf hingewiesen, dass auf Antrag ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen erbracht werden können.
Der Antragsgegner hatte – wie vom BSG gefordert (BSG, Urteil vom 23.06.2016 – B 14 AS 30/15 R, Rn. 23) – die Bewerbungskosten für die genannte Anzahl von Bewerbungen (5,00 EUR pro Bewerbung) für zwei Bewerbungen im April 2016 und jeweils fünf Bewerbungen in den Monaten Mai bis Juli 2016 in Höhe von insgesamt 85,00 EUR vorausgezahlt.
Der Antragsteller hat keinen wichtigen Grund für sein Verhalten dargetan. Ein wichtiger Grund ergibt sich nicht daraus, dass der Antragsgegner die Kosten für eine Brille nicht übernommen hat (SächsLSG, Beschluss vom 07.12.2009 – L 3 AS 339/09 B PKH).
3. Bei der o.g. Pflichtverletzung handelt es sich auch um eine wiederholte Pflichtverletzung im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 3 bis 5 SGB II (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 5. Auflage, § 31a, Rn. 14 ff.).
Gemäß § 31a Abs. 1 Satz 4 SGB II liegt eine wiederholte Pflichtverletzung nur vor, wenn bereits zuvor eine Minderung festgestellt wurde. Sie liegt nach § 31a Abs. 1 Satz 5 SGB II nicht vor, wenn der Beginn des vorangegangenen Minderungszeitraums länger als ein Jahr zurückliegt.
a) Der Antragsgegner hatte zuvor mit Bescheid vom 01.10.2015 eine Minderung des Arbeitslosengeldes II um 60 % des maßgeblichen Regelbedarfs wegen derselben Pflichtverletzung für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.01.2016 festgestellt. Der Beginn der Minderung lag bei der wiederholten Pflichtverletzung (vgl. Berlit, a.a.O., Rn. 18; S. Knickrehm/Hahn, in: Eicher, SGB II, 3. Auflage, § 31a, Rn. 15), fehlende Bewerbungsbemühungen in den Monaten April bis Juli 2016, bezüglich des vorangegangenen Minderungszeitraums vom 01.10.2016 bis 31.12.2016 nicht länger als ein Jahr zurück. Eine Minderung war für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis 31.01.2016 mit Bescheid vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.01.2016 erfolgt.
b) Der Antragsgegner hatte mit Bescheid vom 02.02.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2015 wegen derselben Pflichtverletzung die Minderung des Arbeitslosengeldes II für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis 31.05.2015 um 30 % des maßgeblichen Regelbedarfs festgestellt. Der Antragsteller hatte die im Eingliederungsbescheid vom 22.05.2014 formulierten Pflichten zum Nachweis von Bewerbungen verletzt.
4. Es kann dahinstehen, ob die unter a) und b) genannten Sanktionen rechtmäßig waren. Das private Aussetzungsinteresse überwiegt nämlich das öffentliche Vollzugsinteresse, weil der der Sanktion zugrunde liegende Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 nach summarischer Prüfung rechtswidrig ist. Der Antragsgegner hat das als Vorfrage für die Feststellung einer Pflichtverletzung inzident zu prüfende Ermessen im Vorfeld und bei der Abfassung des Eingliederungsbescheides nicht ausgeübt. Das BSG hat mit Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R, Rn. 43 angesichts von sieben in Folge sanktionierten Meldeversäumnissen für die Meldeaufforderungen 4 bis 7 ausgeführt: "Die Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide folgt nicht aus der ‚Einladungsdichte‘ als solche (dazu a), sondern aus der als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu prüfenden (vgl dazu 5. a) und vorliegend fehlerhaften Ermessensausübung des Beklagten in der Abfolge und Ausgestaltung der Meldeaufforderungen (dazu b). b) Die Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit denselben Zwecken an die Klägerin verstößt jedoch gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung wegen einer Ermessensunterschreitung, weil relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind (zu den Voraussetzungen für die gerichtliche Überprüfung von Ermessen vgl 5. a) bb). Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Vielmehr hätte er aufgrund der vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des § 31a SGB II eingefügten Abstufungen zwischen den Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses mit einer Minderung um 10 vH und den Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung mit einer Minderung um 30 vH sowie der Erbringung ergänzender Sachleistungen bei einer Minderung um mehr als 30 vH seine bisherige Ermessensausübung überprüfen müssen. Neben dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen qualitativen Schwelle hätte dabei insbesondere in die Erwägungen eingestellt und deutlich gemacht werden müssen, dass sich der Beklagte trotz der festgestellten sieben gleichen Meldeaufforderungen mit denselben Zwecken innerhalb von acht Wochen nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. Denn der Zweck der Meldeaufforderungen muss entsprechend dem Grundgedanken des ‚Förderns und Forderns‘ im SGB II und nach § 1 Abs 2 SGB II sein, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Trotz der Überschrift ‚Sanktionen‘ vor §§ 31 bis 32 SGB II ist es nicht Ziel der Meldeaufforderungen, durch eine hohe Anzahl von Meldeversäumnissen den Anspruch der Meldepflichtigen auf Alg II zu mindern oder gar zu beseitigen. Denn es handelt sich nach dem Wortlaut und der Konzeption der §§ 31 bis 32 SGB II bei ihnen nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen ‚verhängt‘ werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung zB einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf. Neben den in den Meldeaufforderungen genannten Zwecken ‚Ihr Bewerberangebot bzw Ihre berufliche Situation‘ drängten sich vor diesem Hintergrund angesichts des Verhaltens der Klägerin und insbesondere der Vorgeschichte mit den Zweifeln an ihrer Erwerbsfähigkeit und den früheren Meldeversäumnissen als weitere Zwecke die Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf (vgl § 309 Abs 2 Nr 4, 5 SGB III). Der Beklagte hätte auch von weiteren Meldeaufforderungen Abstand nehmen und die Klägerin zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung auffordern können (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB II). In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in den Meldeaufforderungen ist von einer Ermessensunterschreitung des Beklagten auszugehen. Das LSG hat keine Ermessenserwägung des Beklagten in den angeführten Bescheiden oder den zugrunde liegenden Meldeaufforderungen, die der vorliegenden besonderen Situation Rechnung tragen, oder andere spezifische Gründe seitens des Beklagten festgestellt, die für eine wörtliche Wiederholung der bisherigen Meldeaufforderungen und gegen eine Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprachen. Den festgestellten Tatsachen im Übrigen sind ebenfalls keine dahingehenden Ermessenerwägungen des Beklagten oder andere Gründe zu entnehmen."
Gemessen an diesen Vorgaben war der Eingliederungsbescheid vom 08.04.2016 nach summarischer Prüfung rechtswidrig. Vorliegend hatte der Antragsgegner den Antragsteller vor Erlass des Eingliederungsbescheides vom 08.04.2016 bereits mindestens fünfmal aus demselben Grund, weil der Antragsteller der in verschiedenen Eingliederungsbescheiden formulierten Verpflichtung zum Nachweis von fünf schriftlichen Bewerbungen pro (vollem) Kalendermonat nicht nachgekommen war, sanktioniert. Angesichts dessen hätte er spätestens bei Erlass des Eingliederungsbescheides vom 08.04.2016 in die Erwägungen einstellen und deutlich machen müssen, dass er sich trotz der hinsichtlich der Verpflichtung zu Bewerbungsbemühungen festgestellten mindestens acht gleichen Eingliederungsbescheiden beim Erlass eines weiteren derartigen Bescheides nicht von sachfremden Erwägungen leiten ließ. Angesichts der zahlreichen gegen den Antragsteller bereits verhängten Sanktionen hätte der Antragsgegner Erwägungen anstellen müssen, ob angesichts dessen ein verändertes Vorgehen möglicherweise unter Einbeziehung psychologischer Unterstützung veranlasst ist. In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in dem Eingliederungsbescheid ist nach summarischer Prüfung von einem Ermessensfehler auszugehen.
Angesichts dessen kann dahinstehen, ob die Sanktion – vollständiger Wegfall des Arbeitslosengeldes II – mit dem Grundgesetz vereinbar ist.
Nach alledem ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Sanktionsbescheid vom 06.09.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.12.2016 anzuordnen.
5. Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Der Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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