Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 3 AS 6001/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Fahrtkosten zur ambulanten Therapie, die durch die gesetzliche Krankenversicherung verfassungskonform nicht übernommen werden, lösen einen Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II aus, wenn und soweit sie den pauschalen Rechnungsanteil im Regelbedarf für Verkehr gemäß § 5 Abs. 1 Abteilung 7 bzw. § 6 Abs. 1 Ziff. 1 – 3, Abteilung 7 RBEG übersteigen, und das Decken des übersteigenden Bedarfs durch Einsparungen nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
I. Der Bescheid des Beklagten vom 23.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2014 wird insoweit aufgehoben und der Bewilligungsbescheid vom 09.02.2014 dahingehend abgeändert, dass der Klägerin zu 1 für die Zeit vom 01.03. bis 31.08.2014 weitere Leistungen in Höhe von 195,63 EUR zu zahlen sind. II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. III. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2/5. IV. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Psychotherapie als Mehrbedarf im Rahmen der Grundsicherungsleistungen.
Die Klägerin zu 1 ist verheiratet. Der Ehemann der Klägerin ist erwerbstätig. Im streitgegenständlichen Zeitraum lebten auch der 2008 geborene Sohn der Klägerin und Kläger zu 2 (X.) und der 2002 geborene Sohn der Klägerin und Kläger zu 3 (Y.) sowie (bis zu) vier weitere Geschwister im gemeinsamen Haushalt in Dippoldiswalde. Die Familie bezieht Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 09.02.2014 Leistungen für die Zeit von März bis August 2014 in Höhe von monatlich 925,03 EUR. Dabei wurde ein Regelbedarf in Höhe von 353,00 EUR für die Klägerin zu 1 und Regelbedarfe in Höhe von je 261,00 EUR für die Kläger zu 2 und 3 in die Berechnung eingestellt.
Mit Schreiben vom 12.06.2015 beantragte der Betreuer der Klägerin zu 1 für diese und die beiden Söhne X. und Y. die Übernahme der Fahrtkosten zur ambulanten Psychotherapie als Mehrbedarf. Infolge eines Zustands nach Missbrauch sei die ambulante Therapie bei beiden Kindern erforderlich, die Mutter müsste die Kinder auf dem Weg begleiten, den diese nicht allein bewältigen können. Justin gehe immer montags zu seiner Ärztin in Dresden, Y. mittwochs zu einer anderen Ärztin, ebenfalls in Dresden. Die Krankenversicherung habe die Übernahme der Kosten abgelehnt. Es seien wöchentlich pro Kind 5,00 EUR und für die Mutter für die Monatskarte 69,00 EUR aufzuwenden.
Mit Bescheid vom 23.07.2014 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten als Mehrbedarf ab. Er habe den Bescheid vom 09.02.2014 hinsichtlich der Leistungslöhne für die Zeit vom 01.03.2014 bis 31.08.2014 geprüft. Ein Mehrbedarf für unabweisbare, laufende, besondere Bedarfe in Härtefällen sei nicht gegeben. Einen erhöhten Bedarf in einem Bereich des Regelsatzes hätten die Kläger durch Umverteilung auszugleichen. Bei einem monatlichen durchschnittlichen Mehrbedarf von 89,00 EUR sei dieser durch die zur Verfügung stehenden Mittel zu begleichen.
Hiergegen erhob der Betreuer der Klägerin zu 1 für diese und die Kläger zu 2 und 3 am 31.07.2014 Widerspruch, der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass die Fahrtkosten aus den Regelsätzen zu bestreiten seien. Ein zusätzlicher Anspruch stehe nach der Rechtsprechung des BSG unter engen Voraussetzungen zu. Ein atypischer und überdurchschnittlicher Mehrbedarf sei vorliegend nicht gegeben, sondern die Fahrtkosten könnten durch Umschichtung der Ausgaben getragen werden.
Hiergegen erhoben die Kläger am 07.10.2014 Klage und führten im Laufe des Klageverfahrens aus, dass die Krankenversicherung jetzt zwar für Jonas die Fahrtkosten dem Grunde nach bewilligt habe, pro Fahrt aber 5,00 EUR Selbstbeteiligung anfallen. Für den Kläger zu 2 (X.) lehnte die Krankenversicherung mit Bescheid vom 17.04.2015 die Leistungen weiter ab. Eine diesbezügliche Klage wurde auf richterlichen Hinweis zu den mangelnden Erfolgsaussichten zurückgenommen. Die Therapie sei zwingend erforderlich und die Begleitung bei den Fahrten durch die Mutter aufgrund des relativ jungen Alters der Kinder nötig. Die Kläger legten Belege vor, wonach in der Zeit von März bis August 2014 der Kläger zu 2 (X.) 22 mal zur Therapie ging, der Kläger zu 3 (Y.) 17 mal und die Klägerin zu 1 über diese Termine hinaus noch einmal alleine bei X.s Therapeutin zum Gespräch war. Zwar könne man theoretisch den Schadensverursacher für diese Kosten in Anspruch nehmen, dieser befinde sich aber in Haft und habe kein Geld.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2014 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 09.02.2014 dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.08.2014 höhere Leistungen &61485; für Y. (Kläger zu 3) in Höhe von insgesamt 85,00 EUR, &61485; für X. (Kläger zu 2) in Höhe von insgesamt 110,00 EUR und &61485; für M. (Klägerin zu 1) in Höhe von insgesamt 328,00 EUR zu bewilligen und zu zahlen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zunächst sei es möglich, den Schadensverursacher in Anspruch zu nehmen. Für die Kläger zu 2 und 3 sei jedenfalls keine Übernahme der Kosten möglich, da deren Aufwand im SGB V abschließend geregelt sei. Streitgegenständlich könne nur ein Zeitraum von 6 Monaten ab Antragsmonat Juni 2014 sein. Bzgl. der Fahrtkosten der Klägerin zu 1 als Begleitperson sei keine Rechtsprechung bekannt. Eine mit der Finanzierung des elterlichen Umgangsrechts vergleichbare Situation sei aber nicht gegeben. Ein Ausgleich der Fahrtkosten der Klägerin zu 1 mit anderen Positionen des Regelsatzes sei möglich, zumal sie die Monatskarte auch anderweitig nutzen könne.
Ermittlungen des Gerichts haben ergeben, dass in der preiswertesten Variante für jedes Kind pro Arztbesuch eine sogenannte 4-er-Karte gekauft werden muss zum ermäßigten Tarif von 5,20 EUR, für die Mutter ist der Kauf einer 4-er-Karte zum vollen Preis von 8,20 EUR pro Arzttermin aufgrund der tatsächlichen Anzahl von Terminen im konkreten Fall günstiger, als eine Monatskarte.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (Nr. 07708BG0006201), deren Inhalt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 23.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2014 sowie der Bewilligungsbescheid vom 09.02.2014 verletzten die Klägerin zu 1 in ihren Rechten, da sie Anspruch auf teilweise Übernahme der Fahrtkosten als Begleiterin ihrer Kinder zur ambulanten Therapie als Mehrbedarf nach dem SGB II hat. Die Kinder und Kläger zu 2 und 3 haben wegen der geringen Kostenhöhe jedenfalls keinen Anspruch.
1. Zulässiger Streitgegenstand ist nach Ansicht der Kammer vorliegend nur der Zeitraum von März bis August 2014, für den mit dem letzten aktuellen Bewilligungsbescheid vor Geltendmachung der Fahrtkosten Leistungen bewilligt waren. Zum einen beschränkt der Ablehnungsbescheid vom 23.07.2014 selbst den Umfang der Ablehnung, indem mitgeteilt wurde, dass der Bewilligungsbescheid vom 09.02.2014 für diesen Zeitraum geprüft wurde. Darüber hinaus hat auch das Bundessozialgericht mehrfach festgestellt, dass Mehrbedarfe gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, wie sie vorliegend begehrt werden, keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen, sondern dass immer die gesamte Regelleistung für diesen Zeitabschnitt zu prüfen sei (vgl. schon BSG Urteil vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 54/08 R). Eine Ablehnung gelte daher nicht, wie bei einer unbefristeten Ablehnung von Leistungen ohne Folgeantrag (vgl. hierzu BSG Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 6/13; Urteil vom 15.04.2008, AZ.: B 14/7b AS 52/06 R und schon BSG Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R), bis zur mündlichen Verhandlung fort, sondern sei durch den Bewilligungsabschnitt begrenzt, auch ohne dass dies im Ablehnungsbescheid bzgl. des Mehrbedarfs ausdrücklich erwähnt werden muss. Der Leistungsempfänger sei in der Lage auch im Folgezeitraum bei Erhalt des Bescheides zu erkennen, dass ihm die begehrte weitere und vom Regelsatz nicht trennbare Leistung erneut nicht gewährt worden sei und habe auch bzgl. Folgezeiträumen Widerspruch und ggf. Klage zu erheben. Soweit dies, wie vorliegend, nicht geschieht, ist der Streitgegenstand auf den im Antragszeitpunkt laufenden Bewilligungsabschnitt beschränkt (vgl. B 4 AS 6/13, Rn. 12, 13). Infolge richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihren Antrag hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraumes entsprechend gefasst.
2. Die Klage ist teilweise begründet hinsichtlich der Fahrtkosten der Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1 hat Anspruch auf Übernahme ihrer Fahrtkosten als Begleiterin ihrer Kinder zur ambulanten Therapie als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, soweit diese Kosten den in der Regelbedarfsberechnung veranschlagten Anteil für Verkehr übersteigen.
a) Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Die Vorschrift wurde in das SGB II infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09), in dem das BVerfG zwar die Pauschalierung des Regelsatzes grundsätzlich als verfassungsgemäß eingeschätzt hat, in seinem 4. Leitsatz aber präzisierte: "Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen."
In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II wird hinsichtlich des laufenden Bedarfs ausgeführt, dass es sich um einen "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf handeln müsse. Der Bedarf ist unabweisbar, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter oder durch Einsparmöglichkeiten des Leistungsempfängers gedeckt werden kann. Dabei ist nach der Rechtsprechung auch nicht von einer Bagatellgrenze etwa von 10 % des Regelsatzes auszugehen. Vielmehr können, abhängig von Eigenart, Häufigkeit und der Dauer des zu tragenden Bedarfs auch geringere Belastungen unzumutbar und damit unabweisbar sein (vgl. Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn 86). Schließlich muss bei Bedarfen, die, wie vorliegend ein Bedarf für Mobilität, anteilig in die Regelsatzberechnung eingeflossen sind, eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf gegeben sein.
Nach Ansicht der Kammer ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Unstrittig dürfte sein, dass es sich bei über Jahre nahezu wöchentlich anfallenden Transportkosten um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handelt. Umstritten ist, ob es sich bei Fahrtkosten zu einer ambulanten medizinischen Behandlung um einen besonderen unabweisbaren Bedarf handeln kann, oder ob dieser, soweit er nicht durch das System der Krankenversicherung abgefangen wird, jedenfalls durch den Regelsatz umfasst ist und keinen besonderen unabweisbaren Bedarf darstellen kann.
b) Nach Überzeugung der Kammer ist bzgl. eines Teils der monatlichen Fahrtkosten der Klägerin zu 1 auch ein unabweisbarer besonderer Bedarf gegeben. Die Kosten werden nicht und sind auch nicht von einem Dritten, wie zum Beispiel einem anderen Leistungsträger, zu decken. Denn der Anspruch auf einen Mehrbedarf ist vorliegend nicht durch SGB V ausgeschlossen, da die streitgegenständlichen Mobilitätskosten dort schon dem Grunde nach nicht geleistet werden. Infolgedessen hat die Krankenversicherung den Antrag auch abgewiesen.
aa) Die Übernahme von Transportkosten ist im Krankenversicherungsrecht in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V geregelt. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 12 SGB V 1 beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und soll insbesondere Richtlinien beschließen über die Verordnung von Krankentransporten (Ziff. 12). Letztere unterteilt die Verordnung in Rettungsfahrten, Krankentransporte und Krankenfahrten, wobei die Beförderung zunächst notwendig sein muss im Sinne von § 3 der Richtlinie. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie ist Voraussetzung für die Verordnung von Beförderungsleistungen, dass die Fahrt zwingend medizinisch notwendig ist, andernfalls ist die Verordnung unzulässig. Nur im Ausnahmefall werden auch Fahrten zur ambulanten Behandlung verordnet, dies ist in § 8 der Richtlinie geregelt. Gemäß § 8 Abs. 2 der Richtlinie sind Voraussetzungen für eine Verordnung oder Genehmigung u.a. dass die Behandlung oder der zur Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Gemäß Anlage 2 zur Richtlinie ist dies regelmäßig der Fall bei Dialysebehandlung, onkologischer Strahlentherapie oder Chemotherapie, wobei die Liste nicht abschließend ist.
Aus dieser Liste lässt sich aber verständlich ableiten, dass Beförderungskosten zur ambulanten Behandlung nach dem System des Krankenversicherungsrechts nur gewährt werden sollen, wenn die Beförderung selbst aufgrund besonderer medizinischer Umstände und der Schwere der Krankheit bzw. des Krankheitsverlaufs und der mit der Behandlung einhergehenden gesundheitlichen Belastung nötig ist. Die Beförderung an sich muss auf diese Weise "medizinisch indiziert" sein. Dazu genügt es nicht, dass die Beförderung erforderlich ist, um zu einer Behandlung zu gelangen. Im Grunde sind damit reine Beförderungen zur ambulanten Therapie vom System des SGB V nicht erfasst. Folgerichtig wurden diese Kosten nicht durch die Krankenversicherung übernommen.
bb) Zwar wies der für Krankenversicherungsrecht zuständige erste Senat eine Klage auf Übernahme der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ab (vgl. Urteil vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 24/10 R) und stellte in seinem dritten Leitsatz fest: "Benötigen Versicherte krankheitsbedingt Mittel, die verfassungskonform nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, sichern die bei Hilfebedürftigkeit eingreifenden Teile des Sozialsystems das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum."
In den Gründen (a.a.O., Rn 33 ff.) führte er weiter aus: "Das Gesetz sieht bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Betroffener insoweit - ggf also auch hinsichtlich notwendiger Pflegemittel - Ansprüche gegen die Sozialleistungsträger vor, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zählt. Das trifft hier namentlich auf die Leistungsträger nach SGB II und SGB XII zu." und weiter: " ist es Aufgabe dieser gesetzlichen Bestimmungen des SGB II und SGB XII, die Gewährleistung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums zu sichern, soweit es - wie dargelegt verfassungskonform - nicht durch den Leistungskatalog der GKV abgedeckt ist. Inwieweit im Einzelnen nicht von der Leistungspflicht der GKV abgedeckte Kosten für medizinisch notwendige Gesundheitspflege, zB für OTC-Präparate, dem verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum unterfallen, in der Regelleistung nach dem SGB II oder XII abgebildet sind oder Mehrbedarfsleistungen auslösen, unterliegt der Beurteilung der für die Grundsicherung und Sozialhilfe zuständigen Senate des BSG (vgl dazu zB BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 13 RdNr 25; vgl auch Ebsen SDSRV Nr 56, S 133, 142 ff)."
Dies bedeutet aber auch, dass der erste Senat jedenfalls nicht ausgeschlossen hat, dass neben Leistungen des SGB V auch Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II angebracht sein können in Fällen, in denen eine Leistung aus der Krankenversicherung nur deshalb nicht und in Übereinstimmung mit der Verfassung übernommen wird, weil der Leistungskatalog aus Kostengründen eng gehalten wird. Der erste Senat lies dabei offen, ob solche Leistungen im Regelbedarf enthalten oder als Mehrbedarf zu leisten sein würden und verwies diesbezüglich auf die Entscheidungskompetenz der für Fragen der Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII zuständigen Senate beim BSG.
cc) Vor diesem Hintergrund entschied der 14. Senat des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 26.05.2011, Az.: B 14 AS 146/10 R), dass jedenfalls verschreibungsfreie Medikamente im Regelsatz enthalten sein müssten, weil ansonsten das abschließende System des SGB V durchbrochen würde. In seinem Leitsatz führte es aus: "Die Kosten einer Krankenbehandlung sind bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten entweder durch das System des SGB 5 oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstehen grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe."
In diesen Fällen wird durch die verschreibungsfreien Medikamente die Krankheit unmittelbar behandelt, so dass eine "ureigenste" Leistung des SGB V dem Grunde nach gegeben ist. Wenn dann das SGB V gemäß seinem § 34 diese Leistungen von seinem System verfassungskonform ausschließt ist nachvollziehbar, dass dies nicht im Rahmen des SGB II durchbrochen werden soll. Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob nicht auch in diesem System in besonderen Härtefällen Bedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II gegeben sein können. In dem Fall, den das BSG noch zur Rechtslage vor Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II (daher zu § 73 SGB XII analog) zu entscheiden hatte, lag (unabhängig von dem grundsätzlichen Ausspruch im Leitsatz) schon deshalb kein unabweisbarer Bedarf vor, weil die monatlichen Kosten (mit unter 20,00 EUR) relativ gering blieben und ggf. Einsparmöglichkeiten bestehen. Bzgl. des kategorischen Ausschlusses von Mehrbedarfen hat die Kammer Bedenken, kann die Frage vorliegend allerdings deshalb offen lassen, weil hier jedenfalls ein anderer Sachverhalt, nämlich die Übernahme von Fahrtkosten und nicht von Medikamenten zu entscheiden ist. Die Gegenstände sind nach Auffassung der Kammer weder identisch noch vergleichbar.
dd) Vorliegend ist nach Überzeugung der Kammer gerade kein Fall gegeben, der vergleichbar mit der Konstellation wäre, den das Bundessozialgericht in seinem Urteil zu den nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten entschieden hat.
Bei den Klägern im vorliegenden Verfahren liegt gerade kein Fall medizinisch indizierter Fahrtkosten vor, die unter engen Voraussetzungen durch die Krankenversicherung übernommen werden, sondern reine Mobilitätskosten, denn der Transport ist eben nicht aus medizinischen Gründen (also aufgrund des Krankheitszustands der Kläger, siehe oben unter 2b, aa), sondern allein aufgrund der Entfernung nötig. Die Kosten der Klägerin sind erst recht nicht medizinisch indiziert, weil sie die Kläger nur begleitet, die zu jung sind, um diese Strecke mit Umsteigen allein zu bewältigen. Dies gilt im Übrigen nach der Rechtsprechung so lange, wie auch ein im Übrigen gesundes Kind die Begleitung benötigen würde (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 18.06.2015, Az.: S 62 (41, 50) SO 296/08 zu einem Fall der Begleitung auf dem Schulweg gemäß § 64 Abs. 4 SGB XII). Hier ist die Kammer der Auffassung, dass einem noch nicht 14-jährigen Kind ein Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln über mehrere Zonen und mit mehrfachem Umsteigen nicht allein zumutbar ist. Diese Kosten werden grundsätzlich nicht vom System des SGB V abgedeckt, was sich aus der Rechtsprechung des ersten Senats auch so ergibt. Dem steht das Urteil des 14. Senats jedenfalls nicht ausdrücklich entgegen.
Die Kammer teilt daher nicht die vom Sächsischen Landessozialgericht ausdrücklich vertretene Auffassung, dass Fahrtkosten zur ambulanten Therapie, die von der Krankenversicherung nicht übernommen werden, nicht vom Grundsicherungsträger zu erstatten seien (vgl. Beschluss vom 25.09.2013, Az.: L 7 AS 83/12 NZB). Das Landessozialgericht sah in seinem Beschluss zu einer Nichtzulassungsbeschwerde keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen zu der Frage der Übernahmefähigkeit der Transportkosten zur ambulanten Therapie, da es davon ausging, dass auch diese Frage durch die Urteile des ersten und 14. Senats des Bundessozialgerichts (mit-)beantwortet sei und kein klärungsbedürftiger Widerspruch zur erstinstanzlichen Entscheidung vorliege.
Die Kammer vermag dieses Verständnis der Urteile des ersten und 14. Senates nicht zu teilen. Sie erkennt gerade keinen Wertungswiderspruch, wenn Bedarfe, die im Regelsatz enthalten sind, im konkreten (Härte-)Fall aber die entsprechenden Anteile dauerhaft, regelmäßig und erheblich übersteigen und daher auch nicht angespart werden können, als Mehrbedarf übernommen werden, zumal der erste Senat dies ausdrücklich offen lässt. Solch erhöhte Bedarfe können im Regelsatz nicht enthalten sein, was aber gerade nicht bedeutet, dass die Höhe des Regelsatzes angegriffen würde. Denn es handelt sich eben gerade nicht um einen üblichen durchschnittlichen Bedarf, den allein der Regelsatz abbilden soll. Andernfalls ist nicht vorstellbar, in welchen Fällen der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II noch zur Anwendung kommen soll. So standen in dem durch das LSG entschiedenen Fall letztlich monatliche Fahrtkosten für den selbstgenutzten PKW von ca. 200,00 EUR (nach Abzug einer Leasingrate) im Streit. Der Kammer ist nicht erklärlich, wie dieser monatlich anfallende Bedarf durch Einsparungen noch gedeckt werden könnte.
Vielmehr verhält es sich nach Auffassung der Kammer gerade hier so, dass der typische Anwendungsfall eines Mehrbedarfs dann gegeben ist, wenn die wiederkehrenden Kosten so hoch sind, dass die dauerhafte Übernahme durch den Leistungsempfänger durch Umschichtung nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist. Eine grundsätzliche Kollision mit dem System der Krankenversicherung vermag die Kammer nicht zu erkennen, da das andere Sozialleistungssystem solche Kosten schon dem Grunde übernimmt.
c) Die Klägerin zu 1 hat aber keinen Anspruch auf vollständige Übernahme der mit den Fahrten zur Therapie ihrer Kinder verbundenen Kosten. Die Unabweisbarkeit des Bedarfes hängt auch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von den konkreten Kosten ab.
aa) Vorliegend begehrt die Klägerin zu 1 für sich für den gesamten Bewilligungsabschnitt 328,00 EUR (mithin monatlich durchschnittlich ca. 54,67 EUR), für den Kläger zu 3 85,00 EUR (monatlich im Schnitt 14,17 EUR) und den Kläger zu 2 110,00 EUR (monatlich im Schnitt ca. 18,33 EUR). Diese Beträge ergaben sich im konkreten streitgegenständlichen Zeitraum aus den Kosten für 4er-Streifenkarten in Höhe von 5,20 EUR für jedes Kind (für 1 Hin- und Rückfahrt) sowie 8,20 EUR für die Klägerin zu 1 (Hin- und Rückfahrt). Ausweislich der schriftlichen Übersichten der Therapeuten zu den tatsächlichen Behandlungsterminen im streitgegenständlichen Zeitraum fielen für den Kläger zu 3 (Y.) insgesamt 17 Hin- und Rückfahrten zur Therapie an, für den Kläger zu 2 (X.) waren es 22 (Hin- und Rück-)Fahrten und für die Mutter die Begleitung zu all diesen Terminen zuzüglich eines Einzelgesprächs mit der Therapeutin des Klägers zu 2, insgesamt also 40 Fahrten. Die Kläger zu 2 und 3 begehren pro Hin- und Rückfahrt 5,00 EUR, die Klägerin zu 1 für eine Hin- und Rückfahrt 8,20 EUR. Insgesamt sind in dieser Zeit demnach für Y. Kosten in Höhe von 85,00 EUR (17 x 5,00 EUR), für X. in Höhe von 110,00 EUR (22 x 5,00 EUR) und für die Mutter und Klägerin zu 1 in Höhe von 328,00 EUR (40 x 8,20 EUR) entstanden.
bb) Ein besonderer unabweisbarer Bedarf kann gemäß § 21 Abs. 6 SGB II jedenfalls nur entstehen, soweit der im Regelsatz pauschal veranschlagte Anteil übertroffen wird (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn 39). Dabei ist die Kammer der Ansicht, dass der Regelsatzanteil für Verkehr durchaus einzusetzen ist, da in dieser Höhe eben kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass jeder Mensch ein gewisses persönliches Lebensrisiko für seine individuelle Situation trägt, die sehr verschieden ist und im Regelsatz weder abgebildet werden kann, noch soll.
Gemäß § 5 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII i.V.m. § 20 Abs. 5 SGB II RBEG beträgt der Anteil für die Abteilung 7 "Verkehr" für erwachsene alleinstehende Leistungsbezieher im Jahr 2011 22,78 EUR und im Jahr 2014 24,62 EUR und damit nach Berechnung der Kammer etwa 6,25 % des Regelsatzes. Berechnet auf den Regelbedarf der verheirateten Klägerin in Höhe von 353,00 EUR im Monat beträgt dieser Anteil vom Regelsatz 22,06 EUR monatlich. Die Klägerin zu 1 wendete monatlich durchschnittlich 32,07 EUR über den pauschalen Regelsatzanteil hinaus für Beförderungskosten auf, mithin mehr als doppelt so viel, wie der Regelsatz vorsieht. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich hier um eine erhebliche Abweichung vom Regelsatz, zumal sie eben nicht einmalig sondern alle Monate und über Jahre hinweg wieder aufzuwenden ist.
Dieser den Pauschalsatz übersteigende Bedarf ist auch deshalb unabweisbar, weil er nicht durch Einsparmöglichkeiten aufgefangen werden kann. Zwar ist der Regelsatz gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II eigenverantwortlich individuell einzusetzen und die Leistungsbezieher sind insoweit frei aber auch gehalten, je nach individuellem Bedarf innerhalb des Regelsatzes Ausgabenpositionen zu verschieben. Dies ist aber schon denklogisch nur bis zu einer gewissen Grenze möglich, die in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt wird. Insoweit wurde in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur allerdings darauf hingewiesen, dass nicht etwa von der durch die Bundesagentur für Arbeit in Anlehnung an die Regelung zur Erstattung von Darlehen gemäß § 42a SGB II festgelegte "Bagatellgrenze" von 10 % ausgegangen werden kann (vgl. Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 49. UPD 08/2016, § 21 Mehrbedarfe, Rn 68), sondern dass diese, zudem abhängig von den Umständen des Einzelfalls auch erheblich geringer und auch schon bei 5% des Regelsatzes überschritten sein kann (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn 39), gerade weil der Bedarf laufend entsteht.
Vorliegend ist bei einem über den Regelsatzanteil hinausgehenden Mehrbedarf in Höhe von ca. 9 % des Regelsatzes aus Sicht der Kammer die "Bagatellgrenze" jedenfalls überschritten und eine weitere Umschichtung des Regelsatzes nicht zumutbar, denn Einsparmöglichkeiten sind nicht dauerhaft gegeben. Ein Verweis der Klägerin zu 1 auf evtl. Einsparpotential aus dem Regelsatz ist nach Ansicht der Kammer auch deshalb nicht zuzumuten, weil das Einsparpotential, das in den Regelsatz abstrakt eingerechnet wurde, nahezu vollständig aufgebraucht würde, so dass über Jahre hinweg keine weitere Möglichkeit besteht, andere Rücklagen für ggf. erforderliche größere Anschaffungen zu bilden. Dies ist nicht zumutbar.
Streitgegenständlich sind die konkreten Kosten für 40 Fahrten in 6 Monaten, insgesamt 328,00 EUR. Berechnet auf der Grundlage des § 5 REBG waren im Regelbedarf der Klägerin monatlich 22,06 EUR für Fahrtkosten enthalten, mithin in 6 Monaten 132,36 EUR, so dass 195,64 EUR ungedeckt bleiben, die als Mehrbedarf der Klägerin zu 1 durch den Beklagten zu übernehmen sind. Im Übrigen war die Klage der Klägerin zu 1 jedoch abzuweisen.
3. Bzgl. der Kläger zu 2 und 3 war die Klage vollumfänglich abzuweisen, da kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist.
Zwar schließt die Kammer auch bzgl. der selbst behandlungsbedürftigen Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung nach dem SGB II nicht grundsätzlich aus. Allerdings mangelt es aufgrund der relativ geringen monatlichen Kosten an einen unabweisbaren besonderen Bedarf.
Gemäß § 6 RBEG sind im Regelsatz der Kläger im Jahr 2011 je 14,00 EUR und im Jahr 2014 je 19,86 EUR für Verkehr, also für Beförderungskosten enthalten und mithin ca. 5,5 % des Regelbedarfs gemäß § 23 Ziff. 1 SGB II, der im streitgegenständlichen Zeitraum pro Kind 261,00 EUR betrug. Der Regelsatzanteil ist wiederum für den Transport zur ambulanten Behandlung einzusetzen und nicht für andere "allgemeine" Transportkosten vorzuhalten.
Bei monatlichen Kosten des Klägers zu 3 von durchschnittlich 14,00 EUR (85,00 EUR: 6) genügt der pauschale Anteil im Regelsatz für Verkehr zur Deckung der Kosten. Beim Kläger zu 2 liegt der monatlich durchschnittliche Bedarf mit 18,33 EUR (110,00 EUR: 6) ebenfalls im Bereich des Regelsatzanteils. Ein besonderer unabweisbarer Bedarf ist nicht gegeben.
Die Klage der Kläger zu 2 und 3 war daher abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Hauptsache, § 193 SGG. Die Kläger begehrten insgesamt die Übernahme von 523,00 EUR und obsiegten zu 2/5.
5. Die Berufung ist nicht kraft Gesetzes zulässig, da der Berufungsstreitwert nicht erreicht wird, § 144 Abs. 1 SGG.
Nach Auffassung der Kammer hat die Frage, ob für Fahrtkosten zu einer ambulanten Therapie ein Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II grundsätzlich neben den Leistungen des SGB V ausgeschlossen ist, oder daneben denkbar ist, grundsätzliche Bedeutung. Der 14. Senat des Bundessozialgericht hat bislang nur bzgl. frei verkäuflicher und durch die Krankenkasse nicht übernommener Medikamente in einem Fall relativ geringer monatlicher Kosten entschieden und widerspricht nach der hier vertretenen Rechtsansicht in der offenbar pauschalen Ablehnung von Mehrbedarfen auch der Rechtsprechung des ersten Senats. Das Sächsische Landessozialgericht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde bzgl. der Problematik der Kosten für Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung in Anlehnung an diese Rechtsprechung zurückgewiesen. Wie oben ausgeführt ist die Kammer nicht der Auffassung, dass diese Rechtsfrage durch die Entscheidungen des 1. und 14. Senates bereits entsprechend geklärt wäre. Eine Entscheidung bzgl. der Kosten einer Begleitperson ist der Kammer darüber hinaus jedenfalls nicht bekannt. Die Kammer hat daher die Berufung zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren die Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Psychotherapie als Mehrbedarf im Rahmen der Grundsicherungsleistungen.
Die Klägerin zu 1 ist verheiratet. Der Ehemann der Klägerin ist erwerbstätig. Im streitgegenständlichen Zeitraum lebten auch der 2008 geborene Sohn der Klägerin und Kläger zu 2 (X.) und der 2002 geborene Sohn der Klägerin und Kläger zu 3 (Y.) sowie (bis zu) vier weitere Geschwister im gemeinsamen Haushalt in Dippoldiswalde. Die Familie bezieht Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. Zuletzt bewilligte der Beklagte der Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 09.02.2014 Leistungen für die Zeit von März bis August 2014 in Höhe von monatlich 925,03 EUR. Dabei wurde ein Regelbedarf in Höhe von 353,00 EUR für die Klägerin zu 1 und Regelbedarfe in Höhe von je 261,00 EUR für die Kläger zu 2 und 3 in die Berechnung eingestellt.
Mit Schreiben vom 12.06.2015 beantragte der Betreuer der Klägerin zu 1 für diese und die beiden Söhne X. und Y. die Übernahme der Fahrtkosten zur ambulanten Psychotherapie als Mehrbedarf. Infolge eines Zustands nach Missbrauch sei die ambulante Therapie bei beiden Kindern erforderlich, die Mutter müsste die Kinder auf dem Weg begleiten, den diese nicht allein bewältigen können. Justin gehe immer montags zu seiner Ärztin in Dresden, Y. mittwochs zu einer anderen Ärztin, ebenfalls in Dresden. Die Krankenversicherung habe die Übernahme der Kosten abgelehnt. Es seien wöchentlich pro Kind 5,00 EUR und für die Mutter für die Monatskarte 69,00 EUR aufzuwenden.
Mit Bescheid vom 23.07.2014 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten als Mehrbedarf ab. Er habe den Bescheid vom 09.02.2014 hinsichtlich der Leistungslöhne für die Zeit vom 01.03.2014 bis 31.08.2014 geprüft. Ein Mehrbedarf für unabweisbare, laufende, besondere Bedarfe in Härtefällen sei nicht gegeben. Einen erhöhten Bedarf in einem Bereich des Regelsatzes hätten die Kläger durch Umverteilung auszugleichen. Bei einem monatlichen durchschnittlichen Mehrbedarf von 89,00 EUR sei dieser durch die zur Verfügung stehenden Mittel zu begleichen.
Hiergegen erhob der Betreuer der Klägerin zu 1 für diese und die Kläger zu 2 und 3 am 31.07.2014 Widerspruch, der nicht begründet wurde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.09.2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück mit der Begründung, dass die Fahrtkosten aus den Regelsätzen zu bestreiten seien. Ein zusätzlicher Anspruch stehe nach der Rechtsprechung des BSG unter engen Voraussetzungen zu. Ein atypischer und überdurchschnittlicher Mehrbedarf sei vorliegend nicht gegeben, sondern die Fahrtkosten könnten durch Umschichtung der Ausgaben getragen werden.
Hiergegen erhoben die Kläger am 07.10.2014 Klage und führten im Laufe des Klageverfahrens aus, dass die Krankenversicherung jetzt zwar für Jonas die Fahrtkosten dem Grunde nach bewilligt habe, pro Fahrt aber 5,00 EUR Selbstbeteiligung anfallen. Für den Kläger zu 2 (X.) lehnte die Krankenversicherung mit Bescheid vom 17.04.2015 die Leistungen weiter ab. Eine diesbezügliche Klage wurde auf richterlichen Hinweis zu den mangelnden Erfolgsaussichten zurückgenommen. Die Therapie sei zwingend erforderlich und die Begleitung bei den Fahrten durch die Mutter aufgrund des relativ jungen Alters der Kinder nötig. Die Kläger legten Belege vor, wonach in der Zeit von März bis August 2014 der Kläger zu 2 (X.) 22 mal zur Therapie ging, der Kläger zu 3 (Y.) 17 mal und die Klägerin zu 1 über diese Termine hinaus noch einmal alleine bei X.s Therapeutin zum Gespräch war. Zwar könne man theoretisch den Schadensverursacher für diese Kosten in Anspruch nehmen, dieser befinde sich aber in Haft und habe kein Geld.
Die Kläger beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 23.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2014 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 09.02.2014 dahingehend abzuändern, dass für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.08.2014 höhere Leistungen &61485; für Y. (Kläger zu 3) in Höhe von insgesamt 85,00 EUR, &61485; für X. (Kläger zu 2) in Höhe von insgesamt 110,00 EUR und &61485; für M. (Klägerin zu 1) in Höhe von insgesamt 328,00 EUR zu bewilligen und zu zahlen sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zunächst sei es möglich, den Schadensverursacher in Anspruch zu nehmen. Für die Kläger zu 2 und 3 sei jedenfalls keine Übernahme der Kosten möglich, da deren Aufwand im SGB V abschließend geregelt sei. Streitgegenständlich könne nur ein Zeitraum von 6 Monaten ab Antragsmonat Juni 2014 sein. Bzgl. der Fahrtkosten der Klägerin zu 1 als Begleitperson sei keine Rechtsprechung bekannt. Eine mit der Finanzierung des elterlichen Umgangsrechts vergleichbare Situation sei aber nicht gegeben. Ein Ausgleich der Fahrtkosten der Klägerin zu 1 mit anderen Positionen des Regelsatzes sei möglich, zumal sie die Monatskarte auch anderweitig nutzen könne.
Ermittlungen des Gerichts haben ergeben, dass in der preiswertesten Variante für jedes Kind pro Arztbesuch eine sogenannte 4-er-Karte gekauft werden muss zum ermäßigten Tarif von 5,20 EUR, für die Mutter ist der Kauf einer 4-er-Karte zum vollen Preis von 8,20 EUR pro Arzttermin aufgrund der tatsächlichen Anzahl von Terminen im konkreten Fall günstiger, als eine Monatskarte.
Für das weitere Vorbringen der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten (Nr. 07708BG0006201), deren Inhalt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
Der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 23.07.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2014 sowie der Bewilligungsbescheid vom 09.02.2014 verletzten die Klägerin zu 1 in ihren Rechten, da sie Anspruch auf teilweise Übernahme der Fahrtkosten als Begleiterin ihrer Kinder zur ambulanten Therapie als Mehrbedarf nach dem SGB II hat. Die Kinder und Kläger zu 2 und 3 haben wegen der geringen Kostenhöhe jedenfalls keinen Anspruch.
1. Zulässiger Streitgegenstand ist nach Ansicht der Kammer vorliegend nur der Zeitraum von März bis August 2014, für den mit dem letzten aktuellen Bewilligungsbescheid vor Geltendmachung der Fahrtkosten Leistungen bewilligt waren. Zum einen beschränkt der Ablehnungsbescheid vom 23.07.2014 selbst den Umfang der Ablehnung, indem mitgeteilt wurde, dass der Bewilligungsbescheid vom 09.02.2014 für diesen Zeitraum geprüft wurde. Darüber hinaus hat auch das Bundessozialgericht mehrfach festgestellt, dass Mehrbedarfe gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, wie sie vorliegend begehrt werden, keinen abtrennbaren Streitgegenstand darstellen, sondern dass immer die gesamte Regelleistung für diesen Zeitabschnitt zu prüfen sei (vgl. schon BSG Urteil vom 02.07.2009, Az.: B 14 AS 54/08 R). Eine Ablehnung gelte daher nicht, wie bei einer unbefristeten Ablehnung von Leistungen ohne Folgeantrag (vgl. hierzu BSG Urteil vom 12.12.2013, Az.: B 4 AS 6/13; Urteil vom 15.04.2008, AZ.: B 14/7b AS 52/06 R und schon BSG Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R), bis zur mündlichen Verhandlung fort, sondern sei durch den Bewilligungsabschnitt begrenzt, auch ohne dass dies im Ablehnungsbescheid bzgl. des Mehrbedarfs ausdrücklich erwähnt werden muss. Der Leistungsempfänger sei in der Lage auch im Folgezeitraum bei Erhalt des Bescheides zu erkennen, dass ihm die begehrte weitere und vom Regelsatz nicht trennbare Leistung erneut nicht gewährt worden sei und habe auch bzgl. Folgezeiträumen Widerspruch und ggf. Klage zu erheben. Soweit dies, wie vorliegend, nicht geschieht, ist der Streitgegenstand auf den im Antragszeitpunkt laufenden Bewilligungsabschnitt beschränkt (vgl. B 4 AS 6/13, Rn. 12, 13). Infolge richterlichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung haben die Kläger ihren Antrag hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraumes entsprechend gefasst.
2. Die Klage ist teilweise begründet hinsichtlich der Fahrtkosten der Klägerin zu 1.
Die Klägerin zu 1 hat Anspruch auf Übernahme ihrer Fahrtkosten als Begleiterin ihrer Kinder zur ambulanten Therapie als Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II, soweit diese Kosten den in der Regelbedarfsberechnung veranschlagten Anteil für Verkehr übersteigen.
a) Gemäß § 21 Abs. 6 SGB II wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht.
Die Vorschrift wurde in das SGB II infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aufgenommen (vgl. BVerfG, Urteil vom 09. Februar 2010 – 1 BvL 1/09), in dem das BVerfG zwar die Pauschalierung des Regelsatzes grundsätzlich als verfassungsgemäß eingeschätzt hat, in seinem 4. Leitsatz aber präzisierte: "Der Gesetzgeber kann den typischen Bedarf zur Sicherung des menschenwürdigen Existenzminimums durch einen monatlichen Festbetrag decken, muss aber für einen darüber hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einen zusätzlichen Leistungsanspruch einräumen."
In der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II wird hinsichtlich des laufenden Bedarfs ausgeführt, dass es sich um einen "regelmäßig wiederkehrenden, dauerhaften, längerfristigen" Bedarf handeln müsse. Der Bedarf ist unabweisbar, wenn er nicht durch Zuwendungen Dritter oder durch Einsparmöglichkeiten des Leistungsempfängers gedeckt werden kann. Dabei ist nach der Rechtsprechung auch nicht von einer Bagatellgrenze etwa von 10 % des Regelsatzes auszugehen. Vielmehr können, abhängig von Eigenart, Häufigkeit und der Dauer des zu tragenden Bedarfs auch geringere Belastungen unzumutbar und damit unabweisbar sein (vgl. Behrend in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 21, Rn 86). Schließlich muss bei Bedarfen, die, wie vorliegend ein Bedarf für Mobilität, anteilig in die Regelsatzberechnung eingeflossen sind, eine erhebliche Abweichung vom durchschnittlichen Bedarf gegeben sein.
Nach Ansicht der Kammer ist der Anwendungsbereich der Vorschrift eröffnet. Unstrittig dürfte sein, dass es sich bei über Jahre nahezu wöchentlich anfallenden Transportkosten um einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf handelt. Umstritten ist, ob es sich bei Fahrtkosten zu einer ambulanten medizinischen Behandlung um einen besonderen unabweisbaren Bedarf handeln kann, oder ob dieser, soweit er nicht durch das System der Krankenversicherung abgefangen wird, jedenfalls durch den Regelsatz umfasst ist und keinen besonderen unabweisbaren Bedarf darstellen kann.
b) Nach Überzeugung der Kammer ist bzgl. eines Teils der monatlichen Fahrtkosten der Klägerin zu 1 auch ein unabweisbarer besonderer Bedarf gegeben. Die Kosten werden nicht und sind auch nicht von einem Dritten, wie zum Beispiel einem anderen Leistungsträger, zu decken. Denn der Anspruch auf einen Mehrbedarf ist vorliegend nicht durch SGB V ausgeschlossen, da die streitgegenständlichen Mobilitätskosten dort schon dem Grunde nach nicht geleistet werden. Infolgedessen hat die Krankenversicherung den Antrag auch abgewiesen.
aa) Die Übernahme von Transportkosten ist im Krankenversicherungsrecht in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Krankenfahrten, Krankentransportleistungen und Rettungsfahrten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V geregelt. Gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 und 2 Ziff. 12 SGB V 1 beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewährung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und soll insbesondere Richtlinien beschließen über die Verordnung von Krankentransporten (Ziff. 12). Letztere unterteilt die Verordnung in Rettungsfahrten, Krankentransporte und Krankenfahrten, wobei die Beförderung zunächst notwendig sein muss im Sinne von § 3 der Richtlinie. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie ist Voraussetzung für die Verordnung von Beförderungsleistungen, dass die Fahrt zwingend medizinisch notwendig ist, andernfalls ist die Verordnung unzulässig. Nur im Ausnahmefall werden auch Fahrten zur ambulanten Behandlung verordnet, dies ist in § 8 der Richtlinie geregelt. Gemäß § 8 Abs. 2 der Richtlinie sind Voraussetzungen für eine Verordnung oder Genehmigung u.a. dass die Behandlung oder der zur Behandlung führende Krankheitsverlauf den Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist. Gemäß Anlage 2 zur Richtlinie ist dies regelmäßig der Fall bei Dialysebehandlung, onkologischer Strahlentherapie oder Chemotherapie, wobei die Liste nicht abschließend ist.
Aus dieser Liste lässt sich aber verständlich ableiten, dass Beförderungskosten zur ambulanten Behandlung nach dem System des Krankenversicherungsrechts nur gewährt werden sollen, wenn die Beförderung selbst aufgrund besonderer medizinischer Umstände und der Schwere der Krankheit bzw. des Krankheitsverlaufs und der mit der Behandlung einhergehenden gesundheitlichen Belastung nötig ist. Die Beförderung an sich muss auf diese Weise "medizinisch indiziert" sein. Dazu genügt es nicht, dass die Beförderung erforderlich ist, um zu einer Behandlung zu gelangen. Im Grunde sind damit reine Beförderungen zur ambulanten Therapie vom System des SGB V nicht erfasst. Folgerichtig wurden diese Kosten nicht durch die Krankenversicherung übernommen.
bb) Zwar wies der für Krankenversicherungsrecht zuständige erste Senat eine Klage auf Übernahme der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente ab (vgl. Urteil vom 06.03.2012, Az.: B 1 KR 24/10 R) und stellte in seinem dritten Leitsatz fest: "Benötigen Versicherte krankheitsbedingt Mittel, die verfassungskonform nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallen, sichern die bei Hilfebedürftigkeit eingreifenden Teile des Sozialsystems das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum."
In den Gründen (a.a.O., Rn 33 ff.) führte er weiter aus: "Das Gesetz sieht bei fehlender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit Betroffener insoweit - ggf also auch hinsichtlich notwendiger Pflegemittel - Ansprüche gegen die Sozialleistungsträger vor, zu deren Aufgaben die Existenzsicherung des Einzelnen im Falle der Bedürftigkeit zählt. Das trifft hier namentlich auf die Leistungsträger nach SGB II und SGB XII zu." und weiter: " ist es Aufgabe dieser gesetzlichen Bestimmungen des SGB II und SGB XII, die Gewährleistung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums zu sichern, soweit es - wie dargelegt verfassungskonform - nicht durch den Leistungskatalog der GKV abgedeckt ist. Inwieweit im Einzelnen nicht von der Leistungspflicht der GKV abgedeckte Kosten für medizinisch notwendige Gesundheitspflege, zB für OTC-Präparate, dem verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimum unterfallen, in der Regelleistung nach dem SGB II oder XII abgebildet sind oder Mehrbedarfsleistungen auslösen, unterliegt der Beurteilung der für die Grundsicherung und Sozialhilfe zuständigen Senate des BSG (vgl dazu zB BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 13 RdNr 25; vgl auch Ebsen SDSRV Nr 56, S 133, 142 ff)."
Dies bedeutet aber auch, dass der erste Senat jedenfalls nicht ausgeschlossen hat, dass neben Leistungen des SGB V auch Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II angebracht sein können in Fällen, in denen eine Leistung aus der Krankenversicherung nur deshalb nicht und in Übereinstimmung mit der Verfassung übernommen wird, weil der Leistungskatalog aus Kostengründen eng gehalten wird. Der erste Senat lies dabei offen, ob solche Leistungen im Regelbedarf enthalten oder als Mehrbedarf zu leisten sein würden und verwies diesbezüglich auf die Entscheidungskompetenz der für Fragen der Grundsicherung nach dem SGB II und SGB XII zuständigen Senate beim BSG.
cc) Vor diesem Hintergrund entschied der 14. Senat des BSG (vgl. Urteil des BSG vom 26.05.2011, Az.: B 14 AS 146/10 R), dass jedenfalls verschreibungsfreie Medikamente im Regelsatz enthalten sein müssten, weil ansonsten das abschließende System des SGB V durchbrochen würde. In seinem Leitsatz führte es aus: "Die Kosten einer Krankenbehandlung sind bei gesetzlich krankenversicherten Grundsicherungsberechtigten entweder durch das System des SGB 5 oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt. Aufgrund der Notwendigkeit einer Versorgung mit nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln entstehen grundsätzlich keine unabweisbaren laufenden Bedarfe."
In diesen Fällen wird durch die verschreibungsfreien Medikamente die Krankheit unmittelbar behandelt, so dass eine "ureigenste" Leistung des SGB V dem Grunde nach gegeben ist. Wenn dann das SGB V gemäß seinem § 34 diese Leistungen von seinem System verfassungskonform ausschließt ist nachvollziehbar, dass dies nicht im Rahmen des SGB II durchbrochen werden soll. Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob nicht auch in diesem System in besonderen Härtefällen Bedarfe nach § 21 Abs. 6 SGB II gegeben sein können. In dem Fall, den das BSG noch zur Rechtslage vor Einführung des § 21 Abs. 6 SGB II (daher zu § 73 SGB XII analog) zu entscheiden hatte, lag (unabhängig von dem grundsätzlichen Ausspruch im Leitsatz) schon deshalb kein unabweisbarer Bedarf vor, weil die monatlichen Kosten (mit unter 20,00 EUR) relativ gering blieben und ggf. Einsparmöglichkeiten bestehen. Bzgl. des kategorischen Ausschlusses von Mehrbedarfen hat die Kammer Bedenken, kann die Frage vorliegend allerdings deshalb offen lassen, weil hier jedenfalls ein anderer Sachverhalt, nämlich die Übernahme von Fahrtkosten und nicht von Medikamenten zu entscheiden ist. Die Gegenstände sind nach Auffassung der Kammer weder identisch noch vergleichbar.
dd) Vorliegend ist nach Überzeugung der Kammer gerade kein Fall gegeben, der vergleichbar mit der Konstellation wäre, den das Bundessozialgericht in seinem Urteil zu den nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten entschieden hat.
Bei den Klägern im vorliegenden Verfahren liegt gerade kein Fall medizinisch indizierter Fahrtkosten vor, die unter engen Voraussetzungen durch die Krankenversicherung übernommen werden, sondern reine Mobilitätskosten, denn der Transport ist eben nicht aus medizinischen Gründen (also aufgrund des Krankheitszustands der Kläger, siehe oben unter 2b, aa), sondern allein aufgrund der Entfernung nötig. Die Kosten der Klägerin sind erst recht nicht medizinisch indiziert, weil sie die Kläger nur begleitet, die zu jung sind, um diese Strecke mit Umsteigen allein zu bewältigen. Dies gilt im Übrigen nach der Rechtsprechung so lange, wie auch ein im Übrigen gesundes Kind die Begleitung benötigen würde (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 18.06.2015, Az.: S 62 (41, 50) SO 296/08 zu einem Fall der Begleitung auf dem Schulweg gemäß § 64 Abs. 4 SGB XII). Hier ist die Kammer der Auffassung, dass einem noch nicht 14-jährigen Kind ein Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln über mehrere Zonen und mit mehrfachem Umsteigen nicht allein zumutbar ist. Diese Kosten werden grundsätzlich nicht vom System des SGB V abgedeckt, was sich aus der Rechtsprechung des ersten Senats auch so ergibt. Dem steht das Urteil des 14. Senats jedenfalls nicht ausdrücklich entgegen.
Die Kammer teilt daher nicht die vom Sächsischen Landessozialgericht ausdrücklich vertretene Auffassung, dass Fahrtkosten zur ambulanten Therapie, die von der Krankenversicherung nicht übernommen werden, nicht vom Grundsicherungsträger zu erstatten seien (vgl. Beschluss vom 25.09.2013, Az.: L 7 AS 83/12 NZB). Das Landessozialgericht sah in seinem Beschluss zu einer Nichtzulassungsbeschwerde keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen zu der Frage der Übernahmefähigkeit der Transportkosten zur ambulanten Therapie, da es davon ausging, dass auch diese Frage durch die Urteile des ersten und 14. Senats des Bundessozialgerichts (mit-)beantwortet sei und kein klärungsbedürftiger Widerspruch zur erstinstanzlichen Entscheidung vorliege.
Die Kammer vermag dieses Verständnis der Urteile des ersten und 14. Senates nicht zu teilen. Sie erkennt gerade keinen Wertungswiderspruch, wenn Bedarfe, die im Regelsatz enthalten sind, im konkreten (Härte-)Fall aber die entsprechenden Anteile dauerhaft, regelmäßig und erheblich übersteigen und daher auch nicht angespart werden können, als Mehrbedarf übernommen werden, zumal der erste Senat dies ausdrücklich offen lässt. Solch erhöhte Bedarfe können im Regelsatz nicht enthalten sein, was aber gerade nicht bedeutet, dass die Höhe des Regelsatzes angegriffen würde. Denn es handelt sich eben gerade nicht um einen üblichen durchschnittlichen Bedarf, den allein der Regelsatz abbilden soll. Andernfalls ist nicht vorstellbar, in welchen Fällen der Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II noch zur Anwendung kommen soll. So standen in dem durch das LSG entschiedenen Fall letztlich monatliche Fahrtkosten für den selbstgenutzten PKW von ca. 200,00 EUR (nach Abzug einer Leasingrate) im Streit. Der Kammer ist nicht erklärlich, wie dieser monatlich anfallende Bedarf durch Einsparungen noch gedeckt werden könnte.
Vielmehr verhält es sich nach Auffassung der Kammer gerade hier so, dass der typische Anwendungsfall eines Mehrbedarfs dann gegeben ist, wenn die wiederkehrenden Kosten so hoch sind, dass die dauerhafte Übernahme durch den Leistungsempfänger durch Umschichtung nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist. Eine grundsätzliche Kollision mit dem System der Krankenversicherung vermag die Kammer nicht zu erkennen, da das andere Sozialleistungssystem solche Kosten schon dem Grunde übernimmt.
c) Die Klägerin zu 1 hat aber keinen Anspruch auf vollständige Übernahme der mit den Fahrten zur Therapie ihrer Kinder verbundenen Kosten. Die Unabweisbarkeit des Bedarfes hängt auch von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere von den konkreten Kosten ab.
aa) Vorliegend begehrt die Klägerin zu 1 für sich für den gesamten Bewilligungsabschnitt 328,00 EUR (mithin monatlich durchschnittlich ca. 54,67 EUR), für den Kläger zu 3 85,00 EUR (monatlich im Schnitt 14,17 EUR) und den Kläger zu 2 110,00 EUR (monatlich im Schnitt ca. 18,33 EUR). Diese Beträge ergaben sich im konkreten streitgegenständlichen Zeitraum aus den Kosten für 4er-Streifenkarten in Höhe von 5,20 EUR für jedes Kind (für 1 Hin- und Rückfahrt) sowie 8,20 EUR für die Klägerin zu 1 (Hin- und Rückfahrt). Ausweislich der schriftlichen Übersichten der Therapeuten zu den tatsächlichen Behandlungsterminen im streitgegenständlichen Zeitraum fielen für den Kläger zu 3 (Y.) insgesamt 17 Hin- und Rückfahrten zur Therapie an, für den Kläger zu 2 (X.) waren es 22 (Hin- und Rück-)Fahrten und für die Mutter die Begleitung zu all diesen Terminen zuzüglich eines Einzelgesprächs mit der Therapeutin des Klägers zu 2, insgesamt also 40 Fahrten. Die Kläger zu 2 und 3 begehren pro Hin- und Rückfahrt 5,00 EUR, die Klägerin zu 1 für eine Hin- und Rückfahrt 8,20 EUR. Insgesamt sind in dieser Zeit demnach für Y. Kosten in Höhe von 85,00 EUR (17 x 5,00 EUR), für X. in Höhe von 110,00 EUR (22 x 5,00 EUR) und für die Mutter und Klägerin zu 1 in Höhe von 328,00 EUR (40 x 8,20 EUR) entstanden.
bb) Ein besonderer unabweisbarer Bedarf kann gemäß § 21 Abs. 6 SGB II jedenfalls nur entstehen, soweit der im Regelsatz pauschal veranschlagte Anteil übertroffen wird (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn 39). Dabei ist die Kammer der Ansicht, dass der Regelsatzanteil für Verkehr durchaus einzusetzen ist, da in dieser Höhe eben kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass jeder Mensch ein gewisses persönliches Lebensrisiko für seine individuelle Situation trägt, die sehr verschieden ist und im Regelsatz weder abgebildet werden kann, noch soll.
Gemäß § 5 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII i.V.m. § 20 Abs. 5 SGB II RBEG beträgt der Anteil für die Abteilung 7 "Verkehr" für erwachsene alleinstehende Leistungsbezieher im Jahr 2011 22,78 EUR und im Jahr 2014 24,62 EUR und damit nach Berechnung der Kammer etwa 6,25 % des Regelsatzes. Berechnet auf den Regelbedarf der verheirateten Klägerin in Höhe von 353,00 EUR im Monat beträgt dieser Anteil vom Regelsatz 22,06 EUR monatlich. Die Klägerin zu 1 wendete monatlich durchschnittlich 32,07 EUR über den pauschalen Regelsatzanteil hinaus für Beförderungskosten auf, mithin mehr als doppelt so viel, wie der Regelsatz vorsieht. Nach Ansicht der Kammer handelt es sich hier um eine erhebliche Abweichung vom Regelsatz, zumal sie eben nicht einmalig sondern alle Monate und über Jahre hinweg wieder aufzuwenden ist.
Dieser den Pauschalsatz übersteigende Bedarf ist auch deshalb unabweisbar, weil er nicht durch Einsparmöglichkeiten aufgefangen werden kann. Zwar ist der Regelsatz gemäß § 20 Abs. 1 Satz 4 SGB II eigenverantwortlich individuell einzusetzen und die Leistungsbezieher sind insoweit frei aber auch gehalten, je nach individuellem Bedarf innerhalb des Regelsatzes Ausgabenpositionen zu verschieben. Dies ist aber schon denklogisch nur bis zu einer gewissen Grenze möglich, die in Rechtsprechung und Literatur uneinheitlich beurteilt wird. Insoweit wurde in der Rechtsprechung und Kommentarliteratur allerdings darauf hingewiesen, dass nicht etwa von der durch die Bundesagentur für Arbeit in Anlehnung an die Regelung zur Erstattung von Darlehen gemäß § 42a SGB II festgelegte "Bagatellgrenze" von 10 % ausgegangen werden kann (vgl. Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, 49. UPD 08/2016, § 21 Mehrbedarfe, Rn 68), sondern dass diese, zudem abhängig von den Umständen des Einzelfalls auch erheblich geringer und auch schon bei 5% des Regelsatzes überschritten sein kann (vgl. von Boetticher/Münder in LPK, 5. Aufl., § 21 Rn 39), gerade weil der Bedarf laufend entsteht.
Vorliegend ist bei einem über den Regelsatzanteil hinausgehenden Mehrbedarf in Höhe von ca. 9 % des Regelsatzes aus Sicht der Kammer die "Bagatellgrenze" jedenfalls überschritten und eine weitere Umschichtung des Regelsatzes nicht zumutbar, denn Einsparmöglichkeiten sind nicht dauerhaft gegeben. Ein Verweis der Klägerin zu 1 auf evtl. Einsparpotential aus dem Regelsatz ist nach Ansicht der Kammer auch deshalb nicht zuzumuten, weil das Einsparpotential, das in den Regelsatz abstrakt eingerechnet wurde, nahezu vollständig aufgebraucht würde, so dass über Jahre hinweg keine weitere Möglichkeit besteht, andere Rücklagen für ggf. erforderliche größere Anschaffungen zu bilden. Dies ist nicht zumutbar.
Streitgegenständlich sind die konkreten Kosten für 40 Fahrten in 6 Monaten, insgesamt 328,00 EUR. Berechnet auf der Grundlage des § 5 REBG waren im Regelbedarf der Klägerin monatlich 22,06 EUR für Fahrtkosten enthalten, mithin in 6 Monaten 132,36 EUR, so dass 195,64 EUR ungedeckt bleiben, die als Mehrbedarf der Klägerin zu 1 durch den Beklagten zu übernehmen sind. Im Übrigen war die Klage der Klägerin zu 1 jedoch abzuweisen.
3. Bzgl. der Kläger zu 2 und 3 war die Klage vollumfänglich abzuweisen, da kein unabweisbarer Bedarf gegeben ist.
Zwar schließt die Kammer auch bzgl. der selbst behandlungsbedürftigen Kläger einen Anspruch auf Übernahme der Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung nach dem SGB II nicht grundsätzlich aus. Allerdings mangelt es aufgrund der relativ geringen monatlichen Kosten an einen unabweisbaren besonderen Bedarf.
Gemäß § 6 RBEG sind im Regelsatz der Kläger im Jahr 2011 je 14,00 EUR und im Jahr 2014 je 19,86 EUR für Verkehr, also für Beförderungskosten enthalten und mithin ca. 5,5 % des Regelbedarfs gemäß § 23 Ziff. 1 SGB II, der im streitgegenständlichen Zeitraum pro Kind 261,00 EUR betrug. Der Regelsatzanteil ist wiederum für den Transport zur ambulanten Behandlung einzusetzen und nicht für andere "allgemeine" Transportkosten vorzuhalten.
Bei monatlichen Kosten des Klägers zu 3 von durchschnittlich 14,00 EUR (85,00 EUR: 6) genügt der pauschale Anteil im Regelsatz für Verkehr zur Deckung der Kosten. Beim Kläger zu 2 liegt der monatlich durchschnittliche Bedarf mit 18,33 EUR (110,00 EUR: 6) ebenfalls im Bereich des Regelsatzanteils. Ein besonderer unabweisbarer Bedarf ist nicht gegeben.
Die Klage der Kläger zu 2 und 3 war daher abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung in der Hauptsache, § 193 SGG. Die Kläger begehrten insgesamt die Übernahme von 523,00 EUR und obsiegten zu 2/5.
5. Die Berufung ist nicht kraft Gesetzes zulässig, da der Berufungsstreitwert nicht erreicht wird, § 144 Abs. 1 SGG.
Nach Auffassung der Kammer hat die Frage, ob für Fahrtkosten zu einer ambulanten Therapie ein Anspruch auf Mehrbedarf gemäß § 21 Abs. 6 SGB II grundsätzlich neben den Leistungen des SGB V ausgeschlossen ist, oder daneben denkbar ist, grundsätzliche Bedeutung. Der 14. Senat des Bundessozialgericht hat bislang nur bzgl. frei verkäuflicher und durch die Krankenkasse nicht übernommener Medikamente in einem Fall relativ geringer monatlicher Kosten entschieden und widerspricht nach der hier vertretenen Rechtsansicht in der offenbar pauschalen Ablehnung von Mehrbedarfen auch der Rechtsprechung des ersten Senats. Das Sächsische Landessozialgericht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde bzgl. der Problematik der Kosten für Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung in Anlehnung an diese Rechtsprechung zurückgewiesen. Wie oben ausgeführt ist die Kammer nicht der Auffassung, dass diese Rechtsfrage durch die Entscheidungen des 1. und 14. Senates bereits entsprechend geklärt wäre. Eine Entscheidung bzgl. der Kosten einer Begleitperson ist der Kammer darüber hinaus jedenfalls nicht bekannt. Die Kammer hat daher die Berufung zugelassen.
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