L 18 AS 806/16 WA

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 16 AS 23001/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 806/16 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2013 aufgehoben, soweit er verurteilt worden ist, den Klägerinnen für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis 31. Mai 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu zahlen. Insoweit wird die Klage abgewiesen. Der Beigeladene wird verurteilt, den Klägerinnen dem Grunde nach Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum vom 1. September 2012 bis 31. Mai 2013 zu gewähren. Der Beigeladene hat den Klägerinnen die außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen begehren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. Mai 2013.

Die 1974 geborene Klägerin zu 1. und ihre im Juni 2010 in Berlin geborene Tochter, die Klägerin zu 2., sind italienische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1. zog ihren Angaben zufolge 2009 oder 2010 als Arbeitsuchende nach Deutschland und verfügte seit 15. April 2010 über eine Freizügigkeitsbescheinigung nach Maßgabe des Freizügigkeitsgesetzes/EU (FreizügG/EU). Der Vater der Klägerin zu 2. sei kubanischer Staatsangehöriger unbekannten Aufenthalts. Die Klägerin zu 1. erhielt für ihre Tochter ab Juni 2010 Kindergeld (184 EUR; Bescheid vom 22. September 2010) und ab September 2010 Unterhaltsvorschussleistungen (133 EUR; Bescheid vom 10. Juni 2010). Die Klägerinnen bewohnten seit August 2011 eine 51,70 qm große Zweizimmerwohnung im Rahmen eines Betreuten Einzelwohnens, für die sie eine Bruttowarmmiete in Höhe von 420 EUR entrichteten.

Aufgrund ihres Antrags auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) vom August 2011 schloss die Klägerin zu 1. beim Beklagten eine Eingliederungsvereinbarung (9. August 2011), mit der ihr bis Juni 2013 "Elternzeit" eingeräumt wurde. Sie gab an, in den letzten zwei Jahren keine Beschäftigung ausgeübt zu haben. Auf ihren Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte den Klägerinnen im Februar 2012 für die Zeit vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende in einer Gesamthöhe von monatlich 830,64 EUR. Seit Juni 2012 besuchte die Klägerin zu 2. einen Kindergarten; die Klägerin zu 1. nahm ab August 2012 an einem Integrationskurs teil und ging seit Mitte Juli 2013 einer geringfügigen Beschäftigung als Küchenhilfe nach.

Mit Bescheid vom 16. August 2012 lehnte der Beklagte den Weiterbewilligungsantrag der Klägerinnen für die Zeit ab 1. September 2012 ab. In Ausführung des Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Berlin – S 16 AS 23001/12 ER – vom 28. September 2012 zahlte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. September bis 31. Dezember 2012. Den gegen den Bescheid erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Oktober 2012 zurück und führte zur Begründung aus, der Aufenthalt der Klägerin zu 1. diente allein dem Zweck der Arbeitsuche, so dass sie und ihre Tochter, die Klägerin zu 2., von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen seien.

Ein – von der Klägerin zu 1. nicht unterzeichneter – Weiterbewilligungsantrag vom 4. Oktober 2012 wurde nicht beschieden.

In Ausführung des Beschlusses des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg vom 19. Februar 2013 – L 34 AS 268/13 B ER – gewährte der Beklagte den Klägerinnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 1. Januar bis 30. April 2013 in Höhe von monatlich 652 EUR. Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 28. Juni 2013 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen ergänzende Grundsicherungsleistungen ab 16. Juli 2013 aufgrund der Beschäftigungsaufnahme der Klägerin zu 1. (Bescheid vom 16. August 2013).

Bereits mit Bescheid vom 31. Januar 2013 hatte das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten – Ausländerbehörde – den Klägerinnen gegenüber den Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland festgestellt und zugleich die zwangsweise Durchsetzung der Ausreise angedroht. Hiergegen richteten sich Verfahren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin – VG 21 K 54/13, VG 21 L 53/13 und VG 21 L 64/13 –, die die Beteiligten übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärten, nachdem die Ausländerbehörde unter dem 11. November 2013 aufgrund der Beschäftigungsaufnahme der Klägerin zu 1. den Verlustfeststellungsbescheid vom 31. Januar 2013 aufgehoben hatte.

Im hier gegenständlichen Klageverfahren hat das SG den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 16. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012 verurteilt, den Klägerinnen antragsgemäß vom 1. September 2012 bis 31. Mai 2013 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in gesetzlicher Höhe zu zahlen (Urteil vom 19. November 2013). Die Klägerinnen seien nach dem SGB II anspruchsberechtigt. Leistungsausschlüsse griffen nicht durch. Trotz des im Streitzeitraum alleinigen Aufenthaltszwecks der Arbeitsuche hätten sie als Unionsbürgerinnen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen bzw. Sozialgeld. Eine vollständige Bedarfsdeckung durch Einkommen sei nicht gegeben.

Nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens beantragt der Beklagte mit seiner Berufung unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. Dezember 2015 ( – B 4 AS 44/15 R – juris),

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, den Beigeladenen zu verurteilen, ihnen dem Grunde nach Hilfe zum Lebensunterhalts für die Zeit vom 1. September 2012 bis 31. Mai 2013 zu gewähren.

Der Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er meint, ein Anspruch der Klägerinnen bestehe auch nach Sozialhilferecht nicht, weil sich das Aufenthaltsrecht der Klägerin zu 1. allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe. Im Ermessenswege kämen allein Leistungen für die Rückreise ins Heimatland in Betracht, die nicht gewollt seien.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Gerichtsakten, die Gerichtsakten des VG Berlin – VG 21 K 54/13, VG 21 L 53/13 und VG 21 L 64/13 –, die Verwaltungsakten der Beklagten und die Ausländerakte haben vorgelegen und sind, soweit erforderlich, Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beklagten hat im Sinne einer Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und einer Verurteilung des Beigeladenen gemäß § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Erfolg. Die Klägerinnen haben zwar keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gegen den Beklagten. Sie können jedoch Hilfe zum Lebensunterhalt vom beigeladenen Sozialhilfeträger nach dem Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) beanspruchen.

Streitgegenständlich ist der SGB II-Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts insgesamt versagende Bescheid des Beklagten vom 16. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2012. In solchen Fällen ist über den geltend gemachten Anspruch zwar grundsätzlich bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 – B 11b AS 37/06 R – juris Rn. 15). Die Klägerinnen haben aber das mit der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGB) verfolgte Begehren auf den Zeitraum vom 1. September 2012 bis 31. Mai 2013 beschränkt. Der nicht beschiedene und im Übrigen von der Klägerin zu 1. nicht unterzeichnete Weiterbewilligungsantrag vom 4. Oktober 2012 begründet keine Zäsur in zeitlicher Hinsicht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juni 2010 – B 4 AS 67/09 R – juris Rn. 13).

Die Zulässigkeit der Klage wird nicht dadurch berührt, dass die Klägerinnen in Ausführung entsprechender Beschlüsse in den jeweils geführten einstweiligen Rechtsschutzverfahren Leistungen erhalten haben (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 4 AS 105/11 R – juris Rn. 12). Der Rechtsstreit hat sich schließlich nicht teilweise dadurch erledigt, dass die Leistungserbringung des Sozialhilfeträgers bereits (teilweise) als erfüllt i.S.d § 107 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) gilt (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – juris Rn. 14 m.w.N.).

Die Klägerin zu 1. ist schließlich für ihre minderjährige Tochter, die Klägerin zu 2., alleinvertretungsberechtigt (vgl. § 1626a Abs. 3 BGB); die zwischenzeitliche Vaterschaftsanerkennung (Urkunde vom 26. November 2013) begründet nicht zugleich die Übertragung des Sorgerechts (vgl. § 1626 Abs. 1 und 2 BGB).

Die Klägerinnen haben, anders als vom SG entschieden, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 7, 19 ff. SGB II. Zwar erfüllen sie die gesetzlich normierten Anspruchsvoraussetzungen im streitigen Zeitraum: Der nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 SGB II erwerbsfähigen, insbesondere nicht mehr durch Mutterschutzfristen geschützten Klägerin zu 1. hätte, was ausreichend ist, als italienische Staatsangehörige eine Beschäftigung erlaubt werden können (§ 284 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – SGB III; vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – juris Rn. 13 ff.). Die Klägerinnen waren auch unter Anrechnung des gewährten Kindergeldes und der Unterhaltsvorschussleistungen nach §§ 9, 11 ff. SGB II mangels ausreichender Mittel ergänzend hilfebedürftig. Sie hatten schließlich ihren gewöhnlichen und nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im Inland.

Die Klägerin zu 1. und mit ihr akzessorisch die Klägerin zu 2. als Familienangehörige sind jedoch von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts aufgrund von § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II (i.d.F. v. 28. August 2007, BGBl. I S. 1970, 2008) ausgeschlossen. Hiernach sind von den benannten Leistungen ausgenommen insbesondere Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland noch aufgrund des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (1.) und Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen (2.). Die Voraussetzungen für den ersten Ausschlussgrund liegen wegen des durchgehenden Aufenthalts der Klägerin zu 1. im Bundesgebiet zumindest seit dem 19. Mai 2010 (Datum der Freizügigkeitsbescheinigung) bzw. des der Klägerin zu 2. seit ihrer Geburt in Deutschland im Juni 2010 nicht vor.

Auch im Übrigen verfügten die Klägerinnen im streitgegenständlichen Zeitraum über keine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein anderes Aufenthaltsrecht. Allerdings umfasst der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II nach höchstrichterlicher Rechtsprechung "erst recht" die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (EU-Ausländer) und nicht über eine materielle Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) verfügen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 15/15 R – juris Rn. 18 m.w.N.). So liegt es bei den Klägerinnen.

Als Arbeitnehmerin war die Klägerin zu 1. mangels Erwerbstätigkeit nicht freizügigkeitsberechtigt. Dies setzt nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU die Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als Arbeitnehmer voraus, die nicht nur von geringem Umfang oder völlig untergeordneter oder unwesentlicher Bedeutung ist, wobei das erzielte Arbeitsentgelt das Existenzminimum der betreffenden Person und ihrer Familienangehörigen nicht vollständig abdecken muss (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 14 AS 15/14 R – a.a.O. Rn. 23 m.w.N.). Mangels entsprechender Beschäftigung seit ihrer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erfüllt die Klägerin zu 1. diese Voraussetzung im gegenständlichen Zeitraum nicht.

Die Klägerinnen waren auch nicht als nicht erwerbstätige Unionsbürger i.S.d. § 4 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt, da sie jedenfalls nicht über ausreichende Existenzmittel verfügten, wie bereits die Antragstellung nach dem SGB II wegen Hilfebedürftigkeit indiziert. Die ausgestellte Freizügigkeitsbescheinigung/EU nach § 5 Abs. 1 FreizügG/EU (i.d.F. des Gesetzes vom 19. August 2007 – BGBl. I S. 1970, die mit Wirkung zum 29. Januar 2013 abgeschafft worden ist; vgl. BGBl. I S. 86) hat allein deklaratorische Bedeutung (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R – a.a.O. Rn. 20) und begründete keine materielle Freizügigkeitsberechtigung.

Die Klägerinnen können sich ferner nicht auf ein nach § 11 Abs. 1 FreizügG/EU vermitteltes Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz berufen, das eine Ausnahme von dem Leistungsausschluss rechtfertigen könnte. Zwar kann gemäß § 33 AufenthG (i.d.F. der Bek. v. 25. Februar 2008; BGBl. I S. 162) einem Kind, das, wie die Klägerin zu 2., im Bundesgebiet geboren wird, abweichend von den §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt. Wenn zum Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen, wird dem im Bundesgebiet geborenen Kind die Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen erteilt. Solches ist bei der Klägerin zu 1. indes nicht der Fall; der Kindesvater galt seinerzeit als unbekannt und war nicht in die Personensorge für das Kind eingebunden, so dass es auf dessen seinerzeitigen Aufenthaltsstatus von vornherein nicht ankommt.

Zwar können nach Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 Kinder eines Staatsangehörigen aufgrund ihres Ausbildungsrechts ein eigenständiges Aufenthaltsrecht haben, von dem sich ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht des die elterliche Sorge wahrnehmenden Elternteils ableiten kann Der erst 2010 geborene Klägerin zu 2. besuchte im streitgegenständlichen Zeitraum aber noch nicht die Schule (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R – a.a.O. Rn. 30 ff.), sondern einen Kindergarten, wodurch kein Aufenthaltsrecht in vorstehendem Sinn erlangt wird.

Ein Aufenthaltsrecht der Klägerinnen ergibt sich sodann nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II). Zwar gab die Klägerin zu 1. mit ihrer Antragstellung beim Beklagten an, arbeitsuchend zu sein. Ein materielles Aufenthaltsrecht folgt hieraus jedoch nicht, da der Begriff der "Arbeitsuche" freizügigkeitsrechtlich geprägt ist (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 17), mithin entsprechend der Regelung in der Unionsbürgerrichtlinie RL 2004/38/E in Art. 14 Abs. 4 Buchst b und c (bzw. m.W. ab dem 9. Dezember 2014 auch in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a FreizügG/EU; BGBl. I S. 1922) dahingehend auszulegen ist, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt die begründete Aussicht für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bestehen muss. Eine solche realistische Chance hat für die Klägerin zu 1., die über keine berufliche Ausbildung oder eine sonstige Qualifikation oder über etwaige Berufserfahrungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, geschweige denn über deutsche Sprachkenntnisse verfügte, im streitgegenständlichen Zeitraum nicht bestanden. Auch hatte sie seit ihrer Einreise in Deutschland bis zum Beginn des gegenständlichen Zeitraums keine Erwerbstätigkeit ausgeübt, die es ihr hätte ermöglichen können, sich in dem deutschen Arbeitsmarkt zu integrieren.

Bezogen auf SGB II-Leistungen können sich die Klägerinnen schließlich nach Erklärung des Vorbehalts durch die Bundesregierung am 19. Dezember 2011 im streitigen Zeitraum nicht auf das Gleichbehandlungsgebot des Art. 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11. Dezember 1953 berufen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 43/15 R – a.a.O. Rn. 18; Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – juris Rn. 23).

Auch wenn die Klägerinnen hiernach nicht den ausdrücklich normierten Ausnahmen des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfallen, sind sie, wie ausgeführt, "erst recht" (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 19 ff.) von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II ausgeschlossen. Dieser Leistungsausschluss von Personen ohne materielles Aufenthaltsrecht soll ausweislich des Referentenentwurfs der Bundesregierung vom 30. September 2016 zum Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 17. November 2016 vom Gesetzgeber klargestellt werden (vgl. Art. 1 Nr. 2 zu § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2a des SGB II-Referentenentwurfs).

Europarechtliche oder verfassungsrechtliche Bedenken stehen dem Leistungsausschluss nach dem SGB II nicht entgegen (vgl. EuGH, Urteile vom 11. November 2014 – C-333/13 – "Dano" und vom 15. September 2015 – C-67/14 – "Alimanovic" jeweils juris); insbesondere ist der Ausschluss zur Überzeugung des Senats mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, weil zumindest nach gegenwärtiger Rechtslage für entsprechend ausgeschlossene EU-Bürgerinnen und EU-Bürger grundsätzlich Leistungen der Sozialhilfe in Betracht kommen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 15/15 R – a.a.O. Rn. 25). So liegt es hier. Soweit der genannte Referentenentwurf zur Änderung des SGB II/XII (vgl. auch BR Drs. 714/16 vom 2. Dezember 2016, wonach der Deutsche Bundestag am 1. Dezember 2016 aufgrund der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Arbeit und Soziales – Drs. 18/10518 – den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Drs. 18/10211 – im Wesentlichen unverändert angenommen hat) vorsieht, dass ausländischen Staatsangehörigen ohne Aufenthaltsrecht in den ersten fünf Jahren des Aufenthalts im Bundesgebiet nur eingeschränkte sog. Überbrückungsleistungen für einen Monat zustehen sollen, kann dies für den vorliegenden Rechtsstreit auch deshalb dahinstehen, als das Gesetz erst mit der Verkündung in Kraft treten soll und nicht rückwirkend.

Die Klägerinnen erfüllen im streitgegenständlichen Zeitraum die Leistungsvoraussetzungen nach §§ 19 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 3, 27 Abs. 1 SGB XII für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt, mit dem ein entsprechender Leistungsanspruch aufgrund einer Reduzierung des behördlichen Ermessens auf Null korrespondiert. Hinsichtlich der nach § 18 Abs. 1 SGB XII erforderlichen Kenntnis des Sozialhilfeträgers ist auf die Kenntnis des Beklagten abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 39). Der Beigeladene ist als örtlich zuständiger Sozialhilfeträger für die Gewährung der Hilfe zum Lebensunterhalt zuständig (§§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, §§ 1, 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII vom 7. September 2005, GVBl. 2005 S. 467). Soweit der sozialhilferechtliche Bedarf der Klägerinnen in Teilzeiträumen ganz bzw. teilweise durch einstweilig nach dem SGB II erbrachte Leistungen des Beklagten gedeckt worden ist, gilt ihr Anspruch gemäß § 107 SGB X als erfüllt (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 38).

Die Klägerinnen sind nicht nach § 21 SGB XII (vgl. auch § 5 Abs. 2 Satz 1 SGB II) aufgrund der Erwerbsfähigkeit der Klägerin zu 1. von Hilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 40 ff.; vom 16. Dezember 2015 – B 14 AS 15/14 R – a.a.O. Rn. 38 und vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – a.a.O. Rn. 34; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2016 – L 12 SO 79/16 B – juris Rn. 13 ff.). Denn die Klägerin zu 1. ist nicht als Erwerbsfähige dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II, sondern von entsprechenden Leistungen, wie ausgeführt, ausgeschlossen (vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. April 2016 – L 19 AS 555/15 – juris Rn. 43). Ein striktes Abgrenzungskriterium der Erwerbsfähigkeit, wie es ausweislich der Gesetzesmaterialien angestrebt worden sein mag (vgl. BT-Drs. 15/1514 S. 57; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2016 – L 12 SO 79/16 B – a.a.O. Rn. 21 ff.) ist zur Abgrenzung der Leistungssysteme, wie etwa § 7 Abs. 4 SGB II erhellt, nicht gesetzlich verwirklicht worden (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 15/15 R – a.a.O. Rn. 28).

Dass die Bundesregierung bezogen auf die Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII keinen Vorbehalt zum EFA erklärt hat, kann vorliegend dahinstehen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R – juris Rn. 20). Denn Voraussetzung für die Gleichstellung mit deutschen Staatsangehörigen nach Art. 1 EFA wäre ein erlaubter Aufenthalt der Klägerinnen im Bundesgebiet, hier im Sinne einer materiellen Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU oder einem anderen Aufenthaltsrecht (vgl. Art. 11 EFA; BVerwG, Urteil vom 24. Juni 1982 – 1 C 136/80 – juris Rn. 20). Solcherart Aufenthaltsrecht können die Klägerinnen, wie ausgeführt, für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht vorweisen, insbesondere keine Freizügigkeitsberechtigung als Arbeitsuchende i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a FreizügG/EU (vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 59/13 R – a.a.O. Rn. 21, 25 sowie vom 20. Januar 2016 – B 4 AS 15/15 R – a.a.O. Rn. 30).

Hiernach steht zwar einem Rechtsanspruch der Klägerinnen – gleichermaßen zu 1. und zu 2. (vgl. BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – a.a.O. Rn. 50) – auf Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII, dessen Voraussetzungen identisch sind mit denen des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, entgegen (vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 48 –; vom 16. Dezember 2015 – B 14 AS 15/14 R – a.a.O. Rn. 39; vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – a.a.O. Rn. 34). Höchstrichterlich entschieden ist indes zwischenzeitlich durch beide für das Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG, dass § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII nur einen Ausschluss von einem Anspruch auf Sozialhilfe, nicht aber von Sozialhilfeleistungen im Ermessenswege, wie sie § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII vorsieht, regelt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2015 – B 14 AS 15/14 R – a.a.O. Rn. 39 m.w.N.; vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 51; Urteil vom 17. März 2016 – B 4 AS 32/15 R – juris Rn. 20). Der Senat folgt dieser hiernach verfassungsrechtlich gebotenen (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 u.a., juris Rn. 63, 92) höchstrichterlichen Rechtsprechung für den vorliegenden, zeitlich in der Vergangenheit liegenden Sachverhalt ferner insofern, als aufgrund der Ermessensreglung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII insbesondere auch der Zugang zu Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt, für die Klägerin zu 2. als im Haushalt der Klägerin zu 1. lebendes Kind, eröffnet wird (BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – a.a.O. Rn. 41). Anders als der Beigeladene geltend macht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht auf eine etwaige Rückkehrmöglichkeit der Klägerinnen nach Italien an, weil der sozialhilferechtliche Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII keine eigenständige Ausschlussnorm bildet, sondern nur im Zusammenhang mit entsprechenden sozialhilferechtlichen Vorschriften Bedeutung erlangt (st. Rspr., vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2012 – B 8 SO 30/10 – juris Rn. 25 m.w.N.; BSG, Urteil vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 35/15 R – a.a.O. Rn. 42).

Soweit nach der Rechtsprechung des BSG das Ermessen des Sozialhilfeträgers hinsichtlich der Hilfe zum Lebensunterhalt auf Null reduziert ist, wenn sich das Aufenthaltsrecht des ausgeschlossenen Ausländers verfestigt hat, welches regelmäßig ab einem sechsmonatigen Aufenthalt in Deutschland der Fall sei, schließt sich der Senat jedenfalls im Hinblick darauf dieser höchstrichterlich zwischenzeitlich als gefestigt anzusehenden Rechtsprechung an, als es sich insofern um auslaufendes Recht angesichts der aller Voraussicht nach in Kürze bevorstehenden Gesetzesänderung handeln dürfte (vgl. BR Drs. 714/16 vom 2. Dezember 2016). Obgleich sich aus § 5 Abs. 3 FreizügG/EU ergibt, dass die Ausländerbehörde nicht ohne Anlass berechtigt ist, die Voraussetzungen des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU zu prüfen, hierfür vielmehr begründete Zweifel erforderlich sind, soll nach Ablauf von sechs Monaten im Regelfall eine Aufenthaltsverfestigung eintreten, soweit die Ausländerbehörde nicht den Verlust der Freizügigkeitsberechtigung (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU) feststellt (vgl. BSG, Urteile vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 55 f. und vom 20. Januar 2016 – B 14 AS 45/15 R – a.a.O. Rn. 45). Letzteres ist hier indes der Fall, nachdem der Beigeladene Anfang Mai 2012 die Ausländerbehörde in Bezug auf die Klägerinnen gemäß § 87 AufenthG über den Leistungsbezug informiert und jene sodann nach Anhörung der Klägerin zu 1. am 24. Mai 2012 mit Bescheid vom 13. Januar 2013 gemäß § 5 Abs. 4 FreizügG/EU den Verlust des Rechts der Klägerinnen auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik festgestellt hatte mit der Folge, dass sie zur Ausreise verpflichtet waren (§ 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU). Zwar war der Verlustfeststellungsbescheid mangels Anordnung des Sofortvollzugs – insoweit sind die Vollzugsmöglichkeiten der Ausländerbehörde ohnehin von vornherein gemäß Art. 30 und 31 RL 2004/38 EG i.V.m. Art. 15 Abs. 1 RL 2004/38/EG eingeschränkt – nicht sofort vollziehbar (§ 11 Abs. 2 Freizüg/EU i.V.m. § 58 Abs. 2 AufenthG) und wurde schließlich im laufendenden Gerichtsverfahren vor dem VG Berlin – VG 21 K 54/13 – unter dem 11. November 2013 durch die Ausländerbehörde aufgehoben. Allerdings beruhte die Aufhebung allein auf einer Änderung der Sachlage – Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung durch die Klägerin zu 1. –, die die Ausländerbehörde zu berücksichtigen hatte, weil maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Verlustfeststellung der Zeitpunkt der (letzten) gerichtlichen Entscheidung ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juli 2015 – 1 C 22.14 – juris Rn. 11). Eine zunächst rechtmäßige Verlustfeststellung wird mit der Änderung der tatsächlichen Umstände rechtswidrig und ist hiernach – mit entsprechender Kostenfolge zu Lasten des Ausländers – aufzuheben. So lag es hier.

Allerdings kann im Ergebnis dahinstehen, dass hiernach für den streitgegenständlichen Zeitraum jedenfalls kein Fall der nach der Rechtsprechung des BSG typisiert anzunehmenden Aufenthaltsverfestigung der Klägerinnen gegeben ist, mit der Folge, dass ihnen im Sinne einer Gleichbehandlung mit Drittstaatlern, die sich tatsächlich ohne Aufenthaltsperspektive im Inland aufhalten (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII), zumindest im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt dieselben Leistungen zu gewähren sind. Denn das BSG hat ergänzend zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ermessensausübung für die Gewährung lebensunterhaltssichernder Leistungen unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Asylbewerberleistungsrecht (vgl. BVerfG, Urteil vom 28. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 – a.a.O.) ausgeführt, dass eine Beschränkung auf Minderbedarfe von vornherein nur für kurzfristige Aufenthalte möglich sei und nicht mehr in Betracht komme, wenn der tatsächliche Aufenthalt des Ausländers die Spanne eines Kurzaufenthalts deutlich überschritten habe; insofern sei im Regelfall das Ermessen des Leistungsträgers auf Null reduziert und damit eine Anpassung an die Hilfe zum Lebensunterhalt für diejenigen vorzunehmen, die sich nicht nur kurzfristig im Inland aufhalten (vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 57 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 u.a. –, a.a.O. Rn. 96). Solche Umstände, die ausnahmsweise trotz Zeitablaufs das Ermessen des Sozialhilfeträgers nicht reduzierten, lägen insbesondere vor, wenn die tatsächlichen Lebensumstände des Unionsbürgers darauf schließen ließen, dass er nicht auf Dauer im Inland verweilen werde. Gleiches gelte, wenn die Ausländerbehörde bereits konkrete Schritte zur Beendigung des Aufenthalts eingeleitet habe. Dahinstehen kann, ob mit dieser Rechtsprechung, die der Senat ebenfalls in Anbetracht der voraussichtlichen Neuregelung der vorliegenden Entscheidung zugrunde legt, die Einleitung konkreter Abschiebemaßnahmen zur ausländerbehördlichen Durchsetzung der Ausreisepflicht für erforderlich erachtet werden, welche vorliegend nach den Ausführungen der Ausländerbehörde im Hinblick auf die aufschiebende Wirkung der verwaltungsgerichtlichen Klage bis zu einem etwaigen negativen Abschluss des Verfahrens nicht im Raum standen (vgl. § 11 Abs. 2 FreizügG/EU i.V.m. § 58 Abs. 2 AufenthG; Schreiben der Ausländerbehörde vom 15. März 2016 zu VG 21 K 54/13). Denn nachdem sich zwischenzeitlich auch aus § 2 Abs. 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG i.d.F. d. Gesetzes v. 10. Dezember 2014, BGBl. I 2187, mit dem die Vorgaben des BVerfG mit Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 u.a. – a.a.O., umgesetzt werden sollten) ergibt, dass Nicht-EU-Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die insbesondere nur eine Duldung nach § 60a AufenthG besitzen (mit der Folge, dass der weitere Aufenthalt des ausreisepflichtigen Ausländers lediglich nicht strafbar ist, vgl. § 60a Abs. 3 AufenthG sowie Bauer in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage 2013, § 60a AufenhG Rn. 17) oder vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist, sowie deren Familienangehörige (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 bis 6 AsylbLG), abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG Leistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII erhalten, wenn sie sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, hat der Beigeladene im Rahmen seiner Ermessensausübung unter Beachtung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsordnung (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Oktober 2016 – 2 BvR 1943/16 – juris Rn. 22; sowie BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R – a.a.O. Rn. 56 unter Hinweis auf den zu erreichenden "Gleichklang" mit Ausländern, die sich tatsächlich ohne Aufenthaltsperspektive im Inland aufhalten), des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG; vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10 u.a. – a.a.O. Rn 61 ff.) Entsprechendes zu beachten. Nachdem das BVerfG eine pauschale Differenzierung nach dem Aufenthaltsstatus im Hinblick auf die Ausgestaltung der existenzsichernden Leistungen ausdrücklich abgelehnt hat und, wie ausgeführt, eine Beschränkung auf etwaige Minderbedarfe für Kurzaufenthalte dann nicht mehr in Betracht kommt, wenn der tatsächliche Aufenthalt die Spanne eines Kurzaufenthalts deutlich überschritten hat mit der Folge, dass zeitnah zu den existenzsichernden Leistungen für Normalfälle überzugehen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – B 1 BvL 10/10 u.a. – a.a.O. Rn. 99), ist das Ermessen des Beigeladenen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII auf Null reduziert mit der Folge, dass er den Klägerinnen, die sich im streitgegenständlichen Zeitraum im Inland länger als zwei Jahre tatsächlich und ohne Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Dauer des Aufenthalts aufgehalten haben, für den streitgegenständlichen Zeitraum die in § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII geregelten Leistungen dem Grunde nach zu bewilligen und – soweit die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X nicht greift – nachzuzahlen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerinnen im Sinne einer Verurteilung des Beigeladenen obsiegt haben.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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