L 19 AS 1971/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 40 AS 1124/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1971/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 29.08.2016 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit - neben weiteren Voraussetzungen - die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist. Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 - BVerfGE 81, 347). Das Gericht muss den Rechtsstandpunkt des antragstellenden Beteiligten auf Grund seiner Sachdarstellung, der vorhandenen Unterlagen und unter Berücksichtigung des gegnerischen Vorbringens für zumindest vertretbar halten und - soweit nötig - in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt sein.

Vorliegend besteht aber nur eine fernliegende Möglichkeit, dass die Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

Streitgegenständlich ist der Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016, insbesondere die Frage, ob dem Kläger zu 2) ein Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II wegen der von ihm durchgeführten Heimdialyse zusteht und damit bei der Berechnung der Verteilung des Einkommens der Klägerin zu 1) entsprechend der horizontalen Berechnungsmethode nach § 9 Abs. 2 SGB II ein höherer Gesamtbedarf und eine andere prozentuale Verteilung auf die Bedarfe der Kläger zugrunde zu legen ist. Diesen Mehrbedarf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 03.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.02.2016 ab. Zuvor hatte der Beklagte mit Bescheid vom 21.12.2015 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 03.02.2016 der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung des entsprechenden Mehrbedarfes bewilligt.

Nach § 21 Abs. 6 SGB II kann ein von dem Regelbedarf umfasster, nach den Umständen nicht gedeckter laufender und unabweisbarer Bedarf übernommen werden, wenn er erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass über die typisierten Mehrbedarfe nach § 21 Abs. 2 bis 5 SGB II hinaus und jenseits der Möglichkeit, vorübergehende Spitzen besonderen Bedarfs durch ein Darlehen aufzufangen, solche Bedarfe im System des SGB II gedeckt werden, die entweder der Art oder der Höhe nach bei der Bemessung des Regelbedarfs nicht berücksichtigt sind (BSG, Urteil vom 20.01. 2016 - B 14 AS 8/15 R -, SozR 4-4200 § 21 Nr. 25 m.w.N.)

Wegen der Subsidiarität des Systems des Grundsicherungsrechts kann ein medizinischer Bedarf unabweisbar i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II grundsätzlich nur dann sein, wenn nicht die gesetzliche Krankenversicherung oder Dritte zur Leistungserbringung, also zur Bedarfsdeckung, verpflichtet sind (BSG, Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 8/15 R - SozR 4-4200 §21 Nr. 25 m.w.N.; siehe auch BSG, Beschluss vom 05.07.2016 - B 1 KR 18/16 B, wonach ein im Einzelfall seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweichender medizinscher Bedarf als unabweisbarer Bedarf i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II in Betracht kommt, der zur Sicherung des zu gewährenden menschenwürdigen Existenzminimums notwendig, aber verfassungskonform kein Leistungsgegenstand der GKV ist).

Vorliegend ist die Durchführung einer Dialyse in einem Dialysezentrum vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, die Kosten für eine Heimdialyse sind nicht umfasst. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts schließt dies aber nicht zwangsläufig aus, dass der vom Kläger zu 2) geltend gemachte Bedarf für die Heimdialyse als unabweisbar einzustufen ist. Der Kläger zu 2) kann nicht ohne weitere Ermittlungen zu den Vorteilen einer Heimdialyse darauf verwiesen werden, dass er die Dialyse im Dialysezentrum durchführen kann. So sind die Vorteile einer Heimdialyse dadurch gekennzeichnet, dass die Betroffenen ihren Alltag einfacher und besser organisieren können und somit auch dem Arbeitsleben eher zur Verfügung stehen.

Vorliegend scheitert der Anspruch jedoch daran, dass der Kläger zu 2) wegen seiner Erkrankung keine Kosten geltend gemacht hat, die über das hinaus gehen, was für die übrigen Kosten für Gesundheitspflege im Regelbedarf vorgesehen ist (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 6/13 R, BSGE 115, 77, Rn. 22; Urteil vom 26.05.2011 - B 14 AS 146/10 R, BSGE 108, 235, Rn. 25f). Zwar machen die Kläger mit ihrer Beschwerde einen monatlichen Mehrbedarf für die Heimdialyse in Höhe von 137,72 EUR geltend. Dieser Bedarf setze sich aus 19,99 EUR Telefonkosten, 29,14 EUR Stromkosten und 88,59 EUR Wasserkosten zusammen. Diese einzelnen Kosten können jedoch vorliegend nicht als alleiniger Mehrbedarf für die Heimdialyse angesehen werden.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Telefonkosten bereits im Regelbedarf nach § 20 SGB II enthalten sind (BSG, Urteil vom 28.03.2013 - B 4 AS 12/12 R -, SozR 4-4200 § 20 Nr. 18). Dass hier im Zusammenhang mit der Heimdialyse besondere Kosten anfallen, die nicht vom Regelbedarf gedeckt sind, ist nicht ersichtlich.

Ferner lassen die Kläger außer Betracht, dass das Dialysezentrum im Rahmen der Heimdialyse nach den Ausführungen der AOK Rheinland/Hamburg vom 18.12.2015 mit den Klägern eine Vereinbarung zu treffen hat, inwieweit die durch die Heimdialyse entstehenden zusätzlichen Kosten auszugleichen sind. Denn das Dialysezentrum erhält auch im Rahmen der Heimdialyse von der gesetzlichen Krankenversicherung die für einen Dialysepatienten anfallenden Kosten in vollem Umfang erstattet. Insoweit hat sich das Dialysezentrum bisher auch bereit erklärt, dem Kläger zu 2) einen Betrag von monatlich 100,00 EUR zukommen zu lassen. Im Rahmen der Internetrecherche des Senats zu den Kosten von Heimdialysen ergibt sich, dass die Dialysezentren regelmäßig Pauschalen zwischen 100,00 und 125,00 EUR an die Patienten, die Heimdialyse durchführen, zahlen. Die Kläger haben bisher nicht nachgewiesen, dass sie bereits Verhandlungen mit dem Dialysezentrum über diese Pauschale, die eine Zuwendung Dritter i.S.v. § 21 Abs. 6 SGB II darstellt, geführt haben. Das SGB II stellt lediglich existenzsichernde Leistungen zur Verfügung, sodass im Rahmen der Selbsthilfe zu versuchen ist, seinen Bedarf selbständig zu decken. Die Kosten für die Heimdialyse können vor diesem Hintergrund nicht ohne Weiteres auf die Allgemeinheit übertragen werden.

Dies zugrunde gelegt ist von dem von den Klägern geltend gemachten Mehrbedarf in Höhe von 137,72 EUR der Betrag von 19,99 EUR für Telefonkosten sowie der Betrag von mindestens 100,00 EUR für die Heimdialysekosten abzuziehen. Es verbleibt ein Betrag von 17,72 EUR. Da die Kläger bisher nicht nachgewiesen haben, dass sie tatsächlich Verhandlungen mit dem Dialysezentrum über die Erstattung der Kosten geführt haben und dieser Betrag fast annähernd dem Betrag entspricht, der im Regelbedarf für Gesundheitskosten enthalten ist, machen die Kläger hier keine Kosten geltend, die im Wesentlichen über das hinausgehen, was für die übrigen Kosten für Gesundheitspflege im Regelbedarf vorgesehen ist.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht erstattungsfähig (§§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG, 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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