S 5 AS 3770/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AS 3770/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der russischen Altersarbeitsrente handelt es sich um eine Rente wegen Alters, deren Bezug einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II ausschließt.

2. § 105 SGB X betrifft nur Fälle, in denen ein örtlich oder sachlich unzuständiger Träger eine ansonsten rechtmäßige Sozialleistung erbracht hat. Widerspricht hingegen die Leistung nicht nur der Zuständigkeitsverteilung, sondern auch dem materiellen Sozialrecht, so ist § 105 SGB X nicht anwendbar.
1. Der Bescheid vom 8.5.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.10.2015 wird aufgehoben, soweit der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslo-sengeld II für Juni 2007 zurückgenommen und Erstattung von mehr als 48.431,68 EUR gefordert hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Rücknahme bzw. Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.6.2007 – 31.7.2013 wegen Bezugs einer russischen Altersrente und die Erstattung erbrachter Leistungen.

Die Klägerin wurde am xx.xx.1948 in der Sowjetunion geboren. Seit Oktober 2001 lebt sie in Deutschland. Bis zum 31.5.2007 bezog sie Arbeitslosengeld II von der ArGe R ...

Wegen eines Umzugs nach B. zum 1.6.2007 beantragte die Klägerin die Fortzahlung von Arbeitslosengeld II beim nun örtlich zuständigen Beklagten. In der Einkommenserklärung (Zusatzblatt 2.1 zum Antragsvordruck) gab die Klägerin durch Ankreuzen am 2.4.2007 an, Einkommen habe sie nur in Form von Kindergeld für ihren Sohn. Die Einkommensquelle "Rente, Pension" kreuzte sie hingegen nicht an.

Der Beklagte bewilligte ihr daraufhin mit Bescheid vom 16.5.2007 Arbeitslosengeld II (Regelbedarf; Bedarf für Unterkunft und Heizung; Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung) für die Zeit vom 1.6. – 30.11.2007 in Höhe von monatlich 549,75 EUR.

Bei den weiteren Fortzahlungsanträgen im streitigen Zeitraum erwähnte die Klägerin ebenfalls keine Rente. Vielmehr gab sie durch Ankreuzen an, in den Einkommensverhältnissen sei keine Änderung eingetreten; sie habe kein Einkommen außer Kindergeld (Anträge vom 19.10.2007, 13.5.2008, 17.10.2008, 28.4.2009, 23.10.2009, 29.12.2009, 4.8.2010, 4.1.2011, 22.6.2011, 4.1.2012 und 18.6.2012).

Aufgrund dessen bewilligte der Beklagte der Klägerin für den streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld II in folgender monatlicher Höhe: 1.12.2007 – 31.5.2008: 550,75 EUR (Bescheid vom 22.10.2007), 1.6. – 31.7.2008: 550,75 EUR (Bescheid vom 13.5.2008), 1.8. – 30.11.2008: 554,75 EUR (Änderungsbescheid vom 7.11.2008), 1. – 31.12.2008: 554,75 EUR (Änderungsbescheid vom 26.5.2009), 1.1. – 30.4.2009: 554,75 EUR (Änderungsbescheid vom 26.5.2009), 1. – 31.5.2009: 578,75 EUR (Änderungsbescheid vom 5.5.2009), 1. – 30.6.2009: 525,91 EUR (Änderungsbescheid vom 9.10.2009), 1. – 31.7.2009: 532,79 EUR (Änderungsbescheid vom 9.10.2009), 1.8. – 30.11.2009: 532,79 EUR (Änderungsbescheid vom 2.11.2009), 1. – 31.12.2009: 532,79 EUR (Bescheid vom 2.11.2009), 1. – 31.1.2010: 523,32 EUR (Änderungsbescheid vom 3.12.2009), 1.2. – 31.7.2010: 378,79 EUR (Änderungsbescheid vom 2.2.2010), 1.8. – 31.12.2010: 533,06 EUR (Bescheid vom 4.8.2010), 1. – 31.1.2011: 543,66 EUR (Änderungsbescheid vom 27.7.2011), 1.2. – 31.7.2011: 543,66 EUR (Änderungsbescheid vom 27.7.2011), 1. – 31.8.2011: 543,66 EUR (Bescheid vom 27.7.2011), 1.9.2011 – 31.1.2012: 651,50 EUR (Änderungsbescheid vom 18.10.2011), 1. – 29.2.2012: 683 EUR (Bescheid vom 1.2.2012), 1.3. – 31.7.2012: 644 EUR (Bescheid vom 1.2.2012), 1.8.2012 – 31.1.2013: 644 EUR (Bescheid vom 20.6.2012), 1.2. – 31.7.2013: 644 EUR (Bescheid vom 20.6.2012). Darüber hinaus bewilligte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 1.2.2012 einmalig weitere 62,45 EUR wegen einer Nachforderung von Heiz- und Nebenkosten.

Mit Anhörungsschreiben vom 13.8.2013 teilte der Beklagte der Klägerin mit, wie er am 9.7.2013 erfahren habe, habe der russische Rentenversicherungsträger der Klägerin bereits am 11.9.2006 Altersrente bewilligt. Diese Rente schließe gemäß § 7 Abs. 4 SGB II einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II aus. Angesichts dessen habe die Klägerin die bewilligten Leistungen zu Unrecht bezogen. Die fehlerhafte Bewilligung sei erfolgt, weil die Klägerin in ihren Anträgen zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht habe. Vor diesem Hintergrund beabsichtige er, die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab dem 1.6.2007 zurückzunehmen und die erbrachten Leistungen für die Zeit bis zum 31.7.2013 zurückzufordern. Die Klägerin habe Gelegenheit, sich hierzu bis zum 30.8.2013 zu äußern.

Hierauf antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 27.8.2013, die russische Altersrente werde nicht auf ihr Konto in Deutschland überwiesen. Zwischen Oktober 2001 und Oktober 2010 sei sie nicht in Russland gewesen. Am 6.10.2010 habe sie ein Konto bei der russischen Sparkasse eröffnet. Auf diesem Konto sei erstmals am 17.10.2011 Rente eingegangen. Einkommen sei nur dann zu berücksichtigen, wenn es tatsächlich zufließt. Außerdem betrage die Rente weniger als 50 EUR pro Monat. Berücksichtige man die Aufwendungen, die erforderlich seien, um die Rente zu erhalten (Kosten für die Reise nach Russland, die dortige Unterkunft und das Konsulat), so führe sie zu keinem "wirklichen Anstieg" ihres Einkommens. Sie sei davon ausgegangen, ein "nicht existierendes" Einkommen müsse sie nicht mitteilen. Die Fragen des Beklagten in den Antragsvordrucken habe sie wegen der unklaren Formulierungen und ihrer schlechten Deutschkenntnisse nicht verstanden.

Mit Bescheid vom 8.5.2014 nahm der Beklagte die "Entscheidungen vom 21. Mai 2007, 24. Oktober 2007, 15. Mai 2008, 6. November 2008, 7. Mai 2009, 2. November 2009, 5. August 2010, 20. Januar 2011, 27. Juli 2011, 2. Februar 2012 und 20. Juni 2012" über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ganz zurück; zugleich forderte er von der Klägerin Erstattung eines Betrags in Höhe von insgesamt 49.014 EUR. Zur Begründung gab er an, der russische Rentenversicherungsträger habe der Klägerin bereits am 11.9.2006 Altersrente bewilligt. Ihr habe daher nach § 7 Abs. 4 SGB II im gesamten streitigen Zeitraum kein Arbeitslosengeld II zugestanden. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 und 3 SGB X für eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung lägen vor. Denn zum einen habe die Klägerin bei ihren Anträgen zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht; zum anderen habe sie gewusst, dass sie keinen Anspruch auf die bewilligten Leistungen hat. Ihr Vortrag im Anhörungsverfahren ändere daran nichts. Das zu Unrecht gezahlte Arbeitslosengeld II müsse die Klägerin gemäß § 50 SGB X erstatten, ebenso gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 335 SGB III die entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung.

Hiergegen legte die Klägerin am 26.5.2014 Widerspruch ein. Sie machte geltend, der Beklagte habe ihre Argumente aus dem Schreiben vom 27.8.2013 nicht hinreichend gewürdigt. Rente sei auf ihrem russischen Konto erstmals am 3.10.2011 eingegangen. Zudem handele es sich bei der russische Altersrente um kein Einkommen, sondern um eine "Ausgleichszahlung". Durch seinen Bescheid schränke der Beklagte ihr Recht auf Grundsicherung rückwirkend ein; seine Forderung belaste sie finanziell stark.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.10.2015 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, gemäß § 7 Abs. 4 SGB II erhalte Leistungen nach dem SGB II nicht, wer Rente wegen Alters bezieht – unabhängig von deren Höhe. Auch der Bezug einer ausländischen Altersrente könne einem Anspruch auf Arbeitslosengeld II entgegenstehen, sofern sie nach Funktion und Struktur einer deutschen Altersrente vergleichbar ist. Dies sei anzunehmen, wenn sie von einem öffentlich-rechtlichen Träger gewährt wird, das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze voraussetzt und dazu dienen soll, den Lebensunterhalt zu sichern. Unerheblich sei hingegen, ob die Altersgrenze mit den deutschen Altersgrenzen identisch ist und ob die Rente auch im Wohnsitzstaat, in den sie exportiert wird, zum Lebensunterhalt ausreicht. In Russland werde die Altersrente vom Rentenfonds der Russischen Föderation gewährt, also einem öffentlich-rechtlichen Träger. Sie knüpfe an eine Altersgrenze an; für Frauen liege das Renteneintrittsalter bei 55 Jahren. Die Klägerin habe im Jahr 2003 ihr 55. Lebensjahr vollendet. Bereits im Jahr 2005 habe sie ein Unternehmen damit beauftragt, für sie in Russland Rente zu beantragen. Am 11.9.2006 habe sie einen Rentenausweis erhalten. Darin sei die Höhe der monatlichen Rente festgesetzt worden, und zwar rückwirkend ab April 2006. In ihrem Namen sei am 31.5.2007 in Russland ein Konto eröffnet worden. Auf diesem Konto sei am 6.7.2007 eine einmalige Rentenzahlung in Höhe von 42.121,57 Rubel eingegangen, danach monatlich Zahlungen zwischen 2.844,46 Rubel (im August 2007) und 8.861,02 Rubel (im Juli 2013). Es sei unerheblich, dass es sich hierbei um kein deutsches, sondern um ein russisches Konto gehandelt habe. Der Klägerin habe daher kein Arbeitslosengeld II zugestanden. Bereits zum Zeitpunkt ihres ersten Antrags bei ihm, dem Beklagten, sei Altersrente auf ihr russisches Konto geflossen. Obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre, habe die Klägerin weder bei diesem Antrag noch bei den späteren Fortzahlungsanträgen die Rente erwähnt. Dies sei zumindest grob fahrlässig gewesen. Das zu Unrecht gezahlte Arbeitslosengeld II in Höhe von 38.299,35 EUR müsse die Klägerin erstatten, ebenso die entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 10.714,65 EUR, zusammen 49.014 EUR.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 19.11.2015 erhobenen Klage. Sie trägt nochmals vor, die Altersrente sei nicht auf ihr deutsches Konto geflossen. Bis zum 5.10.2010 sei die Rente auf ihrem Konto in Russland aufbewahrt worden. Ohnehin hätte die Altersrente nicht gereicht, um ihren Lebensunterhalt und die Unterkunftskosten in Deutschland zu decken. Umgerechnet habe sie von 2007 bis 2013 russische Altersrente nur in Höhe von 9.517,69 EUR erhalten. Dieser Betrag entspreche nur etwa 20 % der Summe, die der Beklagte von ihr zurückfordere. Keinesfalls habe sie eine "böse Absicht" gehabt.

Der Beklagte hat im Wege eines Teil-Anerkenntnisses die Rücknahme der Bewilligung für Juni 2007 aufgehoben und seine Erstattungsforderung um 582,32 EUR auf nun 48.431,68 EUR reduziert.

Im Übrigen beantragt der Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Er verweist zur Begründung auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat die Klägerin im Rahmen eines Erörterungstermins am 4.4.2016 ergänzend angehört. Bei diesem Termin haben die Beteiligten einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1) Die Klage, über die das Gericht gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet.

a) Erfolgreich ist die Klage nur, soweit der Beklagte ein Teil-Anerkenntnis abgegeben hat.

Mit Schriftsatz vom 16.12.2015 hat der Beklagte im Wege eines Teil-Anerkenntnisses die Rücknahme der Bewilligung von Arbeitslosengeld II für Juni 2007 aufgehoben und seine Erstattungsforderung um 582,32 EUR auf 48.431,68 EUR reduziert. Dieses Teil-Anerkenntnis hat die Klägerin nicht gemäß § 101 Abs. 2 SGG angenommen. In einem solchen Fall ergeht gemäß § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 307 ZPO ein Anerkenntnisurteil, und zwar auch ohne gesonderten Antrag des Klägers (Wehrhahn in: Breitkreutz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 102 Rdnr. 21).

b) Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Zu Recht hat der Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.7.2007 – 31.7.2013 aufgehoben bzw. zurückgenommen (dazu aa) und Erstattung der erbrachten Leistungen gefordert (dazu bb).

aa) Die Entscheidung des Beklagten über die Aufhebung bzw. Rücknahme ist sowohl formal (dazu (1)) als auch materiell (dazu (2) und (3)) rechtmäßig.

(1) Zwar hat der Beklagte im Verfügungssatz des angefochtenen Bescheid vom 8.5.2014 nur diejenigen Bescheide genannt, mit denen er erstmals für den jeweiligen Bewilligungszeitraum Arbeitslosengeld II festgesetzt hatte; spätere Änderungsbescheide hat er dort nicht erwähnt. Für einen verständigen Empfänger des Bescheids war aber klar, dass der Beklagte auch die Änderungsbescheide hat zurücknehmen wollen: Dem Beklagten ging es erklärtermaßen darum, die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1.6.2007 – 31.7.2013 ganz zurückzunehmen; hiermit übereinstimmend hat er für diesen Zeitraum durchgehend Erstattung erbrachter Leistungen gefordert. Vor diesem Hintergrund wäre nicht verständlich, wenn er die Änderungsbescheide, mit denen er für einzelne Monate die Höhe der Leistungen neu festgesetzt hatte, von der Rücknahme ausnimmt. Denn dann bildeten die Änderungsbescheide weiterhin einen Rechtsgrund, um die Leistungen zu behalten; Erstattung könnte der Beklagte dann nicht fordern. Vor diesem Hintergrund musste ein verständiger Adressat des angefochtenen Bescheids vom 8.5.2014 davon ausgehen, dass der Beklagte alle der Rückforderung entgegenstehenden Bescheide beseitigen will, also auch die Änderungsbescheide (vgl. zu einer ähnlichen Konstellation: BSGE 114, 188 Rdnr. 16).

(2) Die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.7. – 30.11.2007 konnte der Beklagte auf § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 3 S. 1 SGB III und § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X stützen.

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist nach dieser Vorschrift der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist.

Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt:

(a) Nach Erlass des Bewilligungsbescheids vom 16.5.2007 – eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung – haben sich die Verhältnisse wesentlich geändert.

Eine Änderung ist "wesentlich", wenn der Verwaltungsakt unter Berücksichtigung der geänderten Verhältnisse nun (so) nicht mehr erlassen werden dürfte (Schütze in: von Wulffen / Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 48 Rdnr. 12).

So verhält es sich hier. Denn ab dem 1.7.2007 war der Anspruch der Klägerin auf Arbeitslosengeld II entfallen:

Leistungen nach dem SGB II erhält nicht, wer Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleich-leistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art bezieht (§ 7 Abs. 4 S. 1 SGB II). Auch eine ausländische Rente führt zu einem Leistungsausschluss – vorausgesetzt, sie ist nach Funktion und Struktur einer deutschen Altersrente vergleichbar. Dies ist anzunehmen, wenn die ausländische Rente von einem öffentlichen Träger gewährt wird, an eine bestimmte Altersgrenze anknüpft und nach der Gesamtkonzeption als Lohnersatz den Lebensunterhalt sicherstellen soll. Es kommt hingegen nicht darauf an, ob die Leistung auch ausreicht, um im Wohnortstaat, in den sie exportiert wird, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Vergleichbarkeit mit einer deutschen Altersrente steht es nicht entgegen, wenn die ausländische Rente bereits ab einem Lebensalter bezogen werden kann, wie dies nach deutschem Recht nicht möglich wäre (BSG, Urteil vom 16.5.2012, B 4 AS 105/11 R, Rdnr. 24 f. – nach Juris).

Gemessen hieran hat die Klägerin ab Juli 2007 Rente wegen Alters oder eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art bezogen, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II ausschloss:

(aa) Personen, die bis 1966 geboren wurden, können in Russland eine sog. Altersarbeitsrente beziehen. Voraussetzung hierfür ist eine Beschäftigungsdauer von mindestens fünf Jahren und der Eintritt des Rentenalters; für Frauen liegt dies bei 55 Jahren (Vogts/Shteynberg, Russische Rentengesetz und Ansprüche in Deutschland, in: Die Rentenversicherung, März 2010). Eine solche Rente ist nach Funktion und Struktur einer deutschen Altersrente vergleichbar (BSG, Urteil vom 30.6.2016, B 8 SO 3/15 R, Rdnr. 25 – nach Juris).

Wie sich aus dem Ausweis Nr. 0379105 (vom 11.9.2006) ergibt, wurde der Klägerin in Russland "Altersrente" ab dem 5.4.2006 bewilligt. Die Bewilligung erfolgte ausdrücklich "aufgrund der erreichten Altersgrenze". Bei Rentenbeginn war die Klägerin 57 Jahre alt; sie hatte also das für Frauen maßgebliche Renteneintrittsalter von 55 Jahren vollendet.

(bb) Die Klägerin hat die Rente ab Juli 2007 "bezogen".

Zwar genügt ein bloßer Anspruch auf (ausländische) Altersrente für sich genommen nicht, um Leistungen nach dem SGB II auszuschließen (Leopold in: jurisPK-SGB II, § 7 Rdnr. 254). Umgekehrt ist aber für den "Bezug" einer Rente auch nicht erforderlich, dass die Rente dem Berechtigten Monat für Monat tatsächlich bar ausgezahlt wird. Vielmehr wird eine Rente schon dann bezogen, wenn der Rentenversicherungsträger die Zahlung der Rente aufgenommen hat (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2.2.2016, L 9 AS 2914/15 B, Rdnr. 5 – nach Juris).

Wie sich aus den Daten im Konto Nr. 42307.810.3.3811.6203368 der Sparbank ergibt, ging bei der Klägerin erstmals am 6.7.2007 eine Zahlung des russischen Rentenversicherungsträgers ein, und zwar in Höhe von 42.121,57 Rubel (= ca. 1.202 EUR); hierbei handelte es sich offenbar um eine Nachzahlung für die Zeit ab Rentenbeginn am 5.4.2006. In der Folgezeit überwies der russische Rentenversicherungsträger monatlich Rente auf dieses Konto sowie später zwei andere Konten bei der Sparbank (Nr. 42306.810.8.3811.6209494 und Nr. 42306.810.3.3811.6209499). Angesichts dessen hat die Klägerin im streitigen Zeitraum durchgehend Rente wegen Alters bezogen. Es kommt nicht darauf an, wann sie die überwiesenen Beträge von den Konten abgehoben hat.

(b) Wer Sozialleistungen erhält, hat Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen (§ 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB I).

Die Klägerin wäre verpflichtet gewesen, den Bezug ihrer russischen Altersrente ab Juli 2007 umgehend dem Beklagten anzuzeigen. Denn zum einen hatten sich dadurch die Verhältnisse, die für das Arbeitslosengeld II maßgeblich sind, wesentlich geändert (siehe (a)). Zum anderen hatte die Klägerin anlässlich ihres ersten Antrags beim Beklagten in der Einkommenserklärung (Zusatzblatt 2.1 zum Antragsvordruck) am 2.4.2007 noch erklärt, sie verfüge über kein Einkommen aus Rente oder Pension; diese abgefragte Einkommensquelle hatte sie nicht angekreuzt.

Ihrer Pflicht zur Mitteilung des Rentenbezugs ist die Klägerin nicht unverzüglich im Juli 2007 nachgekommen, sondern erst viele Jahre später im Juni 2013.

(c) Die Kammer kann dahingestellt lassen, ob die Klägerin ihre russische Altersrente vorsätzlich verschwiegen hat; denn die Verletzung der Mitteilungspflicht war jedenfalls grob fahrlässig.

Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Diese Definition gilt auch im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X (Schütze in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 48 Rdnr. 23). Zugrunde zu legen ist ein subjektiver Maßstab; es kommt also grundsätzlich auf das individuelle Einsichtsvermögen des Begünstigten an (Schütze, a.a.O.). Allerdings kann sich der Begünstigte nicht darauf berufen, er beherrsche die deutsche Sprache nur unzureichend; ihm obliegt es, in deutscher Sprache verfasste Schreiben übersetzen zu lassen oder sich in sonstiger Weise Kenntnis von deren Inhalt zu verschaffen (Schütze, a.a.O., § 45 Rdnr. 58). Bedeutsam ist insbesondere, ob die Behörde den Begünstigten auf seine Mitteilungspflicht hingewiesen hat: Hat sie ihn ausdrücklich darüber belehrt, dass er bestimmte, für die Leistung maßgebliche Umstände anzuzeigen hat, liegt regelmäßig grobe Fahrlässigkeit vor, wenn er dies unterlässt (Schütze, a.a.O., § 48 Rdnr. 23; K. Lang/Waschull in: LPK-SGB X, 4. Aufl., § 48 Rdnr. 61).

Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte die Klägerin im Zusatzblatt 2.1 zum Antragsvordruck nach verschiedenen Einkommensquellen befragt, u.a. aus "Rente, Pension". Der Klägerin musste daher klar sein, dass der Bezug einer Altersrente für den Anspruch auf Arbeitslosengeld II relevant ist; denn andernfalls hätte der Beklagte gar nicht danach gefragt. Wie erwähnt, kann sich die Klägerin nicht darauf zurückziehen, sie habe den in deutscher Sprache verfassten Vordruck nicht richtig verstanden. Im Übrigen geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin tatsächlich in der Lage war, die Fragen zu erfassen; denn auf die Frage im Zusatzblatt 2.1 nach sonstigem Einkommen hat sie zutreffend das bezogene Kindergeld angegeben.

Der Beklagte hatte im Zusatzblatt 2.1 zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, bei wesentlichen Änderungen der Einkommenshöhe sei die Klägerin verpflichtet, diese unverzüglich mitzuteilen. Angesichts dessen hat die Klägerin ohne weiteres erkennen müssen, dass sie dem Beklagten ihre russische Altersrente anzuzeigen hat – und zwar auch dann, wenn der Bezug der Rente erst nach Erlass des Bewilligungsbescheids während des laufenden Bewilligungszeitraums beginnt.

Nicht zu entlasten vermag die Klägerin ihr Vortrag, wegen der geringen Höhe der Rente sei sie davon ausgegangen, sie müsse diese nicht mitteilen. Sofern die Klägerin dies tatsächlich angenommen haben sollte, wäre der Irrtum seinerseits grob fahrlässig. Denn der Beklagte hatte im Zusatzblatt 2.1 zum Antragsvordruck in erster Linie danach gefragt, ob sie überhaupt eine Rente oder Pension bezieht, und erst in zweiter Linie nach deren Höhe. Hieraus konnte die Klägerin ersehen, dass sie Rente in jeglicher Höhe mitzuteilen hat. Im Übrigen war die der Klägerin bewilligte Rente wegen Alters auch nicht ganz geringfügig: So betrug z.B. im August 2007 die Überweisung 2.844,46 Rubel (= ca. 81 EUR). Selbst wenn die Klägerin nichts von der Regelung des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II gewusst haben sollte (also dem vollständigen Ausschluss von Leistungen nach dem SGB II), so hätte aus ihrer Perspektive nahegelegen, dass Einkommen in dieser Höhe auf eine existenzsichernde Leistung wie Arbeitslosengeld II anzurechnen und daher mitzuteilen ist.

Zu keinem anderen Ergebnis führt schließlich der Vortrag der Klägerin, sie habe die Anzeige der bewilligten Altersrente für entbehrlich gehalten, weil diese zunächst – bis Oktober 2010 – nur auf ihrem Konto bei der russischen Sparbank "aufbewahrt" worden sei. Nach Auffassung der Kammer musste die Klägerin ohne weiteres erkennen, dass der Bezug einer Rente schon dann vorliegt, wenn der Rentenversicherungsträger die Rente auf das Konto des Rentenberechtigten überweist – und nicht erst dann, wenn dieser sie vom Konto abhebt. Denn andernfalls könnte ein Rentner den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II leicht dadurch unterlaufen, dass er die überwiesene Rente zeitweise auf seinem Konto belässt. Anzumerken ist im Übrigen, dass die Klägerin die russische Altersrente gegenüber dem Beklagten nicht nur bis Oktober 2010 verschwiegen hat, sondern auch danach – trotz tatsächlicher Abhebungen ab diesem Zeitpunkt, z.B. am 4.10.2010 in Höhe von 161.500 Rubel (= ca. 3.832 EUR).

(3) Die Bewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 1.12.2007 – 31.7.2013 hat der Beklagte zu Recht gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 3 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB X zurückgenommen.

Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

So verhält es sich hier:

(a) Die begünstigenden Bescheide und Änderungsbescheide, mit denen der Beklagte der Klägerin für die Zeit ab dem 1.12.2007 Arbeitslosengeld II bewilligt hatte, waren bereits zum Zeitpunkt ihres Erlasses rechtswidrig; denn wie ausgeführt, hatte die Klägerin wegen des Bezugs ihrer russischen Altersrente keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

(b) Die rechtswidrige Bewilligung durch den Beklagten beruhte darauf, dass die Klägerin bei ihren Fortzahlungsanträgen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht hatte. Denn ihre Rente erwähnte sie darin nicht. Vielmehr gab sie jeweils durch Ankreuzen an, in den Einkommensverhältnissen sei keine Änderung gegenüber ihrem ersten Antrag vom 2.4.2007 eingetreten; sie habe kein Einkommen außer Kindergeld (Anträge vom 19.10.2007, 13.5.2008, 17.10.2008, 28.4.2009, 23.10.2009, 29.12.2009, 4.8.2010, 4.1.2011, 22.6.2011, 4.1.2012 und 18.6.2012). Erstmals im Juni 2013 erklärte die Klägerin gegenüber dem Beklagten, sie beziehe Rente wegen Alters.

(c) Die fehlerhaften Angaben der Klägerin erfolgten zumindest grob fahrlässig. Insoweit gelten die Ausführungen unter Ziff. (2) (c) entsprechend. Der Klägerin musste klar sein, dass ihre Altersrente für den Anspruch auf Arbeitslosengeld II von Relevanz ist und dass sie diese daher bei ihren Fortzahlungsanträgen anzugeben hat.

bb) Durch die Erstattungsforderung des Beklagten in Höhe von 48.431,68 EUR wird die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 50 Abs. 1 SGB X). Abweichend hiervon sind 56 % der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft nicht zu erstatten. Dies gilt allerdings nicht in den Fällen des § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X und des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X (§ 40 Abs. 4 SGB II).

Nachdem der Beklagte die Bewilligungsbescheide aufgehoben bzw. zurückgenommen hat, muss die Klägerin das gezahlte Arbeitslosengeld II erstatten – und zwar in vollem Umfang. Die Privilegierung des § 40 Abs. 4 S. 1 SGB II kommt ihr nicht zugute; denn die Aufhebung basiert hier auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB X und die Rücknahme auf § 45 Abs. 2 S. 3 SGB X. Die vom Beklagten geforderte Summe ist jedenfalls nicht zu hoch. Tatsächlich hat er für die Zeit vom 1.7.2007 – 31.12.2009 sogar weniger Arbeitslosengeld II zurückverlangt als bewilligt war. Dies mag fehlerhaft sein; die Klägerin ist dadurch aber nicht belastet.

(2) Zu Recht hat der Beklagte darüber hinaus die von ihm entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zurückgefordert.

Wurden vom Jobcenter für einen Bezieher von Arbeitslosengeld II Beiträge zur gesetzlichen Krankversicherung gezahlt, so hat der Bezieher dieser Leistungen dem Jobcenter die Beiträge zu ersetzen, soweit die Entscheidung über die Leistung rückwirkend aufgehoben und die Leistung zurückgefordert worden ist. Gleiches gilt für die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung (§ 40 Abs. 2 Nr. 5 SGB II i.V.m. § 335 Abs. 1 S. 1 und Abs. 5 SGB III).

Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte für die Klägerin im streitigen Zeitraum durchgehend Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung entrichtet. Auch diese Beiträge muss die Klägerin daher erstatten.

(3) Die Erstattungsforderung des Beklagten gegen die Klägerin wird schließlich nicht durch die Regelung des § 107 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen.

Nach dieser Vorschrift gilt der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Im Umfang eines etwaigen Erstattungsanspruchs eines Trägers nach den §§ 102 ff. SGB X kann der Berechtigte also nicht nochmals Leistung fordern; sein Anspruch ist wegen der fingierten Erfüllung erloschen. Umgekehrt muss sich der erstattungsberechtigte Träger an den zur Erstattung verpflichteten Leistungsträger halten; eine Rückforderung gegenüber dem Empfänger der Leistung scheidet aus (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2.2.2016, L 9 AS 2914/15 B, Rdnr. 7 – nach Juris; Roller in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., § 107 Rdnr. 7 f.; Böttiger in: LPK-SGB X, 4. Aufl., § 107 Rdnr. 11 f.).

Zwar dürfte die Klägerin im streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Grundsicherung im Alter nach den §§ 41 ff. SGB XII gegenüber der Stadt B. gehabt haben. Der Beklagte kann von der Stadt B. aber keine Erstattung nach den §§ 102 ff. SGB X fordern. Als Anspruchsgrundlagen zu erwägen – im Ergebnis aber nicht einschlägig – sind hier allenfalls § 103 SGB X (dazu (a)) und § 105 SGB X (dazu (b)).

(a) Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 103 Abs. 1 SGB X). Die Regelung setzt voraus, dass die Leistung zu dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wurde, noch rechtmäßig war; der Empfänger muss also seinerzeit einen Anspruch auf diese Leistung gehabt haben (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnr. 8 – nach Juris).

Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Wie ausgeführt, hatte die Klägerin wegen des Bezugs ihrer russischen Altersrente seit dem 1.7.2007 keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Die erbrachte Leistung war seither also durchgehend rechtswidrig.

(b) Hat ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, ist der zuständige oder zuständig gewesene Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 105 Abs. 1 S. 1 SGB X). Die Regelung betrifft nur Fälle, in denen ein – örtlich oder sachlich – unzuständiger Träger eine ansonsten rechtmäßige Sozialleistung erbracht hat. Widerspricht hingegen die Leistung nicht nur der Zuständigkeitsverteilung, sondern auch dem materiellen Sozialrecht, so ist § 105 SGB X nicht anwendbar. In Betracht kommt dann nur ein Erstattungsanspruch gegenüber dem Empfänger der Leistung (Roos in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 105 Rdnr. 7; Böttiger, a.a.O., § 105 Rdnr. 14 f.).

Der Beklagte hat nicht als unzuständiger Träger Leistungen der Grundsicherung im Alter nach dem SGB XII erbracht, sondern als zuständiger Träger Arbeitslosengeld II – allerdings im Widerspruch zum materiellen Sozialrecht; denn wegen des § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II stand der Klägerin diese Leistung nicht zu. In einer solchen Konstellation scheidet ein Erstattungsanspruch des Jobcenters gegenüber dem Träger der Grundsicherung nach dem SGB XII aus.

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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