S 5 AS 1078/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 5 AS 1078/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015.

Der am 08.06.1982 geborene Kläger bezieht bei dem Beklagten laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Der Kläger wohnt seit dem 01.12.2012 in einer 70qm-Zimmer-Wohnung in der B.-str. 3 in Duisburg für eine monatliche Grundmiete i.H.v. 320 EUR zzgl. monatlicher Betriebsnebenkosten i.H.v. 105,00 EUR zzgl. monatlicher Heizkosten i.H.v. 75,00 EUR, insgesamt 500,00 EUR monatlich. Er hat mit Frau J. R., von der er getrennt lebt, eine gemeinsame Tochter, die am 13.07.2011 geborene L. M. R ... Seit November 2013 lebt die Tochter nicht mehr beim Kläger, sondern bei ihrer Mutter. Die Tochter des Klägers verbringt regelmäßig jedes zweite Wochenende und auch einen Teil der Ferien beim Kläger.

Mit Schreiben vom 24.02.2014 forderte der Beklagte den Kläger auf, die Kosten der Unterkunft zu senken. Der aktuelle Betrag liege um 96,00 EUR über dem Betrag, der maximal im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende berücksichtigt werden könne. Die tatsächlichen Kosten könnten bis maximal 31.08.2014 berücksichtigt werden.

Ab dem 01.09.2014 gewährte der Beklagte dem Kläger für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung Leistungen i.H.v. 404,00 EUR monatlich (329,00 EUR Bruttokaltmiete zzgl. 75 EUR Heizkosten), u.a. mit Bescheid vom 14.10.2014 für den Zeitraum 01.11.2014 bis 31.10.2015.

Mit Schreiben vom 22.07.2015, bei dem Beklagten eingegangen am 27.07.2015, beantragte der Kläger die Übernahme der vollständigen Kosten der Unterkunft und Heizung. Er habe seine Tochter regelmäßig bei sich und benötige daher mehr Platz als eine alleinstehende Person. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 27.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 ab. Da der Kläger alleinstehend sei, betrage die Wohnflächenobergrenze 50 qm. Die Mietangemessenheitsgrenze betrage nach dem schlüssigen Konzept des Beklagten 6,58 EUR/qm. Daraus ergebe sich für den Kläger eine angemessene Bruttokaltmiete i.H.v. 329 EUR (6,58 EUR x 50 qm) zzgl der Heizkosten i.H.v. 75 EUR, insgesamt 404,00 EUR. Die Tochter des Klägers lebe bei der Mutter und halte sich lediglich alle zwei Wochen an den Wochenenden bei dem Kläger auf. Die Angemessenheit der Wohnfläche bestimme sich jedoch nach der Zahl der tatsächlich dauerhaft in der Unterkunft wohnenden Personen. Zusätzlicher Wohnbedarf für ein Kind könne nur berücksichtigt werden, wenn der Aufenthalt in der Wohnung mehr als 50% betrage. Die Wahrnehmung des grundgesetzlich geschützten Umgangsrechts erfordere nicht, dauerhaft den vollen Wohnraumbedarf für zwei Personen anzuerkennen. Staatliche Leistungen zur Existenzsicherung im Rahmen familienrechtlicher Beziehungen seien nicht dazu bestimmt, die Ausübung des Umgangsrechts bei Bedürftigkeit zu optimieren, sie sollten diese nur ermöglichen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 11.03.2016 bei dem Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage. Der Kläger habe einen nach § 22 SGB II anzuerkennenden Unterkunftsbedarf für eine Wohnung mit mindestens 65 qm. Der Umgang des Klägers mit seiner Tochter sei zu ermöglichen. Es handele sich nicht nur um sporadische Besuche. Die Angemessenheit des Wohnbedarfs nach § 22 Abs. 1 SGB II sei im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG auszulegen, wenn nach einer Trennung die Beziehung zu einem Elternteil durch regelmäßige Aufenthalte des Kindes aufrechterhalten werde. Es sei denklogisch bereits nicht möglich, angemessenen Wohnraum für die Ausübung des Umgangsrechts nur zeitweise vorzuhalten. Der erhöhte Wohnraumbedarf sei vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Bedeutung des Schutzes der Familie sowie der Ausübung des Sorge- und Umgangsrechts des Klägers im Rahmen einer temporären Bedarfsgemeinschaft anzuerkennen. Der Gesetzgeber habe einen solchen besonderen Bedarf in § 22b Abs. 3 Nr. 2 SGB II explizit normiert.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 27.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.2016 zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015 um 96,00 EUR monatlich höhere Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Ausübung des Umgangsrechts werde durch die Anerkennung von angemessenem Wohnraum bis maximal 50 qm nicht vereitelt. Die fußläufige Entfernung zu der Wohnung der Kindesmutter betrage lediglich 2 km. Auch aufgrund der geringen Entfernung seien keinerlei Einschränkungen in der Ausübung des Umgangsrechts ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Der Kläger macht sein Begehren richtigerweise mit der statthaften kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage i.S.v. § 54 Abs. 4 SGG geltend. Der Kläger hat den Streitgegenstand zulässigerweise auf die Leistungen der Unterkunft und Heizung beschränkt. Bei diesen handelt es sich um abtrennbare Verfügungen der hier erfassten Bescheide (BSG, Urteil vom 16. Juni 2015 – B 4 AS 44/14 R –, SozR 4, Rn. 11). Streitgegenständlicher Zeitraum ist der 01.07.2015 bis 31.10.2015.

II. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtene Entscheidung nicht i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG beschwert. Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig. Für den hier streitgegenständlichen Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015 besteht kein Anspruch des Klägers gem. § 19, § 22 SGB II auf Gewährung höherer laufender Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

1. Der 1982 geborene Kläger ist im streitgegenständlichen Zeitraum grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberechtigt. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, ist hilfebedürftig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland.

Der Kläger ist für den Anspruch auf höhere Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung aufgrund einer geltend gemachten temporären Bedarfsgemeinschaft mit seinem minderjährigen Kind auch aktivlegitimiert. Soweit dem umgangsberechtigten Elternteil gerade wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts zusätzliche oder höhere Wohnkosten entstehen, stellen diese einen zusätzlichen Bedarf des umgangsberechtigten Elternteils dar (vgl BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 2/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 89, juris Rn. 21 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

2. Es besteht kein Anspruch auf höhere Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung gem. § 19, § 22 SGB II. Dem Kläger waren für den streitgegenständlichen Zeitraum die im Bereich des Beklagten für einen Ein-Personen-Haushalt angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. 404 EUR monatlich zu gewähren. Diese hat der Beklagte dem Kläger bewilligt.

Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gem. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Bei dem Begriff der Angemessenheit der Unterkunftskosten handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Überprüfung unterliegt.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der die Kammer nach eigener Prüfung folgt, ist die abstrakte Angemessenheit der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft nach der sog. Produkttheorie zu ermitteln. Hiernach bestimmt sich die Angemessenheitsgrenze nicht nur durch die Wohnungsgröße, sondern auch durch Ausstattung, Lage und Bausubstanz, die nur einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen müssen und keinen gehobenen Lebensstandard aufweisen dürfen; die Angemessenheit ergibt sich dann aus dem Produkt von Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt. Erster Prüfungsschritt ist demnach die angemessene Größe der Wohnung. In einem zweiten Schritt ist der angemessene Quadratmeterpreis mittels eines schlüssigen Konzepts für einen homogenen Lebensraum zu ermitteln, dem der Beklagte hier durch das Gutachten der Firma Analyse und Konzepte GmbH nachgekommen ist (vgl. hierzu SG Duisburg, Urteil vom 19.04.2016, S 48 SO 582/12).

Die angemessene Größe der Wohnung richtet sich nach den landesrechtlichen Durchführungsvorschriften zu § 10 des Wohnraumförderungsgesetzes (WoFG) i.V.m. den landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen. Maßgeblich ist in Nordrhein-Westfalen insoweit § 18 des Gesetzes zur Förderung und Nutzung von Wohnraum für das Land Nordrhein-Westfalen (WVNG NRW) i.V.m. Ziffer 8.2 des Runderlasses des Ministeriums für Bauen und Verkehr (Az.: IV.5-619-1665/09) vom 12.12.2009 (Wohnraumnutzungsbestimmungen - WNB). Nach diesen Vorschriften ist für eine Person eine Mietwohnungsgröße von 50 qm und für einen Zwei-Personen-Haushalt eine Mietwohnungsgröße von 65 qm vorgesehen.

Angemessen war im streitgegenständlichen Zeitraum 01.07.2015 bis 31.10.2015 eine Mietwohnungsgröße für einen Ein-Personen-Haushalt, mithin 50 qm. Die Ausübung des Umgangsrechts mit seiner Tochter begründete keinen darüber hinausgehenden Wohnraumbedarf des Klägers, der als angemessen anzusehen wäre.

Wird wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts ein zusätzlicher Wohnraumbedarf geltend gemacht, kann dieser im Rahmen der konkreten Angemessenheit der Unterkunfts- und Heizaufwendungen nach § 22 Abs. 1 S. 1 iVm S. 3 SGB II zu berücksichtigen sein (vgl BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 2/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 89, juris Rn. 21 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Grundlage hierfür bietet eine Auslegung und Anwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit im Lichte von Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Danach steht die Familie unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. Dies hat auch einfachgesetzlich in § 22b Abs. 3 S. 2 Nr. 2 SGB II Niederschlag gefunden, wonach in einer Satzung für das schlüssige Konzept für Personen mit einem besonderen Bedarf für Unterkunft und Heizung insbesondere wegen der Ausübung ihres Umgangsrechts eine Sonderregelung getroffen werden soll.

Der Kläger und seine Tochter bilden eine sogenannte "temporäre Bedarfsgemeinschaft". Gem. § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gehören zu Bedarfsgemeinschaft die dem Haushalt angehörenden unverheirateten Kinder des erwerbsfähigen Leitungsberechtigten, wenn sie das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, soweit sie die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen können. Für zusätzliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung für die Zeiten, in denen die Tochter des Klägers bei diesem gewohnt hat, die Annahme einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft iS des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II gerechtfertigt. Die Regelung verlangt schon nach ihrem Wortlaut ("dem Haushalt angehörend") kein dauerhaftes "Leben" im Haushalt wie etwa Abs. 3 Nr. 2 und 3. Es genügt vielmehr ein dauerhafter Zustand in der Form, dass das 2011 geborene Kind mit einer gewissen Regelmäßigkeit - wie vorliegend - bei dem Kläger länger als einen Tag wohnt, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen (BSG, Urteil vom 07. November 2006 – B 7b AS 14/06 R –, BSGE 97, 242-254, SozR 4-4200 § 20 Nr 1, Rn. 27).

Vor diesem Hintergrund ist aus Sicht des Gerichts – anders als der Beklagte meint – nicht erforderlich, dass das Kind mehr als 50% seiner Zeit bei dem Elternteil verbringt, der den erhöhten Wohnraumbedarf geltend macht. Dies ist vielmehr Abgrenzungskriterium für die Bestimmung des Lebensmittelpunktes des Kindes, nicht aber für die Anerkennung einer temporären Bedarfsgemeinschaft. Auch ist entgegen der Ansicht des Beklagten die fußläufige Entfernung der klägerischen Wohnung zum Lebensmittelpunkt des Kindes kein taugliches Abgrenzungskriterium. Auch wenn staatliche Leistungen das Umgangsrecht nicht optimieren müssen, sollen sie es doch ermöglichen. Zur Ausübung des Umgangsrechts gehört zur Überzeugung der Kammer auch, dass der umgangsberechtigte Elternteil und das Kind den Alltag gemeinsam leben, wozu – entfernungsunabhängig – das Nächtigen im Haushalt des umgangsberechtigten Elternteils gehört.

Für eine solche temporäre Bedarfsgemeinschaft ist zur Überzeugung der Kammer der hälftige anerkannte Wohnraumbedarf (derzeit ½ von 15 qm = 7,5 qm) aber erst für die Zeit ab Eintritt des Kindes in die Schule zu gewähren.

Hier war der angemessene Wohnraumbedarf für die Ausübung des Umgangsrechts mit der am 13.07.2011 geborenen und damit im streitgegenständlichen Zeitraum 4jährigen Tochter des Klägers nicht gegenüber einem Ein-Personen-Haushalt erhöht. Gerade – aber auch erst – ab dem Eintritt des Kindes in die Schule ist typischerweise ein weitergehender Wohnraumbedarf anzuerkennen. Vor diesem Zeitpunkt ist zur Überzeugung des Gerichts ein erhöhter Wohnraumbedarf nicht angemessen, da es dem Elternteil zumutbar ist, während der Ausübung des Umgangsrechts auf einer Schlafgelegenheit (Sofa/Matratze) im Wohnzimmer zu nächtigen und sich für das Kind tagsüber erhöhter Wohnraumbedarf nicht als angemessen darstellt. Typischerweise bedeutet der Eintritt in die Schule eine Zäsur im Leben des Kindes, in der die Selbstständigkeit gefordert und gefördert wird. Es bedarf eines eigenen Platzes zur Erledigung von Hausaufgaben und/oder ggf. Übungsaufgaben für die Schule, eines ausschließlich dem Kind zugewiesenen Schlafplatzes sowie von Stauraum zur Unterbringung persönlicher Gegenstände des Kindes. Diese Form der Rückzugsmöglichkeit bzw. Privatsphäre ist bei typisierter Betrachtungsweise für Kindergartenkinder weder erforderlich noch - vor dem Hintergrund, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II lediglich einfachste und bescheidenste Lebensverhältnisse ermöglichen sollen – angemessen. Hier sind keine atypischen Umstände (zB Verhaltensauffälligkeiten oder Gesundheitsstörungen des Kindes) vorgetragen, die im konkreten Fall eine andere Betrachtungsweise nahelegen oder rechtfertigen würden.

Wenn gerade - aber auch erst - ab Schuleintritt des Kindes, für das das Umgangsrecht ausgeübt wird, erhöhter Wohnraumbedarf besteht, ist dieser zur Überzeugung des Gerichts in Höhe des hälftigen anerkannten Wohnraumbedarfs (derzeit ½ von 15 qm = 7,5 qm) zu gewähren. Ab Eintritt des schulpflichtigen Kindes ist zur Überzeugung des Gerichts keinesfalls der gesamte Wohnraumbedarf für einen Zwei-Personen-Haushalt (derzeit 65 qm) zu gewähren. Nach Sinn und Zweck von § 22 Abs 1 S 1 SGB II in Verbindung mit der Gesetzessystematik ist ein eigener notwendiger Wohnbedarf in voller Höhe nur bezogen auf den Lebensmittelpunkt des Kindes anzuerkennen. Die Nutzung der Wohnung nur im Rahmen der Besuchszeiten während des Umgangsrechts, nicht aber als ständiger Mitbewohner, reicht für die Annahme, dass hier der Lebensmittelpunkt liegt, nicht aus (BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 2/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 89, Rn. 16). Den vollen Unterkunftsbedarf kann es aus Sicht des Gerichts nur für eine Wohnung, namentlich die des Lebensmittelpunktes geben. Insoweit macht sich das Gericht nach eigener Prüfung vollumfänglich die überzeugenden Ausführungen des Bundesozialgerichts zu eigen (BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 – B 4 AS 2/15 R –, SozR 4-4200 § 22 Nr 89, Rn. 17f.):

"Sinn und Zweck der im Rahmen des SGB II zu gewährenden Leistungen für Unterkunft und Heizung ist die Befriedigung des Grundbedürfnisses, eine Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt zu besitzen (vgl nur Luick in Eicher, SGB II, 3. Aufl 2013, § 22 RdNr 7; Piepenstock in Schlegel/Voelzke, SGB II, 4. Aufl 2015, § 22 RdNr 46 f; jeweils mwN). Werden mehrere Wohnungen genutzt, ist daher grundsicherungsrechtlich ein Wohnbedarf nur für die Wohnung anzuerkennen, die den Lebensmittelpunkt bildet, also (nur) für die Wohnung, die überwiegend genutzt wird. Durch Leistungen für diese Wohnung wird der Grundbedarf gedeckt. Unterkunftskosten sind daher stets nur für eine einzige Wohnung anzuerkennen, selbst wenn tatsächlich zwei Wohnungen als Unterkunft zur Verfügung stehen (so LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16.6.2006 - L 10 B 488/06 AS ER - RdNr 5; Hessisches LSG Beschluss vom 8.10.2007 - L 7 AS 249/07 ER - RdNr 31; LSG Thüringen Beschluss vom 15.4.2008 - L 9 AS 1438/07 ER - RdNr 17). [ ] Bei einem Kind, dessen Eltern getrennt leben, liegt der Lebensmittelpunkt des Kindes in der Wohnung des Elternteils, bei dem es sich überwiegend aufhält. Durch die Sicherstellung des Wohnbedarfs bei diesem Elternteil wird sein Grundbedürfnis auf Wohnen bereits vollständig befriedigt. Eine Aufteilung des Wohnbedarfs je nach dem Umfang des Aufenthalts bei dem einen oder anderen Elternteil kommt nicht in Betracht."

Für die Unterbringung der ab Schuleintritt erforderlichen Möbel für das Kind (Bett, Schreibtisch, Kommode/Schrank) zzgl. eines Bewegungsraumes zwischen den Möbelstücken ist aus Sicht des Gerichts der hälftige Wohnraumbedarf gegenüber dem Wohnraumbedarf des Lebensmittelpunktes als angemessen anzuerkennen (1/2 von derzeit 15 qm). Aus diesen Überlegungen ergibt sich aus Sicht des Gerichts im Umkehrschluss, dass gerade für die Zeit vor Schuleintritt Gründe für eine Erhöhung des Wohnraumbedarfes nicht bestehen.

Der (nunmehr) nahende Schuleintritt des Kindes ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn die Regelung des § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II führt zu keinem anderen Ergebnis. Hiernach muss eine Absenkung der nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Hierbei handelt es sich ausschließlich um eine an den Beklagten gerichtete Rechtsnorm, mit der kein Rechtsanspruch des Leistungsberechtigten korrespondiert.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Unterliegen des Klägers Rechnung.

IV. Die Berufung bedurfte der Zulassung, da der Wert des Beschwerdegegenstandes mit 384 EUR (4x96 EUR) weniger 750 EUR beträgt und nicht laufende Leistungen für mehr als ein Jahr streitgegenständlich sind (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 1 S. 2 SGG). Die Berufung war zuzulassen, weil die obergerichtliche Klärung von Voraussetzungen und Höhe für die Gewährung weiterer Leistungen für die Bedarfe für Unterkunft und Heizung bei Bestehen einer temporären Bedarfsgemeinschaft, soweit ersichtlich, noch nicht erfolgt ist und die Rechtssache damit grundsätzliche Bedeutung hat, § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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