S 40 AS 3074/16 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
40
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 AS 3074/16 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Der Beigeladene wird verpflichtet, dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 15.02.2017 Überbrückungsleistungen - für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege 152,66 Euro für Januar 2017 und 76,33 Euro für 01.02.2017 bis 15.02.2017 sowie nachgewiesene Kosten der Unterkunft und Heizung - zu erbringen. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Streitig sind Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner bzw. hilfsweise Leistungen der Hilfe zum Le-bensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) vom Beigeladenen, insbesondere ein Leistungsausschluss aufgrund der Staatsangehörigkeit des Antragstel-lers. Der 1953 geborene Antragsteller, der bulgarischer Staatsangehöriger ist, hat ausweislich der Angaben gegenüber dem Antragsgegner eine Ausbildung als Maurer in Bulgarien gemacht, dort von 1973 bis März 1989 als Maurer in der Landwirtschaft, dann von 1990-1997 als Maurer und Trockenbauer in A-Stadt sowie seit 1997 bei diversen Arbeitgebern als Maurer gearbeitet. Im Dezember 2014 hatte er Arbeitslosengeld II beim Antragsgegner beantragt. Er gab an Tagelöhner zu sein, sein letztes Einkommen im Oktober 2014 erhalten zu haben und seit dem 10.11.2014 bis 08.12.2014 wegen eines Arbeitsunfalls krankgeschrieben zu sein. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung oder Unterlagen zum Arbeitsunfall legte er nicht vor. Beigefügt hatte er dem Antrag eine Lohnabrechnung der A. GmbH aus A-Stadt für Juni 2014 (über 258,64 EUR netto); die Abrechnung war adressiert an ihn unter der Adresse B-Straße 22, B-Stadt (Spanien). Laut Auskunft des Kreisverwaltungsreferats der Landeshauptstadt München gegenüber dem Antragsgegner hatte der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet seit 18.12.2007; er falle unter das Freizügigkeitsrecht, eine Ausländerprüfung habe aber nie stattgefunden habe; es sei keine Akte vorhanden. Dem Antragsteller wurde zunächst für den Zeitraum von November 2014 bis April 2015 Arbeitslosengeld II in Höhe des Regelbedarfs bewilligt (Bescheid vom 01.12.2014). Mit Schreiben vom 15.12.2014 hatte der Antragsgegner die Ehefrau des Antragstellers, die in B-Straße 22, B-Stadt in Spanien wohnte, im Hinblick auf etwaige Unterhaltsansprüche angeschrieben und um Auskunft zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen gebeten. Mit Schreiben vom 31.12.2014 teilte diese mit, sie habe als Hausangestellte im Jahr 2014 insgesamt 2184 EUR erzielt. Der Antragsteller erziele dort kein Einkommen und sei auch kein Hauseigentümer. Sie legte zwei an den Antragsteller unter der Adresse B-Straße 22, B-Stadt gerichtete Schreiben der Direccion provincial des Ministerio de Empleo y Seguridad Social vor: Eine Bescheinigung vom 07.03.2014, wonach dieser keine" prestacion/subsisio por desempleo" (Arbeitslosenleistung) beziehe und eine "Resolucion sobre denegacion de incorporacion al programa de renta activa de insercion" vom 04.02.2014. Des Weiteren legte sie ein Schreiben der Agencia Tributaria an den Antrag-steller unter der genannten Adresse in B-Stadt vor, das mit "Certificado de imputaciones del I.R.P.F. 2012" überschrieben ist. Auch in der Folgezeit wurde Arbeitslosengeld II in Höhe des Regelbedarfs bewilligt bis Dezember 2016 (Bescheide vom 16.04.2015, 17.12.2015, 15.06.2016). Jedenfalls seit September 2015 lebte der Antragsteller in einer städtischen Unterkunft (Wohnheim C-Straße). Die Kosten dafür in Höhe von zuletzt 525 Euro monatlich wurden - soweit ersichtlich - vom Antragsgegner übernommen. Im Zeitraum 08. bis 16.04.2015 war der Antrag-steller bei einem Personalservice tätig. Am 11.11.2016 begehrte der Antragsteller beim Antragsgegner die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 28.12.2016 abgelehnt, da der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland ein Aufenthaltsrecht allein zum Zweck der Arbeitsuche habe. Mit E-Mail an den Antragsgegner vom 01.01.2017 wandte er sich gegen die Leistungsablehnung und wies auf die bevorstehenden Augen-OP im Februar 2017 hin. Am 29.12.2016 wandte der Antragsteller sich an das Sozialgericht München mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Er habe am 07.02.2017 einen Termin für eine Augenoperation in A-Stadt. Am 27.01.2017 legte er Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass er am 07.02.2017 einen ambulanten Termin hat und am 09.02.2017 im Klinikum D-Stadt operiert werden soll. Am 31.01.2017 legte er den Überweisungsschein eines Münchner Augenzentrums an eine Augenklinik vor, aus der hervorgeht, beim Antragsteller bestehe ein Zustand nach Panuveitis (Regenbogenhautentzündung); der Antragsteller wünsche eine Behandlung an der LMU und nicht in D-Stadt, dort sei für Februar eine Netzhaut-OP geplant. Der Antragsteller trug außerdem vor, mit Schreiben vom 04.01.2017 Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 28.12.2016 eingelegt zu haben. Eine gerichtliche Anfrage beim Einwohnermeldeamt über das Bayerische Behördeninfor-mationssystem ergab, dass der Antragsteller vom 19.12.2007 bis 01.06.2010 und dann erst wieder ab 08.05.2013 in A-Stadt gemeldet war. Die AOK teilte folgende Pflichtversi-cherungszeiten für den Antragsteller seit 1989 auf Basis von Beschäftigungen mit: 24. bis 30.06.2014, 01. bis 04.07.2014, 09. bis 28.09.2014, 29.09. bis 02.10.2014 bis 07.10.2014, 08. bis 10.10.2014, 11. bis 12.10.2014, 13. bis 17.10.2014, 18. bis 19.10.2014, 20.10.2014, 21. bis 23.10.2014, 24. bis 29.10.2014, 30. bis 31.10.2014 und 08. bis 16.04.2015. Ein für den 27.01.2017 geplanter Erörterungstermin wurde abgesetzt, da die Ladung dem Antragsteller unter der angegebenen Adresse nicht zugestellt werden konnte. Der Antragsteller beantragt sinngemäß die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners ihm ab 01.01.2016 weiterhin Ar-beitslosengeld II in gesetzlicher Höhe zu gewähren, hilfsweise die Verpflichtung des Beigeladenen, ihm Hilfe zum Lebensunterhalt ab 01.01.2016 in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Antragsgegner und der Beigeladene beantragen den Antrag abzulehnen. Der Antragsteller sei weder Arbeitnehmer, noch habe er den so genannten Arbeitnehmer-status erreicht oder ein Daueraufenthaltsrecht erworben. Selbst wenn der Antragsteller vor 2013 ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht erlangt habe, sei nur eine Abwesenheit von bis zu zwei Jahren unschädlich. Der Beigeladene trägt vor, dass der Antragsteller als Er-werbsfähiger dem SGB II zuzuordnen sei. Er sei außerdem nach der Neuregelung des § 23 Abs. 3 Nr. 2 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen, falls er sich nur zum Zwe-cke der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Eine Überbrückungs-leistung komme nur in Betracht, wenn der Antragsteller auch ausreisen wolle. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Akten des Antragsgegners verwiesen.

II. Der zulässige Antrag führt gegen den Antragsgegner nicht zum Erfolg, gegen den Beigeladenen nur im tenorierten Umfang. Da der Antragsteller eine Erweiterung seiner Rechtsposition anstrebt, ist eine einstweilige Anordnung in Form einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichts-gesetz (SGG) statthaft. Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläu-figen Zustandes mit Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine solche Anordnung setzt sowohl einen Anordnungsanspruch (materielles Recht, für das einstweiliger Rechtsschutz geltend gemacht wird) als auch einen Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit im Sinne der Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, weil ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zuzumuten ist) voraus. Sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund müssen glaubhaft sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung). 1. Ausgehend davon war eine Verpflichtung des Antragsgegners zur vorläufigen Leistung abzulehnen. Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die (1) das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben, (2) erwerbsfähig sind, (3) hilfebedürftig sind und (4) ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte). Es besteht kein Anlass zu Zweifeln am Vorliegen dieser Voraussetzungen.

Auf Basis der im ER-Verfahren möglichen summarischen Prüfung greift hier jedoch für den Antragsteller ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II, weil sein Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt und er nicht seit min-destens fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte. Ein darüber hinausgehendes Aufenthaltsrecht ergibt sich weder aus dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern, FreizügG / EU (vgl. a) noch aus anderen ausländer-rechtlichen Tatbeständen (vgl. b). Ein Anspruch auf Leistungen ergibt sich auch nicht aus Vertrauensschutz (vgl. c).

a) Nach § 2 Abs. 1 FreizügG / EU haben Freizügigkeitsberechtigte Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Einreise und Aufenthalt. Unionsrechtlich freizügig-keitsberechtigt sind gemäß § 2 Abs. 2 FreizügG / EU u.a. Unionsbürger, die sich als Ar-beitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen (Nr. 1), Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden (Nr. 1a), Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind (niedergelassene selbständige Erwerbstätige, Nr. 2), Uni-onsbürger, die, ohne sich niederzulassen, als selbständige Erwerbstätige Dienstleistungen im Sinne des Artikels 57 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union erbringen wollen (Erbringer von Dienstleistungen), wenn sie zur Erbringung der Dienst-leistung berechtigt sind (Nr. 3), Unionsbürger und ihre Familienangehörigen, die ein Dau-eraufenthaltsrecht erworben haben (Nr. 7).

Ausgehend von diesen Normen ist ein anderes Aufenthaltsrecht des Antragstellers als das zur Arbeitsuche bei summarischer Prüfung nicht erkennbar.

aa) Der Antragsteller war ausweislich der Akten und der Angaben im Erstantrag vom Dezember 2014 vor der Antragstellung als Tagelöhner tätig. Seitdem hat er nur eine Er-werbstätigkeit vom 08. bis 16.04.2015 angezeigt; dies wird bestätigt durch die Angaben der AOK. Auch in den Weiterbewilligungsanträgen vom März und November 2015 sowie vom Juni 2016 hatte er – ebenso wie im aktuellen Weiterbewilligungsantrag – kein Einkommen oder keine selbständige Erwerbstätigkeit angegeben. Ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer, Selbständiger oder Dienstleistungserbringer nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 oder 3 FreizügG / EU ist daher für den Antragsteller nicht ersichtlich.

bb) Auch für ein fortbestehendes Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 3 FreizügG / EU gibt es keine Anhaltspunkte. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 FreizügG / EU bleibt das Recht auf Einreise und Aufenthalt für Arbeitnehmer und selbständig Erwerbstätige unberührt u.a. bei vo-rübergehender Erwerbsminderung infolge Krankheit oder Unfall (Nr. 1) und bei unfreiwilli-ger durch die zuständige Agentur für Arbeit bestätigter Arbeitslosigkeit oder Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Ein-fluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit (Nr. 2) bzw. für sechs Monate nach weni-ger als einem Jahr Tätigkeit (Satz 2).

Der Antragsteller hat zwar gesundheitliche Einschränkungen und bei der Erstantragstellung einen Arbeitsunfall geltend gemacht. Anhaltspunkte dafür, dass sich daraus eine Er-werbsminderung ergeben hat und aktuell noch besteht sind weder ersichtlich noch vorge-tragen. Weder aus den Angaben des Antragstellers gegenüber dem Antragsgegner noch aus der Auskunft der AOK ist ersichtlich, dass dieser jemals seit dem Beitritt Bulgariens zur EU am 01.01.2007, welcher das FreizügG / EU erst anwendbar machte (§ 1 FreizügG / EU), länger als ein Jahr in Deutschland durchgehend erwerbstätig war. Zwar war der An-tragsteller im Jahr 2014 wiederholt unständig beschäftigt. Selbst wenn dadurch ein nach-wirkendes Aufenthaltsrecht iSv § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 iVm Satz 2 FreizügG / EU entstan-den wäre, wäre dies mittlerweile längst erloschen. Die letzte Erwerbtätigkeit lag nach Akten (bestätigt durch die Auskunft der AOK) im April 2015. Seitdem sind weit mehr als sechs Monate vergangen. cc) Auch Anhaltspunkte für ein Daueraufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Frei-zügG / EU iVm § 4a FreizügG / EU bestehen hier nicht.

Ein Daueraufenthaltsrecht entsteht nach § 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG / EU, wenn Unionsbürger sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben. Da-bei wird grundsätzlich ein ununterbrochener Aufenthalt verlangt (vgl. Kloesel/ Christ/ Häu-ßer, Komm z Ausländerrecht, 76. Lfg. Januar 2016, § 4a FreizügG / EU Rn. 11; EuGH Urteil vom 07.10.2010 – C-162/09 – Lassal). Die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts bestimmt sich nach unionsrechtlichen Maßstäben. Relevant ist also, ob während einer Auf-enthaltszeit von mindestens fünf Jahren ununterbrochen die Freizügigkeitsvoraussetzungen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG vorgelegen haben (vgl. BVerwG Urteil vom 16.07.2015 - 1 C 22/14; Kloesel/Christ/Häußer, Komm z Ausländerrecht, 76. Lfg. Ja-nuar 2016, § 4a FreizügG / EU Rn. 12; EuGH Urteil vom 07.10.2010 – C-162/09 – Lassal). Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG bestimmt u.a.: Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er a) Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder b) für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehö-rigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen.

Zwar scheint der Antragsteller ausweislich der Akten des Antragsgegners vor 1997 wohl längere Zeit, ggf. auch mehr als fünf Jahre in Deutschland gelebt und ggf. gearbeitet zu haben. Dies kann jedoch nicht für die Begründung eines Daueraufenthaltsrechts iSv § 4a Abs. 1 FreizügG / EU reichen, da Bulgarien damals noch nicht Mitglied der europäischen Union und das FreizügG / EU deshalb noch nicht anwendbar war (§ 1 FreizügG / EU). Nach 1997 war der Antragsteller ausweislich der Daten des Einwohnermeldeamts zu kei-nem Zeitpunkt mindestens fünf Jahre in Deutschland gemeldet. Nach den von der Ehefrau des Antragstellers vorgelegten Dokumenten (wohl: Steuerbescheinigung von 2012, Bescheinigung über Nichtbezug von Arbeitslosenleistungen vom 07.03.2014 und Ableh-nungsbescheid über die Aufnahme in das Programm "Renta Activa de Insercion" – Programm für schwer wieder in den Arbeitsmarkt integrierbare Arbeitslose, vom 04.02.2014 – alle gerichtet an den Antragsteller unter der Adresse in B-Stadt) ist vielmehr davon aus-zugehen, dass der Antragsteller jedenfalls Anfang 2014 und ggf. auch im Jahr 2012 in Spanien gelebt hat. Es ist auch weder ersichtlich noch vorgetragen, dass der Antragsteller seit 1997 über fünf Jahre durchgehend ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 der Richtli-nie 2004/38/EG – als Arbeitnehmer oder Selbständiger – gehabt hätte.

Auch für ein Daueraufenthaltsrecht bei Aufenthalt unter fünf Jahren nach § 4a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 FreizügG / EU spricht nach Akten und Vortrag des Antragstellers nichts. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, dass einer dieser Tatbestände hier greifen könnte.

b) Es sind auch keine Anhaltspunkte für ein Aufenthaltsrecht nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG) oder aus anderen Rechtsgründen ersichtlich.

Das AufenthG ist zwar über § 11 Abs. 1 Satz 1 und 11 FreizügG / EU anwendbar (vgl. Hess VGH, Urteil vom 16.11.2016 – 9 A 242/15). Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass sich aus dem AufenthG ein Aufenthaltsrecht des Antragstellers ergeben könnte, das nicht über seine Freizügigkeitsrechte abgeleitet wird (vgl. zu diesem Erfordernis Hess VGH, Urteil vom 16.11.2016 – 9 A 242/15). Weder für ein Aufenthaltsrecht aus Ausbildung noch aus Erwerbstätigkeit, aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen oder aus familiären Gründen sind hier Anhaltspunkte ersichtlich.

Damit besteht hier nach der im ER-Verfahren möglichen summarischen Prüfung kein Aufenthaltsrecht des Antragstellers außer dem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche, das nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II zum Leistungsausschluss führt. Der Antragsteller hatte auch nicht iSv § 7 Abs. 2 Satz 4 SGB II seit mindestens fünf Jahren seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet. Laut EMA-Auskunft ist er erst seit 08.05.2013 wieder in Deutschland gemeldet. Mit der an seine spanische Adresse gesandten Lohnabrechnung vom Juni 2014 und den von seiner Ehefrau vorgelegten ebenfalls an seine spanische Adresse gesandten Schreiben spanischer Behörden gibt es zudem erhebliche Anzeichen dafür, dass der Antragsteller sich vor Juni 2014 für längere Zeit in Spanien aufgehalten hat.

c) Dass bis Dezember 2015 – wohl rechtswidrigerweise – Leistungen bewilligt wurden, ändert nichts am Fehlen eines Leistungsanspruchs. Aus einer rechtswidrigen Bewilligung in der Vergangenheit folgt kein Vertrauensschutz dergestalt, dass auch künftig Leistungen bewilligt werden müssten.

Damit war der Antrag auf vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II abzulehnen.

2. Eine vorläufige Verpflichtung des Beigelanden erfolgt nur bzgl. Überbrückungshilfe nach § 23 Abs. 3 Satz 3, 5 und 6 SGB XII für den Zeitraum 01.01.2017 bis 15.02.2017, im Übrigen ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

a) Ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII gegenüber dem Beigeladenen ist nicht glaubhaft gemacht.

aa) Hilfe zum Lebensunterhalt ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensun-terhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können (§ 27 Abs. 1 SGB XII). Hier besteht kein Anlass, am Vorliegen dieser Leistungsvoraussetzungen zu zweifeln.

Das Gericht geht auch davon aus, dass der Leistungsausschluss des § 21 Satz 1 SGB XII, wonach die Personen, die nach dem SGB II als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten, hier nicht anwendbar ist. Inwieweit der Leistungsausschluss des § 21 Satz 1 SGB XII greift, wenn eine Person dem Grund nach die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt, jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II einem Leis-tungsausschluss unterliegt, war bisher umstritten (gegen die Anwendbarkeit des § 21 SGB XII in diesem Fall: BSG, Urteile vom 03.12.2015 – B 4 AS 44/15 R und vom 16.12.2015 - B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R; Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23, Stand 23.01.2017, Rn. 63 ff; Eicher, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 21, Stand 09.06.2016 – Rn 34 ff; Grube, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl. 2014, § 21 SGB XII Rn 5; Berlit in jurisPR-SozR 11/2016 Anm. 1; aA teilweise die obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. etwa LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER mwN zur Rechtsprechung; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juni 2015 – L 31 AS 100/14 und Beschlüsse vom 22.01.2016 - L 29 AS 20/16 B ER, L 29 AS 21/16 B ER PKH; Hessisches LSG, Beschluss vom 22.05.2015 - L 4 SO 31/15 B ER; LSG NRW Beschluss vom 17.03.2016 - L 12 SO 79/16 B ER; Thie in Birk in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK-SGB XII, 10. Aufl. 2015, § 23 Rn. 13). Zur Überzeugung des Gerichts ist diese Frage mit dem Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl. I S. 3155) vom Gesetzgeber dahingehend geklärt, dass § 21 SGB XII für Ausländer, die dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II unterfallen, nicht greift. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung des BSG § 21 SGB XII unverändert gelassen und in § 23 Abs. 3 SGB XII eine § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II entspre-chende Ausschlussnorm sowie einige Ansprüche geschaffen. Damit setzt er die Anwend-barkeit des SGB XII auf Unionsbürger, die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II vom Bezug nach dem SGB II ausgeschlossen sind, voraus. Davon geht auch die Gesetzesbegründung aus, die ausdrücklich auf diese Rechtsprechung des BSG Bezug nimmt (BT-Drucks 18/10211, S. 15). Damit ist jedenfalls im Rahmen eines ER-Verfahrens davon auszugehen, dass der Antragsteller nicht wegen § 21 SGB XII vom Bezug von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen ist.

Auf Basis der im ER-Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung greift hier jedoch für den Antragsteller der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII. Be-reits zuvor wurde dargelegt, dass das Aufenthaltsrecht des Antragstellers sich aktuell nach summarischer Prüfung allein aus der Arbeitsuche ergibt. § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII greift hier nicht, da der Antragsteller – wie ebenfalls zuvor bereits dargelegt wurde – sich nicht seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet auf-gehalten hat.

bb) Ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt besteht auch nicht aufgrund der Ver-pflichtung zur Gleichbehandlung mit Deutschen.

Das in Art. 1 Europäisches Fürsorgeabkommen (EFA) statuierte Gleichbehandlungsgebot greift nicht, da Bulgarien nicht Vertragsstaat des EFA ist. Auch europarechtlich ergibt sich keine Pflicht zur Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 gilt nicht, da diese Verordnung gemäß ihres Art. 3 Nr. 5 für Systeme sozialer Fürsorge, zu denen auch Leistungen zur Sicherung des Le-bensunterhalts fallen, nicht anwendbar ist. Das Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38/EG verpflichtet nach seinem Abs. 2 nicht zur Gewährung von So-zialhilfe an Unionsbürger, deren Aufenthaltsrecht sich gemäß Art. 14 Abs. 4b Richtlinie 2004/38/EG aus der Arbeitsuche ergibt. Das war aber hier der Fall. Der EuGH hat den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2b SGB II gebilligt (vgl. vgl. EuGH vom 11.11.2014 – C-333/13 – Dano und vom 15.09.2015 - C-67/14 – Alimanovic); die genann-ten Argumente gelten hier erst recht.

b) Der Beigeladene wird jedoch zur vorläufigen Erbringung von Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3, 5 und 6 SGB XII verpflichtet. Es ist offen, ob ein Anordnungsan-spruch besteht; die Interessenabwägung geht für den Zeitraum 01.01. bis 15.02.2017 zu-gunsten des Antragstellers aus.

aa) Nach dem seit 29.12.2016 geltenden § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII werden Hilfebedürf-tigen Ausländern, die dem Ausschluss des Satz 1 unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken (sog. Überbrückungsleistungen); die Zweijahresfrist beginnt mit dem Erhalt der Überbrückungsleis-tungen nach Satz 3. Darüber und über die Möglichkeit der Leistungen nach § 23 Abs. 3a SGB XII (Übernahme der Kosten für die Rückreise auf Antrag) sind die Leistungsberech-tigten zu unterrichten (§ 23 Abs. 3 Satz 4 SGB XII). Soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, werden gemäß § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII Leistungsberechtigten nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leis-tungen im Sinne von § 23 Abs. 1 SGB XII gewährt; ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund be-sonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeit-lich befristeten Bedarfslage geboten ist.

Auf Basis der im ER-Verfahren möglichen summarischen Prüfung ist offen, ob hier ein Anspruch auf Überbrückungsleistungen besteht, da v.a. offen ist, ob der Antragsteller überhaupt ausreisen möchte. Im Einzelnen sind die Voraussetzungen der Überbrückungs-leistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII noch ungeklärt. Zweifellos unterfällt der An-tragsteller dem Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII. Aufgrund von Wortlaut und Zweck sowie gesetzgeberischem Willen geht das Gericht davon aus, dass zusätzlich zumindest ein Ausreisewille und ggf. ein Ausreisetermin vorhanden sein müs-sen. Dies legt schon der Wortlaut "Überbrückungsleistung" nahe. Das Gesetz gewährt die Leistung ausdrücklich zu dem Zweck, den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken. Es geht also nicht darum, nach dem Herausfallen aus dem Leistungsbezug nach dem SGB II bzw. Feststellung, dass kein Leistungsanspruch nach dem SGB II / SGB XII besteht, noch für eine kurze Zeit Leistungen zu bekommen, sondern darum, die Möglichkeit für eine geordnete Ausreise zu schaffen. Für die Notwendigkeit eines entsprechenden Ausreisewil-lens und v.a. –termins spricht auch, dass das Gesetz die Überbrückungsleistung bis zum Ausreisetermin befristet; die Monatsfrist stellt eine zeitliche Obergrenze dar, die laut Ge-setzesbegründung der Vermeidung von Verwaltungsaufwand dient, und ist kein Regelleis-tungszeitraum. Auch aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass die Leistung im Hinblick auf die Ermöglichung einer Rückreise gewährt wird; denn der Gesetzgeber führt aus, dass ein Monat jedenfalls ausreichen wird, um innerhalb der EU eine angemessene Rückreisemöglichkeit zu finden (BT-Drucks 18/10211). Damit wird deutlich, dass die Überbrückungshilfe nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII einen Ausreisetermin bzw. jedenfalls –willen voraussetzt. Ansonsten gibt es keinen Zeitraum, der überbrückt werden könnte. Es steht Leistungsberechtigten, die – wie ggf. der Antragsteller – weiterhin ein Aufent-haltsrecht aufgrund Arbeitsuche haben, frei, sich länger hier aufzuhalten und nicht auszu-reisen. In diesem Fall wäre eine Überbrückungsleistung vom Leistungszweck her nicht an-gemessen.

Ob § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII auszulegen ist wie das Gericht annimmt, und ob der An-tragsteller bei Kenntnis der Sachlage ausreisen würde, ist offen. Damit ist auch ein Anordnungsanspruch derzeit offen.

bb) Die dann erforderliche Interessenabwägung führt aufgrund der Besonderheiten des Falls dazu, dass der Beigeladene gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3, 5 und 6 SGB XII für den Zeitraum 01.01.2017 bis 15.02.2017 zur Erbringung von Überbrückungsleistungen in Höhe von monatlich 152,66 Euro (für Februar anteilig) sowie der nachgewiesenen Kosten der Unterkunft und Heizung vorläufig verpflichtet wird.

Berücksichtigt wird dabei zugunsten des Antragstellers, dass die nach § 23 Abs. 3 Satz 4 SGB XII vorgesehene Unterrichtung über die erst zum 29.12.2016 geschaffene Möglichkeit der Überbrückungsleistung und der Übernahme der Rückfahrkosten noch nicht erfolgt ist. Aufgrund der Bewilligungen in der Vergangenheit hat der Antragsteller sicherlich – verständlicherweise - mit einer Weitergewährung von existenzsichernden Leistungen ge-rechnet. Unter diesen Umständen und bei Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Rechts auf Existenzsicherung aus Art. 1 Abs. 1 GG überwiegen die Interessen des An-tragstellers, jedenfalls für Januar 2017 und für 01. bis 15.2.2017 die unerlässlichen Leistungen – wie sie in § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB XII definiert sind – zu erhalten. Der Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 SGB XII basiert auf der Maxime, dass eine Ausreise für EU-Bürger grundsätzlich möglich ist und dass der Heimatstaat für die soziale Mindestsicherung seiner Staatsangehörigen aufkommen muss. Diese Erwägung, die zur Überzeugung des Gerichts des Ausschluss verfassungsrechtlich trägt (vgl. 3.), greift aber nicht, wenn dem Antragsteller das Fehlen eines Leistungsanspruchs und die Notwendigkeit, sich um eine Heimreise zu kümmern, nicht bekannt sind und aufgrund der vorherigen Bewilligungen auch nicht bekannt sein musste. In diesem Fall erscheint es auch verfassungsrechtlich geboten, übergangsweise gemäß § 23 Abs. 3 Satz 3 und 6 SGB XII das existenziell Notwendige für den Januar (für den die Heimreise ja nicht mehr nachgeholt werden kann) und jedenfalls für zwei Wochen im Februar zu gewähren (vgl. auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25.1.2016 – L 11 AS 567/16 B ER).

Das Gericht geht davon aus, dass zwei Wochen ab Erhalt des Beschlusses zunächst zur Prüfung einer Ausreise und Festlegung eines Ausreisetermins, bis zu dem dann ggf. noch Überbrückungsleistungen zu erbringen wären, ausreichen. Eine längere Frist erscheint dem Gericht nicht geboten. Insbesondere ist hier nicht glaubhaft gemacht, dass aufgrund der bevorstehenden Augen-Operation eine Ausreise derzeit unmöglich wäre. Zwar hat der Antragsteller Unterlagen zur bevorstehenden Augenoperation vorgelegt. Diese ist jedoch bereit seit Anfang des Jahres geplant (vgl. E-Mail des Antragstellers vom 01.01.2017), weshalb es nicht glaubhaft ist, dass diese Operation akut ist. Dies gilt v.a. angesichts der Tatsache, dass der Antragsteller die für 09.02.2016 geplante Operation in D-Stadt ausweislich des Überweisungsscheins vom 30.01.2017 wohl nicht durchführen lassen möchte, weil er lieber an der LMU behandelt werden möchte.

Die Höhe der Leistung orientiert sich an § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB XII. Der Bedarf für Ernährung sowie Körper- und Gesundheitspflege beträgt nach dem seit 01.01.2017 gelten-den Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016 (BGBl. I S. 3159) monatlich 137,66 Euro und 15 Euro, also insgesamt 152,66 Euro. Ob für den Antragsteller derzeit Kosten der Unterkunft und Heizung anfallen ist offen; auf die Tenorierung einer bestimmten Höhe wird daher verzichtet. Das Gericht geht aufgrund des zuvor gesagten davon aus, dass es sich bei der ggf. für Februar 2017 geplanten Augenoperation nicht um eine zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände iSv § 23 Abs. 3 erforderliche Behandlung handelt; wenn eine OP bereits seit mehreren Wochen geplant ist und derzeit wieder in Frage gestellt wird, ist nicht glaubhaft, dass sie akut ist. Eine entsprechende Tenorierung erfolgt daher nicht; soweit noch Gesundheitskosten iSv § 23 Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 SGB XII anfallen wäre dies aber von den Überbrückungsleistungen erfasst; sollte dies streitig sein, müsste ein Antrag auf Abänderung dieses Beschlusses gestellt werden (§ 86b Abs. 1 Satz 4 SGG analog).

3. Zur Überzeugung des Gerichts verstößt der Ausschluss von Ausländern, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, von Leistungen der Grund-sicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und – mit Ausnahme der § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII - von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII nicht gegen das auch für Ausländer greifende ( vgl. (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11) Grundrecht auf Sicherung eines Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG.

Aus der Menschwürde kann nicht abgeleitet werden, dass ein Gemeinwesen ausnahmslos jeden Aufenthalt eines EU-Ausländers durch laufende Leistungen zu alimentieren hat (LSG Niedersachsen-Bremen vom 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER; BayLSG, Be-schluss vom 13.10.2015 – L 16 AS 612/15 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.06.2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.02.2016 - L 3 AS 668/15 B ER und vom 05.11.2015 – L 3 AS 479/15 B ER; LSG Sach-sen-Anhalt, Beschluss vom 27.05.2015 – L 2 AS 256/15 B ER und vom 04.02.2015 - L 2 AS 14/15 B ER; aA BSG Urteil vom 20.01.2016 - B 14 AS 35/15 R; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 15.01.2016 - L 28 AS 3053/15 B ER und vom 21.12.2015 – L 25 AS 3035/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.11.2015 – L 6 AS 1583/15 B ER, Coseriu, in: jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 23 – Stand 13.07.2016 – Rn. 63.4; vgl. auch Vorlagebeschluss des SG Mainz vom 18.04.2016 - S 3 AS 149/16). Auch die europarechtliche Regelungssystematik geht davon aus, dass Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sich zwar zur Arbeit oder Arbeitsuche in einen anderen Staat begeben können. Zuständig für die materielle Absicherung in Notlagen Arbeitsuchender und sons-tiger Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, bleibt jedoch der Herkunftsstaat (vgl. Art. 7 Abs. 1 a) und b) und Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parla-ments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Fami-lienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhal-ten).

Hier hat der Antragsteller von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht und hielt sich aufgrund seiner autonomen Entscheidung jedenfalls seit Juni 2014 in Deutschland auf. Es steht ihm jederzeit frei, nach Bulgarien zurückzukehren. Gründe, warum eine Rückkehr unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, sind nicht glaubhaft gemacht. Ins-besondere erscheint nicht glaubhaft, dass der Antragsteller aufgrund der allein glaubhaft gemachten Regenbogenhautentzündung nicht nach Bulgarien reisen könnte. Hierin un-terscheidet sich die Situation des Antragstellers grundlegend von der Situation der in den Anwendungsbereich des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) fallenden Asylsu-chenden.

Das zum Lebensunterhalt Unerlässliche bis zur Ausreise sowie die Kosten der Heimfahrt sind durch § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII gesichert. Eine verfassungsrechtliche Verpflich-tung, die freie Entscheidung des Antragstellers zu unterstützen, ggf. ohne Leistungen der Existenzsicherung in Deutschland zu verbleiben, sieht das Gericht nicht (vgl. zur Proble-matik in Bezug auf Bulgarien auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 25.11.2016 – L 11 AS 567/16 B ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass das Begehren des Antragstellers nach vorläufiger Verpflichtung zur Weiterbewilligung von Leistungen nicht erfolgreich war.
Rechtskraft
Aus
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